Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsverfahren. Unterrichtungspflicht Gerichtsvollzieher über erfolglosen Ausgang mit Begründung
Leitsatz (amtlich)
Der Gerichtsvollzieher hat den Gläubiger, der ihm einen Vollstreckungsauftrag erteilt hat, über den Ausgang des Verfahrens zu unterrichten. Dazu genügt eine kurze Mitteilung, die aber erkennen lassen muss, aus welchem Grund der Vollstreckungsversuch ohne Erfolg geblieben ist.
Normenkette
ZPO § 753
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 08.09.2003) |
AG Rosenheim (Beschluss vom 06.02.2002) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Traunstein v. 8.9.2003 und der Beschluss des AG Rosenheim v. 6.2.2002 aufgehoben.
Der Gerichtsvollzieher hat der Gläubigerin über den Ausgang des Vollstreckungsverfahrens gegen den Schuldner neu Auskunft zu erteilen.
Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.
Wert: bis 300 Euro
Gründe
I. Die Gläubigerin erteilte dem Gerichtsvollzieher im August 2002 einen gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungsauftrag. Mit Schreiben v. 21.10.2002 teilte der Gerichtsvollzieher ihr unter Beifügung des Schuldtitels und seiner Kostenrechnung mit, er habe versucht, die Zwangsvollstreckung durchzuführen. Mit Schreiben v. 14.11.2002 forderte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher auf, sie über das Ergebnis der Pfändung näher zu unterrichten. Sie wurde daraufhin auf die Beantragung einer - kostenpflichtigen - Protokollabschrift verwiesen. Weiter gehende Auskünfte über den Ausgang des Vollstreckungsverfahrens erteilte der Gerichtsvollzieher ihr nicht. Ihre hiergegen gerichtete Erinnerung ist vor dem AG ohne Erfolg geblieben. Das Beschwerdegericht (Einzelrichterin) hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hat der Senat den Beschluss wegen fehlerhafter Besetzung des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Einzelrichterin hat das Verfahren daraufhin gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO der Kammer zur Entscheidung übertragen. Diese hat die Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen. Dagegen wendet die Gläubigerin sich mit ihrer - erneut zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. Das gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Gläubigerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Auskunft. Die Mitteilungs- und Benachrichtigungspflichten des Gerichtsvollziehers seien in den §§ 760, 763 Abs. 2 ZPO sowie in § 5 Nr. 3 der Geschäftsanweisungen für Gerichtsvollzieher (GVGA) abschließend geregelt. Die Gläubigerin könne jederzeit eine Protokollabschrift beantragen. Dass diese kostenpflichtig sei, stehe dem nicht entgegen. Der Gerichtsvollzieher sei berechtigt, für seine Amtshandlungen ein entsprechendes Entgelt zu verlangen.
Die Rechtsbeschwerde ist demgegenüber der Auffassung, der Gerichtsvollzieher habe auch ohne gesonderte Vergütung dem Gläubiger über die Erledigung des Zwangsvollstreckungsauftrages zu berichten. Allein so könne der Gläubiger, der seine Ansprüche nur mit staatlicher Hilfe durchsetzen könne, entscheiden, ob und in welcher Weise er das Vollstreckungsverfahren weiter betreiben wolle.
2. Darin ist der Rechtsbeschwerde zuzustimmen. Der Gerichtsvollzieher ist Organ der Zwangsvollstreckung. Er ist mit dem Gläubiger nicht durch ein privatrechtliches Rechtsverhältnis verbunden; vielmehr gehört seine Tätigkeit dem öffentlichen Recht an (RG RGZ 82, 85 [86 ff.]; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl., § 1 Rz. 12; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 753 Rz. 5; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 154 GVG Rz. 6). Ist er zur Erledigung des ihm nach § 753 ZPO erteilten Auftrags zuständig, muss er diesen ausführen und übernehmen. Dazu gehört es, den Gläubiger über den Ausgang des Vollstreckungsverfahrens zu unterrichten. Eine solche Benachrichtigung ist Teil der Pflichten, die er von Amts wegen zu erfüllen hat (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 25. Aufl., § 760 Rz. 3; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 760 Rz. 3; Heßler in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 760 Rz. 14; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 760 Rz. 1 und § 763 Rz. 1; Mümmeler, DGVZ 1973, 149 [155]; LG Köln DGVZ 1995, 170; LG Hannover DGVZ 1981, 39; AG Heilbronn, Beschl. v. 3.2.2003 - 15 M 161/03; a. A. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 760 Rz. 2; Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 760 Rz. 3; OLG Hamm DGVZ 1977, 40; LG Hamburg DGVZ 1974, 139; LG Dortmund DGVZ 1975, 74; LG Köln MDR 1974, 1024). Dabei darf sich der Gerichtsvollzieher, wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, auf eine kurze Mitteilung über den Erfolg oder die Ergebnislosigkeit seiner Amtshandlung beschränken. Alles Weitere hat der Gläubiger dem Protokoll zu entnehmen, das der Gerichtsvollzieher über die Vollstreckungshandlung zu erstellen hat. Nach § 760 ZPO ist dem Gläubiger dafür Akteneinsicht zu gestatten. Die Vorschrift gibt ihm darüber hinaus das Recht, Protokollabschriften zu beantragen; die Erstellung durch den Gerichtsvollzieher löst allerdings den Gebührentatbestand des § 36 Abs. 1 Nr. 1 GV-KostG aus. Ohne entsprechenden Antrag des Gläubigers hat der Gerichtsvollzieher eine Protokollabschrift nur unter den Voraussetzungen des § 763 Abs. 2 ZPO zu übersenden. Es bleibt damit dem Gläubiger überlassen, welche Kenntnis er sich - gebührenpflichtig - über das hinaus verschaffen will, was ihm durch den Gerichtsvollzieher bereits von Amts wegen mitzuteilen ist; insoweit dient die Akteneinsicht auch der Kontrolle durch den Gläubiger und der Offenlegung aller in einem Verfahren entstandenen Schriftstücke (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz I, 3. Aufl., § 760 ZPO Rz. 3; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., Rz. 4; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 760 Rz. 2; LG Düsseldorf DGVZ 1991, 25).
Die Auskunftspflicht des Gerichtsvollziehers über den Verlauf des Vollstreckungsverfahrens kann mithin nicht so weit gehen, dass er den Inhalt des Protokolls vollständig wiederzugeben hätte und eine Einsichtnahme durch den Gläubiger gem. § 760 ZPO dadurch ersetzt würde. So ist es insbesondere nicht erforderlich, dass der Gerichtsvollzieher in seinem Schreiben an den Gläubiger im Einzelnen aufführt, welche pfänbaren Sachen er vorgefunden hat. Das ist allein Inhalt der Pfändungsniederschrift. Sie muss den Gegenstand der Vollstreckungshandlung unter kurzer Erwähnung der wesentlichen Vorgänge enthalten (§ 762 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dazu gehören ein genaues Verzeichnis der Pfandstücke und eine Beschreibung der angelegten Pfandzeichen. Für den Fall, dass eine Pfändung überhaupt nicht oder nicht in Höhe der beizutreibenden Forderung erfolgen kann, genügt selbst im Protokoll der allgemeine Hinweis, dass eine Pfändung unterblieben ist, weil der Schuldner nur Sachen besitzt, die nicht gepfändet werden dürfen oder nicht gepfändet werden sollen oder von deren Verwertung ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten ist (§ 135 Nr. 1, 6 GVGA).
Andererseits darf die an den Gläubiger gerichtete Mitteilung nicht völlig ohne Aussagekraft sein (so richtig LG Ravensburg, Beschl. v. 9.9.2003 - 3 T 51/03). Denn sie dient dazu, dem Gläubiger Klarheit darüber zu verschaffen, welche weiteren Schritte von ihm zu veranlassen sind. Diesen Interessen des Gläubigers vermag vorliegend das Schreiben des Gerichtsvollziehers v. 21.10.2002 nicht zu genügen. Ihm ist lediglich zu entnehmen, dass der Gerichtsvollzieher überhaupt tätig geworden ist. Der Gläubiger wird jedoch nicht - noch nicht einmal durch eine formelhafte Wendung - darüber unterrichtet, weshalb der Zwangsvollstreckungsversuch gescheitert ist. Dafür sind verschiedene Gründe denkbar. So kann der Gerichtsvollzieher den Schuldner nicht angetroffen haben, weil dieser unter der vom Gläubiger angegebenen Anschrift nicht (mehr) wohnhaft ist. Die Amtshandlung kann weiter deshalb ohne Erfolg geblieben sein, weil der Gerichtsvollzieher keine pfändbare Habe vorgefunden hat, eine Durchsuchung ergebnislos verlaufen ist (§ 758 ZPO) oder eine Vollstreckung nur zur Unzeit hätte vorgenommen werden können (§ 758a ZPO). Ohne diese zusätzlichen Informationen kann der Gläubiger nicht beurteilen, welche Möglichkeiten bestehen, seine Forderung gegen den Schuldner doch noch durchzusetzen. Erst auf ihrer Grundlage kann er entscheiden, welche Maßnahmen - Anschriftenermittlung, Antrag auf richterliche Durchsuchungsanordnung, Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung - dazu erforderlich und von ihm entsprechend zu veranlassen sind.
Der Gerichtsvollzieher hat dem Gläubiger daher nach Maßgabe dieser Grundsätze erneut über den Ausgang des Vollstreckungsverfahrens zu unterrichten.
Fundstellen
Haufe-Index 1121188 |
BGHR 2004, 774 |
EBE/BGH 2004, 2 |
FamRZ 2004, 870 |
NJW-RR 2004, 788 |
JurBüro 2004, 392 |
WM 2004, 542 |
WuB 2004, 375 |
InVo 2004, 284 |
InVo 2004, 382 |
KKZ 2005, 152 |
MDR 2004, 648 |
Rpfleger 2004, 364 |
WuM 2004, 220 |
RVGreport 2004, 279 |
VE 2004, 185 |
ZVI 2004, 81 |
GK/Bay 2004, 409 |
ProzRB 2004, 153 |