Leitsatz (amtlich)
Die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung der geschützten Erfindung benötigt, müssen nicht im Patentanspruch enthalten sein; es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben.
Normenkette
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b; IntPatÜG Art. II § 1 Nr. 2
Verfahrensgang
BPatG (Urteil vom 20.04.1999) |
Tenor
Die Berufung gegen das am 20. April 1999 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 111 092 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 8. Oktober 1983 beruht, mit der Prioritäten schweizerischer Patentanmeldungen vom 18. Oktober 1982 und 18. August 1983 geltend gemacht worden sind. Das Streitpatent betrifft eine Kupplungsvorrichtung. Es hat im Einspruchsverfahren aufgrund der Entscheidung der Beschwerdekammer 3.2.1. des Europäischen Patentamts vom 11. Februar 1992 eine neue Fassung erhalten. Danach umfaßt das Streitpatent 16 Ansprüche; Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
„Kupplungsvorrichtung zur drehfesten und auswechselbaren Verbindung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungseinrichtung mit zwei koaxialen Kupplungsorganen (1, 3) und einer dazwischengefügten, in Umfangsrichtung starren Mitnehmerscheibe (6), wobei das eine Kupplungsorgan (1) an der Bearbeitungseinrichtung befestigt ist, und mit wenigstens zwei von der Kupplungsfläche abstehenden Mitnehmerzapfen (7, 8) versehen ist, wobei die Mantelfläche der Mitnehmerzapfen (7, 8) zumindest teilweise konisch ausgebildet ist, wobei das andere Kupplungsorgan (3) das Werkstück trägt, und beim Werkstückwechsel zusammen mit diesem von dem einen Kupplungsorgan (1) lösbar ist, und wobei Mittel (2, 5) vorgesehen sind, die die beiden Kupplungsorgane (1, 3) in axialer Richtung lösbar gegeneinander verspannen, wobei ferner die Mitnehmerscheibe (6) aus Federstahl besteht und im Abstand von der Kupplungsfläche (16) des anderen Kupplungsorgans (3) drehfest mit diesem verbunden und mit Öffnungen (19, 20) versehen ist, die korrespondierend zu den Mitnehmerzapfen (7, 8) angeordnet sind und deren Kanten (21) die konischen Mantelflächen (10, 13) der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise derart übergreifen, daß die Federstahlscheibe (6) in gespanntem Zustand der Kupplungsvorrichtung im Bereich der Öffnungen (19, 20) axial elastisch deformiert ist, und wobei eines (3) der beiden Kupplungsorgane (1, 3) mit drei über die Kupplungsfläche (16) vorstehenden Abstandszapfen (22) versehen ist, deren Stirnflächen (23) beim Kupplungseingriff gegen die Kupplungsfläche (9) des anderen Kupplungsorgans (1) aufliegen.”
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 16 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage die Nichtigerklärung des Streitpatents für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang beantragt. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das europäische Patent 0 111 092 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
In zweiter Instanz zieht die Klägerin auch in Zweifel, daß die erfindungsgemäße Lehre in der Patentschrift so offenbart werde, daß ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Akademischer Direktor Dr.-Ing. O. W. hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.
Soweit in der Erstreckung der Klage auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit eine Klageerweiterung liegt, ist diese als sachdienlich zuzulassen.
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Kupplungsvorrichtung zur drehfesten und auswechselbaren Verbindung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungseinrichtung wie z.B. einer Drehbank, einer Fräsmaschine oder einer Schleifmaschine. Die Streitpatentschrift weist einleitend (Sp. 1 Z. 21 f.) darauf hin, daß im Präzisionswerkzeugbau außerordentlich hohe Anforderungen an die Genauigkeit gestellt würden, mit der ein Werkstück bearbeitet werden könne. Es müsse insbesondere gewährleistet sein, daß ein zu bearbeitendes Werkstück in genau definierter Lage in eine Bearbeitungseinrichtung eingespannt werden könne. An die Zentrizität würden dabei hohe Anforderungen gestellt. Außerdem sei es häufig notwendig, das zu bearbeitende Werkstück nacheinander in mehreren Bearbeitungseinrichtungen einzuspannen, um daran verschiedene Bearbeitungsvorgänge durchzuführen. Dies erfordere eine absolut zentrische und – je nach Arbeitsvorgang – auch winkelgenaue Einspannung in der jeweiligen Bearbeitungseinrichtung. Diese Anforderungen stellen sich nach der Streitpatentschrift beispielsweise bei der Herstellung von Elektrodenkörpern für Erodiermaschinen; die Anforderungen an die Maßgenauigkeit liegen dabei in einer Größenordnung von wenigen Tausendstel Millimetern.
Ein Einspannen des Werkstücks in eine Bearbeitungseinrichtung in genau definierter Lage mit nur geringen Toleranzen in bezug auf Exzentrizität läßt sich nach der Streitpatentschrift mit Hilfe von bekannten Konussitzen erzielen. Diese gewährleisteten zwar eine zwangsläufige Zentrierung mit sehr hoher Genauigkeit, seien andererseits jedoch anfällig gegen Verschmutzungen. Ein verunreinigter Konussitz sei entweder in seiner Genauigkeit beeinträchtigt oder lasse sich infolge übermäßiger Selbsthemmung nicht oder fast nicht mehr lösen. Bei einem Konussitz werde auch nicht die Forderung nach einer winkelgerechten Einspannung des Werkzeugs erfüllt. Die weiter gebräuchlichen Spannfutter haben nach der Streitpatentschrift den Nachteil, daß sie für Verschmutzungen anfällig sind und damit eine winkelgerechte Einspannung des Werkstücks nicht gewährleistet ist. Außerdem sei es bei hohen Anforderungen an die Zentrizität der Einspannung notwendig, Konussitz oder Spannfutter mit sehr hoher Präzision zu fertigen, was insbesondere dann hohen Aufwand und hohe Kosten mit sich bringe, wenn viele solcher Einspannvorrichtungen notwendig seien. Neben dieser Kritik am Stand der Technik sieht es die Streitpatentschrift als erstrebenswert an, bei einer Vielzahl von benötigten Einspannvorrichtungen die Werkstücke möglichst schnell und einfach in die Bearbeitungseinrichtungen einspannen zu können. Als Nachteil der aus der deutschen Patentschrift 1 257 496 bekannten Kupplungsvorrichtung bezeichnet die Streitpatentschrift, daß auch sie die Zentrizität und Repetiergenauigkeit der Verbindung nicht gewährleiste und sich nicht leicht lösen lasse.
Hieraus ist die dem Streitpatent zugrundeliegende Problemstellung abzuleiten, eine Kupplungsvorrichtung zur drehfesten auswechselbaren Verbindung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungsvorrichtung zu schaffen, die nicht nur eine hochpräzise zentrische Einspannung, sondern zugleich auch eine genau definierte Winkellage des Werkstücks bezogen auf die Bearbeitungsvorrichtung gewährleistet, insbesondere auch dann, wenn die Verbindung oft gelöst und an gleicher oder anderer Stelle wieder hergestellt wird. Die Verbindung soll sich zudem schnell und einfach lösen lassen. Schließlich soll die Kupplungsvorrichtung möglichst unempfindlich gegen Verschmutzungen sein.
Die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung besteht nach dem Inhalt des Patentanspruchs 1 aus einer Kupplungsvorrichtung zur drehfesten und auswechselbaren Verbindung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungseinrichtung
mit zwei axialen Kupplungsorganen, wobei
1.1 das eine Kupplungsorgan
1.1.1 an der Bearbeitungseinrichtung befestigt und
1.1.2 mit wenigstens zwei von der Kupplungsfläche abstehenden Mitnehmerzapfen versehen ist,
1.1.2.1 wobei die Mantelfläche der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise konisch ausgebildet ist;
1.2 das andere Kupplungsorgan
1.2.1 das Werkstück trägt,
1.2.2 beim Werkstückwechsel zusammen mit diesem von dem einen Kupplungsorgan lösbar ist und
1.3 eines der beiden Kupplungsorgane mit drei Abstandszapfen versehen ist,
1.3.1 die über die Kupplungsfläche vorstehen und
1.3.2 deren Stirnflächen beim Kupplungseingriff gegen die Kupplungsfläche des anderen Kupplungsorgans aufliegen;
- mit Mitteln, die die beiden Kupplungsorgane in axialer Richtung gegeneinander verspannen;
mit einer Mitnehmerscheibe, die
3.1 zwischen die Kupplungsorgane gefügt und
3.2 in Umfangsrichtung starr ist,
3.3 aus Federstahl besteht,
3.4 drehfest mit dem anderen Kupplungsorgan verbunden ist,
3.5 im Abstand von der Kupplungsfläche des anderen Kupplungsorgans mit diesem verbunden ist und
3.6 mit Öffnungen versehen ist,
3.6.1 die korrespondierend zu den Mitnehmerzapfen angeordnet sind und
3.6.2 deren Kanten die konischen Mantelflächen der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise derart übergreifen, daß die Federstahlscheibe in gespanntem Zustand der Kupplungsvorrichtung im Bereich der Öffnungen axial elastisch deformiert ist.
2. Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist danach eine Kupplungsvorrichtung, die aus zwei Kupplungsorganen besteht, die axial (z.B. durch eine Schraube) verbunden werden können. Eines der beiden Kupplungsorgane ist an der Bearbeitungseinrichtung befestigt. Dieses weist wenigstens zwei von der Kupplungsfläche abstehende Mitnehmerzapfen auf, deren Mantelfläche zumindest teilweise konisch ausgebildet ist. Das andere Kupplungsorgan trägt das Werkstück und ist mit diesem von dem an der Bearbeitungseinrichtung befestigten Kupplungsorgan zu lösen. Zwischen die Kupplungsorgane ist eine Federstahlscheibe gefügt, die drehfest mit dem Kupplungsorgan verbunden ist, das das Werkstück trägt. Diese Federstahlscheibe weist Öffnungen auf, die mit den Mitnehmerzapfen korrespondieren. Über die Mitnehmerzapfen und die korrespondierenden Öffnungen erfolgt beim zunächst kraftfreien Positionieren die exakte Ausrichtung und Fixierung der beiden Kupplungsorgane zueinander in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung, d.h. in der Ebene der Mitnehmerscheibe. Die Kanten der korrespondierenden Öffnungen übergreifen die konischen Mantelflächen der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise. An einem der beiden Kupplungsorgane befinden sich drei Abstandszapfen, die über die Kupplungsfläche vorstehen. Werden die zunächst in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung fixierten Kupplungsorgane verspannt, kommen die drei die Mitnehmerscheibe durchgreifenden Abstandszapfen an der Oberfläche des anderen Kupplungsorgans zur Anlage, bis sie fest anliegen. Dadurch wird die Ausrichtung der beiden Kupplungsorgane auch in der z-Achse erreicht.
Die Ausrichtung der Kupplungsorgane über Mitnehmerscheibe und Abstandshalter hat zum einen den Vorteil, daß auf mit den Abstandshaltern korrespondierende Vertiefungen oder die Verwendung von nut- und federartigen Mitnehmern verzichtet werden kann, in denen sich Schmutz sammeln kann mit der Folge, daß eine genaue Auflage und damit eine präzise Ausrichtung der Kupplungsorgane zueinander nicht mehr gewährleistet ist. Zum anderen kann bei ihr auf eine vollkommen präzise Abstimmung der Mitnehmerzapfen und aller mit ihnen korrespondierenden Öffnungen in der Mitnehmerscheibe verzichtet werden. Die Öffnungen für die Mitnehmerzapfen müssen nur auf eine exakte Mitnahme ausgerichtet sein; in radialer Richtung können sie, sofern sie nur in ihrem Zusammenwirken die exakte Ausrichtung der Kupplungsorgane in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung gewährleisten, wie in dem Ausführungsbeispiel gezeigt nach Art eines Langlochs gestaltet sein, dessen Maße nur größenordnungsmäßig auf den korrespondierenden Zapfen abgestimmt sein müssen, weil die Federstahlscheibe und ihre Materialeigenschaften beim Eindringen der Zapfen in die korrespondierenden Öffnungen dazu führen, daß diese an den Rändern axial elastisch verformt und die Öffnungen aufgespreizt werden.
Die Positionierung der beiden Kupplungsorgane erfolgt demnach in getrennten Schritten: Die Zentrierung der beiden Kupplungsorgane und die Winkellage des Kupplungsorgans, das das Werkstück trägt, im Verhältnis zu dem anderen Kupplungsorgan wird durch das Eingreifen der Mitnehmerzapfen in die korrespondierenden Öffnungen erreicht, wobei die Kanten der Öffnungen in lose aufgesetzter Position die konische Mantelfläche der Zapfen nur zum Teil übergreifen. Die genaue Ausrichtung der beiden Kupplungsorgane in der z-Achse wird durch das Aufliegen der verspannten Abstandszapfen auf der Kupplungsfläche des mit der Bearbeitungseinrichtung verbundenen Kupplungsorgans bewirkt. Damit wird die Ausrichtung der Kupplungsorgane in der Drehachse gewährleistet und eine reibschlüssige Übertragung von Kräften und Drehmomenten von dem einen auf das andere Kupplungsorgan ermöglicht. Beim Verspannen werden zugleich die in lose aufgesetztem Zustand die Mantelfläche der Zapfen nur teilweise übergreifenden Ränder der korrespondierenden Öffnungen aufgespreizt. Dadurch werden eventuell vorhandene Schmutzpartikel und Abrieb beiseite geschoben und verteilen sich in dem Zwischenraum zwischen der Mitnehmerscheibe und der Oberfläche der Kupplungsorgane, so daß diese Verunreinigungen die Genauigkeit des zentrischen und winkelgenauen Ausrichtens nicht beeinträchtigen.
3. In der bevorzugten Ausführung beschreibt die Streitpatentschrift eine Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Lehre, bei der zwei Mitnehmerzapfen und zwei korrespondierende Öffnungen vorhanden sind; der gerichtliche Sachverständige hat dies als die einzig sinnvolle Ausführungsform bezeichnet, bei der sich die mit der Lehre des Streitpatents angestrebten Vorteile auf einfache Weise verwirklichen lassen. Einer der beiden Zapfen ist bei dieser Ausgestaltung zentrisch angeordnet und weist eine kegelstumpfförmige Kontur auf, der andere ist exzentrisch zur Drehachse angeordnet und kann auch radiusparallel verlaufende Seitenflächen besitzen. Die mit dem zentrisch angeordneten Zapfen korrespondierende Öffnung ist zentral und kreisrund, die andere Öffnung ist ein Langloch mit radiusparallelen Seitenkanten. Bei dieser Gestaltung übernimmt der zentrisch angeordnete Zapfen in Zusammenwirken mit der korrespondierenden Öffnung die Zentrierung der Kupplungsorgane, während der exzentrisch angeordnete Zapfen und das diesem korrespondierende Langloch für die exakte Winkellage der Kupplungsorgane zueinander verantwortlich ist (Streitpatentschrift Sp. 4 Z. 35-42). Damit beschreibt die Streitpatentschrift ein Ausführungsbeispiel, wie es mit Patentanspruch 2 beansprucht wird. Der gerichtliche Sachverständige hat dazu überzeugend ausgeführt, es seien jedoch auch Ausgestaltungen mit mehr als zwei Mitnehmerzapfen technisch möglich. Auch eine andere Gestaltung der Öffnungen, etwa zwei runde Öffnungen, komme in Betracht. Es seien dann allerdings engere Toleranzen einzuhalten.
Der Fachmann, der sich mit der Streitpatentschrift befaßt, wird danach, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, die Ausgestaltung, wie sie Gegenstand von Patentanspruch 2 und wie sie allein in der Beschreibung dargestellt ist, für die optimale, allerdings nicht für die allein mögliche Lösung halten. Als einen solchen Fachmann durchschnittlichen Wissens und Könnens sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen einen als Maschinenbautechniker ausgebildeten Konstrukteur von Spannwerkzeugen und Spannmitteln für Werkzeugmaschinen an, der sich durch mehrjährige Berufserfahrung einschlägige Kenntnisse auf diesem Spezialgebiet erworben hat.
4. Zu Unrecht macht die Klägerin hinsichtlich des Patentanspruchs 1 mangelnde Ausführbarkeit geltend. Jedenfalls das auch unter Patentanspruch 1 fallende Ausführungsbeispiel, in dem weitere Elemente in Patentanspruch 2 genannt sind, ist ausführbar. Damit ist aber auch Ausführbarkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gegeben. Hierfür ist es nach der Rechtsprechung des Senats nämlich nicht erforderlich, daß alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentanspruchs 1 fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können (vgl. Sen. BGHZ 147, 306, 317 – Taxol). Insbesondere müssen die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung benötigt, nicht in Patentanspruch 1 enthalten sein, es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben (vgl. Sen.Beschl. v. 16.06.1998 – X ZB 3/97, GRUR 1998, 899, 900 – Alpinski). Dies ist hier der Fall.
II. 1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruht und deshalb patentfähig ist. Der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1, Art. 56 EPÜ liegt deshalb nicht vor. Zwar enthält die Gesamtkombination, wie sie das Streitpatent lehrt, zahlreiche Komponenten, die bereis im Formenschatz der Technik vorhanden waren. Ein solches Vorhandensein von Einzelmerkmalen begründet für sich jedoch noch nicht das Naheliegen ihrer Kombination (Sen.Urt. v. 12.05.1998 – X ZR 115/96, GRUR 1999, 145, 148 – Stoßwellen-Lithotripter).
a) Die Kupplungsvorrichtung nach der deutschen Patentschrift 1 257 496, die in der Streitpatentschrift erwähnt wird, besteht ähnlich wie die Vorrichtung nach dem Streitpatent aus zwei koaxialen Kupplungsorganen und einer dazwischengefügten, in Umfangsrichtung starren Mitnehmerscheibe, wobei das eine Kupplungsorgan mit zwei von der Kupplungsfläche abstehenden Mitnehmerzapfen versehen und die Mantelfläche dieser Mitnehmerzapfen konisch ausgebildet ist. Die dort vorgeschlagene Kupplung dient jedoch einem anderen Zweck, sie soll nämlich bekannte Kupplungen so ausgestalten, daß sie nur in einer einzigen relativen Winkelstellung der Kupplungshälften einrückbar sind und die Drehbewegung spielfrei übertragen. Dagegen kommt es weder auf die Zentrizität der Verbindung noch auf die rasche und einfache Lösbarkeit und Repetiergenauigkeit an. Die Kupplung nach der deutschen Patentschrift 1 257 496 eignet sich zum Kuppeln eines in einem Gestell auf einem Kraftfahrzeug schwenkbar gelagerten Geräts, z.B. eines Fernrohrs, mit der Welle eines am Gestell abnehmbaren befestigten Synchrogebers. Die Kupplung besteht aus einem ersten Kupplungsorgan, aus einem an diesem beweglich geführten Mitnehmer, aus dazwischen angeordneten Teilen zum spielfreien Übertragen der Drehbewegung zwischen den Kupplungsorganen und dem Mitnehmer und schließlich aus dem zweiten Kupplungsorgan, das zur Schwenkachse, beispielsweise des Fernrohrs, gleichachsig angeordnet ist und von dem schwenkbaren Fernrohr spielfrei mitgenommen wird.
Im Unterschied zur Kupplungsvorrichtung nach dem Streitpatent werden die beiden Kupplungsorgane nach der Entgegenhaltung bei der Montage nicht axial gegeneinander verspannt und damit auch nicht zentriert. Das erwähnte spielfreie Übertragen der Drehbewegung soll nach Anspruch 1 der deutschen Patentschrift 1 257 496 dadurch erreicht werden, daß die Druckfeder aus zwei parallelen biegsamen Drähten besteht; mittels dieser Federelemente wird die an dem ersten Kupplungsorgan angebrachte Mitnehmerscheibe gegen das zweite Kupplungsorgan gedrückt und damit werden die konischen Zapfen in die Öffnungen der Mitnehmerscheibe eingeführt, so daß die beiden Kupplungsorgane in der x-y-Ebene gekoppelt sind; eine gleichartige Fixierung in z-Richtung ist dem nicht zu entnehmen.
Damit gibt die deutsche Patentschrift 1 257 496 keine Anregung für eine optimale Zentrierung der Kupplungsorgane. Es geht bei ihr nicht um ein präzises Ausrichten, sondern um eine federnde Verbindung; eine Festlegung in der z-Achse erfolgt nicht. Erst recht lassen sich ihr keine Anregungen entnehmen, wie Mitnehmerzapfen und korrespondierende Öffnungen auszugestalten sind, um eine hochpräzise zentrische Einspannung und eine genau definierte Winkellage des Werkstücks in bezug auf die Bearbeitungseinrichtung zu erreichen. Schließlich ergibt sich keinerlei Hinweis, im Sinne des Merkmals 3.6.2 die Kanten der Öffnungen, in die die Mitnehmerzapfen eingreifen, so auszugestalten, daß sie ohne zusätzliche Hilfsmittel fest mit der korrespondierenden Scheibe zusammenwirken können, ohne auf die dort vorgesehenen Öffnungen präzise ausgerichtet zu sein. Anregungen, bei der Ausrichtung die Verformbarkeit der Federstahlscheibe auszunutzen und so die Notwendigkeit einer präzisen Abstimmung der Mitnehmerzapfen und der mit ihnen korrespondierenden Öffnungen zu vermeiden, lassen sich der Schrift nicht entnehmen.
b) Die US-Patentschrift 3.386.315 offenbart einen Indexmechanismus für eine Werkzeugdrehhalterung auf einer Drehbank. Der Indexmechanismus dient dazu, die Drehhalterung entsprechend dem gewünschten Arbeitsvorgang präzise zu positionieren. Auf einem Werkzeugschlitten ist ein scheibenförmiger Indextisch fest verschraubt. Durch eine Bohrung im Zentrum des Indextisches ist eine Spindel geführt, die am unteren Ende mit der Unterseite des Indextisches verschraubt ist. Die Spindel ist von einem Werkzeugsupport umgeben, der um die Spindel drehbar ist. Indextisch und Werkzeugsupport sind voneinander beabstandet. Auf dem äußeren Peripherieabschnitt des Indextisches sind auf der dem Werkzeugschlitten abgewandten Oberfläche vier radiale Rippen in Winkelintervallen von ca. 90 ° vorgesehen. Jede der Rippengruppen umfaßt eine radiale Nut, die in der oberen Fläche des Indextisches ausgebildet ist und einen Wulst, der beiderseits der Nut vorgesehen ist. Der Indextisch besitzt weiterhin vier kleine Ausnehmungen von kreisförmiger Gestalt, die gegenüber den inneren Enden der Nuten auf einem Kreisbogen angeordnet sind, dessen Zentrum in der Achse der Spindel liegt. An der Unterfläche des Werkzeugsupports ist ein kreisförmiges elastisches Blech befestigt, das an der dem Indextisch zugewandten Seite vier radiale Wülste aufweist, die in Winkelintervallen von ca. 90 ° angeordnet sind. Die Anordnung ist so getroffen, daß die Wülste in die gegenüber am Indextisch liegenden Nuten eingreifen können.
Die Ausrichtung des Werkzeugssupports in x-y-Ebene verläuft dabei in drei Schritten. Der Werkzeugsupport ist auf einer Seite mit einer Vertikalbohrung versehen, in welcher ein Positionierstift eingefangen ist. Dieser Positionierstift wird durch eine Spiralfeder so lange abwärts gedrückt, bis das untere Ende des Stiftes aus der vertikalen Bohrung durch die federnde Scheibe bis zum Kontakt mit der Oberfläche des Indextisches ragt. Wenn sich der Positionierstift über einer der kreisförmigen Ausnehmungen auf der Oberfläche des Indextisches befindet, kann er in die Ausnehmung greifen und wirkt vorübergehend als Haltestift (US-Patentschrift Sp. 3 Z. 44-55 = deutsche Übers. S. 4 2. Abs.). Sodann kommt ein Sicherheitsstift zum Einsatz. Dieser befindet sich z.B. in Fig. 1 der Entgegenhaltung an der unteren Fläche des Werkzeugssupports und erstreckt sich durch die elastische Scheibe. Wird der Werkzeugsupport nach unten gedrückt, so fällt der Sicherheitsstift in eine der kreisförmigen Ausnehmungen auf der Oberfläche des Indextisches und bewirkt dort eine immer noch vorläufige, aber festere Ausrichtung. Wird der Werkzeugsupport sodann weiter abwärts gedrückt, beginnen die Wülste auf der elastischen Scheibe die benachbarten Nuten auf dem Indextisch zu ergreifen. Wenn die Wülste auf der elastischen Positionierscheibe und die zugeordneten Wülste auf dem Indextisch übereinanderliegen, liegt der Sicherheitsstift gegen die Oberfläche des Indextisches an. Dadurch wird eine weitere Abwärtsbewegung des Werkzeugsupports verhindert. Erst mit dem festen Eingriff der Wülste in die Nuten ist sodann eine endgültige Festlegung auf der x-y-Ebene erfolgt. Die z-Ausrichtung, die beim Streitpatent durch Auflage der drei von einem Kupplungsteil vorstehenden Abstandszapfen auf dem anderen Kupplungsorgan geschieht, erfolgt bei dem Indextisch durch Auflage einer vom Werkzeugsupport abstehenden Ringschulter.
Die Ausrichtung in x-y-Richtung, die bei der US-Patentschrift in den geschilderten drei Schritten verläuft, faßt das Streitpatent in einem einzigen zusammen, indem die exakte Positionierung in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung allein über Mitnehmerzapfen und korrespondierende Öffnungen erfolgt. Danach bestehen zwar Ähnlichkeiten zwischen der Lehre des Streitpatents und derjenigen der US-Patentschrift, was den Ablauf der Ausrichtung in der x-y-Ebene betrifft. Beim Streitpatent kommen jedoch völlig andere Mittel zum Einsatz, für die der Fachmann in der US-Patentschrift kein Vorbild und auch keine Anregung fand.
Das Ineinandergreifen mehrerer Arbeitsschritte wie bei dem US-Patent verlangt ein hohes Maß an Präzision, bei dem nicht nur die einzelnen Schritte, sondern auch die bei deren Zusammenwirken eingesetzten Teile mit großer Genauigkeit aufeinander abgestimmt sein müssen. Der gerichtliche Sachverständige hat zur Überzeugung des Senats ausgeführt, daß die in der letzten Stufe der Ausrichtung in der x-y-Ebene verwendete Nut-Feder-Kombination eine exakte relative Lage von Nut und Feder erfordert, die bei der Entgegenhaltung u.a. über den Sicherungsstift gewährleistet wird, der damit ebenfalls in seiner Endstellung präzise ausgerichtet sein muß. In gleicher Weise kann der weitere, im ersten Schritt einer vorläufigen Positionierung dienende Stift seine Funktion nur erfüllen, wenn er fest in der Vertiefung ruht, die ihn aufnehmen soll, wenn er durch die im Ausführungsbeispiel gezeigte Feder herabgedrückt wird. Da er nicht eine Öffnung durchgreift, sondern in einer Vertiefung ruht, setzt die durch ihn bewirkte Sicherung ebenfalls ein gewisses Maß an Präzision voraus. Um von dieser Lösung mehrfach gestufter und aufeinander abgestimmter Maßnahmen zu derjenigen des Streitpatents zu gelangen, bedurfte es daher auch aus diesem Grunde nicht nur eines Wechsels der einzelnen Komponenten und ihrer Gestaltung; notwendig war vielmehr ein Übergang auf ein anderes Lösungskonzept, das in der Entgegenhaltung nicht angelegt ist. Die bei ihr schon in der x-y-Ebene erforderlichen mehreren Arbeitsschritte mußten auf einen einzigen reduziert und dabei erkannt werden, daß und mit welchen Mitteln dies ohne Verlust der Genauigkeit bei der Ausrichtung zu erzielen ist. Dafür konnte der Fachmann der Schrift nichts entnehmen.
c) Der übrige Stand der Technik liegt weiter ab, was auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, und vermochte dem Fachmann ebenfalls keine Anregung zu geben, die ihn, ohne daß es eines erfinderischen Schrittes bedurft hätte, zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents geführt hätte.
Deshalb hat Patentanspruch 1 des Streitpatents Bestand und mit ihm die Patentansprüche 2 bis 16, die die zweckmäßige Ausgestaltung des Gegenstands von Patentanspruch 1 betreffen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Unterschriften
Melullis, Keukenschrijver, Mühlens, Meier-Beck, Asendorf
Fundstellen
Haufe-Index 884718 |
BGHR 2003, 291 |
GRUR 2003, 223 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2003, 284 |
BPatGE, 280 |
Mitt. 2003, 114 |