Entscheidungsstichwort (Thema)
Restitutionsbescheid. Beschwerde gegen Erteilung des Zuschlags im Zwangsversteigerungverfahren. Wertausgleich. Rückübertragung. Grundstück in der DDR
Leitsatz (redaktionell)
Der Restitutionsbescheid des Landesamtes steht der Erteilung des Zuschlages im Zwangsversteigerungsverfahren nicht entgegen, auch wenn der erlassene Bescheid auf der Rechtsauffassung beruht, der Anspruch auf Rückübertragung sei wegen Sittenwidrigkeit des notariellen Vertrages nichtig.
Normenkette
VermG § 7; ZVG §§ 100, 83 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Beschluss vom 25.03.2003) |
Tenor
Der Antrag der Schuldner, ihnen Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des LG Neubrandenburg v. 25.3.2003 zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Schuldner sind die unbekannten Erben des am 25.5.1996 verstorbenen H. F. . Dieser hatte die DDR im Jahre 1955 verlassen. Nach der Wiedervereinigung stellte er beim zuständigen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen gem. § 3 VermG einen Antrag auf Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks, für das die Gläubigerin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war. Das Landesamt erließ am 27.8.1992 einen Teilbescheid, in dem die Berechtigung des Erblassers festgestellt wurde, von der Gläubigerin die Rückübertragung zu verlangen. Zugleich legte das Landesamt den Beteiligten nahe, "die Rückübertragung auf dem Wege der gütlichen Einigung vorzunehmen, vorbehaltlich der Prüfung ... des Ausgleichs der Wert- und Ertragslageveränderungen". Mit notarieller Vereinbarung v. 29.9.1993 übertrug die Gläubigerin das Grundstück dem Erblasser, der nachfolgend im Grundbuch eingetragen wurde. Zum Ausgleich von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen verpflichtete sich der Erblasser, an die Gläubigerin 900.000 DM zu zahlen. Wegen dieses Betrages unterwarf er sich gegenüber der Gläubigerin der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. In gleicher Höhe wurde zu Gunsten der Gläubigerin eine Briefgrundschuld an dem Grundstück bestellt.
Aus der notariellen Urkunde betreibt die Gläubigerin wegen des dinglichen und des persönlichen Anspruchs die Zwangsversteigerung in das Grundstück. Eine hiergegen gerichtete, mit dem Antrag auf Herausgabe des Grundschuldbriefes und auf Feststellung, dass der notarielle Vertrag nichtig sei, verbundene Vollstreckungsgegenklage blieb vor den Zivilgerichten ohne Erfolg. Am Tage des auf den 30.9.2002 anberaumten Termins zur Zwangsversteigerung stellten die Schuldner einen Antrag auf Aufhebung des Verfahrens nach § 28 Abs. 1 ZVG. Sie bezogen sich dabei auf einen dem Vollstreckungsgericht vorliegenden, nicht bestandskräftigen Bescheid des Landesamtes v. 20.10.1998. Darin wurde festgestellt, dass der Rückübertragungsanspruch des Erblassers auf Grund des notariellen Vertrages v. 29.9.1993 nicht erfüllt sei. Das Grundstück werde den Schuldnern gegen Hinterlegung bestimmter Ablösebeträge für die bei Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangenen Grundpfandrechte lastenfrei übertragen; ein Anspruch der Gläubigerin auf Wertausgleich (§ 7 VermG) bestehe nicht.
Der Antrag auf Aufhebung wurde durch das Vollstreckungsgericht nicht mehr beschieden; das Grundstück wurde nachfolgend dem Meistbietenden zugeschlagen. Gegen den Zuschlagsbeschluss haben die Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt, der das Vollstreckungsgericht nicht abgeholfen hat. Das LG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen möchten sich die Schuldner mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde wenden.
II. Das LG hat ausgeführt, der Bescheid des Landesamtes habe die Zuschlagserteilung nicht ausgeschlossen. Die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels stehe nicht in Frage. Die in dem Bescheid vertretene Rechtsauffassung, der notarielle Vertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, binde das Vollstreckungsgericht nicht. Sie berühre nicht den Kernbereich der Entscheidungskompetenz des Landesamtes, das allein zu beurteilen habe, ob und unter welchen Bedingungen ein Rückübertragungsanspruch bestehe.
Dem halten die Schuldner entgegen, das Beschwerdegericht habe die Tatbestandswirkung des Restitutionsbescheides des Landesamtes verkannt. Das Vermögensgesetz weise die Überprüfung einer gütlichen Einigung der Restitutionsparteien ausdrücklich dem Landesamt zu (§ 31 Abs. 5 VermG). Der öffentlich-rechtliche Charakter dieser Bestimmung stehe einer abweichenden zivilrechtlichen Disposition der Parteien entgegen.
III. Prozesskostenhilfe ist - unbeschadet der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht, an die der Senat gebunden ist (§ 574 Abs. 3 S. 2 ZPO) - nur dann zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung grundsätzliche Bedeutung hat, an der es vorliegend jedoch fehlt. Es ergeben sich keine zweifelhaften oder noch offenen Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2002 - VIII ZR 235/02, MDR, 2003, 109 = BGHReport, 2003, 100 = NJW-RR 2003, 130 unter 2; Beschl. v. 6.11.2002 - XII ZR 259/01, BGHReport, 2003, 381 = NJW-RR 2003, 505 unter 2; Beschl. v. 21.11.2002 - V ZB 40/02, MDR, 2003, 477 = BGHReport, 2003, 407 = NJW 2003, 1126 unter II 1). Vielmehr kommt es allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache selbst an, die bereits im Prozesskostenhilfeverfahren beurteilt werden können.
1) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich als rechtsfehlerfrei. Zu Recht geht es davon aus, dass § 100 ZVG die zulässigen Beschwerdegründe gegen die Zuschlagserteilung abschließend aufzählt (Stöber, ZVG, 17. Aufl,. § 100 Rz. 2). Die Schuldner stützen sich darauf, dass es wegen der Nichtigkeit der zwischen dem Erblasser und der Gläubigerin geschlossenen notariellen Vereinbarung v. 29.9.1993 an einem wirksamen Vollstreckungstitel gefehlt habe (§ 83 Nr. 6 ZVG). Dem Vollstreckungsgericht war anlässlich der Durchführung der Zwangsversteigerung indes kein Sachverhalt unterbreitet, der zur Nichtigkeit des Titels (der Unterwerfungserklärung) und damit zur Versagung des Zuschlags hätte führen müssen. Ein solcher Sachverhalt ist auch jetzt nicht ersichtlich. Die sonstigen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor; der zu vollstreckende Anspruch der Gläubigerin ist durch die notarielle Urkunde hinreichend ausgewiesen (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).
2) Der - schon bei Verkündung des Zuschlages von der Gläubigerin durch verwaltungsgerichtliche Klage angefochtene - Restitutionsbescheid des Landesamtes v. 20.10.1998 stand der Erteilung des Zuschlages nicht entgegen. Die gegenteilige Auffassung der Schuldner beruht auf einer Verkennung der Wirkungen dieses Bescheides (vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2002 - V ZR 104/01, MDR 2002, 630 = BGHReport, 2002, 450 = WM 2002, 768; Urt. v. 19.6.1998 - V ZR 43/97, MDR, 1998, 1280 = NJW 1998, 3055). Anders als sie meinen, ist für die rechtsanwendenden Stellen auch unerheblich, dass der vom Landesamt erlassene Bescheid auf der Rechtsauffassung beruht, der bereits durch Teilbescheid v. 27.8.1992 festgestellte Anspruch des Erblassers sei nicht erfüllt, weil die - u. a. eine Auflassungsvollmacht beinhaltende - notarielle Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig sei. Die Ausführungen der Behörde dazu nehmen als bloße Begründung der getroffenen Entscheidung an deren Tatbestandswirkung nicht teil. Eine Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels kann mithin aus dem Bescheid v. 20.10.1998 nicht abgeleitet werden.
3) Wenn die Schuldner darauf verweisen, der Bescheid sehe zum einen den lastenfreien Erwerb des Grundstücks vor, der sich insbesondere frei von der in Abteilung III Nr. 1 zu Gunsten der Gläubigerin eingetragenen Grundschuld vollziehen solle, und stelle zum anderen fest, dass die Gläubigerin keinen Anspruch auf Wertausgleich nach § 7 Abs. 1 VermG habe, so übersehen sie, dass dies nicht mehr die Tatbestandswirkung, sondern die Gestaltungswirkung des öffentlich-rechtlichen Bescheides betrifft. Diese tritt für die Zivilgerichte bindend erst ein, wenn der Restitutionsbescheid gegenüber allen Betroffenen unanfechtbar geworden ist, weil diese die in Betracht kommenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft oder die dafür geltenden Fristen ungenutzt haben verstreichen lassen. Denn nur so kann ein von der Rechtspraxis unerwünschtes und schwer handhabbares Hin und Her in der Person des Eigentümers vermieden werden (vgl. BGH v. 12.4.1996 - V ZR 310/94, BGHZ 132, 306 [308 f.] = MDR, 1996, 1110; BGH, Urt. v. 18.1.2002 - V ZR 104/01, MDR 2002, 630 = BGHReport, 2002, 450 = WM 2002, 768; Urt. v. 14.3.1997 - V ZR 129/95, MDR, 1997, 536 = ZIP 1997, 809; Redeker/Hirtschulz in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Loseblattsammlung, § 34 Rz. 10/10b). Was für die Eigentumsverhältnisse gilt, lässt sich auch auf die Frage übertragen, ob der Eigentümer das Grundstück lastenfrei oder mit den in Abteilung III eingetragenen Grundpfandrechten erworben hat.
Die Unanfechtbarkeit des Restitutionsbescheides ist aber ebenso wenig nachgewiesen, wie die in dem Bescheid aufgeführte weitere Voraussetzung für einen lastenfreien Eigentumserwerb, nämlich die erfolgte Hinterlegung der vom Landesamt zur Ablösung der bei Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangenen Grundpfandrechte bestimmten Beträge.
Fundstellen
Haufe-Index 969418 |
BGHR 2003, 1258 |