Verfahrensgang
OLG Dresden (Entscheidung vom 16.03.2023; Aktenzeichen 5a U 2163/22) |
LG Dresden (Entscheidung vom 05.10.2022; Aktenzeichen 4 O 2938/21) |
Tenor
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gewährt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5a. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. März 2023 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 30.000 €.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Seine Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der fristgemäß eingelegten Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht. Innerhalb der bis zum 31. August 2023 verlängerten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist eine Begründung nicht eingegangen. Eingehend (unvollständig) am 18. September 2023 und (vollständig) am 19. September 2023 hat der Kläger die Beschwerde begründet und zugleich beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren. Zur Begründung dieses Antrags hat er im Wesentlichen vorgetragen, seine Prozessbevollmächtigte habe den Begründungsschriftsatz am Tag des Fristablaufs von dem in ihrem Arbeitszimmer in der Kanzlei stehenden Rechner per beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) versehentlich nicht an den Bundesgerichtshof, sondern an ihr eigenes Postfach versendet. Der Vorgang sei als „erfolgreich“ bestätigt worden. Die Prozessbevollmächtigte habe das Sendeprotokoll auf dem im Sekretariat stehenden Drucker ausgedruckt und die dort anwesende Mitarbeiterin um Prüfung auf Richtigkeit und Vollständigkeit gebeten. Entsprechend einer allgemein erteilten Weisung habe die Mitarbeiterin unter anderem geprüft, ob als Empfänger der Bundesgerichtshof aufgeführt gewesen sei. Sie habe übersehen, dass dies nicht der Fall gewesen sei, und die Frist gestrichen.
II.
Rz. 3
Dem Kläger war Wiedereinsetzung zu gewähren.
Rz. 4
Er war ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist verhindert, § 233 ZPO. Zwar ist ihm das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten bei der Versendung des Schriftsatzes gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Jedoch steht ein solches Verschulden einer Wiedereinsetzung ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung (hier: Kontrolle der Versendung an den richtigen Adressaten vor der Fristlöschung) Vorsorge dafür getroffen wurde, dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist - trotz des Versehens des Rechtsanwalts - mit Sicherheit gewahrt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1984 - IVb ZB 103/84, NJW 1985, 1226; Beschluss vom 15. Februar 2006 - XII ZB 215/05, NJW 2006, 1205 Rn. 8 f.; Beschluss vom 28. Januar 2021 - III ZB 86/19, NJW-RR 2021, 503 Rn. 10). Da die Fristen- und Ausgangskontrolle, die ein Rechtsanwalt in zulässiger Weise seinen Büroangestellten übertragen darf (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2012 - XII ZB 528/11, NJW-RR 2013, 304 Rn. 10; Beschluss vom 22. November 2022 - XI ZB 13/22, NJW 2023, 1224 Rn. 10 ff. mwN), gerade der Vermeidung eines erfahrungsgemäß nicht gänzlich ausschließbaren Anwaltsversehens dient, ist bei einem Versagen dieser Kontrolle ein Rückgriff auf ein Anwaltsversehen im Zusammenhang mit der Versendung ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95, NJW 1996, 998, 999; Beschluss vom 12. Dezember 1984, aaO; Beschluss vom 15. Juli 2014 - VI ZB 15/14, NJW 2014, 2961 Rn. 9; Beschluss vom 28. Januar 2021, aaO; vgl. auch BVerfG NJW 1996, 309 f.). Dass eine solche ausreichende Ausgangskontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers bestand, ist glaubhaft gemacht.
III.
Rz. 5
Die Nichtzulassungsbeschwerde war zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Rz. 6
Insbesondere ist die Entscheidungserheblichkeit der von der Nichtzulassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Divergenz aufgeworfenen Rechtsfragen nicht hinreichend dargetan. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV selbständig tragend darauf gestützt, der Kläger habe ein Verschulden der Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt insoweit einen durchgreifenden Zulassungsgrund nicht dar. Die geltend gemachte Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
C. Fischer |
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Krüger |
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Götz |
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Vogt-Beheim |
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Katzenstein |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16256656 |