Leitsatz (amtlich)
a) Im Spruchverfahren ist der gemeinsame Vertreter der Antragsberechtigten, die nicht selbst Antragsteller sind, grundsätzlich nicht beschwerdebefugt.
b) Der Schätzung des Unternehmenswertes im Spruchverfahren können auch fachliche Berechnungsweisen zugrunde gelegt werden, die erst nach der Strukturmaßnahme, die den Anlass für die Bewertung gibt, und dem dafür bestimmten Bewertungsstichtag entwickelt wurden. Dem stehen weder der Gedanke der Rechtssicherheit noch der Vertrauensschutz entgegen. Das Stichtagsprinzip wird von der Schätzung aufgrund einer neuen Berechnungsweise nicht verletzt, solange die neue Berechnungsweise nicht eine Reaktion auf nach dem Stichtag eingetretene und zuvor nicht angelegte wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen, insb. in steuerlicher Hinsicht ist.
Normenkette
SpruchG a.F. § 12 Abs. 2; SpruchG § 6 Abs. 3; AktG § 327f
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2), unter Verwerfung der sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin zu 1) und des gemeinsamen Vertreters sowie unter Verwerfung der gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten sofortigen Beschwerden und Zurückweisung der gegen die Antragsgegnerin zu 2) gerichteten sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 2), 3), 4), 5), 6), 7), 10), 14), 15), 16), 17), 21) wird der Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 30.1.2012 wie folgt abgeändert:
Die Anträge werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Abfindung auf 52 EUR je Aktie festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens vor dem LG einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller trägt die Antragsgegnerin zu 2).
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin zu 2). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 200.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Auf Verlangen der Antragsgegnerin zu 2) beschloss die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1) am 17.2.2003 die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin zu 2) gegen eine Barabfindung i.H.v. 39,85 EUR je Aktie gem. §§ 327a ff. AktG. Die Ermittlung des Unternehmenswerts und der Höhe der Barabfindung beruhte auf dem Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Dabei wurde entsprechend den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. aus dem Jahr 2000 (im Folgenden: IDW S 1 2000) von einer Vollausschüttung der finanziellen Überschüsse ausgegangen und wurden bei den zu erwartenden Nettoausschüttungen die persönliche Steuerbelastung und das Halbeinkünfteverfahren, ausgehend von einem typisierten Steuersatz von 35 %, mit 17,5 % berücksichtigt. Der Basiszinssatz wurde auf 5,5 %, der Risikozuschlag auf 5 % (Marktrisikoprämie 5 %, Betafaktor von "1") und der Wachstumsabschlag auf 1 % geschätzt. Ausgehend von einem Kapitalisierungszinssatz von danach 5,8 % wurde ein Ertragswert von 2.928.800.000 EUR errechnet. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen wurde mit 102.800.000 EUR angesetzt, so dass sich ein Unternehmenswert von 3.031.600.000 EUR und daraus die Barabfindung von 39,85 EUR je Aktie ergab.
Rz. 2
In einem Vergleich im Anfechtungsprozess gegen den Hauptversammlungsbeschluss, dem die Antragsgegnerin zu 2) beigetreten ist, verpflichtete sich die Antragsgegnerin zu 1), die Barabfindung nach Vorgaben zum Betafaktor von 0,6 statt 1 zu erhöhen. Die übrigen Methoden, Parameter und Prämissen, die der Ermittlung der ursprünglichen Barabfindung zugrunde lagen, sollten unverändert bleiben. Der Betrag sollte im Spruchverfahren nicht unterschritten werden, die gerichtliche Überprüfung der Abfindung aber unberührt bleiben. Die mit der Berechnung der Barabfindung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft errechnete einen Betrag von 52 EUR je Aktie.
Rz. 3
In dem von den Antragstellern eingeleiteten Spruchverfahren hat das LG ein Sachverständigengutachten mit einer vollständigen Neubewertung eingeholt. Der Sachverständige hat unter Zugrundelegung eines höheren als des ursprünglich geschätzten Umsatzwachstums, eines anderen Basiszinssatzes und einer abweichenden Marktrisikoprämie einen Unternehmenswert von 4.980.813.000 EUR nach dem IDW S 1 2000 und 3.722.706.000 EUR nach den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. aus dem Jahr 2005 (im Folgenden: IDW S 1 2005) errechnet, woraus sich je Aktie ohne Berücksichtigung des Dividendenanspruchs für das Jahr 2002 von 0,53 EUR je Aktie 65,48 EUR (IDW S 1 2000) bzw. 48,94 EUR (IDW S 1 2005) als Abfindungsbetrag ergaben.
Rz. 4
Das LG hat die Barabfindung nach dem sich auf der Basis des IDW S 1 2000 ergebenden, vom Sachverständigen errechneten Wert mit einigen Änderungen auf 57,77 EUR je Aktie festgesetzt. Dagegen haben mehrere Antragsteller, der gemeinsame Vertreter und die Antragsgegnerinnen sofortige Beschwerde eingelegt.
Rz. 5
Das OLG hält die sofortigen Beschwerden für zulässig und möchte entsprechend der Berechnung des gerichtlichen Sachverständigen die Abfindung auf 65,48 EUR je Aktie festsetzen. Es hat die Sache nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F., § 28 Abs. 2 und 3 FGG dem BGH zur Entscheidung vorgelegt, weil entscheidungserheblich sei, ob auf den am Stichtag geltenden IDW S 1 2000 oder den IDW S 1 2005, ggf. auch ergänzt nach den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. aus dem Jahr 2008 (IDW S 1 2008) abzustellen sei. Die Problematik sei zwischen den OLG seit langem umstritten und das vorlegende OLG beabsichtige, bei seiner Entscheidung von der Auslegung und dem Verständnis in dieser Frage von der Auffassung anderer OLG abzuweichen.
II.
Rz. 6
Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat selbst als Beschwerdegericht zu entscheiden. Die sofortigen Beschwerden des gemeinsamen Vertreters und der Antragsgegnerin zu 1) sind unzulässig. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) hat dagegen Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des LG und zur Festsetzung der Abfindung auf 52 EUR je Aktie.
Rz. 7
1. Die Vorlage ist zulässig.
Rz. 8
a) Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zu beurteilen, dessen entsprechende Anwendung in § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i.d.F. des Gesetzes vom 12.6.2003 (BGBl. I, 838) angeordnet war. Das vorliegende Spruchverfahren wurde zwar mit einem am 12.5.2003 eingegangenen Antrag noch vor dem Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes am 1.9.2003 eingeleitet. Da die Beschwerde gegen die Entscheidung des LG aber erst im Jahr 2012 nach Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes eingelegt ist, sind nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG auf das Beschwerdeverfahren die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes anwendbar. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. galten im Beschwerdeverfahren § 28 Abs. 2 und 3 FGG entsprechend. Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (FGG-Reformgesetz - FGG-RG, BGBl. I, 2586) finden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz in der bis zum 1.9.2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn das Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) eingeleitet worden ist (BGH, Beschl. v. 1.3.2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rz. 6 ff.; Beschl. v. 19.7.2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rz. 5 - Stollwerck; Beschl. v. 28.6.2011 - II ZB 10/10, AG 2011, 590 Rz. 5; Beschl. v. 13.12.2011 - II ZB 12/11, ZIP 2012, 266 Rz. 3).
Rz. 9
b) Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zulässig. Sie setzt voraus, dass das vorlegende OLG bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift von der Entscheidung eines anderen OLG oder, falls über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des BGH ergangen ist, von dieser abweichen will.
Rz. 10
aa) Die Vorlage betrifft eine Rechtsfrage. Eine Vorlage ist nur im Falle einer Abweichung bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift, also bei einer Rechtsfrage, zulässig. Zu den Rechtsfragen zählt neben der Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm auch die Subsumtion eines Tatbestandes unter das Gesetz (BGH, Beschl. v. 9.10.1956 - II ZB 11/56, BGHZ 21, 378, 380 f.). Erforderlich ist aber eine Abweichung in einem Rechtssatz. Eine Divergenz bei der abweichenden tatsächlichen Würdigung eines Sachverhalts rechtfertigt die Vorlage dagegen nicht (RG, JW 1933, 97).
Rz. 11
(1) Die vom OLG vorgelegte Frage, "ob und ggf. unter welchen Umständen eine in der Wirtschaftswissenschaft angewendete Bewertungsmethode, hier der IDW S 1 2005, rückwirkend anzuwenden ist," betrifft allerdings in dieser Form nicht die Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm oder die Subsumtion eines Tatbestands unter das Gesetz.
Rz. 12
Nach § 327 f Satz 2 AktG hat das Gericht im Spruchverfahren die angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Zur Auslegung dieser Vorschrift gehört die rechtliche Bestimmung der Angemessenheit. Wenn die Abfindung nicht nach dem Anteilswert, der in der Regel dem Börsenwert der gehaltenen Aktien zu entnehmen ist, bestimmt wird, ist der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert zugrunde zu legen. Ziel dieser Bewertung ist es, den "vollen, wirklichen" Wert der Unternehmensbeteiligung zu ermitteln (vgl. BVerfGE 100, 289, 306). Der Unternehmenswert ist dabei im Wege einer Schätzung zu ermitteln (vgl. § 738 Abs. 2 BGB; BGH, Beschl. v. 12.3.2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116). Bestimmungen, nach welcher Methode der Unternehmenswert zu schätzen ist, enthalten weder das Grundgesetz (vgl. BverfG ZIP 2011, 1051 Rz. 23) noch das einfache Gesetz. Die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode ist keine Rechtsfrage, sondern Teil der Tatsachenfeststellung und beurteilt sich nach der wirtschafts- wissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie und -praxis (BGH, Urt. v. 13.3.1978 - II ZR 142/76, WM 1978, 401, 405, insoweit nicht in BGHZ 71, 40 abgedruckt; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 1 Rz. 48; a.A. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 305 AktG Rz. 51; Fleischer, ZGR 1997, 368, 374). Dagegen ist es eine Rechtsfrage, ob eine vom Tatrichter gewählte Bewertungsmethode oder ein innerhalb der Bewertungsmethode gewähltes Berechnungsverfahren den gesetzlichen Bewertungszielen widerspricht.
Rz. 13
Den zur Anwendung einer Bewertungsmethode entwickelten fachlichen Berechnungsgrundsätzen kommt erst recht keine Normqualität zu. Die Entscheidung darüber, welche von mehreren rechtlich zulässigen Berechnungsweisen im konkreten Fall geeignet und sachgerecht sind, obliegt als Teil der Tatsachenfeststellung im Rahmen des Schätzungsermessens dem Tatrichter. Das gilt auch, wenn solche Grundsätze in fachlichen Regelwerken schriftlich festgehalten werden, wie dies mit der Ertragswertmethode im IDW S 1 geschehen ist. Ob als fachliches Regelwerk der IDW S 1 2005 oder IDW S 1 2000 herangezogen wird, betrifft weder die Auslegung einer Norm noch die Subsumtion unter eine Norm, sondern die Tatsachenfeststellung, soweit ihre rechtliche Zulässigkeit nicht in Frage steht (OLG Karlsruhe AG 2013, 765, 766; Hüttemann/Meyer in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 12 Rz. 71; a.A. wohl OLG Frankfurt ZIP 2015, 371, 374).
Rz. 14
(2) Die Vorlage betrifft aber aus anderen Gründen die Subsumtion eines Tatbestandes unter das Gesetz. Die Auslegung des Gesetzes ist betroffen, soweit die Ziele der Bewertung zu bestimmen sind (Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 1 Rz. 43). Dazu gehört, ob eine vom Tatrichter gewählte Bewertungsmethode oder ein innerhalb der Bewertungsmethode gewähltes Berechnungsverfahren, auch wenn es in einem fachlichen Regelwerk schriftlich festgehalten ist, den gesetzlichen Bewertungszielen entspricht (vgl. Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 1 Rz. 49). Die Vorlage wirft die Frage auf, ob solche Bewertungsziele verletzt werden, wenn eine im Zeitpunkt der Strukturmaßnahme noch nicht vorhandene Berechnungsweise für die Unternehmensbewertung angewendet wird. Der Begründung des OLG für die Vorlage ist zu entnehmen, dass es sich gehindert sieht, einer Unternehmensbewertung für einen Stichtag im Jahr 2002 den IDW S 1 2005 zugrunde zu legen, weil dies gegen die Rechtssicherheit, das Stichtagsprinzip und den Vertrauensschutz und damit gesetzlichen Bewertungsregeln verstoße.
Rz. 15
bb) Ein Abweichungsfall liegt vor. Der BGH hat zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt (BGH, Beschl. v. 10.12.2007 - II ZB 13/07, ZIP 2008, 620 Rz. 7; Beschl. v. 17.7.2002 - XII ZB 62/00, FamRZ 2002, 1327 m.w.N.). Die Abweichung muss zum einen dieselbe Rechtsfrage betreffen, zum anderen muss die Beantwortung der Rechtsfrage für die vom vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung des Falles und für die vorausgegangene Entscheidung, von der das vorlegende OLG abweichen will, erheblich sein (BGH, Beschl. v. 10.12.2007 - II ZB 13/07, ZIP 2008, 620 Rz. 7; Beschl. v. 17.7.2002 - XII ZB 62/00, FamRZ 2002, 1327; Beschl. v. 16.7.1997 - XII ZB 97/96, NJW-RR 1997, 1162; Beschl. v. 12.10.1988 - IVb ZB 37/88, NJW 1989, 668, 669). Dabei ist die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die vorgelegte Sache auf der Grundlage des im Vorlagebeschluss des OLG mitgeteilten Sachverhalts und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falles zu prüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1981 - IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34, 36 f.; Beschl. v. 11.7.1990 - XII ZB 113/87, BGHZ 112, 127, 129; Beschl. v. 16.7.1997 - XII ZB 97/96, NJW-RR 1997, 1162; Beschl. v. 13.12.2011 - II ZB 12/11, ZIP 2012, 266 Rz. 8). Die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, muss auf einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Hierfür genügt es, wenn die strittige Rechtsfrage in jener Entscheidung erörtert und beantwortet ist und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluss war (BGH, Beschl. v. 10.12.2007 - II ZB 13/07, ZIP 2008, 620 Rz. 7; Beschl. v. 17.7.2002 - XII ZB 62/00, FamRZ 2002, 1327; Beschl. v. 16.7.1997 - XII ZB 97/96, NJW-RR 1997, 1162; Beschl. v. 12.10.1988 - IVb ZB 37/88, NJW 1989, 668, 669).
Rz. 16
Für eine Abweichung genügt es damit zwar nicht, dass andere OLG den IDW S 1 2005 auf Bewertungsanlässe vor 2005 angewendet haben und ihrer Entscheidung damit eine Unternehmensbewertung auf einer anderen tatsächlichen Grundlage zugrunde gelegt haben als das vorlegende OLG. Eine bundesweit einheitliche Bewertungsweise mag zwar für die Rechtspraxis wünschenswert sein. Sie ist aber schon deshalb, weil jeder Bewertungsfall besonders zu beurteilen ist, nicht erreichbar und rechtfertigt eine Vorlage nicht, weil keine Rechtsfrage betroffen ist.
Rz. 17
Das vorlegende OLG beurteilt eine Rechtsfrage aber anders als das OLG Frankfurt und weicht in diesem Sinn von einer Entscheidung des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.3.2014 - 21 W 15/11, juris Rz. 47 ff., insoweit nicht abgedruckt in AG 2014, 822) ab. Das OLG Frankfurt sieht zwar auch Rechtssicherheit, Stichtagsprinzip und Vertrauensschutz von einer "rückwirkenden" Anwendung des IDW S 1 2005 berührt, hält aber dennoch eine Anwendung des IDW S 1 2005 für zulässig. Die Entscheidung weicht mit der Anwendung des neuen Standards auch im Ergebnis von der Entscheidung des vorlegenden OLG ab.
Rz. 18
2. Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat selbst als Beschwerdegericht zu entscheiden. Die sofortigen Beschwerden des gemeinsamen Vertreters und der Antragsgegnerin zu 1) sind unzulässig. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) hat dagegen Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des LG und zur Festsetzung der Abfindung auf den sich nach dem gerichtlichen Vergleich im Anfechtungsprozess ergebenden Wert von 52 EUR je Aktie.
Rz. 19
a) Die sofortige Beschwerde des gemeinsamen Vertreters ist unzulässig. Er ist grundsätzlich nicht beschwerdebefugt.
Rz. 20
Die Beschwerdebefugnis des gemeinsamen Vertreters ist umstritten. Nach einer Ansicht ist er grundsätzlich nicht selbst beschwerdebefugt (OLG Hamburg NZG 2001, 471; OLGReport Bremen 1998, 248, 249; KG OLGZ 1974, 430; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 12 SpruchG Rz. 3; Simon in Simon, SpruchG, § 12 Rz. 17; Kubis in MünchKomm/AktG, 4. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 10; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 8; Simon in Simon, SpruchG, § 12 Rz. 16 f.; Hölters/Simons, AktG, 2. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 14; Ederle/Theusinger in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 1; Heidel/Tewes, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 9; v. Kann/Hirschmann, DStR 2003, 1488, 1493), nach anderer ist er beschwerdebefugt (OLG Düsseldorf AG 2009, 907, 908; OLG Celle AG 2007, 865; BayObLG NZG 2003, 483 f.; OLG Karlsruhe AG 1995, 139; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 6 SpruchG Rz. 17; KK-SpruchG/Wilske, 2. Aufl., § 12 Rz. 23; KK-SpruchG/Wasmann, 2. Aufl., § 6 Rz. 20; Koppensteiner in KölnKomm/AktG, 3. Aufl., § 306 Rz. 36 und § 327 f Anh. Rz. 49; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 3; Heidel/Krenek, AktG, 4. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 9; Mennicke in Lutter, UmwG, 5. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 10; Semler/Stengel/Volhard, UmwG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 6; Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 12 Rz. 7; Klöcker/Frowein, SpruchG, § 12 Rz. 6; Klöcker in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 6; Gude, AG 2005, 233, 235; Wasmann/Mielke, WM 2005, 822, 824; Meilicke/Heidel, DB 2003, 2267, 2274).
Rz. 21
aa) Eine Beschwerdebefugnis des gemeinsamen Vertreters ist im Spruchverfahrensgesetz in § 6 oder § 12 SpruchG nicht vorgesehen. Auch nach dem hier noch anwendbaren § 20 Abs. 1 FGG (§ 17 Abs. 1 SpruchG a.F.) stand die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die erstinstanzliche Entscheidung beeinträchtigt ist. Ein eigenes Recht des gemeinsamen Vertreters nach § 20 Abs. 1 FGG ist durch die Entscheidung des Gerichts in erster Instanz nicht beeinträchtigt. Der gemeinsame Vertreter macht im Verfahren keine eigenen Rechte geltend und steht nicht wie eine Partei kraft Amtes einem Beteiligten gleich (BverfG NJW 2007, 3266, 3267). Er vertritt vielmehr als gesetzlicher Vertreter die Interessen der keinen Antrag stellenden Anteilsinhaber. Diese mögen zwar durch eine gerichtliche Entscheidung in erster Instanz in einem weiten Sinn materiell beschwert sein, weil sie keine höhere Abfindung erhalten. Da sie keinen Antrag gestellt haben, sind sie aber nicht beschwerdebefugt. Soweit eine Entscheidung wie im Spruchverfahren nur auf Antrag erlassen werden konnte und der Antrag zurückgewiesen worden ist, stand die Beschwerde nur einem Antragsteller zu (§ 20 Abs. 2 FGG). Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 3 Satz 2 SpruchG den gemeinsamen Vertreter erst für den Fall, dass er das Verfahren nach Antragsrücknahme fortführt, einem Antragsteller gleichgestellt.
Rz. 22
bb) Die Beschwerdebefugnis lässt sich auch nicht dem Verfahrensfortführungsrecht des gemeinsamen Vertreters nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SpruchG entnehmen. Danach kann der gemeinsame Vertreter das Verfahren nach Rücknahme eines Antrags fortführen. Ein solcher Fall der Rücknahme der Anträge liegt aber nach Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung selbst dann nicht vor, wenn kein Antragsteller Beschwerde einlegt. Erst recht ist dies dann nicht der Fall, wenn - wie hier - zahlreiche Antragsteller selbst ein Rechtsmittel einlegen.
Rz. 23
cc) Das Verfahrensfortführungsrecht des gemeinsamen Vertreters nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SpruchG ist auf die Verfahrensfortführung nach Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung auch nicht entsprechend anzuwenden. Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 3.2.2015 - II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rz. 11; Beschl. v. 23.9.2014 - II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rz. 12 m.w.N.). Es fehlt sowohl wegen § 6 Abs. 3 Satz 2 SpruchG an einer Lücke als auch an der Vergleichbarkeit.
Rz. 24
Das Verfahrensfortführungsrecht ist dem gemeinsamen Vertreter nicht eingeräumt, weil er für eine höhere Abfindung zu sorgen hat, sondern weil er die Interessen der keinen Antrag stellenden Anteilsinhaber auch gegenüber den Aktionären zu vertreten hat, die im Spruchverfahren einen Antrag gestellt haben. Der gemeinsame Vertreter hat darauf zu achten, dass nicht einzelne Aktionäre, die ein gerichtliches Spruchverfahren eingeleitet haben, in ungerechtfertigter Weise bevorzugt werden. Das Verfahrensfortführungsrecht ist ihm eingeräumt, um "Ausverkaufsfälle" zu vermeiden, in denen Antragsteller bei einer im Verlauf des Verfahrens möglich erscheinenden Erhöhung der Kompensation ihre Anträge gegen Zahlung einer Lästigkeitsgebühr durch den Antragsgegner zurücknehmen und sich so nachträglich Sondervorteile verschaffen (Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz], BT-Drucks. 15/371, 17). Ein solcher Ausverkaufsfall liegt nicht vor, wenn das erstinstanzliche Gericht eine Entscheidung über die Anträge trifft und kein Antragsteller ein Rechtsmittel einlegt. Wenn kein Antragsteller ein Rechtsmittel oder Anschlussrechtsmittel einlegt, würde mit der Beschwerde des gemeinsamen Vertreters den Beteiligten eine Verfahrensfortführung aufgedrängt, obwohl die Antragsteller die erstinstanzliche Entscheidung, an deren Abänderung sie kein Interesse zeigen, offensichtlich nicht für verfehlt halten. Wenn dagegen von einem Beteiligten ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist der gemeinsame Vertreter auch ohne eigenes Beschwerderecht am Verfahren weiter zu beteiligen und kann die Rechte der keinen Antrag stellenden Anteilsinhaber im Beschwerdeverfahren wahren. Ob ihm ein eigenes Beschwerderecht zusteht, wenn Antragstellern das Beschwerderecht abgekauft wird, kann dahinstehen, weil ein solcher Fall nicht vorliegt.
Rz. 25
b) Auch die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) ist unzulässig, weil sie durch die Festsetzung der Abfindung nicht beschwert ist. Nach § 327a AktG schuldet der Hauptaktionär die Abfindung, nicht die Gesellschaft, deren Aktien auf den Hauptaktionär übertragen werden. Das folgt jedenfalls aus § 327b Abs. 3 AktG. Die Gesellschaft war daher am Verfahren nicht zu beteiligen (OLG Saarbrücken AG 2004, 217, 218; OLG Hamburg AG 2004, 622, 623; OLG Düsseldorf NZG 2004, 622; OLG Düsseldorf AG 2012, 716, 717; OLG Frankfurt, Der Konzern 2011, 59; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, § 327 f Rz. 6; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 5 SpruchG Rz. 2; Krieger, BB 2002, 53, 57; Vetter, AG 2002, 176, 190; Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211, 1215; a.A. OLG Düsseldorf AG 2009, 907, 908).
Rz. 26
Für das Verfahren ordnete vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes § 327 f Abs. 2 Satz 3 AktG a.F. die entsprechende Geltung von § 306 AktG a.F. an. Daraus, dass § 306 Abs. 4 Satz 1 AktG a.F. anordnete, dass die Vertragsteile eines Unternehmensvertrags zu hören seien, nach § 306 Abs. 5 AktG a.F. die Entscheidung den Vertragsteilen des Unternehmensvertrags zuzustellen war und nach § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG a.F. die Vertragsteile Schuldner der Gerichtskosten waren, folgt nicht, dass auch bei der Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär neben diesem die Gesellschaft im Spruchverfahren zu beteiligen ist und Kosten schuldet. Während bei der Bestimmung der Abfindung nach einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit der Entscheidung des Gerichts eine vertragliche Abfindungsvereinbarung abgeändert wird, von der beide Vertragsteile betroffen sind, wird im Spruchverfahren nach der Übertragung von Aktien auf den Hauptaktionär nur über die Abfindungsverpflichtung des Hauptaktionärs entschieden, die von diesem vorgegeben ist und mit der Gesellschaft nicht vereinbart ist.
Rz. 27
Wegen der Vorschrift des § 20a Abs. 1 Satz 1 FGG, wonach eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht möglich war, kann die Antragsgegnerin zu 1) ihre Beschwerde auch nicht auf eine ihr ungünstige Kostenentscheidung des LG stützen. Die Antragsgegnerin zu 1) ist durch die erstinstanzliche Kostenentscheidung auch nicht beschwert. Das LG hat, obwohl es im Rubrum beide Antragsgegnerinnen benennt, nur "die Antragsgegnerin" in die Kosten verurteilt.
Rz. 28
Da die Antragsgegnerin zu 1) am Verfahren materiell nicht beteiligt ist, sind die Beschwerden der Antragsteller, soweit sie sich gegen diese richten, ebenfalls unzulässig und zu verwerfen.
Rz. 29
3. Die Abfindung ist auf 52 EUR je Aktie festzusetzen. Das entspricht dem Betrag, den die Antragsgegnerinnen den Minderheitsaktionären im gerichtlichen Vergleich im Anfechtungsprozess angeboten haben. Weder der Börsenkurs der Aktie noch der anteilige Unternehmenswert nach dem Ertragswertverfahren ergeben einen höheren Abfindungsbetrag.
Rz. 30
a) Der Schätzung des Unternehmenswertes mit der Ertragswertmethode legt der Senat den nach dem IDW S 1 2005 ermittelten Wert von 48,94 EUR je Aktie zugrunde, nicht den nach dem IDW S 1 2000 ermittelten Wert.
Rz. 31
aa) Der Schätzung im Spruchverfahren können auch fachliche Berechnungsweisen zugrunde gelegt werden, die erst nach der Strukturmaßnahme, die den Anlass für die Bewertung gibt, und dem dafür bestimmten Bewertungsstichtag entwickelt wurden. Dem stehen weder der Gedanke der Rechtssicherheit noch der Vertrauensschutz entgegen. Das Stichtagsprinzip wird von der Schätzung aufgrund einer neuen Berechnungsweise nicht verletzt, solange die neue Berechnungsweise nicht eine Reaktion auf nach dem Stichtag eingetretene und zuvor nicht angelegte wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen, insb. in steuerlicher Hinsicht ist.
Rz. 32
(1) Vertrauensschutz und Rechtssicherheit stehen einer Schätzung des Unternehmenswertes im Spruchverfahren aufgrund einer anderen Berechnungsweise nicht entgegen.
Rz. 33
Nach § 327 f Satz 2 AktG hat das Gericht im Spruchverfahren die angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Nähere Regelungen dazu, was die angemessene Barabfindung ist, enthält das Gesetz nicht. Verliert der Minderheitsaktionär seine mitgliedschaftliche Stellung, muss er nach der Rechtsprechung des BVerfG für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden (vgl. BVerfGE 100, 289, 304 f.). Dabei hat die Entschädigung den "wirklichen" oder "wahren" Wert des Anteilseigentums widerzuspiegeln (vgl. BVerfGE 100, 289, 306). Wenn die Abfindung nicht nach dem Anteilswert, der in der Regel dem Börsenwert der gehaltenen Aktien zu entnehmen ist, bestimmt wird, ist der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert zugrunde zu legen. Der Unternehmenswert ist dabei im Wege einer Schätzung zu ermitteln (vgl. § 738 Abs. 2 BGB; BGH, Beschl. v. 12.3.2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116). Zu dieser Schätzung ist bei einem werbenden Unternehmen die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode (BGH, Beschl. v. 9.11.1998 - II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 36; Beschl. v. 6.11.2013 - XII ZB 434/12, NJW 2014, 294 Rz. 35; vgl. auch BverfG ZIP 2011, 1051 Rz. 23 m.w.N.). Das schließt es aber nicht aus, nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles eine andere Methode zur Schätzung des Unternehmenswertes anzuwenden, beispielsweise ihn durch eine marktorientierte Methode nach dem Börsenwert des Unternehmens zu bestimmen (vgl. BverfG ZIP 2011, 1051 Rz. 23; ZIP 2012, 1408 Rz. 18; OLG Frankfurt, AG 2010, 752 ff.; NZG 2014, 464, 465 f.; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 726), den Unternehmenswert mittels dem der Ertragswertmethode ähnlichen Discounted-Cash-Flow-Verfahren zu ermitteln oder etwa in besonderen Fällen nach dem Liquidationswert (vgl. dazu BGH, Urt. v. 13.3.2006 - II ZR 295/04, ZIP 2006, 851 Rz. 13). Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist.
Rz. 34
Die Auswahl der jeweils geeigneten, mit den Gesetzen zu vereinbarenden Bewertungsmethode ist Aufgabe des Tatrichters (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1977 - II ZR 208/75, WM 1977, 781, 782; Urt. v. 13.3.1978 - II ZR 142/76, WM 1978, 401, 405; Urt. v. 7.5.1986 - IV b 42/85, NJW-RR 1986, 1066, 1068; Urt. v. 13.3.2006 - II ZR 295/04, ZIP 2006, 851 Rz. 13; Beschl. v. 6.11.2013 - XII ZB 434/12, NJW 2014, 294 Rz. 34). An die vom Abfindungspflichtigen bei der Festlegung der Abfindung zugrunde gelegte Methode ist er dabei nicht gebunden. Das Bewertungsziel, den "wirklichen" oder "wahren" Wert des Anteilseigentums zu ermitteln, verträgt sich nicht mit einer Bindung an die dem Abfindungsangebot des Hauptaktionärs zugrunde gelegte Bewertungsmethode. Nach § 327 f Satz 2 AktG dient das Spruchverfahren gerade dazu, die Angemessenheit der vom Hauptaktionär festgelegten Abfindung zu überprüfen, um den Minderheitsaktionären eine Abfindung nach dem wirklichen Wert zu verschaffen. Aus diesem Grund kann der Hauptaktionär nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass das Gericht im Spruchverfahren die von ihm zugrunde gelegte Methode beibehält, nicht einmal, wenn eine andere Bewertungsmethode bisher von der Rechtsprechung abgelehnt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 12.3.2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 124).
Rz. 35
Auf die Vorhersehbarkeit der neuen Berechnungsweise kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht an. Der Hauptaktionär muss aufgrund der gesetzlichen Vorschriften damit rechnen, dass eine höhere Abfindung im Spruchverfahren festgesetzt wird, wenn er die Übertragung der Aktien gegen eine Abfindung verlangt. Er ist nur mittelbar dadurch geschützt, dass sein Vorschlag bereits vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung durch einen sachverständigen Prüfer überprüft wird und die Entscheidung des Gerichts im Spruchverfahren sich an in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannten Methoden orientieren muss.
Rz. 36
Nichts anderes als für die Methodenwahl gilt für die Auswahl der Berechnungsweise des Ertragswerts nach der Ertragswertmethode. Mit der Wahl der Ertragswertmethode ist nur bestimmt, dass der Unternehmenswert nach dem abgezinsten geschätzten Zukunftsertrag bestimmt wird. Wie der Zukunftsertrag ermittelt wird und welcher Abzinsungssatz zugrunde zu legen ist, liegt damit nicht fest. Die Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode setzt damit ihrerseits wieder Prognosen und Schätzungen voraus. Es ist schon aus diesem Grund nicht möglich, auf der Grundlage der Ertragswertmethode stichtagsbezogen einen exakten, einzig richtigen Wert eines Unternehmens zu bestimmen (BverfG ZIP 2012, 1656 Rz. 30). Die Regeln, nach denen die Ertragsprognose und der Zinssatz ermittelt werden, müssen zwar wiederum den Bewertungszielen entsprechen, in der Wirtschaftswissenschaft anerkannt und praktisch gebräuchlich sein; eine einzige Regel, die zu einem einzigen richtigen Ergebnis führt, existiert jedoch nicht. Daher kann es kein Vertrauen des Hauptaktionärs darauf geben, dass eine bestimmte Berechnungsweise, die dem Abfindungsangebot zugrunde liegt, auch im nachfolgenden Spruchverfahren Bestand hat, selbst wenn sie schriftlich festgelegt und vom sachverständigen Prüfer anerkannt worden ist.
Rz. 37
Auch die Minderheitsaktionäre können aus demselben Grund nicht darauf vertrauen, dass die Abfindung im Spruchverfahren nach der vom Hauptaktionär seinem Abfindungsangebot zugrunde liegenden Berechnungsweise ermittelt wird. Verfahrensrechtlich können sie nicht darauf vertrauen, dass nur den Einwendungen nachgegangen wird, die sie im Spruchverfahren erhoben haben. Selbst wenn keine grundsätzlichen Einwendungen gegen die dem Abfindungsangebot zugrunde liegende Bewertungsmethode oder Berechnungsweise erhoben werden, müssen sie damit rechnen, dass das Gericht daran nicht festhält. Zwar wurde mit dem Spruchverfahrensgesetz, das für das vorliegende Verfahren noch nicht gilt, in § 4 Abs. 2 Satz 1 SpruchG eingeführt, dass die Antragsteller konkrete Einwendungen gegen die Unternehmensbewertung erheben sollen. Das Gericht soll danach nicht verpflichtet sein, eine vollständig neue Bewertung vorzunehmen, sondern sich jedenfalls zunächst darauf beschränken können, den Einwendungen der Antragsteller gegen die Unternehmensbewertung nachzugehen (vgl. Büchel, NZG 2003, 793, 796). Darin liegt aber keine Beschränkung der Berechtigung des Gerichts, im Interesse des Verfahrensziels, den "wahren" Wert zu ermitteln, über die geltend gemachten Einwendungen hinauszugehen. Das Spruchverfahren dient nicht lediglich dazu, Fehler in der Berechnung des Unternehmenswertes zu beheben und den Hauptaktionär für eine unzutreffende Wertberechnung zu sanktionieren. Mit den Einwendungen wird auch kein Verfahrensgegenstand in dem Sinn bestimmt, dass das Gericht nicht über ihn hinausgehen darf. Grundsätzlich gilt auch in den echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie es das Spruchverfahren ist, der Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 10 Abs. 3 SpruchG i.V.m. § 26 FamFG bzw. § 10 Abs. 3 SpruchG a.F. i.V.m. § 12 FGG). Soweit Minderheitsaktionäre ein Spruchverfahren einleiten, weil sie meinen, auf eine zu einer höheren Abfindung führende Fehlerkorrektur vertrauen zu können, werden sie vor negativen Folgen der Auswahl einer anderen Bewertungsmethode oder Berechnungsweise durch das Gericht verfahrensrechtlich bereits durch die Kostenvorschriften, nach denen sie grundsätzlich nicht mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners belastet werden können (§ 15 Abs. 1 SpruchG, 15 Abs. 2 SpruchG a.F., § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG a.F.), und materiell-rechtlich dadurch geschützt, dass das Gericht keine Abfindung unter der vom Hauptaktionär angebotenen Abfindung festsetzen kann.
Rz. 38
(2) Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts wird mit der Wahl einer anderen Berechnungsweise auch keine gemeinsame Geschäftsgrundlage von Hauptaktionär und Minderheitsaktionären gestört, wenn der Wechsel zu einer anderen Methode oder Berechnungsweise Abweichungen von mehr als 10 % ergibt. Abgesehen davon, dass § 313 BGB auf gesetzliche Schuldverhältnisse wie den Abfindungsanspruch nach § 327a AktG für die Übertragung eigener Aktien nicht anwendbar ist, liegt auch keine Änderung von Umständen vor, die zur Grundlage eines Vertrages geworden sind (§ 313 Abs. 1 BGB), oder stellen sich wesentliche Vorstellungen, die Grundlage der Abfindung geworden sind, als falsch heraus (§ 313 Abs. 2 AktG). Bewertungsmethoden und Berechnungsweisen sind lediglich Hilfsmittel bei der Bestimmung des Unternehmenswertes, deren Ungenauigkeit allgemein bekannt ist. Auf eine prozentuale Grenze einer Veränderung kann es von vornherein nicht ankommen. Die Abfindungsberechtigten haben keinen Anspruch auf eine möglichst hohe, sondern auf eine angemessene, der Beteiligung am wirklichen Unternehmenswert entsprechende Abfindung. Vor einer Herabsetzung unter die festgelegte Abfindung sind sie schon dadurch geschützt, dass im Spruchverfahren nur eine höhere, aber keine niedrigere als die festgelegte Abfindung festgesetzt werden darf.
Rz. 39
(3) Das Stichtagsprinzip steht der Anwendung einer Berechnungsweise, die erst nach dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt entwickelt wird, nicht grundsätzlich entgegen.
Rz. 40
Das Stichtagsprinzip bedeutet, dass der Wert des Unternehmens, "wie es am Stichtag steht und liegt", zu ermitteln ist, also die Organisationsverhältnisse und die wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen des Unternehmens maßgeblich sind, die am Bewertungsstichtag vorhanden waren (BGH, Beschl. v. 21.7.2003 - II ZB 17/01, BGHZ 156, 57, 64). Nach dem Stichtag insoweit eintretende Entwicklungen sind grundsätzlich nur zu berücksichtigen, wenn sie am Stichtag schon angelegt waren (BGH, Urt. v. 9.11.1998 - II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 38). Solange eine neue Berechnungsweise nicht eine Reaktion auf nach dem Stichtag eingetretene wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen, insb. in steuerlicher Hinsicht ist, wird das Stichtagsprinzip nicht berührt, selbst wenn sie am Bewertungsstichtag noch nicht in der Fachwelt erörtert wurde. Die Berechnungsweise und die dabei angewandten Schätzmethoden sind, soweit sie nicht wirtschaftliche oder steuerrechtliche Veränderungen abbilden, keine Informationen, die die Organisationsverhältnisse, die wirtschaftliche oder rechtliche Situation am Bewertungsstichtag betreffen. Die Berechnungsweise ist auch nicht selbst ein wertbildender Umstand, für den das Stichtagsprinzip gilt.
Rz. 41
Der BGH hat deshalb schon in der Vergangenheit ohne Bedenken neue Bewertungsweisen auf vergangene Bewertungsstichtage angewendet, so den IDW S 1 2000 auf einen Bewertungsfall, zu dem dieser Standard noch nicht veröffentlicht war und noch der ältere Standard HFA 2/1983 der Unternehmensbewertung vorgerichtlich zugrunde gelegt war (BGH, Beschl. v. 12.3.2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 117). Ebenso wurde bei der Bestimmung des Börsenwerts eine andere Berechnungsweise zur Bestimmung des Referenzzeitraums auch auf in der Vergangenheit liegende Bewertungsanlässe angewendet (BGH, Beschl. v. 19.7.2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rz. 20 ff. - Stollwerck; Beschl. v. 28.6.2011 - II ZB 2/10, ZIP 2011, 1708 Rz. 8).
Rz. 42
Soweit eine neue Berechnungsweise auf einer Veränderung der wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nach dem Stichtag beruht, die nicht bereits angelegt und vorhersehbar war, kommt allerdings wegen des Stichtagsprinzips die Anwendung der neuen Berechnungsweise nicht in Betracht. Umgekehrt ist sie anzuwenden, wenn sie auf Veränderungen der wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse reagiert, die am Bewertungsstichtag bereits eingetreten oder angelegt waren, in der alten Berechnungsweise aber noch nicht berücksichtigt waren. In den übrigen Fällen, in denen das Stichtagsprinzip die Anwendung einer neuen Berechnungsweise nicht vorgibt, ist die Entscheidung über ihre Anwendung dem Tatrichter vorbehalten. Das Bewertungsziel einer dem wahren Wert möglichst nahe kommenden Schätzung spricht für die Anwendung einer neuen Berechnungsmethode, wenn sie besser geeignet ist, also eine größere Annäherung an den "wahren" Unternehmenswert verspricht, oder sie Fehler oder Unzulänglichkeiten einer alten Berechnungsweise behebt. Insbesondere wenn ein Spruchverfahren zu dem Zeitpunkt, zu dem die neue Berechnungsweise bekannt und anerkannt wird, bereits länger andauert, ist der Gewinn an Genauigkeit gegen den weiteren verfahrensrechtlichen und zeitlichen Aufwand abzuwägen. Die Grundlagen der Schätzung müssen im Spruchverfahren zwar methodensauber, aber mit verfahrensökonomisch vertretbarem Aufwand geschaffen werden (OLG Stuttgart AG 2013, 724, 726).
Rz. 43
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerfG, nach dessen Auffassung die Verwendung von Methoden, die zum Zeitpunkt der Vornahme der Unternehmensbewertung gebräuchlich und anerkannt waren, für die Ermittlung des Unternehmenswerts grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Dass eine Methode in der Wirtschaftswissenschaft diskutiert wird und möglicherweise im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht mehr als Methode angewendet wird, ändert daran nichts (BverfG AG 2007, 697 Rz. 23).
Rz. 44
(4) Mit der Anwendung neuerer Methoden wird auch nicht gegen das Bewertungsziel verstoßen, mit der Ertragswertmethode den Grenzpreis zu ermitteln, zu dem das Unternehmen am Stichtag an einen Dritten verkauft werden könnte. Allerdings wird in der Rechtsprechung vertreten, dass dieses Bewertungsziel verfehlt würde, weil die neuen Methoden in den vom Dritten bezahlten Grenzpreis nicht einfließen würden (OLG Frankfurt AG 2010, 798, 800). Die Kenntnis einer fundamentalanalytischen Bewertungsmethode ist aber nicht Voraussetzung für das Zustandekommen richtiger Marktpreise, in die auch andere Faktoren und Informationen einfließen (OLG Stuttgart, BeckRS 2011, 01677). Mit der fundamentalanalytischen Berechnung soll ein Marktpreis theoretisch geschätzt werden, der mangels eines "echten" Verkaufsfalls gerade nicht unmittelbar nachvollzogen werden kann, und nicht ein Marktpreis gebildet werden.
Rz. 45
(5) Der Rechtsgedanke von Art. 170 EGBGB zur Anwendung intertemporalen Rechts steht der Anwendung einer neuen Berechnungsweise nicht entgegen (OLG Karlsruhe AG 2009, 47, 50; a.A. BayObLG AG 2006, 41, 43; OLG München AG 2007, 411, 412). Bewertungsmethoden sind keine Rechtsnormen und ähneln ihnen nicht; erst recht gilt das für von der Wirtschaftswissenschaft oder der Wirtschaftsprüferpraxis entwickelte Berechnungsweisen, selbst wenn sie als "Bewertungsstandards" schriftlich festgehalten sind (vgl. OLG Stuttgart AG 2014, 291, 292).
Rz. 46
bb) Der anteilige Unternehmenswert pro Aktie nach dem Ertragswertverfahren liegt bei maximal 48,94 EUR je Aktie.
Rz. 47
Erfolgt die Berechnung nach dem Ertragswertverfahren in der Berechnungsweise des IDW-Standards, ist der anteilige Ertragswert in dem vorliegenden Spruchverfahren nach dem IDW S 1 2005 auf 48,94 EUR je Aktie zu bestimmen. Die Berechnung nach dem IDW S 1 2005 ist vorzugswürdig. Eine Verfahrensverzögerung durch die Anwendung des neuen Standards ist nicht zu befürchten, weil das OLG den Ertragswert nicht nur nach dem IDW S 1 2000, sondern auch nach dem IDW S 1 2005 ermittelt hat. Der IDW S 1 2005 ist methodisch eine Verbesserung gegenüber dem IDW S 1 2000. Er ist keine Reaktion auf wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen seit dem IDW S 1 2000, sondern behebt Unzulänglichkeiten bei der Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens und der unterschiedlichen Besteuerung der Alternativanlage im IDW S 1 2000 (Popp, Der Konzern 2015, 193, 204). Die Abkehr von der Vollausschüttungshypothese ist ebenfalls eine methodische Verbesserung, weil eine Vollausschüttung in der Wirklichkeit nicht vorkam und mit der Umstellung der der Berechnung zugrunde liegenden Alternativanlage in Aktien statt in festverzinslichen Wertpapieren die Abkehr folgerichtig war (vgl. Popp, Der Konzern 2015, 193, 201). Auch der Sachverständige hat schon bei seiner Anhörung vor dem LG bekundet, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Anwendung des IDW S 1 2005 (statt des IDW S 1 2000) oder eine Vorsteuerbetrachtung richtig ist.
Rz. 48
Ob statt der wegen der Besonderheiten des deutschen Steuerrechts sowohl im IDW S 1 2000 als auch im IDW S 1 2005 vorgesehenen Nachsteuerbetrachtung die vom Sachverständigen ebenfalls für richtig erachtete Vorsteuerbetrachtung vorzugswürdig ist, kann dahinstehen. Der Sachverständige hat den Ertragswert vor Steuern mit 3.406.629.000 EUR niedriger als mit einer Nachsteuerbetrachtung nach dem IDW S 1 2005 (3.722.706.000 EUR) errechnet.
Rz. 49
Soweit das OLG und ihm folgend Antragsteller unter Bezug auf Stimmen in der Literatur Bedenken gegen eine Bestimmung der Risikoprämie nach dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) geäußert haben, weil sie ebenfalls auf ungenauen Schätzungen beruhe und nur vermeintlich präzise Ergebnisse erbringe (z.B. Emmerich, Festschrift Stilz, 2014, S. 135, 141; Großfeld, NZG 2007, 1204, 1208), ist dem in diesem Verfahren nicht weiter nachzugehen. Die Bestimmung der Risikoprämie nach dem Capital Asset Pricing Model war schon im IDW S 1 2000 vorgesehen (dort unter 7.3.2.5.) und ist damit für die Entscheidung, ob IDW S 1 2000 oder IDW S 1 2005 der Berechnung des Ertragswerts zugrunde zu legen ist, grundsätzlich nicht von Bedeutung. Dass die Bestimmung der Risikoprämie unter Zuhilfenahme des Capital Asset Pricing Model nur vermeintlich präzise Ergebnisse erbringt, liegt darin begründet, dass es sich um eine Schätzung handelt und ist ein Einwand, der sich auch gegen die Bestimmung des Unternehmenswerts nach der Ertragswertmethode insgesamt richten kann. Da der Sachverständige die Risikoprämie nach dem CAPM geschätzt hat und im Verfahren weder vom LG noch vom OLG eine bessere Schätzung eingeführt wurde, besteht kein Anlass, aus diesem Grund die Sache an das OLG für weitere Feststellungen zurückzugeben.
Rz. 50
b) Der Abfindungswert ist entsprechend der Berechnung nach dem im Anfechtungsprozess getroffenen Vergleich auf 52 EUR festzusetzen.
Rz. 51
Die im Anfechtungsverfahren vergleichsweise zugesprochene Abfindung ist der Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung. Erhöht der Hauptaktionär im Rahmen eines Vergleichs zur Beendigung eines Anfechtungsverfahrens das Angebot auf Abfindung mit Wirkung für alle betroffenen Aktionäre, so ist dieses in einem nachfolgenden Spruchverfahren Gegenstand der Angemessenheitsprüfung (BGH, Beschl. v. 19.7.2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rz. 32). Dieser Betrag ist ausdrücklich als Abfindung festzusetzen, weil der Festsetzung im Spruchverfahren über das vertragliche Versprechen der Antragsgegnerin für alle Dritten hinaus die Wirkung für und gegen alle nach § 13 Abs. 2 SpruchG zukommt.
Rz. 52
Der nach der Ertragswertmethode ermittelte anteilige Unternehmenswert ergibt höchstens eine Abfindung von 48,94 EUR je Aktie und damit keinen höheren Wert. Der Börsenwert der Aktie lag ebenfalls unter 52 EUR. Zwar hat das OLG nicht festgestellt, wann die Übertragungsabsicht der Antragsgegnerin zu 2) bekannt wurde und wie hoch der gewichtete Börsenkurs im Referenzzeitraum vor Bekanntwerden der Übertragungsabsicht war. Aus den bekannten Börsenkursen kann aber geschlossen werden, dass er unter 52 EUR lag. Dem Übertragungsverlangen ging ein öffentliches Übernahmeangebot voraus, vor dem der Börsenkurs 52 EUR nie überstieg. Der gewichtete Börsenkurs vor Veröffentlichung des öffentlichen Übernahmeangebots am 3.7.2002 zu einem Übernahmepreis von 32,75 EUR lag bei 27,59 EUR. Nach Veröffentlichung des Übernahmeangebots entwickelte sich der Börsenpreis bis zu 32,90 EUR und überstieg damit auch bis zur Bekanntgabe des Übernahmeverlangen nie 52 EUR.
Rz. 53
4. Die Kostenentscheidung beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG a.F., die gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG auf das Beschwerdeverfahren anzuwenden sind. Ein Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren der Antragsgegnerin zu 2) aufzuerlegen, besteht nicht.
Rz. 54
Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren war dahingehend klarzustellen, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen von der Antragsgegnerin zu 2) zu tragen sind, § 327 f Abs. 2 Satz 3 AktG a.F. i.V.m. § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG a, § 13a Abs. 1 FGG. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1) sind nicht den Antragstellern aufzuerlegen. Ob in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FGG außergerichtliche Kosten, die einem zu Unrecht in das Verfahren einbezogenen Beteiligten entstanden sind, demjenigen auferlegt werden können, der die Beteiligung schuldhaft veranlasst hat, kann dahinstehen. Die Antragsgegnerin zu 1) wurde angesichts der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur Beteiligung auch der Aktiengesellschaft im Spruchverfahren vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes jedenfalls nicht schuldhaft durch die Antragsteller in das Verfahren einbezogen.
Rz. 55
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG a.F. 200.000 EUR. Für das Verfahren vor dem LG verbleibt es bei dem festgesetzten Geschäftswert, § 30 Abs. 1 KostO a.F.
Fundstellen
Haufe-Index 8997784 |
BGHZ 2016, 114 |
BB 2016, 193 |
BB 2016, 304 |
DB 2016, 160 |
DB 2016, 6 |
DStR 2016, 424 |