Entscheidungsstichwort (Thema)
Miete aus Wohnraummietverträgen. Geltendmachung im Urkundenprozess
Leitsatz (amtlich)
Ansprüche auf Miete aus Wohnraummietverträgen können im Urkundenprozess geltend gemacht werden.
Normenkette
ZPO § 592 S. 1; BGB § 535 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 07.07.2004; Aktenzeichen 10 S 209/04) |
AG Jever (Urteil vom 05.02.2004) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Oldenburg v. 7.7.2004 aufgehoben und das Urteil des AG Jever v. 5.2.2004 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 490,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.11.2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten. Wegen des Nachverfahrens wird der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 3.6.2003 einen Mietvertrag über eine 4-Zimmer-Wohnung; als monatliche Miete wurde ein Betrag von 660 EUR vereinbart. Für November 2003 zahlte die Beklagte lediglich 169,80 EUR.
Die Klägerin macht im Urkundenprozess unter Vorlage des Mietvertrages die Differenz von 490,20 EUR nebst Zinsen geltend. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Urkundenprozess sei unstatthaft. Hilfsweise hat sie beantragt, ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten. Sie hat in Höhe der Klageforderung mit Gegenforderungen aufgerechnet und darüber hinaus behauptet, das Mietobjekt weise Mängel auf.
Das AG hat die Klage als im gewählten Verfahren unstatthaft und daher unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das AG habe die Klage im Urkundenprozess zu Recht als unzulässig abgewiesen. Jedenfalls dann, wenn bei einem Vertrag über die Miete von Wohnraum substantiiert Mängel vorgetragen würden, sei die Geltendmachung rückständiger Mietzinsansprüche im Urkundenprozess nicht statthaft. Dies folge aus den Besonderheiten der gesetzlichen Regelung der Wohnraummiete. Anders als bei der gewerblichen Miete seien von den gesetzlichen Regelungen über die Mietminderung abweichende Vereinbarungen, auch soweit sie das Minderungsrecht nur mittelbar berührten, unwirksam (§ 536 Abs. 4 BGB). Dem Mieter solle nach dem Willen des Gesetzgebers eine rasche Anpassung des Mietzinses an den verschlechterten Zustand der Mietsache ermöglicht werden. Dieses Ziel des Gesetzgebers werde bei Durchführung eines Urkundenprozesses tangiert. Da der Mieter seinen Vortrag zur Mietminderung i.d.R. nicht durch im Urkundenprozess zugelassene Beweismittel beweisen könne, müsse er auf Grund eines Vorbehaltsurteils zunächst trotz vorhandener Mängel den vollen Mietzins zahlen. Der Frage der Minderungsbefugnis werde erst im Nachverfahren nachgegangen. Hierdurch würde die starke Rechtsstellung des Mieters aus § 536 Abs. 4 BGB über den Umweg des Prozessrechts in unzulässiger Weise umgangen.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nach § 592 S. 1 ZPO für die Geltendmachung der Klageforderung auf rückständige Miete zu Unrecht verneint.
1. Nach einer Entscheidung des XII. Zivilsenats des BGH v. 10.3.1999 (BGH, Beschl. v. 10.3.1999 - XII ZR 321/97, MDR 1999, 822 = NJW 1999, 1408 = WM 1999, 1286 unter II) können Mietforderungen aus einem gewerblichen Mietverhältnis im Urkundenprozess nach §§ 592 ff. ZPO eingeklagt werden. Für die Wohnraummiete ist auch nach dieser Entscheidung umstritten geblieben, ob die Wahl des Urkundenprozesses für die Geltendmachung rückständiger Miete statthaft ist.
Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum hält den Urkundenprozess für zulässig (LG Frankfurt/M. v. 24.3.2000 - 2/17 S 5/00, NZM 2000, 541 = WuM 2000, 314 = NJW-RR 2000, 1464; AG Hannover v. 3.12.2002 - 517 C 12231/02, MDR 2003, 326; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., VIII Rz. 41; Scholz in Schmid, Miete und Mietprozess, 4. Aufl., Kap. 24 Rz. 124 ff.; Braun in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., vor § 592 Rz. 3a; Musielak/Voit, ZPO, 4. Aufl., § 592 Rz. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 592 Rz. 3; Börstinghaus, NZM 1998, 89 [90 f.]; Heim, ZMR 1999, 372 [374]; Kraemer, WuM 2000, 515 [516]; Malitz, MDR 1997, 899 f.; Michalski, ZMR 1996, 637 ff.; Sturhahn, NZM 2004, 441 ff.). Nach anderer Ansicht ist dagegen die Klage auf Mietzahlung im Urkundenprozess nicht statthaft, jedenfalls dann nicht, wenn der Mieter einer Wohnung Mängel der Mietsache einwendet (AG Brandenburg NZM 2002, 382; LG Göttingen NZM 2000, 1053; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 Rz. 434 i.V.m. Rz. 370 ff.; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., V Rz. 37; ders., Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rz. 1470; Blank, NZM 2000, 1083 [1085 ff.]; Eisenhardt, MDR 1999, 901 ff.; vgl. auch Greiner, NJW 2000, 1314; offen gelassen von OLG Braunschweig NZM 2001, 371 = WuM 2001, 186 = ZMR 2001, 523).
2. Der Senat hält die erstgenannte Auffassung für richtig.
a) § 592 S. 1 ZPO öffnet den Urkundenprozess grundsätzlich unterschiedslos für die Geltendmachung aller Ansprüche, welche die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand haben. Das ist bei Mietforderungen der Fall.
b) Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses ist nach § 592 S. 1 ZPO lediglich, dass sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Im vorliegenden Fall ist dies durch Vorlage des Mietvertrags, der beginnend am 1.6.2003 auf unbestimmte Zeit geschlossen ist und die vereinbarte Miete ausweist, geschehen.
Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses steht nicht entgegen, dass die Beklagte Mängel der Mietsache behauptet hat und - diesen Vortrag als richtig unterstellt - der Anspruch auf die Miete daher gem. § 536 Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen ganz oder teilweise erloschen ist. Das Vorliegen eines Sachmangels hat nicht zur Folge, dass deshalb die Höhe der Miete vom Vermieter nicht mehr i.S.v. § 592 S. 1 ZPO durch Urkunden bewiesen werden könnte (so aber KG NZM 1998, 402; LG München WuM 1998, 558; LG Augsburg v. 24.3.1993 - 7 S 5563/92, WuM 1993, 416; AG Brandenburg NZM 2002, 382 [383]; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rz. 1470). Denn die Mangelfreiheit der Mietsache gehört nicht zu den zur Begründung des Anspruchs auf Miete erforderlichen Tatsachen. Vielmehr begründet die infolge der Mangelhaftigkeit eintretende Mietminderung eine materiell-rechtliche Einwendung des Mieters gegen die Forderung auf Mietzahlung, die im Prozess von dem Mieter darzulegen und ggf. zu beweisen ist (BGH, Beschl. v. 10.3.1999 - XII ZR 321/97, MDR 1999, 822 = NJW 1999, 1408 = WM 1999, 1286; Sturhahn, NZM 2004, 441 [442]; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 537 Rz. 1 f.).
Ob der Mieter auch dann die Beweislast für Mängel der Mietsache trägt, wenn er sich nicht (nur) auf eine Mietminderung beruft, sondern im Hinblick auf das Vorliegen von Mängeln - soweit der Vermieter trotzdem noch Anspruch auf Mietzahlung hat - die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB erhebt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung (vgl. dazu Greiner, NJW 2000, 1314 [1315]; Sturhahn, NZM 2004, 441 [442 f.]; zum Zurückbehaltungsrecht des Pächters nach § 320 BGB wegen Mängeln der Pachtsache (BGH v. 7.5.1982 - V ZR 90/81, BGHZ 84, 42 [45 ff.] = MDR 1982, 836; zur Beweislast für die Erfüllung der bestrittenen Gegenleistung im Falle des § 320 BGB, BGH, Urt. v. 7.10.1998 - VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53, unter II 4). Die Beklagte hat die Einrede des nichterfüllten Vertrages weder ausdrücklich erhoben, noch hat sie zu erkennen gegeben, dass sie die geforderte Miete im Hinblick auf das Ausbleiben einer Mängelbeseitigung durch die Klägerin lediglich vorübergehend ganz oder teilweise zurückbehalten will. Sie macht mit der Mietminderung vielmehr ein endgültiges Erlöschen des Anspruchs auf Miete geltend.
c) Die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses wird schließlich nicht durch Regelungen des materiellen Mietrechts ausgeschlossen. Die Befürworter der Ansicht, die die Verfolgung von Mietansprüchen aus Wohnraummietverträgen im Urkundenprozess für unzulässig hält, führen zur Begründung im Wesentlichen an, durch diesen würden Vorschriften des sozialen Mietrechts, insb. § 536 Abs. 4 BGB (§ 537 Abs. 3 BGB in der bis zum 31.8.2001 geltenden Fassung) und § 556b Abs. 2 BGB (§ 552a BGB in der bis zum 31.8.2001 geltenden Fassung) unterlaufen. Die genannten Vorschriften sollten dem Wohnungsmieter eine Möglichkeit zur raschen Anpassung der Miete an den verschlechterten Zustand der Mietsache einräumen (Blank, NZM 2000, 1083 [1086]). Der Mieter, der regelmäßig nicht in der Lage sei, Mängel der Mietsache mit den im Urkundenprozess zugelassenen Beweismitteln nachzuweisen, wäre auf Grund des "ersten Urkundenanscheins" zunächst zur Zahlung zu verurteilen. Dadurch würde dem Schutzbedürfnis des sozial schwächeren Mieters, der zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage sei und durch Vollstreckungsmaßnahmen zunächst einmal in Bedrängnis geriete, nicht genügend Rechnung getragen (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., V Rz. 37; AG Brandenburg NZM 2002, 382). Das dem Wohnungsmieter durch das Verbot der Beschränkung bestimmter Gewährleistungsrechte zuerkannte Privileg werde durch den Urkundenprozess wieder beseitigt, weil er in der Mehrzahl der Fälle durch ein Vorbehaltsurteil gezwungen werde, erst zu zahlen oder zumindest Sicherheit zu leisten, bevor die Berechtigung seiner Ansprüche gerichtlich überprüft werden könne (Eisenhardt, MDR 1999, 901 [902]).
Dieser Argumentation steht entgegen, dass die Vorschriften des § 536 Abs. 4 BGB und des § 556b Abs. 2 S. 2 BGB unmittelbar nur rechtsgeschäftliche Vereinbarungen verbieten, durch die zu Lasten des Mieters von den Minderungsvorschriften des § 536 Abs. 1 bis 3 BGB und der Aufrechnungsbefugnis des Mieters nach § 556b Abs. 2 S. 1 BGB abgewichen wird (Kraemer, WuM 2000, 515 [516]). Mit der Inanspruchnahme des Urkundenprozesses macht der Vermieter dagegen Gebrauch von einer durch die Zivilprozessordnung eingeräumten Befugnis, die grundsätzlich allen Gläubigern einer Geldschuld zukommt. Das materielle Mietrecht bietet keine hinreichende Legitimation für eine teleologische Reduktion der §§ 592 ff. ZPO dahingehend, dass Mietansprüche aus Wohnraummietverhältnissen nicht als ein auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichteter Anspruch i.S.v. § 592 S. 1 ZPO anzusehen sind.
aa) Die Nachteile, die den Mieter durch die Verfolgung des Anspruchs auf Miete im Urkundenprozess treffen, sind geringer und anderer Art als diejenigen, die ihm aus von § 536 Abs. 1 bis 3 BGB und von § 556b Abs. 2 S. 1 BGB abweichenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen drohen. § 536 Abs. 4 BGB soll zwar nicht nur den völligen Ausschluss einer Mietminderung bei Sach- oder Rechtsmängeln verhindern, sondern verbietet jede Einschränkung und Beschränkung der Minderung und steht damit auch einer vertraglichen Bestimmung entgegen, die den Mieter für die Geltendmachung der Minderung in die aktive Klagerolle zwingt (BGH v. 26.10.1994 - VIII ARZ 3/94, BGHZ 127, 245 [252 f.] = MDR 1995, 142 = MDR 1995, 241). Dies geschieht jedoch nicht, wenn der Vermieter seine Mietzahlungsansprüche im Urkundenprozess geltend macht.
Der Mieter wird dadurch keinen anderen Nachteilen ausgesetzt als alle im Urkundenprozess Beklagte, die die von ihnen geltend gemachten rechtsvernichtenden Einwendungen nicht mit nach § 595 Abs. 2 ZPO zulässigen Beweismitteln nachweisen können. Er wird zwar durch ein Vorbehaltsurteil zunächst zur Zahlung verurteilt, kann jedoch im Nachverfahren - mithin noch in demselben Prozess - die Minderung unbeschränkt geltend machen (§ 599 ZPO) und bleibt damit in der Rolle desjenigen, der sich mit der Minderung ggü. dem Klageanspruch verteidigen kann. Die Vollstreckung aus einem vor Rechtskraft nach § 708 Nr. 4 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Vorbehaltsurteil kann er nach § 711 S. 1 ZPO durch Sicherheitsleistung abwenden, es sei denn, dass der Vermieter vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat auf seinen Antrag das Gericht nach § 712 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Vorbehaltsverfahrens die Vollstreckung einschränkende oder ausschließende Schutzanordnungen zu treffen, wenn und soweit nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht.
bb) Die Notwendigkeit, zur Abwendung der Vollstreckung aus dem nicht rechtskräftigen Vorbehaltsurteil Sicherheit zu leisten oder bei Sicherheitsleistung durch den Vermieter bzw. nach Rechtskraft des Vorbehalturteils den ausgeurteilten Betrag vorläufig zahlen zu müssen, stellt keine mit dem Rechtsgedanken von § 536 Abs. 4 BGB und § 556b Abs. 2 S. 2 BGB unvereinbare, unzumutbare Belastung des Mieters dar. Die erforderliche Sicherheitsleistung bzw. Zahlung deckt sich der Höhe nach im Wesentlichen mit der vereinbarten Miete und muss nur für den Zeitraum erfolgen, in dem gerade noch ungeklärt ist, ob die Mietsache tatsächlich Mängel aufweist und der Mieter deshalb von der Entrichtung der Miete ganz oder teilweise befreit ist. Das Vertrauen des Mieters, wegen Mängeln keine oder nur eine geminderte Miete zahlen zu müssen, ist angesichts der durch § 536 BGB angeordneten Beweislastverteilung nur in dem Umfang berechtigt und geschützt, in dem er einen Mangel darlegen und mit den prozessrechtlich zulässigen Mitteln beweisen kann.
Ist der Mieter zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage und würde die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, kann die Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil für die Dauer des Nachverfahrens auch ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden (§ 707 ZPO), wenn die Geltendmachung der Rechte des Mieters im Nachverfahren Aussicht auf Erfolg hat. Stellt sich im Nachverfahren heraus, dass der Klageanspruch wegen einer Minderung unbegründet war, hat der Mieter zudem gem. § 600 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 302 Abs. 4 S. 3 ZPO Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Diesen (verschuldensunabhängigen) Anspruch kann er nach §§ 600 Abs. 2, 302 Abs. 4 S. 4 ZPO noch in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen oder er kann mit diesem Anspruch gegen zukünftige Mietforderungen des Vermieters aufrechnen.
Die Geltendmachung von Mietansprüchen durch den Vermieter im Urkundenprozess schränkt nach alledem die dem Mieter nach §§ 536, 556b Abs. 2 BGB zustehenden Rechte nicht in einer Weise ein, die den Schluss nahe legte, es beruhe auf einem Versehen des Gesetzgebers, dass § 592 S. 1 ZPO seinem Wortlaut nach auch Ansprüche auf Miete aus Wohnraummietverhältnissen umfasst, während gleichzeitig rechtsgeschäftliche Einschränkungen der Minderung nach § 536 Abs. 4 BGB und der Aufrechnungsbefugnis des Mieters nach § 556b Abs. 2 S. 2 BGB verboten sind. Eine entsprechende richterliche Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 592 S. 1 ZPO im Wege der teleologischen Reduktion der Norm kommt deshalb nicht in Betracht.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
1. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie auf Grund der Feststellungen des Berufungsgerichts zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Klage ist danach im Urkundenprozess durch Vorbehaltsurteil stattzugeben, und der Beklagten ist im Hinblick auf ihren Widerspruch gegen die Klageforderung die Ausführung ihrer Rechte vorzubehalten (§ 599 Abs. 1 ZPO).
2. Wegen des Nachverfahrens ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In Rechtsprechung (OLG Frankfurt MDR 1977, 236) und Schrifttum (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., § 163 III 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 600 Rz. 3, anders dagegen § 538 Rz. 22) wird allerdings teilweise die Auffassung vertreten, für das Nachverfahren sei stets die erste Instanz zuständig, also auch dann, wenn dort die Klage abgewiesen und das Vorbehaltsurteil erst vom Berufungsgericht erlassen worden sei; jedenfalls müsse das Berufungsgericht in diesem Fall den Rechtsstreit in analoger Anwendung von § 538 Abs. 2 Nr. 5 ZPO (§ 538 Abs. 1 Nr. 4 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) an die erste Instanz zurückverweisen (OLG München v. 15.7.1986 - 25 U 2839/86, NJW-RR 1987, 1024; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 63. Aufl., § 538 Rz. 18; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 600 Rz. 3; Braun in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 600 Rz. 6). Nach anderer Ansicht (RGZ 29, 368 [369]; RGZ 57, 184; RG; Gruchot's Beiträge Bd. 38 (1894), 171; Musielak/Voit, ZPO, 4. Aufl., § 600 Rz. 5; Stein-Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 600 Rz. 14) fällt das Nachverfahren bei dem Gericht an, das das Vorbehaltsurteil erlässt, im Beispielsfall also beim Berufungsgericht - an dessen Stelle der Senat entscheidet -, und kann dieses auch von der Zurückverweisung absehen, wenn es das für sachdienlich hält (BGH, Urt. v. 17.9.1987 - IX ZR 208/86, MDR 1988, 227 = NJW-RR 1988, 61, unter II, für die Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes).
Der Senat ist der Auffassung, dass auf der Grundlage des seit dem 1.1.2002 geltenden Rechts grundsätzlich das Berufungsgericht zur Verhandlung und Entscheidung des Nachverfahrens zuständig ist, wenn die erste Instanz die Klage abgewiesen hat und das Vorbehaltsurteil erst auf Rechtsmittel des Klägers ergeht. Eine fortbestehende Anhängigkeit des Nachverfahrens in erster Instanz kommt in diesem Fall nicht in Betracht; der Rechtsstreit ist durch die Berufung gegen das klageabweisende Urteil vollständig in der Berufungsinstanz angefallen (vgl. RG, Gruchot's Beiträge Bd. 38 (1894), 171 [173]). Dieses hat gem. § 538 Abs. 1 ZPO regelmäßig in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Zurückverweisung setzt, wenn nicht das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil ist, einen dahingehenden Antrag voraus (§ 538 Abs. 2 S. 3 ZPO). Schon daran fehlt es im vorliegenden Fall. Ob auf einen entsprechenden Antrag hin eine Zurückverweisung an die erste Instanz in analoger Anwendung von § 538 Abs. 2 Nr. 5 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts erfolgen dürfte oder sogar erforderlich wäre und ob der Senat die Entscheidung darüber anstelle des Berufungsgerichts selbst treffen könnte (BGH, Urt. v. 17.9.1987 - IX ZR 208/86, MDR 1988, 227 = NJW-RR 1988, 61), bedarf hier keiner Entscheidung.
Fundstellen
Haufe-Index 1394865 |
BGHR 2005, 1232 |
IBR 2005, 641 |
JR 2006, 118 |
JurBüro 2005, 668 |
AnwBl 2005, 130 |
WuM 2005, 526 |
Info M 2005, 190 |
MietRB 2006, 4 |
NJW-Spezial 2005, 435 |
ZGS 2005, 244 |
GK/Bay 2006, 140 |
ProzRB 2005, 295 |