Leitsatz (amtlich)
Bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks obliegen dem Versteigerungsgericht grundsätzlich keine Amtspflichten gegenüber dem Zedenten eines zur Sicherheit an den Vollstreckungsgläubiger abgetretenen Grundpfandrechts.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin zu 1 gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. Juli 2000 – 9 U 1646/99 – wird nicht angenommen.
Die Klägerin zu 1 hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen einer angeblichen Amtspflichtverletzung des Rechtspflegers bei der Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens. Die Klägerin war Inhaberin einer ihr zur Sicherheit abgetretenen ursprünglichen Gesamt-Eigentümergrundschuld über 10 Mio. DM an drei wirtschaftlich zusammengehörenden Grundstücken. Zur Absicherung eines von ihr aufgenommenen Darlehens trat sie die Grundschuld weiter an die kreditgebende Bank ab, die später aus einem vorrangigen Grundpfandrecht von nominal 14 Mio. DM die Zwangsversteigerung der Grundstücke betrieb. Der aufgrund des ersten Versteigerungstermins für ein Gesamtgebot von 25 Mio. DM erteilte Zuschlag wurde auf sofortige Beschwerde der Schuldnerin rechtskräftig aufgehoben und der Zuschlag versagt, weil der Rechtspfleger die Bieterstunde für die Einzel- und Gesamtausgebote nicht gleichzeitig geschlossen hatte (LG Berlin RPfleger 1995, 80). In einem zweiten Versteigerungstermin wurden die Grundstücke für nur noch 19,5 Mio. DM zugeschlagen. Da dieser Erlös zur Tilgung der Darlehensschuld der Klägerin nicht ausreichte, nahm die Bank sie persönlich auf Ausgleich des Restbetrags in Anspruch und erlangte in einem Vorprozeß ein rechtskräftiges Urteil auf Zahlung von rund 3.164.000 DM nebst Zinsen. Die nunmehr erhobene Amtshaftungsklage der Klägerin ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Schadensersatzanspruch weiter.
II.
Eine Annahme der Revision ist nicht geboten. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 554 b ZPO; BVerfGE 54, 277).
1. Der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB, Art. 34 GG) scheitert, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, jedenfalls daran, daß dem Versteigerungsgericht keine Amtspflichten gegenüber der Klägerin oblagen, sie also insoweit nicht durch § 839 BGB geschützte „Dritte” war.
a) Die Frage, ob im Einzelfall der Geschädigte zu dem Kreis der „Dritten” im Sinne des § 839 BGB gehört, beantwortet sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts ergibt, daß der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig auswirkt, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muß mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten” bestehen (BGHZ 110, 1, 9; 134, 268, 276; 137, 11, 15; s. auch Senatsurteil vom 1. Februar 2001 – III ZR 193/99 – WM 2001, 872, 873, für BGHZ bestimmt).
b) In den Schutzbereich der bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks bestehenden Amtspflichten haben das Reichsgericht und der Senat neben den nach § 9 ZVG am Verfahren förmlich Beteiligten (vgl. zum Vollstreckungsschuldner zuletzt Senatsurteil vom 23. März 2000 – III ZR 152/99 – NJW 2000, 3358, 3359) zwar auch die Bieter (Senatsurteil vom 21. März 1991 – III ZR 118/89 – NJW 1991, 2759, 2760) und insbesondere den Meistbietenden einbezogen (RGZ 129, 23, 25 f.; 154, 397, 398 f.; RG HRR 1932 Nr. 1835 und 1836; Senatsurteil vom 21. April 1958 – III ZR 218/56 – VersR 1958, 384, 385; s. auch Senatsurteil vom 2. Oktober 1986 – III ZR 93/85 – VersR 1987, 256, 257 = WM 1987, 52, 53; bei dem vom Berufungsgericht und auch in der Literatur [Soergel/Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839 Rn. 179] erwähnten „Nichtbietenden” dürfte es sich hingegen um einen Druckfehler beim Abdruck der Entscheidung RG HRR 1932 Nr. 1836 handeln). Das beruht aber wesentlich auf der Erwägung, daß der Meistbietende durch das Zwangsversteigerungsgesetz gleichfalls mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Hieran fehlt es bei einem nur schuldrechtlich zum Vollstreckungsgläubiger in Beziehung Stehenden und durch das Vollstreckungsverfahren lediglich mittelbar Betroffenen. Aus diesem Grunde hat das Reichsgericht in einem Fall, in dem sich der Geschädigte gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger für eine Darlehensschuld verbürgt und der Hauptschuldner dem Gläubiger zur weiteren Sicherheit eine Hypothek verpfändet hatte, dem Bürgen den Schutz des § 839 BGB versagt (RGZ 151, 175, 177 ff.; ebenso bereits RGZ 138, 209, 210 hinsichtlich einer Ausfallbürgschaft; vgl. ferner zur Mobiliarvollstreckung RGZ 140, 43, 45; 147, 142, 143; 151, 109, 113). Bei der Sicherungsabtretung eines auf dem später zwangsversteigerten Grundstück lastenden Grundpfandrechts verhält es sich nicht entscheidend anders. Ungeachtet der fiduziarischen Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bestehen zwischen beiden grundsätzlich ebenfalls nur schuldrechtliche Beziehungen, während nach außen der Sicherungsnehmer alleiniger Rechtsinhaber ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Rechtsprechung der treuhänderischen Bindung des Sicherungsnehmers in einzelnen Beziehungen Außenwirkung zuerkennt, dem Sicherungsgeber beispielsweise ein Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO bei einer Zwangsvollstreckung in das Sicherungsgut einräumt (vgl. BGHZ 72, 141, 143 ff.). Am Verfahren zur Zwangsversteigerung des Grundstücks nimmt als Hypotheken- oder Grundschuldgläubiger allein der Sicherungsnehmer teil. Schon aus der prozessualen Natur der dem Versteigerungsgericht obliegenden Amtspflichten ergibt sich aber, daß dessen Verpflichtung zur gesetzmäßigen Abwicklung des Versteigerungsverfahrens sich in aller Regel auf die unmittelbar an diesem Verfahren beteiligten Personen beschränkt, denen hierbei auch bestimmte prozessuale Rechte zustehen, hingegen nicht auf Außenstehende und nur mittelbar schuldrechtlich vom Verfahren Betroffene.
2. Auch im übrigen läßt die angefochtene Entscheidung keine durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Kapsa, Dörr, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 634752 |
BGHR 2001, 869 |
BGHR |
BauR 2001, 1805 |
NJW-RR 2002, 124 |
KTS 2002, 187 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1711 |
WuB 2001, 1323 |
ZfIR 2001, 777 |
InVo 2001, 417 |
MDR 2001, 1351 |
Rpfleger 2001, 609 |
VersR 2002, 60 |
DVBl. 2001, 1778 |
ZNotP 2001, 404 |