Leitsatz (amtlich)
a) Auch wenn das Widerspruchsverfahren Teil des Eintragungsverfahrens ist, kann die Rechtskraft einer im Eintragungsverfahren ergangenen Entscheidung schon mangels Parteiidentität einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren nicht entgegenstehen. Das Eintragungsverfahren gem. §§ 36, 37 MarkenG und das Widerspruchsverfahren gem. § 42 MarkenG betreffen zudem unterschiedliche Streitgegenstände.
b) Der durch das Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (Olympia-Schutzgesetz) begründete Sonderschutz innerhalb des Kennzeichenrechts schließt einen daneben bestehenden und über dieses Sonderrecht hinausgehenden Schutz für olympische Bezeichnungen, die Markenschutz genießen, nicht aus. Das Olympia-Schutzgesetz steht mit dem Markengesetz in echter Anspruchskonkurrenz.
c) Für die Frage der unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG kann auch auf die Rechtsprechung zum Olympia-Schutzgesetz zurückgegriffen werden. Dabei ist jedoch der gegenüber dem Markenrecht eingeschränkte Schutz des Olympia-Schutzgesetzes zu berücksichtigen. Bei der Prüfung der Ausnutzung der Wertschätzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG darf es deshalb nicht bei einem Rückgriff auf die Rechtsprechung zum Olympia-Schutzgesetz bleiben, sondern muss der einen weitergehenden Schutz vermittelnde § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG selbständig geprüft werden.
Normenkette
MarkenG § 9 Abs. 1 Nrn. 2-3, §§ 36-37, 42; OlympSchG § 3
Verfahrensgang
BPatG (Beschluss vom 17.01.2020; Aktenzeichen 27 W (pat) 115/16) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Widersprechenden wird der am 17.1.2020 an Verkündungs Statt zugestellte Beschluss des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
A. Der Rechtsvorgänger des Markeninhabers hat am 18.2.2012 die Wort-Bild-Marke für folgende Waren der Klasse 28 und Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 zur Eintragung als farbige Wort-Bild-Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet:
Klasse 28: Spiele und Sportartikel;
Klasse 35: Werbung;
Klasse 41: sportliche und kulturelle Aktivitäten.
Rz. 2
Die Anmeldung ist mit Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25.6.2013 zurückgewiesen worden. Das BPatG hat diesen Beschluss auf die Beschwerde des Rechtsvorgängers des Markeninhabers aufgehoben (BPatG, Beschl. v. 17.6.2014 - 27 W [pat] 547/13, juris). Das angemeldete Zeichen ist am 16.9.2014 unter der Nr. 30 2012 015 602 eingetragen und die Eintragung ist am 17.10.2014 veröffentlicht worden. Am 12.5.2016 ist die Marke auf den Markeninhaber umgeschrieben worden.
Rz. 3
Gegen die Eintragung hat der Widersprechende am Montag, dem 19.1.2015, aus der am 8.11.2011 für (u.a.) die nachfolgenden Waren der Klasse 28 und Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 international registrierten Wortmarke "OLYMPIC" (IR 1 128 501), die für die Europäische Union Schutz genießt, Widerspruch erhoben:
Klasse 28: Games, toys; gymnastics and sporting articles not included in other classes; ...
Klasse 35: Advertising; ...
Klasse 41: Educational services; providing of training; entertainment; sporting and cultural activities, televised sporting and cultural entertainment; ...
Rz. 4
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Widerspruch mit Beschluss vom 3.5.2016 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Widersprechenden ist ohne Erfolg geblieben (BPatG GRUR 2020, 537). Mit der vom BPatG zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Markeninhaber beantragt, verfolgt der Widersprechende sein Löschungsbegehren weiter.
Rz. 5
B. Das BPatG hat angenommen, dem Widersprechenden könne ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mit der Begründung abgesprochen werden, seine Rechtsposition werde durch das Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (Olympia-Schutzgesetz - OlympSchG) ausreichend berücksichtigt, so dass er sich daneben nicht auf einen Schutz nach dem Markenrecht berufen könne. Der Zulässigkeit der Beschwerde stehe auch nicht die Rechtskraft des Beschlusses vom 17.6.2014 entgegen.
Rz. 6
In der Sache bleibe die Beschwerde ohne Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Für die Widerspruchsmarke "OLYMPIC", die für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen über eine nur geringe originäre Kennzeichnungskraft verfüge, könne eine Steigerung auf eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung unterstellt werden. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichszeichen in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht ausreichend voneinander. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde auch nicht durch die in ihr enthaltene Buchstabenreihenfolge "OLYMPIC(S)" dergestalt geprägt, dass das Präfix "RETR(O)-" in den Hintergrund trete. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens bestehe ebenso wenig wie eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Die Löschung der angegriffenen Marke könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Sonderschutzes der bekannten Marke verlangt werden, wobei es nicht auf die Frage ankomme, ob es sich bei der Widerspruchsmarke um eine bekannte Marke handele.
Rz. 7
C. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg und führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das BPatG.
Rz. 8
I. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass diese auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfragen beschränkt ist (BGH, Beschl. v. 14.2.2019 - I ZB 34/17 GRUR 2019, 1058 Rz. 10 = WRP 2019, 1316 - KNEIPP, m.w.N.).
Rz. 9
II. Während des Beschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken mit Wirkung vom 14.1.2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht.
Rz. 10
1. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke am 18.2.2012 und damit zwischen dem 1.10.2009 und dem 14.1.2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch gem. § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14.1.2019 geltenden Fassung (MarkenG n.F.) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14.1.2019 geltenden Fassung (MarkenG a.F.) anzuwenden.
Rz. 11
Nach § 42 Abs. 1 MarkenG a.F. kann innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Marke gem. § 41 Abs. 2 MarkenG von dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung der Marke Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG a.F. darauf gestützt werden, dass die Marke wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 9 MarkenG gelöscht werden kann.
Rz. 12
Das nach § 42 Abs. 2 MarkenG a.F. auf Löschung der angegriffenen Marke gerichtete Widerspruchsverfahren hat das Ziel, einen bestehenden Störungszustand zu beseitigen. Der Löschungsgrund muss daher sowohl im Kollisionszeitpunkt, d.h. zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen jüngeren Marke, als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch vorliegen (BGH, GRUR 2019, 1058 Rz. 14 - KNEIPP).
Rz. 13
2. Die mit Wirkung ab dem 14.1.2019 in Kraft getretenen Änderungen des § 9 MarkenG sind für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung. Die seither geltende Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG stellt eine Anpassung der Vorschrift an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dar, mit der dieser den Bekanntheitsschutz nach Maßgabe der Richtlinie 89/104/EWG auf den Bereich ähnlicher Waren und Dienstleistungen ausgeweitet hatte (vgl. EuGH, Urt. v. 9.1.2003 - C-292/00, Slg. 2003, I-389 = GRUR 2003, 240 Rz. 30 - Davidoff [Davidoff/Durffee]). Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2015 - I ZR 78/14 GRUR 2015, 1201 Rz. 76 = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot). Die neu eingeführte Regelung in § 9 Abs. 3 MarkenG n.F. dient der Umsetzung von Art. 39 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2015/2436. Danach werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse der Nizza-Klassifikation erscheinen. Andererseits werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen. Dass Klasseneinteilungen keine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen zukommt, entspricht bereits der deutschen Rechtspraxis (BGH, GRUR 2019, 1058 Rz. 15 - KNEIPP, m.w.N.).
Rz. 14
III. Das BPatG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerde weder die Rechtskraft des Beschlusses vom 17.6.2014 (BPatG, Beschl. v. 17.6.2014 - 27 W [pat] 547/13, juris) (dazu C III 1) noch ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis des Widersprechenden (dazu C III 2) entgegensteht.
Rz. 15
1. Das Verfahrenshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten. Seine Prüfung setzt deshalb keine Verfahrensrüge voraus (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.1993 - I ZB 14/91, BGHZ 123, 30, 32 [juris Rz. 19] - Indorektal II; zum Revisionsverfahren vgl. BGH, Urt. v. 7.4.2011 - I ZR 34/09 GRUR 2011, 742 Rz. 13 = WRP 2011, 873 - Leistungspakete im Preisvergleich).
Rz. 16
a) Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Der Umfang der Rechtskraft wird dabei maßgeblich durch den Streitgegenstand bestimmt, über den das Gericht entschieden hat (BGH GRUR 2011, 742 Rz. 13 - Leistungspakete im Preisvergleich, m.w.N.). Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt das rechtskräftige Urteil grundsätzlich nur zwischen den Prozessparteien. Die Bestimmungen zur Rechtskraft von Urteilen gelten grundsätzlich entsprechend für formell rechtskräftige Beschlüsse, soweit diese Beschlüsse - wie hier - auch inhaltlich eine der Rechtskraft fähige Entscheidung enthalten (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2017 - I ZR 64/16, GRUR 2018, 219 Rz. 13 = WRP 2018, 217 - Rechtskraft des Zwangsmittelbeschlusses, m.w.N.).
Rz. 17
b) Die Rechtskraft des Beschlusses des BPatG vom 17.6.2014, mit dem im Eintragungsverfahren der die Anmeldung der angegriffenen Marke zurückweisende Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben worden ist, steht dem Widerspruchsverfahren nicht entgegen. Das Widerspruchsverfahren ist zwar Teil des Eintragungsverfahrens (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 42 Rz. 2; BeckOK.MarkenR/Draheim, 23. Edition [Stand 1.10.2020], § 42 MarkenG Rz. 2). Die Rechtskraft einer im - anfänglich einseitigen - Eintragungsverfahren ergangenen Entscheidung kann aber schon mangels Parteiidentität einer Entscheidung im - nachfolgend zweiseitigen - Widerspruchsverfahren nicht entgegenstehen. Der Widersprechende hat als am vorangegangenen Verfahren unbeteiligter Dritter im Widerspruchsverfahren erstmalig die Möglichkeit, seine Rechte gegen den Markeninhaber geltend zu machen (vgl. zum Verhältnis von Eintragungs- und Nichtigkeitsverfahren BPatG GRUR 2014, 1106, 1107 [juris Rz. 25]; BeckOK.MarkenR/Kopacek, a.a.O., § 53 MarkenG Rz. 82.1; Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 54 Rz. 18). Das Eintragungsverfahren gem. §§ 36, 37 MarkenG und das Widerspruchsverfahren gem. § 42 MarkenG betreffen zudem unterschiedliche Streitgegenstände. Im Eintragungsverfahren wird über die von Amts wegen zu berücksichtigenden absoluten Eintragungshindernisse der §§ 3, 8 und 10 MarkenG entschieden. Im Widerspruchsverfahren steht dagegen die Identität oder Ähnlichkeit konkreter Marken und Waren oder Dienstleistungen und damit das Bestehen von Verwechslungsgefahr zwischen kollidierenden Marken im Sinne der relativen Schutzhindernisse gem. § 9 MarkenG zur Entscheidung (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 41 MarkenG Rz. 15).
Rz. 18
2. Das Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls eine von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensvoraussetzung. Die Frage, ob für die Inanspruchnahme eines Gerichts ein rechtlich schutzwürdiges Interesse besteht, ist daher auch im Rechtsbeschwerdeverfahren unabhängig davon zu prüfen, ob die andere Partei eine entsprechende Rüge erhoben hat (vgl. BGHZ 123, 30, 32 [juris Rz. 19] - Indorektal II; BGH, Urt. v. 23.4.2020 - I ZR 85/19 GRUR 2020, 886 Rz. 19 = WRP 2020, 1017 - Preisänderungsregelung, m.w.N.).
Rz. 19
a) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt allgemein, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also die klagende oder das Rechtsmittel führende Partei unter keinen Umständen mit ihrem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Allerdings haben Rechtsuchende unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich einen Anspruch auf eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche Entscheidung durch das Gericht (vgl. BVerfGE 112, 185, 207 [juris Rz. 89] m.w.N.). Nur unter ganz besonderen Umständen kann ihnen der Zugang zu einer sachlichen Prüfung durch die Gerichte verwehrt werden (vgl. BGH GRUR 2020, 886 Rz. 20 - Preisänderungsregelung, m.w.N.).
Rz. 20
b) Solche besonderen, das Rechtsschutzbedürfnis ausschließenden Umstände hat das BPatG zutreffend abgelehnt. Dem Widersprechenden kann ein Rechtsschutzbedürfnis hier insb. nicht mit der Begründung abgesprochen werden, seine Rechtsposition werde ausreichend durch das Olympia-Schutzgesetz berücksichtigt, so dass er sich daneben nicht auf einen Schutz nach dem Markenrecht berufen könne. Der durch das Olympia-Schutzgesetz begründete Sonderschutz innerhalb des Kennzeichenrechts für olympische Bezeichnungen und Embleme (vgl. Knudsen, GRUR 2003, 750, 753) schließt einen daneben bestehenden und über dieses Sonderrecht hinausgehenden (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2019 - I ZR 225/17 GRUR 2019, 648 Rz. 14 = WRP 2019, 597 - Olympiareif) Schutz für olympische Bezeichnungen, die Markenschutz genießen, nicht aus. Das Olympia-Schutzgesetz steht mit dem Markengesetz in echter Anspruchskonkurrenz (Rieken, Der Schutz olympischer Symbole, 2008, S. 186; vgl. auch Kairies, WRP 2004, 297, 299, der das Olympia-Schutzgesetz als Ergänzung zu einem Markenschutz ansieht). Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist der Schutz der olympischen Bezeichnungen nach dem Olympia-Schutzgesetz zwar darauf beschränkt, einen den Zielen der Olympischen Bewegung zuwiderlaufenden Imagetransfer zu verhindern, und bleibt damit hinter einem markenrechtlichen Schutz zurück (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen, BT-Drucks. 15/1669, 1, 9; BGH GRUR 2019, 648 Rz. 15 und 43 - Olympiareif). Daraus folgt aber nicht, dass der Gesetzgeber den Schutz der olympischen Bezeichnungen und Embleme auch insoweit beschränken wollte, als diese Markenschutz genießen. Im Gegenteil stand hinter dem Erlass des Olympia-Schutzgesetzes die Intention des Gesetzgebers, die Lücken beim Schutz der olympischen Bezeichnungen zu schließen, die aufgrund des nach seiner Auffassung zweifelhaften Markenschutzes bestanden (vgl. BT-Drucks. 15/1669, 8; vgl. auch Kairies, WRP 2004, 298, 299; Rieken, Der Schutz olympischer Symbole, 2008, S. 145 und 186).
Rz. 21
Der Umstand, dass der Markeninhaber sich im Eintragungsverfahren zunächst gegen ein mögliches Eintragungshindernis mit Blick auf das Olympia-Schutzgesetz verteidigen muss und sich im Widerspruchsverfahren markenrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt sieht, die auf eine unter das Olympia-Schutzgesetz fallende Bezeichnung (vgl. § 3 Abs. 3 OlympSchG) gestützt sind, rechtfertigt es ebenfalls nicht, den durch die Eintragung erworbenen Markenschutz der Widerspruchsmarke zu beschränken.
Rz. 22
IV. Die Beurteilung des BPatG, zwischen der Widerspruchsmarke "OLYMPIC" und der angegriffenen Wort-Bild-Marke bestehe keine Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 23
1. Der Schutz der nach dem Protokoll zum Madrider Markenabkommen international registrierten Widerspruchsmarke erstreckt sich auf die Europäische Union. Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls zum Madrider Markenabkommen und Art. 189 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 über die Unionsmarke (UMV; früher Art. 151 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke - GMV) hat eine internationale Registrierung, in der die Europäische Union benannt ist, dieselbe Wirkung wie die Eintragung einer Marke als Unionsmarke. Die Anwendung des Markengesetzes folgt damit entgegen der Auffassung des BPatG nicht aus § 119 Abs. 1 MarkenG, der sich auf internationale Registrierungen von Marken nach dem Protokoll zum Madrider Markenabkommen bezieht, deren Schutz sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt. Die Anwendung des Markengesetzes ergibt sich vielmehr aus § 125b Nr. 1 MarkenG, der angemeldete oder eingetragene Unionsmarken mit älterem Zeitrang für die Anwendung des § 9 MarkenG den nach dem Markengesetz angemeldeten oder eingetragenen Marken mit älterem Zeitrang gleichstellt, jedoch mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Bekanntheit im Inland gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG die Bekanntheit in der Union gem. Art. 9 Abs. 2 Buchst. c UMV tritt. Unionsmarken können danach als relative Schutzhindernisse im Widerspruchsverfahren nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingewandt werden (vgl. BeckOK.MarkenR/Kutschke, a.a.O., § 125b MarkenG Rz. 2; zur Gemeinschaftsmarke vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 125b Rz. 6).
Rz. 24
2. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist - ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG - unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st.Rspr.; vgl. nur EuGH, Urt. v. 12.6.2019 - C-705/17, GRUR 2020, 52 Rz. 41 bis 43 = WRP 2019, 1563 - Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; BGH, Beschl. v. 9.7.2020 - I ZB 80/19 GRUR 2020, 1202 Rz. 19 = WRP 2020, 1453 - YO/YOOFOOD, m.w.N.). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insb. die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (BGH, Beschl. v. 6.2.2020 - I ZB 21/19 GRUR 2020, 870 Rz. 25 = WRP 2020, 1025 - INJEKT/INJEX; BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 19 - YO/YOOFOOD).
Rz. 25
3. Das BPatG hat angenommen, die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke begegneten sich in Verbindung mit identischen Waren und Dienstleistungen in den Klassen 28, 35 und 41. Das wird von der Rechtsbeschwerde als ihr günstig nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 26
4. Das BPatG hat weiter eine geringe originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke festgestellt, nachfolgend aber eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung unterstellt. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht um eine bloße Hilfsbegründung. Vielmehr beruht die angefochtene Entscheidung auf der unterstellten überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass die Rechtsbeschwerde gegen die Feststellung einer nur unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft keine Rügen erheben musste. Da das BPatG außerdem die Frage der Bekanntheit der Widerspruchsmarke offengelassen hat, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nur von überdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft, sondern auch von der Bekanntheit der Widerspruchsmarke i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 125b Nr. 1 MarkenG auszugehen.
Rz. 27
5. Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des BPatG, zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke bestehe keine hinreichende Zeichenähnlichkeit, die unter Berücksichtigung der Wechselwirkung mit der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke eine unmittelbare Verwechslungsgefahr begründen könnte. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Verwechslungsgefahr nicht abgelehnt werden.
Rz. 28
a) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit genügt dabei regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insb. ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH GRUR 2020, 52 Rz. 48 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 23 - YO/YOOFOOD).
Rz. 29
b) Das BPatG hat angenommen, die jüngere Marke halte den im Hinblick auf die Waren- und Dienstleistungsidentität erforderlichen großen Abstand auch bei Annahme einer durchschnittlichen oder gar überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichszeichen in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht ausreichend voneinander, weil der Wortbestandteil der angegriffenen Marke die zusätzliche Buchstabenreihenfolge "RETR-" am Anfang und den weiteren Buchstaben "-S" am Ende aufweise. Einer bildlichen Verwechslungsgefahr wirke zusätzlich das grafische Element entgegen. Die Vergleichsmarken seien durch diese zusätzlichen Bestandteile leicht auseinanderzuhalten. Das gelte - unabhängig davon, ob die stilisierte Darstellung des Feuers von den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf das olympische Feuer und damit auf die Olympischen Spiele verstanden werde - insb. auch in begrifflicher Hinsicht, weil das Präfix "RETR(O)-" der jüngeren Marke den Sinngehalt mitbestimme. Zudem weise die Feuerdarstellung grafische Eigenheiten auf, die nicht für die Darstellung des olympischen Feuers typisch seien. Der Gesamteindruck werde auch nicht durch die Buchstabenfolge "OLYMPIC(S)" geprägt. Die angegriffene Marke werde zwar von ihrem Wortbestandteil geprägt. Innerhalb des Wortes "RETROLYMPICS" komme aber der Buchstabenfolge "-OLYMPICS" keine prägende Bedeutung dergestalt zu, dass das Präfix "RETR(O)-" in den Hintergrund treten würde. Die Bezeichnung "RETROLYMPICS" werde als geschlossener Gesamtbegriff wahrgenommen und nicht gedanklich in die Bestandteile "RETR(O)-" und "-OLYMPICS" zergliedert, zumal sich die beiden Wortbestandteile den Buchstaben "O" teilten und ihrem Sinn nach aufeinander bezögen. Die unterschiedliche Breite der Buchstaben "RETR-" einerseits und "OLYMPICS" andererseits werde dem Verkehr kaum auffallen. Dieser werde dem Begriff "RETROLYMPICS" eine einheitliche Aussage im Sinne eines Hinweises auf in irgendeiner Art und Weise rückwärtsgerichtete sportliche Wettkämpfe entnehmen.
Rz. 30
c) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Recht gegen die Würdigung des grafischen Elements der angegriffenen Marke durch das BPatG. Ebenfalls mit Erfolg rügt sie die Beurteilung des BPatG als rechtsfehlerhaft, das angegriffene Zeichen werde nicht durch den Wortbestandteil "-OLYMPICS" geprägt.
Rz. 31
aa) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Beschreibende Bestandteile sind dabei nicht von vornherein und generell von der Beurteilung der Ähnlichkeit ausgenommen (EuGH GRUR 2020, 52 Rz. 49 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Das schließt es allerdings nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. EuGH, Urt. v. 12.6.2007 - C-334/05, Slg. 2007, I-4529 = GRUR 2007, 700 Rz. 41 - HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH, Beschl. v. 29.5.2008 - I ZB 54/05, GRUR 2008, 905 Rz. 26 = WRP 2008, 1349 - Pantohexal; BGH, GRUR 2019, 1058 Rz. 34 - KNEIPP; GRUR 2020, 1202 Rz. 26 - YO/YOOFOOD). Von diesen Maßstäben ist auch auszugehen, wenn es um die Beurteilung eines aus mehreren Bestandteilen zu einem Wort zusammengesetzten Zeichens geht (BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 26 - YO/YOOFOOD, m.w.N.). Für die Frage des prägenden Charakters eines Zeichenbestandteils kann auch von Bedeutung sein, ob dieser Bestandteil in Folge des Gebrauchs eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt hat, die bewirken kann, dass dem Zeichen vom Verkehr auch dann ein stärkerer Herkunftshinweis entnommen wird, wenn es ihm nicht isoliert, sondern als Bestandteil eines anderen Zeichens begegnet (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 122/00 GRUR 2003, 880, 881 [juris Rz. 13] = WRP 2003, 1228 - CityPlus; Urt. v. 5.2.2009 - I ZR 167/06 GRUR 2009, 484 Rz. 34 = WRP 2009, 606 - Metrobus). Die prägende Kennzeichnungskraft einzelner Bestandteile kann ferner darauf beruhen, dass ein Bestandteil den Verkehr an ein bekanntes oder sogar berühmtes Zeichen erinnert, das er deshalb in der anderen Kennzeichnung wiederzuerkennen glaubt (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.2005 - I ZB 40/03, GRUR 2006, 60 Rz. 19 = WRP 2006, 92 - coccodrillo). Diese Beurteilung des Gesamteindrucks liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet und kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob ihr ein unzutreffender Rechtsbegriff zugrunde liegt, sie gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt (vgl. BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 26 - YO/YOOFOOD, m.w.N.). Solche Rechtsfehler sind dem BPatG unterlaufen.
Rz. 32
bb) Die Rechtsbeschwerde rügt allerdings ohne Erfolg, ein Widerspruch liege darin, dass das BPatG auf das Bildelement verweise, um eine schriftbildliche Zeichenähnlichkeit zu verneinen, nachfolgend aber annehme, die jüngere Marke werde von ihrem Wortbestandteil geprägt, so dass der Bildbestandteil die Verwechslungsgefahr nicht ausschließen könne. Das BPatG ist davon ausgegangen, die angegriffene Marke werde in klanglicher Hinsicht von ihrem Wortbestandteil geprägt. Dem widerspricht die Annahme, das grafische Element eines stilisierten Feuers könne einer bildlichen Verwechslungsgefahr entgegenwirken, nicht; sie betrifft einen anderen Wahrnehmungsbereich.
Rz. 33
cc) Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde aber auf einen anderen Widerspruch bei der Würdigung des grafischen Elements durch das BPatG hin.
Rz. 34
(1) Bei der Beurteilung der begrifflichen Ähnlichkeit der Zeichen hat das BPatG offengelassen, ob die angesprochenen Verkehrskreise in dem grafischen Element einen Hinweis auf das olympische Feuer und damit die Olympischen Spiele sähen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist deshalb davon auszugehen, dass in dem grafischen Element ein solcher Hinweis gesehen wird.
Rz. 35
(2) Die Rechtsbeschwerde rügt in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, durch den Hinweis auf das olympische Feuer werde notwendigerweise die begriffliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen verstärkt. Damit setzt sie lediglich ihre eigene Würdigung gegen die des BPatG, das dem durch das Präfix "RETR(O)-" mitbestimmten Sinngehalt ein größeres Gewicht eingeräumt hat, ohne einen Rechtsfehler darzulegen.
Rz. 36
(3) Soweit das BPatG allerdings dem Bildelement der angegriffenen Marke bei der Beurteilung der begrifflichen Ähnlichkeit auch deswegen die Bedeutung abspricht, weil es grafische Eigenheiten aufweise, die nicht für die Darstellung des olympischen Feuers typisch seien, widerspricht diese Annahme der im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Verkehrsauffassung, die in dem grafischen Element einen Hinweis auf das olympische Feuer und damit die Olympischen Spiele sieht. Wenn dem so ist, kann es für die begriffliche Ähnlichkeit auf angebliche Unterschiede in der Darstellung nicht ankommen.
Rz. 37
dd) Die Rechtsbeschwerde wendet sich auch mit Erfolg gegen die Begründung des BPatG, der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde nicht durch die Buchstabenfolge "-OLYMPIC(S)" geprägt.
Rz. 38
(1) Das BPatG hat zwar mit Recht zunächst auf den Gesamteindruck des Wortbestandteils der angegriffenen Marke abgestellt. Seiner Würdigung, der Verkehr werde die Bezeichnung als geschlossenen Gesamtbegriff wahrnehmen und nicht gedanklich in die Bestandteile "RETR(O)-" und "- OLYMPICS" zergliedern, zumal sich die beiden Wortbestandteile den Buchstaben "O" teilten und sich ihrem Sinn nach aufeinander bezögen, liegt kein unzutreffender Rechtsbegriff zugrunde. Die Annahme eines Gesamtbegriffs mit neuem Bedeutungsgehalt (vgl. BGH, Beschl. v. 5.3.1998 - I ZB 28/95, GRUR 1998, 932, 933 [juris Rz. 26] = WRP 1998, 868 - MEISTERBRAND; BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 27 - YO/YOOFOOD, m.w.N.) verstößt auch nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze. Soweit die Rechtsbeschwerde dagegen einwendet, diese Würdigung sei abwegig, weil der Sinngehalt nur modifiziert werde und die Modifikation sich für den Verkehr erkennbar auf die übernommene bekannte Marke beziehe, wendet sie sich allein gegen die auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung, ohne dabei einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Auch die Annahme des BPatG, die unterschiedliche Breite der Buchstaben "RETR-" einerseits und "OLYMPICS" andererseits sei geringfügig und werde den angesprochenen Verkehrskreisen kaum auffallen, weist keinen Rechtsfehler auf.
Rz. 39
(2) Das BPatG hat bei seiner Beurteilung aber unberücksichtigt gelassen, dass der Wortbestandteil "-OLYMPIC(S)" der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke nahezu identisch ist und dass es für die Widerspruchsmarke eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung unterstellt hat. Zudem ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren von der Bekanntheit der Widerspruchsmarke auszugehen. Ob aufgrund dieser Umstände eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil "-OLYMPIC(S)" in Betracht kommt, hat das BPatG rechtsfehlerhaft nicht geprüft. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung hält dem vergeblich entgegen, die Widerspruchsmarke sei nicht vollständig in der angegriffenen Marke enthalten, weil diese aus den Bestandteilen "RETRO" und "LYMPICS" gebildet werde. Sie setzt damit ihre eigene Würdigung gegen die des BPatG, das ohne Rechtsfehler angenommen hat, die beiden Wortbestandteile teilten sich den Buchstaben "O", wobei es sogar davon ausgegangen ist, das "O" gehöre originär zum Wortbestandteil "OLYMPICS".
Rz. 40
(3) Das BPatG hat überdies nicht berücksichtigt, dass das Präfix "RETR(O)-" der angegriffenen Marke beschreibend ist und deshalb als eigenständig und nicht als Komponente einer Kennzeichnung verstanden werden könnte (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2013 - I ZR 100/11 GRUR 2013, 631 Rz. 33 = WRP 2013, 778 - AMARULA/Marulablu; BeckOK.MarkenR/Onken, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 448). Das BPatG hat zwar festgestellt, der Verkehr entnehme dem Begriff "RETROLYMPICS" eine einheitliche Aussage im Sinne eines Hinweises auf sportliche Wettkämpfe, die in irgendeiner Art und Weise "rückwärtsgerichtet" seien. Die Erkenntnis eines beschreibenden Anklangs hat es aber rechtsfehlerhaft nicht in seine Würdigung einbezogen, ob der Wortbestandteil "- OLYMPIC(S)" die angegriffene Marke prägt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung kann auch insofern nicht darauf abgestellt werden, der Bestandteil "RETRO" im angegriffenen Zeichen sei nicht beschreibend, sondern für den Gesamteindruck prägend, weil dem Wortbestandteil "LYMPICS" jegliche Unterscheidungskraft fehle. Das BPatG ist von den Wortbestandteilen "RETR(O)" und "OLYMPICS" ausgegangen.
Rz. 41
V. Die Entscheidung des BPatG kann danach nicht aufrechterhalten werden. Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das BPatG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
Rz. 42
D. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 43
I. Das BPatG wird im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren die Frage der unmittelbaren Verwechslungsgefahr erneut prüfen müssen. Soweit es Feststellungen zu einer gesteigerten oder gar überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung und zu einer Bekanntheit der Widerspruchsmarke nachholt oder aber dies weiterhin unterstellt, wird es zu erwägen haben, ob die angegriffene Marke aus diesen Gründen durch den Wortbestandteil "- OLYMPIC(S)" geprägt wird (BGH GRUR 2003, 880, 881 [juris Rz. 13] - CityPlus; GRUR 2006, 60 Rz. 19 - coccodrillo). Daneben wird es den beschreibenden Gehalt der Vorsilbe "RETR(O)-" in seine Würdigung einzubeziehen haben, wobei allerdings auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen sein wird, dass dem Wortanfang ein größeres Gewicht zukommen kann als den nachfolgenden Wortbestandteilen, weil der Verkehr dem Beginn eines Wortzeichens im Allgemeinen größere Aufmerksamkeit schenkt (vgl. BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 30 - YO/YOOFOOD, m.w.N.).
Rz. 44
II. Kommt das BPatG zu dem Ergebnis, eine unmittelbare Verwechslungsgefahr liege nicht vor, wird es erneut eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens der kollidierenden Zeichen prüfen müssen. Auch insoweit ist seine Beurteilung nicht frei von Rechtsfehlern.
Rz. 45
1. Das BPatG hat eine Verwechslungsgefahr der gegenüberstehenden Zeichen unter dem Aspekt des Serienzeichens allerdings mit Recht abgelehnt.
Rz. 46
a) Die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens hat unter dem Begriff des gedanklichen Inverbindungbringens Eingang in die Markenrechtsrichtlinie und das Markengesetz gefunden. Diese Art der Verwechslungsgefahr, die erst zu prüfen ist, wenn die einander gegenüberstehenden Zeichen nach ihrem Gesamteindruck nicht unmittelbar miteinander verwechselbar sind, greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (vgl. BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 36 - YO/YOOFOOD, m.w.N.). Dabei sind besondere Anforderungen an die Wesensgleichheit des Serienzeichens mit dem angegriffenen Zeichen zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2009 - I ZR 142/07, GRUR 2010, 729 Rz. 41 = WRP 2010, 1046 - MIXI, m.w.N.).
Rz. 47
b) Das BPatG hat zutreffend angenommen, die vom Widersprechenden für die Voraussetzung eines Serienzeichens genannten Wortmarken "THE OLYMPICS", "GAMES OF THE OLYMPIAD", "OLYMPIC TORCH RELAY", "OLYMPEX" sowie die Wort-Bild-Marken "OLYMPIAD & RINGS", "The Olympic Museum", "OLYMPIAN", "OBS OLYMPIC BROADCASTING SERVICES", "OLYMPIC STORE & RINGS" und "DAS OLYMPISCHE MUSEUM" verfügten über kein einheitliches Zeichenbildungsprinzip, in das sich die angegriffene Marke einfügen könne. Die vom Widersprechenden in Bezug genommenen Marken weisen in der Zeichenbildung so deutliche Unterschiede auf, dass nicht von einem Serienzeichen gesprochen werden kann. Allein der Umstand, dass alle Marken an irgendeiner Stelle in irgendeiner Kombination mit weiteren Zeichen den Bestandteil "OLYMP" aufweisen, reicht für eine Serienmarke nicht aus (vgl. dazu EuG, Urt. v. 18.12.2008 - T-287/06, GRUR-RR 2009, 167 Rz. 80 f. - Torre Albéniz/TORRES; BGH GRUR 2010, 729 Rz. 41 - MIXI, m.w.N.).
Rz. 48
Soweit das BPatG zudem angenommen hat, die Verkehrskreise sähen in der Buchstabenfolge "-OLYMPICS" der jüngeren Marke keinen Hinweis auf eine Zeichenserie des Widersprechenden, weil es sich bei der jüngeren Marke "RETROLYMPICS" um einen Gesamtbegriff mit aufeinander bezogenen Bestandteilen handele, trägt diese Begründung, die weder die unterstellte überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft noch eine Bekanntheit der Widerspruchsmarke berücksichtigt, seine Entscheidung nicht.
Rz. 49
2. Die Begründung des BPatG, mit der es eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne abgelehnt hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 50
a) Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Zeicheninhabern ausgeht. Eine solche Verwechslungsgefahr kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn besondere Umstände vorliegen. Der Umstand, dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen, reicht nicht aus. Besondere Umstände für die Annahme wirtschaftlicher oder organisatorischer Zusammenhänge liegen regelmäßig vor, wenn eine Marke in ein zusammengesetztes Kennzeichen übernommen wird und eine selbstständig kennzeichnende Stellung beibehält (vgl. BGH GRUR 2020, 1202 Rz. 39 - YO/YOOFOOD, m.w.N.). Für die Frage, ob ein mit der Widerspruchsmarke übereinstimmender Bestandteil in einem mehrgliedrigen angegriffenen Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung einnimmt, kann auch die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sprechen (vgl. BGH GRUR 2009, 484 Rz. 80 - Metrobus). Auch bei Ähnlichkeiten mit einer bekannten Marke nimmt der Verkehr häufig an, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen benutzen, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor (vgl. BGH GRUR 2015, 1201 Rz. 102 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot, m.w.N.; BeckOK.UMV/Büscher/Kochendörfer, 18. Edition [Stand 15.8.2020], Art. 8 Rz. 232; kritisch Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 9 Rz. 543 f.).
Rz. 51
b) Das BPatG hat angenommen, besondere Umstände für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ließen sich nicht feststellen. Insbesondere handele es sich bei dem Präfix "RETR(O)-" nicht um die Unternehmensbezeichnung des Markeninhabers. Der angesprochene Verkehr werde zudem den Wortbestandteil "RETROLYMPICS" der angegriffenen Marke als einheitlichen Begriff ansehen. Dem Präfix "RETR(O)-" sei auch zu entnehmen, dass es sich gerade nicht um die vom Widersprechenden "heutzutage" durchgeführten Olympischen Spiele handele. Das grafische Element führe ebenfalls von einer wirtschaftlichen oder organisatorischen Verbindung zwischen den Parteien weg. Zwar werde der angesprochene Verkehr darin möglicherweise eine Bezugnahme auf die Olympischen Spiele als sportliche Wettkämpfe sehen. Ihm sei aber bekannt, dass es sich bei dem offiziellen Bildzeichen des Widersprechenden um das Emblem der fünf ineinander verschlungenen Ringe handele und nicht um die Darstellung des olympischen Feuers. Der angesprochene Verkehr unterscheide zwischen der Verwendung olympischer Zeichen durch einen Sponsor und der anderweitigen Bezugnahmen auf die Olympischen Spiele. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 52
c) Das BPatG hat in die Prüfung, ob eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vorliegt, rechtsfehlerhaft die von ihm unterstellte überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht einbezogen. Auch die vom BPatG offengelassene Frage der Bekanntheit der Widerspruchsmarke müsste hier Berücksichtigung finden.
Rz. 53
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats ist anerkannt, dass Marken mit gesteigerter Kennzeichnungskraft über einen weiten Schutzbereich verfügen (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.1997 - C-251/95, Slg. 1997, I-6191 = GRUR 1998, 387 Rz. 24 - SABEL [Springende Raubkatze]; Urt. v. 18.7.2013 - C-252/12, GRUR 2013, 922 Rz. 36 = WRP 2013, 1314 - SpecSavers International Heathcare u.a. [Specsavers]; BGH, Urt. v. 2.2.2012 - I ZR 50/11 GRUR 2012, 930 Rz. 70 = WRP 2012, 1234 - Bogner B/Barbie B; Urt. v. 11.4.2013 - I ZR 214/11 GRUR 2013, 1239 Rz. 47 = WRP 2013, 1601 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Intensiv genutzten Marken kommt eine erhöhte Schutzbedürftigkeit zu. Je bekannter eine Marke ist, desto größer ist die Zahl der Wettbewerber, die ähnliche Zeichen benutzen möchten. Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen, ob zwischen einer bekannten Marke und einem angegriffenen Zeichen eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vorliegt. Weist ein Zeichen - wie hier - Ähnlichkeiten mit einer bekannten oder gar berühmten Marke auf, wird das angesprochene Publikum wegen der Annäherung an die bekannte oder berühmte Marke häufig annehmen, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen nutzten, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor (vgl. BGH GRUR 2013, 1239 Rz. 47 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion, m.w.N.).
Rz. 54
d) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des BPatG, das grafische Element der angegriffenen Marke führe trotz seiner Bezugnahme auf die Olympischen Spiele von dem Gedanken an wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Beteiligten weg, weil es sich gerade nicht um das vom Widersprechenden und den offiziellen Sponsoren der Olympischen Spiele verwendete Element handele. Davon ist auch der Senat bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne eines gedanklichen Inverbindungbringens nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 OlympSchG ausgegangen. Der normal informierte Verbraucher kann zwischen der Werbung eines offiziellen Sponsors, der diesen Umstand durch Verwendung des olympischen Emblems oder der olympischen Bezeichnungen deutlich herausstellt, und der sonstigen werblichen Bezugnahme auf die Olympischen Spiele ohne Verwendung der geschützten Zeichen unterscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2014 - I ZR 131/13 GRUR 2014, 1215 Rz. 44 = WRP 2014, 1458 - Olympia-Rabatt; BGH GRUR 2019, 648 Rz. 12 - Olympiareif). Anhaltspunkte dafür, dass für die Frage der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne im Rahmen der Prüfung von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG eine davon abweichende Beurteilung angezeigt wäre, sind nicht ersichtlich. Insbesondere wirkt sich der Umstand, dass der Schutz des Olympia-Schutzgesetzes hinter dem Markenschutz zurückbleibt, hier nicht aus. Es geht in beiden Fällen um die Frage der Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des gedanklichen Inverbindungbringens sowie die Frage, ob der Verkehr von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Parteien ausgeht.
Rz. 55
III. Kommt das BPatG erneut zu dem Ergebnis, eine Verwechslungsgefahr liege nicht vor, wird es auch einen Löschungsanspruch aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG abermals prüfen müssen. Insofern hält seine Beurteilung der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
Rz. 56
1. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG a.F. kann eine Marke gelöscht werden, wenn sie mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang identisch oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen worden ist, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke mit älterem Zeitrang angemeldet oder eingetragen worden ist, falls es sich bei der Marke mit älterem Zeitrang um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung der eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Die neue Fassung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG erweitert den Bekanntheitsschutz auf den Bereich ähnlicher Waren und Dienstleistungen. Da die angegriffene Marke Schutz für Waren und Dienstleistungen beansprucht, die unter das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke fallen, ist § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG a.F. entsprechend (vgl. BGH, Urt. v. 2.6.2016 - I ZR 75/15 GRUR 2017, 75 Rz. 37 = WRP 2017, 74 - Wunderbaum II, m.w.N.) und § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG n.F. direkt anwendbar. Gemäß § 125b Nr. 1 MarkenG tritt bei der Anwendung von § 9 MarkenG mit Blick auf eine Unionsmarke mit älterem Zeitrang - wie hier - an die Stelle der Bekanntheit im Inland gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG die Bekanntheit in der Union gem. Art. 9 Abs. 2 Buchst. c UMV (Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV).
Rz. 57
2. Der Schutz der bekannten Marke setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen.
Rz. 58
a) Die im Wesentlichen dem Tatgericht obliegende Beurteilung der Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist, hat unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles zu erfolgen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der Klagemarke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (vgl. BGH, Urt. v. 2.4.2015 - I ZR 59/13, BGHZ 205, 22 Rz. 33 - Springender Pudel, m.w.N.; zu Art. 9 Abs. 2 Buchst. c UMV vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2019 - I ZR 173/16 GRUR 2020, 401 Rz. 28 = WRP 2020, 465 - ÖKO-TEST I, m.w.N.).
Rz. 59
b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Es ist nicht ersichtlich, dass das BPatG die von ihm unterstellte überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft oder das Ausmaß einer möglichen Bekanntheit der Widerspruchsmarke sowie die festgestellte Waren- und Dienstleistungsidentität bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Das BPatG hat vielmehr rechtsfehlerhaft allein darauf abgestellt, die angesprochenen Verkehrskreise nähmen den Wortbestandteil der jüngeren Marke "RETROLYMPICS" als einheitlichen Gesamtbegriff wahr, so dass für sie keine Veranlassung bestehe, eine gedankliche Verknüpfung zur Widerspruchsmarke herzustellen.
Rz. 60
3. Mit der vom BPatG gegebenen Begründung kann auch eine unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Widerspruchsmarke ohne rechtfertigenden Grund durch die angegriffene Zeichenverwendung nicht abgelehnt werden.
Rz. 61
a) Bei der Prüfung, ob die Benutzung eines Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt, ist eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des konkreten Falls vorzunehmen, insb. des Ausmaßes der Bekanntheit und des Grades der Unterscheidungskraft der Marke, des Grades der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie der Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und des Grades ihrer Nähe. Eine Ausnutzung oder Beeinträchtigung liegt umso eher vor, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind. Je unmittelbarer und stärker die Marke von dem Zeichen in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (BGH GRUR 2020, 401 Rz. 41 - ÖKO-TEST I, m.w.N.).
Rz. 62
b) Das BPatG hat angenommen, unter Berücksichtigung der zum Olympia-Schutzgesetz ergangenen Rechtsprechung fehle es an einem Eingriffstatbestand gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG. Ebenso stehe der Annahme der Ausbeutung der Wertschätzung der Widerspruchsmarke "OLYMPIC" entgegen, dass die angesprochenen Verkehrskreise sowohl wegen der Wortzusammensetzung "RETROLYMPICS" als auch der verwendeten Grafik deutlich erkennen würden, dass ein Bezug zur Widerspruchsmarke gerade nicht hergestellt werden solle. Daher bestehe keine Veranlassung, die jüngere Marke mit der Widerspruchsmarke "OLYMPIC" gedanklich zu verknüpfen. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 63
aa) Soweit das BPatG einen Eingriffstatbestand gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG abgelehnt und dafür auf die Senatsrechtsprechung zum Olympia-Schutzgesetz verwiesen hat, ist es zwar zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage der unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung der Widerspruchsmarke auch auf die Rechtsprechung zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 OlympSchG zurückgegriffen werden kann. Dafür spricht, dass aufgrund der systematischen Nähe zum Markenrecht für die Auslegung des § 3 OlympSchG die Grundsätze heranzuziehen sind, die zu den markenrechtlichen Tatbeständen der § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG entwickelt worden sind (vgl. BGH GRUR 2014, 1215 Rz. 20 - Olympia-Rabatt; GRUR 2019, 648 Rz. 14 - Olympiareif; Kairies, WRP 2004, 298, 299 und 300; Nieder/Rauscher, SpuRt 2006, 237, 240; einschränkend Rieken, MarkenR 2013, 334). Das gilt im Grundsatz auch für die Auslegung markenrechtlicher Tatbestände durch Rückgriff auf die Rechtsprechung zum Olympia-Schutzgesetz. Dem steht nicht entgegen, dass der durch § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OlympSchG gewährte Schutz vor Rufausbeutung dem Nachahmungsschutz des § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG angenähert ist (vgl. BGH GRUR 2014, 1215 Rz. 20 - Olympia-Rabatt; GRUR 2019, 648 Rz. 14 - Olympiareif). Der lauterkeitsrechtliche Einschlag ist beim erweiterten Markenschutz allgemein stark ausgeprägt; aus der Sicht des deutschen Rechts handelt es sich dabei um die Kodifizierung einer zuvor auf der Grundlage der Generalklausel (§ 1 UWG 1909) entwickelten Fallgruppe (vgl. Ohly/Kur, GRUR 2020, 457, 465 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 29.11.1984 - I ZR 158/82 GRUR 1985, 550, 553 [juris Rz. 34 f.] - Dimple, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 93, 96; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.11.1990 - I ZR 13/89, BGHZ 113, 82, 85 f. [juris Rz. 16] - Salomon).
Rz. 64
Bei einem Rückgriff auf die zum Olympia-Schutzgesetz ergangene Rechtsprechung im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG ist aber der gegenüber dem Markenrecht eingeschränkte Schutz des Olympia-Schutzgesetzes zu berücksichtigen. Danach liegt zwar in einer unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung nach den zum Olympia-Schutzgesetz entwickelten Maßstäben regelmäßig auch eine solche i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG. Umgekehrt scheidet eine Ausnutzung der Wertschätzung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG aber nicht schon dann aus, wenn sie nach der Rechtsprechung zum Olympia-Schutzgesetz nicht vorliegt. Vielmehr darf es bei der Prüfung der Ausnutzung der Wertschätzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG nicht bei einem Rückgriff auf die Rechtsprechung zum Olympia-Schutzgesetz bleiben, sondern muss der einen weitergehenden Schutz vermittelnde § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG selbständig geprüft werden (vgl. oben Rz. 20).
Rz. 65
bb) Diesen Maßstäben genügt die angegriffene Entscheidung schon deswegen nicht, weil das BPatG die Rechtsprechung zum Olympia-Schutzgesetz zwar zitiert, insoweit aber keine auf den Streitfall bezogenen Feststellungen getroffen und die zitierten Obersätze auf den Streitfall angewendet hat. Das wird es im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren nachzuholen haben.
Rz. 66
Das BPatG hat es überdies versäumt, die Frage der unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung der Widerspruchsmarke unter spezifisch markenrechtlichen Aspekten zu prüfen. Seine Annahme, einer Ausnutzung der Wertschätzung der Widerspruchsmarke stehe entgegen, dass die angesprochenen Verkehrskreise deutlich erkennen würden, dass ein Bezug zur Widerspruchsmarke nicht hergestellt werden solle, lässt nicht erkennen, dass es bei seiner Würdigung alle relevanten Umstände des konkreten Falls wie insb. das Ausmaß der Bekanntheit und den Grad der Unterscheidungskraft der Marke, den Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und den Grad ihrer Nähe miteinbezogen hat. Außerdem hat es in diesem Zusammenhang die Frage der unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung mit der - vorgelagerten - Frage der gedanklichen Verknüpfung vermengt, indem es die erste Frage mit einer fehlenden gedanklichen Verknüpfung verneint hat.
Fundstellen
Haufe-Index 14310714 |
BlPMZ 2021, 426 |
GRUR 2021, 482 |
JZ 2021, 146 |
MDR 2021, 373 |
WRP 2021, 336 |
BPatGE 2022, 315 |
GRUR-Prax 2021, 104 |
CIPReport 2021, 6 |
IP kompakt 2021, 8 |
MarkenR 2021, 104 |
Mitt. 2021, 132 |