Leitsatz (amtlich)
Zur Begründung der Rüge der fehlerhaften Besetzung des Gerichts ist die Angabe der Einzeltatsachen nötig, aus denen sich der Fehler ergibt. Wenn es sich um gerichtsinterne Vorgänge handelt, muss dargelegt werden, dass jedenfalls eine Aufklärung versucht worden ist.
Normenkette
PatG § 100 Abs. 3 Nr. 1; GebrMG § 18 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
BPatG (Entscheidung vom 13.11.2003; Aktenzeichen 5 W(pat)449/02) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 13.11.2003 verkündeten Beschluss des 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des BPatG wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist Inhaber des am 20.2.1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten und am 10.4.1997 unter der Bezeichnung "Wasserwaage" eingetragenen Gebrauchsmusters 297 03 035, für das die Priorität einer US-Voranmeldung v. 12.12.1996 in Anspruch genommen worden ist. Das Gebrauchsmuster umfasst 18 Schutzansprüche.
Die Antragstellerin hat die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt und sich auf mangelnde Schutzfähigkeit berufen. Das Patentamt hat dem Löschungsantrag teilweise stattgegeben.
Diesen Beschluss hat die Antragstellerin angegriffen mit dem Ziel der vollständigen Löschung des Gebrauchsmusters. Der Antragsgegner hat demgegenüber das Gebrauchsmuster mit neu eingereichten Schutzansprüchen 1 bis 4 gemäß Haupt- und gemäß Hilfsantrag verteidigt. Anspruch 1 lautet nach dem Hauptantrag:
"Wasserwaage mit einem im Querschnitt rechteckförmigen Körper (12)
- mit einer an einer lang gestreckten Schmalfläche des Körpers (12) ausgebildeten Fläche (14) mit einer zum Ausrichten einer Ausrichtfläche (16) geeignet guten Ebenheit und Glätte, und
- mit wenigstens zwei im Körper (12) befestigten Libellen (20, 22) mit die Ausrichtung einer Ausrichtfläche (16) anzeigender Luftblase (42), wobei eine der Libellen (20) zum Ausrichten einer vertikalen Ausrichtfläche eine im Wesentlichen senkrecht zur ebenen Fläche (14) verlaufende Längsachse (24) besitzt und in einer Aufnahmeöffnung in einem Endbereich des Körpers (12) angeordnet ist, welche sie frei sichtbar überbrückt, und eine andere Libelle (22) zum Ausrichten einer horizontalen Ausrichtfläche eine im Wesentlichen parallel zur ebenen Fläche (14) verlaufende Längsachse (24) besitzt und in einem Mittelbereich des Körpers (12) angeordnet ist,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,
dass im Innern des Körpers (12) eine in einem Winkel zu der Libelle (20) zum Ausrichten einer vertikalen Ausrichtfläche und zur zugehörigen Sichtebene (32) ausgerichtete Reflexionsfläche (36) angeordnet ist, die ein Bild dieser Libelle (20) mit ihrer Luftblase (42) zur Sichtebene (32) reflektiert, die in einem Fenster (38) an der sich im Wesentlichen parallel zur ebenen Fläche (14) erstreckenden gegenüberliegenden Schmalfläche (34) des Körpers (12) angeordnet ist."
Das BPatG hat auf die Beschwerde der Antragstellerin den angefochtenen Beschluss aufgehoben und das Gebrauchsmuster gelöscht, soweit es über den Schutzanspruch 4 i.d.F. des geänderten Hauptantrags hinausgeht. Den weiter gehenden Löschungsantrag und die weiter gehende Beschwerde der Antragstellerin hat das BPatG zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde, mit der der Antragsgegner geltend macht, die angefochtene Entscheidung sei gem. § 100 Abs. 3 Nr. 1 PatG, § 18 Abs. 4 S. 2 GebrMG aufzuheben, weil das beschließende Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Der angefochtene Beschluss sei ferner nicht mit Gründen versehen (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG). Außerdem liege der Verfahrensmangel des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG vor, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Zur Begründung seiner Auffassung, der beschließende Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat- des BPatG sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, führt der Antragsgegner aus, der Geschäftsverteilungsplan des Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats lasse schon nicht erkennen, nach welchem Verfahren das rechtskundige Mitglied ausgewählt werde. Außerdem habe bei den technischen Mitgliedern eine Änderung der Besetzung stattgefunden, ohne dass sich in den Akten oder im Geschäftsverteilungsplan hierfür eine Begründung finde. Gemäß Verfügung v. 9.12.2002 seien als Beisitzer die Richter am BPatG Kalkoff und Dr. Hartung festgestellt worden. Demgegenüber sei gemäß Verfügung des Vorsitzenden v. 17.6.2003 ohne jede nähere Begründung an die Stelle des ersten Beisitzers Richter am BPatG Dr. Zehender getreten und als zweiter Beisitzer der zunächst als Berichterstatter bezeichnete Richter am BpatG Kalkoff bestimmt worden.
Damit hat der Antragsgegner eine fehlerhafte Besetzung des Beschwerdegerichts nicht dargelegt.
Der Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat entscheidet nach § 18 Abs. 3 S. 1, 2 und 3 GebrMG über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen über Löschungsanträge in der Besetzung mit einem rechtskundigen Mitglied und zwei technischen Mitgliedern, wobei der Vorsitzende ein rechtskundiges Mitglied des Senats sein muss. Nach dem Aktenvermerk des geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden war dieser am Sitzungstag, dem 13.11.2003, durch eine Dienstreise an der Mitwirkung gehindert. Deshalb war die stellvertretende Vorsitzende, Richterin am BPatG Werner, zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen (§ 68 PatG, § 21 f. Abs. 2 GVG).
Auch hinsichtlich der weiteren mitwirkenden Richter ist die Rüge nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Sie setzt die Angabe der Tatsachen voraus, aus denen sich der Fehler ergibt (BGH, Beschl. v. 7.2.1995 - X ZB 20/93, MDR 1996, 604 = Mitt. 1996, 118 - Flammenüberwachung). Zu der vergleichbaren Regelung des § 551 Nr. 1 ZPO a.F. ist anerkannt, dass zur Begründung der Rüge die Angabe der Einzeltatsachen nötig ist, aus denen sich der Fehler ergibt. Wenn es sich um gerichtsinterne Vorgänge handelt, muss dargelegt werden, dass jedenfalls eine Aufklärung versucht worden ist (BGH, Urt. v. 20.6.1991 - VII ZR 11/91, NJW 1992, 512). Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde in Gebrauchsmustersachen.
Diesen Anforderungen genügt die vom Antragsgegner erhobene Rüge nicht. Auf die Verteilung der Geschäfte innerhalb des Beschwerdesenats ist gem. § 18 Abs. 3 S. 4 GebrMG § 21g GVG anzuwenden. Der Antragsgegner hat schon nicht dargelegt, dass die Besetzung des Beschwerdegerichts nicht dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan entsprach. Allein aus einem abweichenden Vermerk über die Besetzung folgt dies noch nicht, zumal zwischen der Ersten und der zweiten Verfügung anlässlich des Jahreswechsels sich die senatsinterne Geschäftsverteilung oder auch die Besetzung des Senats geändert haben können. Der Antragsgegner hat auch nicht dargelegt, dass eine Aufklärung der Vorgänge, die zu einer Änderung der Besetzung geführt haben, versucht worden sei.
2. Soweit der Antragsgegner rügt, die Entscheidung des BPatG sei nicht mit Gründen versehen, führt er dazu aus, das BPatG habe als Grund für die mangelnde Schutzfähigkeit lediglich angegeben, der Fachmann könne die Merkmale des Hauptanspruchs 1 ohne erfinderischen Schritt einsetzen, der Anspruch 2 des Hauptantrags betreffe ein Merkmal, das vorgesehen werden könne, ohne dass es hierzu eines erfinderischen Schritts bedürfe, das Merkmal des Anspruchs 3 beruhe ebenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt, was auch für die Gegenstände der Schutzansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag gelte. Damit habe das BPatG lediglich das im Gesetzestext aufgeführte Merkmal wiederholt, ohne erkennen zu lassen, welche Anforderungen an das Vorliegen bzw. die Verneinung dieser Voraussetzung zu stellen sind.
Nach der Rechtsprechung des Senats besteht der Zweck des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG in der Sicherung des Begründungszwangs und nicht in der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BGHZ 39, 333 [341] - Warmpressen). Rechtsfehler oder Lückenhaftigkeit der Begründung können nach der Bestimmung nicht gerügt werden (BGHZ 39, 333 [341] - Warmpressen; BGH, Beschl. v. 3.12.1991 - X ZB 5/91, MDR 1992, 361 = GRUR 1992, 159 - Crackkatalysator II, st.Rspr.).
Den danach an die Begründung zu stellenden Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung. Das BPatG hat sich nicht darauf beschränkt, den Gesetzestext wiederzugeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, Wasserwaagen seien seit mehr als 100 Jahren bekannt. Wolle der Fachmann bei einer herkömmlichen Wasserwaage die Ablesbarkeit der Vertikallibelle verbessern, so seien hierzu verschiedene Wege denkbar. Aus einer der Druckschriften (D 1) sei eine Wasserwaage bekannt, die auch zur senkrechten Ausrichtung von Pfosten diene und daher neben den Funktionen einer typischen Standardwasserwaage auch die Funktion einer Pfostenwasserwaage erfülle. Diese Wasserwaage weise einen Körper mit einem im Wesentlichen rechteckförmigen Querschnitt auf, an dem aber zusätzlich noch ein Vorsprung angebracht sei, der es ermögliche, die Wasserwaage gleichzeitig an zwei vertikale Flächen des Pfostens anzulegen. Im Inneren des Körpers sei eine in einem Winkel zu der Libelle und zu der gehörigen Sichtebene ausgerichtete Reflexionsfläche angeordnet, die ein Bild der Libelle mit ihrer Luftblase zur Sichtebene reflektiere. Die Reflexionsfläche ermögliche die gleichzeitige Ablesung der beiden Vertikallibellen von vorne. Hieraus schließe der Fachmann jedoch nicht, dass die Ablesung einer Vertikallibelle über eine Reflexionsfläche nur dann zweckmäßig sei, wenn zwei Vertikallibellen gleichzeitig abgelesen werden sollten. Vielmehr erkenne er auf Grund seines Fachwissens ohne weiteres, dass eine Reflexionsfläche auch bei der Vertikallibelle einer herkömmlichen Standardwasserwaage einsetzbar sei und dort ebenfalls die Betrachtung der Vertikallibelle von vorne ermögliche, so dass eine verbesserte Ablesbarkeit der Wasserwaage gegeben sei. Damit gelange er ohne weiteres zum Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Der Anspruch 2 betreffe das Merkmal einer Beleuchtungseinrichtung. Eine Anregung zu dieser Maßnahme erhalte der Fachmann aus Druckschrift D 7, die eine Standardwasserwaage mit einer Einrichtung zur Beleuchtung der Libellen zeige. Eine Reflexionsfläche mit einem Spiegel, wie sie Gegenstand des Anspruchs 3 sei, sei bereits aus der Druckschrift D 1 bekannt.
Damit hat das BPatG eine ausreichende Begründung des von ihm gefundenen Ergebnisses gegeben. Die vom Antragsgegner kritisierten Sätze fassen diese Ausführungen lediglich zusammen und stellen keineswegs die gesamte Begründung dar.
Die Begründung ist auch nicht - wie der Antragsgegner meint - verworren. Das BPatG hat das Alter der Druckschrift D 1 deshalb nicht als Indiz für einen erfinderischen Schritt angesehen, weil es ein dringendes Bedürfnis zur Verbesserung der herkömmlichen Wasserwaagen nicht hat feststellen können und deswegen auch nicht angenommen hat, dass sich die Fachwelt lange Zeit vergeblich um eine Lösung bemüht hätte. Dies ist nachvollziehbar und genügt damit den an die notwendige Begründung zu stellenden Anforderungen.
3. Der Antragsgegner beanstandet schließlich, dass das BPatG bei der Wiedergabe des Sachverhalts zwar angegeben habe, der Antragsgegner behaupte, mit dem Gebrauch der Wasserwaage nach den verteidigten Schutzansprüchen 1 bis 4 lasse sich im Vergleich mit dem Gebrauch herkömmlicher Wasserwaagen eine Zeitersparnis bis zu 30 % erreichen, gleichwohl habe sich das BPatG mit dieser Behauptung jedoch in seiner Begründung nicht befasst. Zwar habe es sich zu dem behaupteten Markterfolg und zu den behaupteten Nachahmungen geäußert, nicht aber zu der von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellten Arbeitsersparnis.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht die eigene Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st.Rspr., BVerfG v. 10.2.1995 - 2 BvR 893/93, NJW 1995, 2095 [2096]; Beschl. v. 19.5.1999 - X ZB 13/98, GRUR 1999, 919 - Zugriffsinformation, m.w.N.). Hieraus kann nicht abgeleitet werden, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen einer Partei in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen hat (BVerfG v. 6.6.1991 - 2 BvR 324/91, NJW 1992, 1031; Beschl. v. 19.5.1999 - X ZB 13/98, GRUR 1999, 919 [920] - Zugriffsinformation).
Hier hat das BPatG den Vortrag des Antragsgegners in der Sachverhaltsdarstellung ausdrücklich wiedergegeben. Daraus ergibt sich, dass das Gericht diesen Vortrag zur Kenntnis genommen hat. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass das Gericht den von ihm selbst wiedergegebenen Sachverhalt auch seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Dass es sich mit den Ausführungen des Antragsgegners in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich befasst hat, ist kein Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht diese Ausführungen nicht in seine Erwägung miteinbezogen hätte. Die vom Antragsgegner behauptete Arbeitsersparnis kommt im Übrigen lediglich als Indiz dafür in Betracht, dass trotz eines bestehenden dringenden Bedürfnisses die Verbesserung nicht ohne weiteres erreicht werden konnte. Das BPatG hat aber aus anderen Erwägungen ein solches dringendes Bedürfnis verneint. Es bestand daher kein Anlass, auf das weitere Argument des Antragsgegners nochmals gesondert einzugehen.
Dies gilt ebenso für die weitere Hilfserwägung des Antragsgegners, Pfostenwasserwaagen seien bis heute nicht auf dem Markt, und schließlich auch für den vom Antragsgegner behaupteten großen Markterfolg. Zu Letzterem hat das BPatG sich nicht darauf beschränkt festzustellen, dass die entsprechende Behauptung des Antragsgegners von der Antragstellerin bestritten werde. Es hat vielmehr ausgeführt, es sei außerdem nicht feststellbar, ob der behauptete Markterfolg auf den technischen Neuerungen ggü. dem Stand der Technik beruhe oder auf wirtschaftlichen Gründen wie Marketingmaßnahmen, Preisgestaltung oder neuen Vertriebskanälen. Dies ist eine ausreichende Auseinandersetzung mit der Argumentation des Antragsgegners. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist daher auch aus der unterlassenen Vernehmung des zu der streitigen Behauptung vom Antragsgegner benannten Zeugen nicht herzuleiten.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 109 Abs. 1 S. 2 PatG, § 18 Abs. 4 S. 2 GebrMG.
IV. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet.
Fundstellen
BGHR 2005, 1059 |
GRUR 2005, 572 |
ZAP 2005, 880 |
AnwBl 2005, 103 |
MDR 2005, 1243 |
WRP 2005, 907 |
Mitt. 2005, 356 |
ProzRB 2005, 197 |