Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewerbung um Notarsstelle als höchstpersönliche Angelegenheit. Aufteilung der Verantwortungsbereiche in einer Rechtsanwaltskanzlei
Leitsatz (amtlich)
Die Bewerbung um eine ausgeschriebene Notarstelle ist eine höchstpersönliche Angelegenheit, weshalb die zu § 32 Abs. 1 Satz 2 VwVfG und § 85 Abs. 2 ZPO entwickelten Grundsätze über die Aufteilung der Verantwortungsbereiche zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Büropersonal nicht ohne Weiteres entsprechend anwendbar sind, wenn der Bewerber Rechtsanwalt ist und die Bewerbung über seine Kanzlei betreibt.
Normenkette
BNotO § 6b Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Notarsenats des OLG Frankfurt vom 12.6.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Geschäftswert: 50.000 EUR
Gründe
I.
[1] Der Antragsgegner schrieb in seinem Justizministerialblatt vom 1.7.2006 eine Notarstelle in der Gemeinde N. (Amtsgerichtsbezirk G.) aus. Die festgesetzte Bewerbungsfrist lief bis zum 14.8.2006.
[2] Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, in dessen Sozietät auch ein Anwaltsnotar tätig ist, reichte mit Schreiben vom 21.8.2006 seine Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle ein. Zugleich beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Bewerbungsfrist. Zur Begründung führte er aus, die seit vielen Jahren in der Kanzlei beschäftigte und stets äußerst zuverlässig arbeitende, langjährig erfahrene Büroleiterin des Notariats habe es entgegen der bestehenden Weisung und der stets geübten Praxis unterlassen, ihm das Justizministerialblatt als seinerzeitigem Vertreter des in der Kanzlei tätigen Notars K. vorzulegen und in den Umlauf bei allen Sachbearbeitern des Büros zu geben. Erst am 15.8.2006 habe er zufällig von der Ausschreibung erfahren.
[3] Der Präsident des OLG Frankfurt, der den Antragsgegner vertrat, teilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 22.2.2007 mit, seine Bewerbung auf die Notarstelle könne keine Berücksichtigung finden, da sie nicht innerhalb der in der Ausschreibung gesetzten Frist bis zum 14.8.2006 bei dem zuständigen Präsidenten des LG eingereicht worden sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden, da ihm, dem Antragsteller, hätte auffallen müssen, dass ihm das Justizministerialblatt vom 1.7.2006 nicht vorgelegt worden sei. Überdies sei er nicht der punkt- und damit leistungsstärkste Bewerber. Dies sei vielmehr der weitere Beteiligte R., an den die Stelle übertragen werden solle.
[4] Den gegen diesen Bescheid vom Antragsteller erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen richtet die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
[5] Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
[6] 1. Das OLG ist der Rechtsauffassung des Antragsgegners beigetreten. Dieser habe mit Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der versäumten Bewerbungsfrist abgelehnt. Der Antragsteller habe, nachdem ihm das Justizministerialblatt entgegen der Weisung und der Übung in der Kanzlei nicht vorgelegt worden sei, selbst aktiv werden und sich um dessen Verbleib kümmern müssen. Hätte er dies getan, hätte er die Bewerbungsfrist einhalten können.
[7] 2. Dem pflichtet der Senat bei.
[8] a) Zu Recht hat der Antragsgegner die Bewerbung des Antragstellers unberücksichtigt gelassen, weil sie nicht innerhalb der in der Ausschreibung gesetzten Frist eingereicht worden war (§ 6b Abs. 2 BNotO).
[9] b) Dem Antragsteller war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 6b Abs. 3 Satz 1 BNotO) zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Bewerber ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einreichung der Bewerbung einzuhalten. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, sind die Maßstäbe des § 32 VwVfG entsprechend anzuwenden (Schmitz-Valckenberg in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 2. Aufl., § 6b BNotO Rz. 7). Ein Verschulden liegt danach vor, wenn der Bewerber die nach objektiven Maßstäben gebotene Sorgfalt nicht eingehalten hat und ihm nach den Umständen des Falles die Einhaltung der Frist zumutbar gewesen wäre (z.B.: Schmitz-Valckenberg, a.a.O., Rz. 8; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 32 Rz. 20), wobei keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (z.B.: BVerfG NJW 1995, 249). Zutreffend sind der Antragsgegner und das OLG davon ausgegangen, dass die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände, die zur Versäumung der Bewerbungsfrist geführt haben, nicht geeignet sind, ein ihm anzulastendes Verschulden auszuräumen.
[10] aa) Die u.a. zu § 32 Abs. 1 Satz 2 VwVfG und § 85 Abs. 2 ZPO entwickelten Grundsätze über die Aufteilung der Verantwortungsbereiche zwischen einem Rechtsanwalt, dessen Verschulden dem seines Mandanten gleich steht, und dem des anwaltlichen Büropersonals, dessen Verschulden dem Mandanten nicht zuzurechnen ist (s. hierzu z.B.: Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rz. 37 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 85 Rz. 20; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rz. 20, 23 Stichwort Büropersonal und -organisation), sind auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Die Fristversäumung ist nicht bei der Wahrnehmung eines Fremdmandats unterlaufen, sondern in einer eigenen Angelegenheit des Anwalts, die mit seiner beruflichen Tätigkeit in der Kanzlei unmittelbar nichts zu tun hatte. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Abgabe der Bewerbung um eine höchstpersönliche Angelegenheit des Interessenten handelt (Schmitz-Valckenberg, a.a.O.), ist der Rechtsanwalt in derartigen Fällen verpflichtet, sich selbst Gewissheit zu verschaffen, ob eine für ihn in Betracht kommende Notarstelle ausgeschrieben worden ist.
[11] bb) Aber selbst unter Anwendung der zu § 85 Abs. 2 ZPO und § 32 Abs. 1 Satz 2 VwVfG entwickelten Kriterien zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche wäre ein Verschulden des Antragstellers festzustellen. Jedenfalls hätte er, nachdem die Vorlage des Justizministerialblatts geraume Zeit nach seinem Erscheinen unterblieben war, sich dieses selbst heranziehen müssen. Hätte der Antragsteller rechtzeitig gehandelt, hätte er die Bewerbung noch innerhalb der gesetzten Frist bei der zuständigen Stelle des Antragsgegners einreichen können.
[12] (1) Ein Rechtsanwalt darf sich zwar grundsätzlich darauf verlassen, dass klare Anweisungen, deren Erledigung - wie hier die Vorlage des Justizministerialblatts - keine besonderen Schwierigkeiten erkennen lassen, ausgeführt werden. Er braucht ohne besonderen Anlass nicht nachzufragen und im Einzelfall zu überwachen, ob seine Direktiven eingehalten werden (z.B. BVerfG NJW 1995, 249, 250; BGH, Beschl. v. 27.11.1990 - VI ZB 22/09, NJW 1991, 1179). Ist jedoch für den Rechtsanwalt bei gehöriger Aufmerksamkeit und Sorgfalt erkennbar, dass seinem Büropersonal im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises Fehler unterlaufen sind und es Anweisungen nicht beachtet hat, muss der Rechtsanwalt selbst tätig werden und für die ordnungsgemäße Erfüllung der betreffenden Aufgabe Sorge tragen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.1973 - IX ZR 171/72, VersR 1973, 1144, 1145; OLG Oldenburg NJW 2007, 1698; ferner auch LAG Hamm, Urt. v. 15.2.2007 - 17 Sa 1621/06 - juris Rz. 56). So liegt der Fall hier.
[13] Dem Antragsteller hätte auffallen müssen, dass die Vorlage der Ausgabe des Hessischen Justizministerialblatts vom 1.7.2006 entgegen der angewiesenen und ansonsten auch üblichen Praxis nicht erfolgt war. Offen bleiben kann hierbei, ob einem Rechtsanwalt das Ausbleiben derartiger Publikationen im Drange der sonstigen Geschäfte stets auffallen muss. Jedenfalls hätte der Antragsteller aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls bemerken müssen, dass ihm im Juli 2006 das Justizministerialblatt nicht vorgelegt worden war. Der Antragsteller wusste, hätte aber jedenfalls wissen müssen, dass Notarstellen im Hessischen Justizministerialblatt ausgeschrieben werden, und zwar insb. in der jeweils im Juli eines jeden Jahres erscheinenden Ausgabe. Da er sich für eine Tätigkeit als Notar interessierte, war die Kenntnis der Ausschreibungen von herausragender Bedeutung für seine berufliche Weiterentwicklung und damit für seinen Lebensweg. Aufgrund dieser Bedeutung für seine eigenen Angelegenheiten hätte der Antragsteller der Vorlage des Justizministerialblatts besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen.
[14] Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Antragsteller, wie er in der Beschwerde geltend macht, wegen der konkreten lokalen Versorgung mit Notaren im Bezirk des AG Groß-Gerau, aufgrund der Diskussion um die baldige Einführung des sog. Notarexamens und der mehrjährigen Vakanz der Notarstelle in Nauheim nicht mit deren Ausschreibung im Juli 2006 rechnete. Hierauf durfte er nicht vertrauen. Diese Umstände können keine Verlässlichkeitsgrundlage dafür bilden, dass die Ausschreibung der hier in Rede stehenden Notarstelle im Juli 2006 auch tatsächlich unterblieb. Da die Entscheidung der Landesjustizverwaltung, ob und wann sie Notarstellen ausschreibt, von einer Vielzahl von für den Außenstehenden zuverlässig nicht überschaubaren Faktoren abhängt (z.B. Entwicklung des Urkundsaufkommens, Änderung der notwendigen Urkundenzahl pro Stelle, Altersstruktur der Notare, örtliche Verteilung vakanter und vakant werdender Notarstellen, strukturpolitische Vorgaben), konnten die vom Antragsteller hervorgehobenen Tatsachen allenfalls die Basis für eine einigermaßen plausible Spekulation darstellen, nicht jedoch eine verlässliche Vertrauensgrundlage schaffen.
[15] (2) Dem OLG ist darin beizupflichten, dass der Antragsteller hiernach sich spätestens Anfang August 2006 das Justizministerialblatt vom 1.7.2006 selbst hätte beschaffen müssen und dass er in diesem Fall die Bewerbungsfrist noch hätte einhalten können.
Fundstellen
NJW 2008, 924 |
BGHR 2008, 260 |
EBE/BGH 2008 |
ZAP 2008, 309 |
DNotZ 2008, 554 |
NJW-Spezial 2008, 127 |
ZNotP 2008, 87 |