Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbenutzung von Infrastruktureinrichtungen. Kartellrechtliches Missbrauchsverbot bei Infrastruktureinrichtungen. Arealnetz

 

Leitsatz (amtlich)

a) Für den Tatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist es ausreichend, dass der Normadressat über eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Infrastruktureinrichtung verfügt.

b) Ein Energieversorgungsunternehmen, das in seinem Versorgungsgebiet Stromnetze verschiedener Spannungsebenen unterhält und insoweit Normadressat des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ist, darf dem Betreiber eines der Versorgung von Neubauten oder Neuerschließungen dienenden Arealnetzes den Zugang zu seinem Mittelspannungsnetz nicht unter Berufung auf sein Interesse an einer ausgeglichenen Kundenstruktur und einer möglichst kostengünstigen Struktur seines Niederspannungsnetzes verweigern.

c) Der Normadressat des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kann die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung nicht mit der Begründung verweigern, dass der dadurch ermöglichte Wettbewerb auf dem vor- oder nachgelagerten Markt für ihn nachteilig sei. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass er Dritten den Zugang zu der Infrastruktureinrichtung generell verwehre.

 

Normenkette

GWB § 19 Abs. 1, 4 Nr. 4; EnWG i.d.F. 1998 § 10 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23.06.2004; Aktenzeichen Kart 35/03 (V))

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 18.05.2009; Aktenzeichen 1 BvR 1731/05)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Kartellsenats des OLG Düsseldorf v. 23.6.2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der in diesem Verfahren zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Aufwendungen des BKartA und der Beigeladenen zu 2) zu tragen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2 Mio. EUR festgesetzt.

 

Gründe

A.

Die Beteiligte (im Folgenden: Mainova) ist ein regionales Energieversorgungsunternehmen, das im Geschäftsbereich Strom auf Grund eines Konzessionsvertrages das in ihrem Eigentum stehende Stromversorgungsnetz in Frankfurt/M. betreibt. Die weiteren Beteiligten sind vom BKartA zu dem Verfahren beigeladen worden. Ihre Geschäftstätigkeit ist u.a. auf den Betrieb von Arealnetzen gerichtet. Unter einem Areal versteht man in diesem Zusammenhang eine aus einem oder mehreren Grundstücken bestehende, zu Wohn- oder gewerblichen Zwecken genutzte private Liegenschaft, die zur Versorgung der im Areal ansässigen Letztverbraucher über ein eigenes Niederspannungs-Verteilnetz verfügt. Dieses Netz ist i.d.R. über eine eigene Umspannanlage an die Mittelspannungsebene des vorgelagerten Netzes angeschlossen. Das Arealnetz wird von Unternehmen betrieben, die es entweder selbst errichtet haben oder die es vom Eigentümer erworben oder gepachtet haben. Der Arealnetzbetreiber schließt alle anschlusswilligen Endkunden an sein Arealnetz an.

Im Jahre 2002 vereinbarte die Beigeladene zu 1), die Energieversorgung Offenbach AG (im Folgenden: EVO), mit einer Projektentwicklungsgesellschaft die Errichtung und den Betrieb einer Umspannanlage und der damit zusammenhängenden Schalt- und Verteilanlagen in der sog. City-West (Galvanistraße/Solmsstraße) in Frankfurt/M. Ebenfalls 2002 schloss die Beigeladene zu 2), die GETEC net GmbH (im Folgenden: GETEC), mit einer anderen Gesellschaft einen Vertrag über die Pacht und den Betrieb des mit dem Neubau eines Bürogebäudes für die Landesärztekammer Hessen errichteten Arealnetzes in der Rhonestraße in Frankfurt/M. In beiden Fällen lehnte Mainova das Ersuchen der Arealnetzbetreiber um einen Anschluss an ihr Mittelspannungsnetz ab. Nachdem im Fall City-West der Versuch gescheitert war, den Netzanschluss durch eine einstweilige Verfügung zu erzwingen, errichtete Mainova das Verteilnetz selbst und übernahm es in ihren Betrieb. Im Fall Rhonestraße erklärte sich die Projektentwicklungsgesellschaft, die sich ggü. den Endabnehmern zur Stromlieferung verpflichtet hatte und deshalb auf den Anschluss an das vorgelagerte Netz dringend angewiesen war, schließlich bereit, das Verteilnetz entgegen der ursprünglichen Planung an Mainova zu verkaufen, die es seitdem selbst betreibt. Beide Projektentwicklungsgesellschaften sind jedoch gewillt, an den ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen mit den Arealnetzbetreibern EVO und GETEC festzuhalten. In einem dritten Fall errichtete die Beigeladene zu 3), die Energie Direkt GmbH, auf dem zu einem Wohngebiet umgewandelten ehemaligen Kasernengelände Friedberger Warte in Frankfurt/M. ein Verteilnetz mit Umspannanlagen, das sie selbst betreiben möchte. Auch in diesem Fall verweigerte Mainova den Anschluss an ihr Mittelspannungsnetz.

Mit Verfügung v. 8.10.2003 hat das BKartA der Mainova in den Fällen EVO (City-West) und GETEC (Rhonestraße) das von diesen beanstandete Verhalten wegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1 und 4 Nr. 1 und 4 GWB und wegen eines Verstoßes gegen das Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 1 GWB verboten (BKartA WuW/E DE-V 811). Im Einzelnen ist Mainova untersagt worden,

1. der GETEC den Stromnetzanschluss an ihr Mittelspannungsnetz zu verweigern, soweit diese den Betrieb der Netzanlagen auf dem Areal Rhonestraße übernehmen und dort ggü. den auf dem Areal angeschlossenen Endkunden als Arealnetzbetreiber auftreten will;

- ferner, sich zu weigern, die für den Netzanschluss erforderlichen Vorkehrungen zu treffen bzw. diese zu ermöglichen und die für den Netzanschluss erforderlichen vertraglichen Vereinbarungen zu angemessenen Entgelten i.S.d. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zu schließen, damit die auf dem Areal angeschlossenen Endkunden mit Strom versorgt werden können.

2. der GETEC und der EVO den Netzanschluss an ihr Mittelspannungsnetz zu verweigern, soweit die GETEC oder die EVO ein von ihnen errichtetes, erworbenes oder gepachtetes Arealnetz betreiben und auf dem Areal ggü. den dort angeschlossenen Endkunden als Arealnetzbetreiber auftreten wollen;

- ferner, sich zu weigern, die für einen entsprechenden Netzanschluss erforderlichen Vorkehrungen zu treffen bzw. diese zu ermöglichen und die für den Netzanschluss erforderlichen vertraglichen Vereinbarungen zu angemessenen Entgelten i.S.d. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zu schließen, damit die auf dem Areal angeschlossenen Endkunden mit Strom versorgt werden können.

Den (allgemein gefassten) Untersagungsausspruch zu 2) hat das BKartA in der Weise beschränkt, dass die Untersagung nur gilt,

- soweit es sich bei den betroffenen Arealen um Neubauten oder Gebietserschließungen handelt bzw. soweit es sich um Areale handelt, auf denen die Mainova vor Antrag auf Netzanschluss des Areals nicht bereits selbst Arealnetzanlagen errichtet hat und/oder betreibt.

Während des Beschwerdeverfahrens hat die Stadt Frankfurt/M. zwei Tage vor dem vom Beschwerdegericht anberaumten Verkündungstermin beantragt, zu dem Verwaltungsverfahren gegen Mainova beigeladen zu werden. Ohne die --nachfolgend ergangene, den Beiladungsantrag ablehnende - Entscheidung des BKartA abzuwarten, hat das OLG die Beschwerde der Mainova zurückgewiesen (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1307). Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Mainova, mit der sie ihren auf Aufhebung der Untersagungsverfügung gerichteten Antrag weiterverfolgt. Hilfsweise hat sie beantragt, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim OLG Düsseldorf anhängige Beschwerde auszusetzen, mit der sich die Stadt Frankfurt/M. gegen die Ablehnung ihres Beiladungsantrags wendet. Das BKartA und die Beigeladene zu 2) (GETEC) beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Die anderen beiden Beigeladenen haben im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt.

B.

Das Beschwerdegericht hat in dem beanstandeten Verhalten einen Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und gegen das Verbot der unbilligen Behinderung gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Weigerungshaltung von Mainova verstoße gegen § 19 Abs. 1 und 4 Nr. 4 GWB. Mainova sei infolge eines natürlichen Monopols auf dem Markt der Netzdienst- und Netznutzungsleistungen marktbeherrschend. Arealnetzbetreiber wie die Beigeladenen könnten nur auf dem nachgelagerten Markt des Betriebs von Arealnetzen auftreten. Dort bestehe zumindest ein potentieller Wettbewerb zwischen den Arealnetzbetreibern und Mainova, die selbst bereit sei, auf diesem Markt tätig zu werden. Die Arealnetzbetreiber seien darauf angewiesen, dass das Arealnetz zum Zweck der Versorgung an das vorhandene Netz angeschlossen werde.

Die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes versperrten den Zugang zu einer Anwendung der kartellrechtlichen Bestimmungen nicht. §§ 6 und 10 EnWG seien vorliegend nicht anzuwenden. Die Regelung der Anschluss- und Versorgungspflicht in § 10 Abs. 1 EnWG sei nicht in dem Sinne abschließend, dass allein Letztverbraucher einen Anspruch auf Anschluss an das Stromverteilungsnetz haben könnten. Eine andere Sichtweise widerspreche dem gesetzgeberischen Ziel, durch eine Öffnung bestehender Netze und Infrastruktureinrichtungen auch den Wettbewerb um Versorgungsgebiete und Versorgungsnetze zu fördern. Mainova könne sich auch nicht auf eine sachliche Rechtfertigung für die Zugangsverweigerung berufen, insb. sei ihr ein Anschluss der Arealnetze zuzumuten. Für die Frage der Zumutbarkeit seien die sich gegenüberstehenden unternehmerischen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegeneinander abzuwägen. Auch hier gelte, dass die Anwendung des Kartellrechts nicht von vornherein durch entgegenstehende energiewirtschaftliche Zielvorstellungen überlagert werde. Vielmehr seien diese Gesichtspunkte im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Gegen ein kartellrechtliches Mitbenutzungsrecht könnten sie sich im Ergebnis nur durchsetzen, wenn der in Anspruch genommene Netzbetreiber den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr in ausreichender Weise nachkommen könne.

Dem geltend gemachten Anspruch könne nicht der Gesichtspunkt einer zu bewahrenden Einheitlichkeit des Stromverteilungsnetzes entgegengehalten werden. Die Vorstellung, dass innerhalb einer Gemeinde ein Energieversorgungsunternehmen mit einem Stromverteilungsnetz für die Versorgung der Letztverbraucher verantwortlich sei, sei inzwischen in mehrfacher Hinsicht durchbrochen. Mainova könne sich auch nicht auf eine Gefährdung der Versorgungssicherheit, eines Gemeinschaftsinteresses mit hohem Rang, berufen. Denn das eigene Versorgungsnetz der Mainova werde durch die Errichtung und den Anschluss von Arealnetzen in Neubau- und Neuerschließungsgebieten nicht berührt. Nicht berechtigt sei die Forderung der Mainova, die in Arealen ansässigen Letztverbraucher müssten aus Gründen der Versorgungssicherheit auch das "mehrstrangig gespeiste und vermaschte" Niederspannungsnetz mitfinanzieren. Die Vorstellung einer Beteiligung an den Kosten des Niederspannungsnetzes, das von den Letztverbrauchern im Areal gar nicht in Anspruch genommen werde, sei fern liegend. Die von Mainova geäußerten Zweifel an der Verlässlichkeit der Arealnetzbetreiber und an der Versorgungszuverlässigkeit in den Arealen seien nicht angebracht. Es sei auch nicht zu erwarten, dass sich die Preisgünstigkeit der Versorgung in dem von Mainova geltend gemachten Umfang durch die dezentrale Versorgung von Arealnetzen verschlechtere. Das behauptete "Rosinenpicken" wirke sich nicht stärker auf die Erlös- und Kostensituation von Gebietsversorgern aus als der durch § 6 Abs. 1 EnWG zugelassene und geförderte Durchleitungswettbewerb. Schließlich sei Mainova als Gebietsversorger auch in ihren wettbewerblichen Reaktionsmöglichkeiten nicht derart beschränkt, dass ein Grund zur Verweigerung des Anschlusses bestehe.

In der Weigerungshaltung der Mainova liege ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1 und 4 Nr. 1 GWB sowie eine unbillige Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB, weil die Wettbewerbsmöglichkeiten der Betreiber von Arealnetzen auf dem nachgelagerten Markt durch die Ablehnung des Netzzugangs beeinträchtigt würden.

C.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das OLG hat die Beschwerde der Mainova gegen die Untersagungsverfügung des BKartA mit Recht zurückgewiesen.

I. Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

1. Unbegründet ist die Rüge, mit der die Rechtsbeschwerde einen Verstoß gegen das Gebot der Amtsermittlung (§ 70 Abs. 1 GWB) geltend macht.

Die Rechtsbeschwerde rügt, das Beschwerdegericht habe nicht ermittelt, ob die GETEC, wie vom BKartA angenommen, in anderen Städten bereits Arealnetze betreibe. Diese Frage sei von erheblicher Bedeutung, weil das BKartA auf Grund dieser Feststellung von einem nachgelagerten Markt für den Betrieb von Arealanlagen ausgegangen sei. Die Rechtsbeschwerde zeigt jedoch nicht auf, auf Grund welchen Vortrags sich das Beschwerdegericht hätte veranlasst sehen sollen, in dieser Frage ergänzend von Amts wegen zu ermitteln. Der Untersuchungsgrundsatz zwingt das Beschwerdegericht nicht, Feststellungen der Kartellbehörde, die im Beschwerdeverfahren nicht angegriffen worden sind, von Amts wegen zu überprüfen (vgl. BGHZ 51, 371 [377] - Filtertüten II; BGH, Beschl. v. 8.12.1998 - KVR 31/97, AG 1999, 181 = WuW/E DE-R 243, 247 - Pirmasenser Zeitung; Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 70 Rz. 5 f.; Kollmorgen in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 70 GWB Rz. 2).

Soweit sich die Rechtsbeschwerde mit dieser Rüge dagegen wendet, dass das BKartA Auswirkungen des beanstandeten Verhaltens auf einem über das Land Hessen hinausreichenden Markt bejaht und damit die eigene Zuständigkeit an Stelle der der Landeskartellbehörde begründet hat, ist zu bemerken, dass die Rüge der fehlenden Zuständigkeit der Kartellbehörde im Rechtsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen ist (§ 76 Abs. 2 S. 2 GWB).

2. Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das OLG die richterliche Hinweispflicht (§ 70 Abs. 2 GWB) verletzt; es habe die Beschwerdeführer darüber im Unklaren gelassen, dass es den Vortrag nicht als ausreichend erachte, wonach Gebietsversorger wie Mainova nicht in der Lage seien, mit den Arealnetzbetreibern in Wettbewerb zu treten. Auch diese Rüge hat keinen Erfolg, ohne dass es einer Klärung der Frage bedarf, ob das Beschwerdegericht seiner Hinweispflicht nachgekommen ist und ob ggf. die Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruht. Denn die Verfahrensrüge aus § 76 Abs. 2 S. 1 GWB ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn mit der Rüge im Einzelnen angegeben wird, was auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht worden wäre; der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt werden (vgl. zu § 139 ZPO BGH, Urt. v. 8.10.1987 - VII ZR 45/87, MDR 1988, 309 = NJW-RR 1988, 208 [209]; Urt. v. 3.3.1998 - X ZR 14/95, NJW-RR 1998, 1268 [1270], jeweils m.w.N.). Dies ist im Streitfall nicht geschehen.

3. Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe zu Unrecht eine Entscheidung getroffen, ohne dass zuvor die Stadt Frankfurt/M. zu dem Kartellverwaltungsverfahren beigeladen worden sei. Der Umstand, dass die Beiladung der Stadt Frankfurt/M. unterblieben ist, hätte nur dann einer Entscheidung des Beschwerdegerichts entgegengestanden, wenn es sich um eine notwendige Beiladung gehandelt hätte. Notwendig ist eine Beiladung, wenn an dem fraglichen Rechtsverhältnis Dritte in der Weise beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen ggü. nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO; vgl. auch § 71 Abs. 1 S. 4 GWB). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Dritte durch die zu treffende Entscheidung in eigenen Rechten verletzt werden kann (vgl. Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 54 Rz. 46; Schultz Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 54 GWB Rz. 33).

Die Stadt Frankfurt/M., die Mehrheitsgesellschafterin der Mainova ist, ist durch die im Kartellverwaltungsverfahren getroffene Entscheidung indessen nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt worden. Die Rechtsbeschwerde beruft sich insoweit ohne Erfolg auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG). Zwar ist anerkannt, dass es sich bei der Versorgung der Bürger mit Energie um eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung handelt (vgl. BVerfG v. 16.5.1989 - 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783; BVerwG, Urt. v. 11.11.2004 - 3 C 36/03, LKV 2005, 166 [168] = ZNER 2005, 82, jeweils m.w.N.). Dies bedeutet, dass die Kommunen das Recht haben, diese Aufgabe der Daseinsvorsorge in eigener Verantwortung ohne staatliche Eingriffe zu erfüllen. Dagegen wird ihnen durch das Recht der kommunalen Selbstverwaltung keine Sonderstellung ggü. anderen Adressaten kartellrechtlicher Verbote eingeräumt, wenn sie sich dabei privatrechtlicher Mittel bedienen. Die öffentliche Hand ist - wenn sie in den Formen des Privatrechts handelt - wie jeder andere Anbieter oder Nachfrager an das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und an das Verbot der unbilligen Behinderung gebunden.

Da die Stadt Frankfurt/M. keinen Anspruch darauf hatte, als notwendige Beigeladene an dem Verwaltungsverfahren beteiligt zu werden, konnte das OLG über die Beschwerde entscheiden, ohne dass der Beiladungsantrag der Stadt Frankfurt/M. beschieden war. Aus denselben Gründen kommt auch die beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zur abschließenden Entscheidung des OLG über die von der Stadt Frankfurt/M. gegen die Ablehnung ihres Beiladungsantrags gerichtete Beschwerde nicht in Betracht. Eine Beeinträchtigung des Rechtsschutzes ist damit schon deswegen nicht verbunden, weil das Rechtsbeschwerdegericht den wahrscheinlichen Ausgang des anderen Verfahrens selbstständig prüfen muss. Ist zu erwarten, dass der Ausgang des anderen Verfahrens für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung haben wird, ist das dem Rechtsbeschwerdegericht eingeräumte Ermessen in der Weise auszuüben, dass der Aussetzungsantrag im Interesse der Verfahrensökonomie abzulehnen ist (vgl. zu § 148 ZPO Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 148 Rz. 7; BGH, Beschl. v. 7.5.1992 - V ZR 192/91, MDR 1992, 1083 = NJW-RR 1992, 1149 [1150]; ferner zu § 94 VwGO Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Sept. 2004, § 94 Rz. 31).

II. Auch die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die materiellrechtliche Beurteilung des Beschwerdegerichts haben keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass Mainova ihre marktbeherrschende Stellung nach § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 4 GWB dadurch missbraucht hat, dass sie den beigeladenen Arealnetzbetreibern den Zugang zu ihrem Mittelspannungsnetz verweigert hat. Nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB liegt ein Missbrauch u.a. darin, dass sich ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter von Leistungen weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf einem nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Das Beschwerdegericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen eines Missbrauchs nach dieser Bestimmung mit Recht bejaht.

a) Ohne Erfolg wendet die Rechtsbeschwerde ein, § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB sei nicht dazu bestimmt, einen Anspruch auf Netzzugang zu gewähren; Ziel der im Zuge der 6. GWB-Novelle eingeführten Neuregelung sei es gewesen, einen Anspruch für die Durchleitung zu schaffen. Eine derart enge Zweckbestimmung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB widerspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern auch der generalklauselartigen Fassung des § 19 Abs. 1 GWB, die durch einen - naturgemäß nicht abschließenden - Beispielskatalog ergänzt wird. Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Bestimmung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ungeachtet ihres Beispielcharakters als offenen Tatbestand konzipiert, der es durch eine allgemein auf die Aufnahme von Wettbewerb abstellende Formulierung insb. ermöglichen soll, heute noch nicht absehbare Entwicklungen auf künftigen Märkten wettbewerbsrechtlich zu erfassen (vgl. Begründung zur 6. GWB-Novelle, BT-Drucks. 13/9720, 51). Eine hinter dem Wortlaut zurückbleibende Auslegung verbietet sich unter diesen Umständen.

b) Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Beschwerdegericht Mainova als Normadressatin des Missbrauchsverbots nach § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 4 GWB angesehen hat.

aa) In ihrem Elektrizitätsversorgungsgebiet verfügt Mainova als Eigentümerin der Stromnetze auf allen Spannungsebenen über ein natürliches Monopol. Die beigeladenen Arealnetzbetreiber können den erwünschten Zugang zum Mittelspannungsnetz nur von Mainova erhalten, und zwar unabhängig davon, ob der Strom zur Versorgung ihrer Arealnetze bei Mainova oder bei einem Wettbewerber bezogen wird. Dies stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Abrede.

bb) Für die Normadressateneigenschaft ist es ausreichend, dass das fragliche Unternehmen auf dem Markt für die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung über eine beherrschende Stellung verfügt. Nicht erforderlich ist, dass es (auch) auf dem vor- oder nachgelagerten Markt, zu der die Infrastruktureinrichtung den Zugang eröffnen würde, eine solche Stellung innehat.

Im Schrifttum ist umstritten, ob im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB die beherrschende Stellung auf dem Markt für die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung (so Weyer, AG 1999, 257 [261]; Bunte, WuW 1997, 302 [314]) oder auf dem vor- oder nachgelagerten Markt (so vor allem Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rz. 192; Klimisch/Lange, WuW 1998, 15 [23]; Dreher, DB 1999, 833 [835]) bestehen muss oder ob es ausreichend ist, wenn auf einem der beiden Märkte eine beherrschende Stellung besteht (so Schultz in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rz. 152; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 19 Rz. 83; Lutz, RdE 1999, 102 [106 f.]).

Im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist es zumindest ausreichend, wenn nicht erforderlich, dass die beherrschende Stellung auf dem Markt für die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung besteht. Sinn und Zweck der Bestimmung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist es, den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen zu ermöglichen, wenn sich das den Zugang verweigernde Unternehmen auf diese Weise auf einem vor- oder nachgelagerten Markt vor Wettbewerb schützt. Diese Gefahr besteht insb. dann, wenn das Unternehmen auf dem Markt, auf dem es den Zugang eröffnen könnte, über eine beherrschende Stellung verfügt. Denn herrscht auf diesem Markt Wettbewerb, sind die wettbewerbsschädlichen Wirkungen der Sperre ungleich geringer, selbst wenn das den Zugang sperrende Unternehmen auf diese Weise eine beherrschende Stellung auf dem vor- oder nachgelagerten Markt abzusichern sucht.

cc) Da Mainova in ihrem Versorgungsbereich den Markt für den Zugang zum Mittelspannungsnetz beherrscht, ist sie Normadressatin des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, ohne dass es darauf ankäme, ob sie auch den nachgelagerten Markt beherrscht, zu dem sie den Zugang sperrt.

c) Als nachgelagerten Markt hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler den Markt für den Betrieb von Arealnetzen angesehen.

aa) Dabei kann offen bleiben, ob zu diesem Markt - wie das BKartA angenommen hat - üblicherweise neben dem Betrieb des Arealnetzes noch eine Reihe weiterer Leistungen zählt (Planung, Errichtung, Pacht oder Erwerb). Für die Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist die Feststellung ausreichend, dass es Unternehmen gibt, die den Betrieb von Arealnetzen als gewerbliche Leistung anbieten. Das Beschwerdegericht hat diese Feststellung rechtsfehlerfrei getroffen. Im Übrigen ist es nahe liegend, dass sich ein solcher Markt entwickelt, wenn der Anschluss eines neu erschlossenen Areals an das allgemeine Niederspannungsnetz zu höheren Kosten führt, als wenn das Areal an das Mittelspannungsnetz angeschlossen und der Strom auf Niederspannung umgespannt wird, um sodann die Verbraucher wie gewohnt mit Niederspannung zu versorgen.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann nicht von einem einheitlichen Markt der Netzdienstleistungen ausgegangen werden. Das lehrt bereits das Beispiel der beigeladenen Arealnetzbetreiber, die keine umfassenden Netzdienstleistungen anbieten und daher auf den Zugang zum Mittelspannungsnetz von Mainova angewiesen sind.

bb) Die Rechtsbeschwerde möchte die Existenz eines nachgelagerten Marktes auch aus Rechtsgründen ausschließen. Sie meint, das Energiewirtschaftsgesetz gehe von einem einheitlichen örtlichen Versorgungsmarkt aus. Hierbei handelt es sich jedoch um - normative - Erwägungen, die nicht die Frage der Marktabgrenzung, sondern die der sachlichen Rechtfertigung und der Zumutbarkeit betreffen (dazu unten unter C.II.1.e). Im Rahmen der Prüfung eines Missbrauchs nach § 19 Abs. 1 GWB kommen ebenso wie bei einer entsprechenden Prüfung nach § 20 Abs. 1 oder 2 GWB die dem Verbot entgegenstehenden Interessen erst im Rahmen der Prüfung eines rechtfertigenden Grundes zur Sprache. Dies gilt auch dann, wenn sich der Normadressat als Rechtfertigung für das beanstandete Verhalten auf eine entsprechende gesetzliche Regelung beruft (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.1988 - KVR 1/87, WuW/E 2535, 2541 - Lüsterbehangsteine; Urt. v. 13.7.2004 - KZR 40/02, BGHReport 2005, 119 = MDR 2005, 526 = WuW/E DE-R 1329, 1332 - Standard-Spundfass).

cc) In welcher Weise der Markt für den Betrieb von Arealnetzen räumlich abzugrenzen ist, spielt im Streitfall keine Rolle mehr. Die sich daran allein anknüpfende Frage der Zuständigkeit des BKartA ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu überprüfen (§ 76 Abs. 2 S. 2 GWB).

d) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass Mainova auf dem nachgelagerten Markt des Betriebs von Arealnetzen zumindest potentieller Wettbewerber der Beigeladenen ist. Auch diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Beschwerdegericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht angeführt, Mainova habe für den Fall des Unterliegens angekündigt, ebenfalls Arealnetze zu betreiben. Im Übrigen steht außer Frage, dass Mainova den Zugang der Arealnetzbetreiber zu ihrem Mittelspannungsnetz deswegen sperrt, weil sie die Kunden in den fraglichen Arealen - sei es unmittelbar oder sei es über ein von ihr selbst betriebenes Arealnetz - selbst versorgen will.

e) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde dagegen, dass das Beschwerdegericht das Verhalten der Mainova nicht als sachlich gerechtfertigt anerkannt hat.

aa) Die Zugangsverweigerung lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass andernfalls eine Veränderung der Kundenstruktur drohe und das System allgemeiner Tarife auf andere Weise nicht erhalten werden könne.

Allerdings würde es sich für die Kunden- und Preisstruktur von Mainova i.d.R. positiv auswirken, wenn ihr die Versorgung der Areale vorbehalten bliebe. Denn bei den Arealen wird es sich regelmäßig um Gebiete handeln, die sich durch hohe Versorgungsdichte und vergleichsweise hohen Energiebedarf auszeichnen und die sich daher positiv auf die Kunden- und Preisstruktur von Mainova auswirken könnten. Auf der anderen Seite wird der Bestand des Stromnetzes der allgemeinen Versorgung durch die Arealnetze nicht gefährdet. Denn das BKartA hat das Verhalten der Mainova nur dann für missbräuchlich erachtet, wenn sie Arealnetzen, die der Versorgung von Neubauten oder von neu erschlossenem Gelände dienen, den Zugang zu ihrem Mittelspannungsnetz verweigert. Damit halten sich die von Mainova befürchteten Beeinträchtigungen der Kunden- und damit letztlich der Preisstruktur in Grenzen, weil das bisherige Versorgungsgebiet von Mainova durch den Betrieb eines Arealnetzes nicht beeinträchtigt wird und ein Verlust von Kunden nur in Betracht kommt, wenn bisherige Mainova-Kunden in ein dezentral versorgtes Areal umziehen.

Im Übrigen lässt sich weder der noch geltenden Regelung des § 10 Abs. 1 EnWG noch der künftigen Regelung des § 18 Abs. 1 EnWG ein gesetzgeberisches Ziel entnehmen, wonach im Interesse eines einheitlichen örtlichen Versorgungsmarktes und einer einheitlichen Tarifstruktur möglichst alle in einem Versorgungsgebiet ansässigen Kunden von dem - einem Anschluss- und Versorgungszwang unterliegenden - Betreiber des Energieversorgungsnetzes versorgt werden sollen. Dem der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Ziel der Gewährleistung der Versorgungssicherheit steht gleichberechtigt das Ziel einer Liberalisierung der Energiemärkte gegenüber. Mit jedem Wettbewerb ist jedoch tendenziell eine Beeinträchtigung der Kunden des - das Netz betreibenden - örtlichen Versorgungsunternehmens verbunden. Denn jeder Wettbewerber wird sich - gleichgültig ob die Versorgung über eine eigene Stichleitung, im Wege der Durchleitung oder durch Anschluss von Arealnetzen an das Mittelspannungsnetz des Netzbetreibers erfolgen soll - in erster Linie um die lukrativen Kunden (große Versorgungsdichte, hoher Energiebedarf) bemühen. Der gesetzlichen Regelung ist dabei die Erwägung fremd, dass Wettbewerb nur dann gefördert werden solle, wenn die Gefahr eines "Rosinenpickens" ausgeschlossen ist.

Der Gesetzgeber hat es daher hingenommen, dass die Kunden- und Tarifstruktur der örtlichen Energieversorgungsnetze durch den Wettbewerb in einem gewissen Maße beeinträchtigt werden kann. Zwar wird damit für die traditionellen Versorgungsunternehmen die Quersubventionierung zu Gunsten der strukturschwachen Bereiche des Versorgungsnetzes eingeschränkt. Dem Liberalisierungskonzept liegt aber die Vorstellung zu Grunde, dass die Verbraucherpreise infolge der Öffnung der Märkte sinken werden, so dass selbst für die strukturschwachen Bereiche die negativen Effekte des Wettbewerbs durch die positiven zumindest ausgeglichen werden.

bb) Auch die Beeinträchtigungen, die sich aus der Öffnung der Energiemärkte für die Netzstruktur der traditionellen Versorgungsnetze ergeben können, lassen die Verweigerung des Zugangs zum Mittelspannungsnetz nicht als gerechtfertigt erscheinen. Zwar ist zutreffend, dass der Betrieb eines Netzes generell teurer werden kann, wenn es vermehrt Inseln innerhalb des Gebietes gibt, die das Netz nicht versorgt. Dies ist jedoch eine Folge der Liberalisierung der Energiemärkte, die mit Stichleitungen ebenso verbunden sein kann wie mit Arealnetzen. Im Übrigen ist die Bundesregierung in § 17 Abs. 3 des neuen Energiewirtschaftsgesetzes ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung "unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Betreiber von Energieversorgungsnetzen und der Anschlussnehmer" zu regeln, "in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein Netzanschluss ... zumutbar ist; dabei kann auch das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Struktur der Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung berücksichtigt werden" (künftig § 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 EnWG). Der Verordnungsgeber hat es demnach in der Hand, in Zukunft Bestimmungen zu treffen, die eine stärkere Berücksichtigung des Strukturinteresses ermöglichen (vgl. die Gegenäußerung des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/3917, 82).

cc) Die Rechtsbeschwerde wendet weiter ein, dass die Versorgungssicherheit innerhalb eines Arealnetzes schlechter sei als außerhalb, weil dieses Netz nur mit einer einzigen Leitung an das vorgelagerte Mittelspannungsnetz der Mainova angeschlossen sei. Im Übrigen sei schon jetzt zu beobachten, dass die Netzarchitektur auch in den Arealnetzen schlechter sei als außerhalb, weil auf Grund des bestehenden Kostendrucks auf Redundanzen verzichtet werde. Dieser Einwand kann sich nicht auf entsprechende Feststellungen stützen. Es ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch die Betreiber von Arealnetzen für eine entsprechende Versorgungssicherheit Sorge tragen werden. Im Übrigen wäre aus Rechtsgründen nichts dagegen einzuwenden, wenn die Abnehmer innerhalb eines Areals im Interesse niedrigerer Preise eine geringere Versorgungssicherheit in Kauf nähmen.

dd) Die Rechtsbeschwerde möchte dem Beschwerdegericht insofern folgen, als dieses die Arealnetzbetreiber nicht oder nicht generell als Adressaten der Anschluss- und Versorgungspflicht angesehen hat. Wegen der drohenden Ungleichbehandlung leitet sie daraus ein Recht der Mainova ab, den Arealnetzbetreibern den Zugang zu verweigern.

Demgegenüber hat das BKartA mit Recht angenommen, dass der Arealnetzbetreiber in seinem Netz der Betreiber für die allgemeine Versorgung ist. Zwar spricht § 10 Abs. 1 S. 1 EnWG von Gemeindegebieten. Das erklärt sich aus dem Umstand, dass die heute noch bestehenden Versorgungsgebiete in aller Regel mindestens das Gebiet einer Gemeinde umfassen. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass kleinere Versorgungsgebiete innerhalb einer Gemeinde nicht dem Anschluss- und Versorgungszwang des § 10 Abs. 1 EnWG unterfallen (vgl. Büdenbender, EnWG, § 10 Rz. 31).

ee) Die Rechtsbeschwerde hält den Anschluss auch deswegen für unzumutbar, weil Mainova zu den Arealnetzbetreibern nicht in Wettbewerb treten könne. Denn auf Grund der durch § 10 EnWG vorgegebenen Mischkalkulation werde sie für die Endverbraucher in den dicht besiedelten Arealen keine wettbewerbsfähigen Preise anbieten können. Das BKartA hat mit Recht darauf hingewiesen, dass ein Gebietsversorger auch selbst Arealnetze bilden und in diesen Netzen andere Tarife verlangen könne als in anderen Netzen. Mainova ist also im Wettbewerb um Neuareale oder bei der Neuausschreibung der Pacht unter den gegebenen Umständen nicht gehindert, für das jeweilige Areal wettbewerbsorientierte Preise anzubieten. Nur wenn sie das Areal in ihr allgemeines Niederspannungsnetz integriert, muss sie die Kunden im Areal zu den allgemeinen Tarifen beliefern.

ff) Mainova kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass sie generell Dritten, die ihrerseits ein Niederspannungsnetz zur Versorgung von Letztverbrauchern unterhalten, den Zugang zu ihrem Mittelspannungsnetz verweigere. Denn im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist der für den Behinderungswettbewerb nach § 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 GWB von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz eingeschränkt, auch der Normadressat sei nicht verpflichtet, einen Wettbewerber zum eigenen Nachteil zu fördern; ihm stehe es grundsätzlich frei, eine bestimmte Ware oder Leistung Dritten überhaupt nicht anzubieten (vgl. zu § 22 Abs. 4 GWB a.F. BGH v. 15.11.1994 - KVR 29/93, BGHZ 128, 17, 36 ff. = MDR 1995, 1138 - Gasdurchleitung; zu § 26 Abs. 2 GWB a.F. Urt. v. 12.11.1991 - KZR 2/90, MDR 1992, 863 = WuW/E 2755, 2759 - Aktionsbeträge, m.w.N.). Denn es ist erklärtes Ziel der Regelung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ("essential facilities"-Doktrin), den Spielraum des Normadressaten in der besonderen Situation weiter einzuschränken, in der Wettbewerb nur möglich ist, wenn bestehende Infrastruktureinrichtungen von mehreren Wettbewerbern benutzt werden können (6. GWB-Novelle, Begründung des RegE, BT-Drucks. 13/9720, 51; sowie Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucks. 13/9720, 73; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rz. 205; Dreher, DB 1999, 833 [835 ff.]). Dass dieser Wettbewerb auf dem vor- oder nachgelagerten Markt für den den Zugang kontrollierenden Normadressaten nachteilig ist, ist dieser Konstellation immanent.

2. Ob in der Verweigerung des Netzzugangs - wie das Beschwerdegericht angenommen hat - gleichzeitig ein Missbrauch nach § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 GWB zu sehen ist und ob das Verhalten von Mainova auch als unbillige Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB zu werten ist, bedarf im Streitfall im Hinblick auf das Vorliegen eines Missbrauchs nach § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 4 GWB keiner weiteren Klärung.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 S. 2 GWB.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1392732

BGHZ 2006, 296

BGHR 2005, 1398

NVwZ 2006, 856

EWiR 2005, 887

WM 2005, 1720

WuB 2005, 867

WRP 2005, 1278

ZNER 2005, 227

CuR 2005, 89

IR 2005, 210

WuW 2005, 924

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