Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehen der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils für Prüfung des Umfangs einer zugelassenen Revision. Beschränkung der Revisionszulassung auf Teile des prozessualen Anspruchs. Offensichtlichkeit der Beschränkung der Zulassung
Leitsatz (amtlich)
Ist die von dem Berufungsgericht als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage aus seiner Sicht nur für einen Teil der Klageforderung von Bedeutung, kann sich aus den Entscheidungsgründen die Beschränkung der Zulassung der Revision auf den hiervon berührten Teil der Klageforderung ergeben.
Normenkette
ZPO § 543 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen 1 U 59/03) |
LG Braunschweig |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 22.1.2004 wird als unzulässig verworfen.
Damit verliert die Anschlussrevision der Beklagten ihre Wirkung.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.1.2000 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese war Komplementärin der selbst nicht von der Insolvenz betroffenen H. GmbH & Co. KG (fortan: KG). Die Schuldnerin und die KG unterhielten mehrere Konten bei der Beklagten. Auf dem Konto der KG war ein Betriebsmittelkredit verbucht, den die Beklagte der Schuldnerin, der KG und dem Geschäftsführer der Schuldnerin, der zugleich Kommanditist der KG ist, bewilligt hatte und den sie in Höhe der in Anspruch genommenen Kreditsumme von 1.107.626,29 DM mit Schreiben v. 18.10.1999 zum 5.11.1999 fällig stellte. Mit Beschluss v. 21.10.1999 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter, beauftragte ihn mit der Sicherung und Erhaltung des Vermögens der Schuldnerin und ordnete gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt an. Mit Faxschreiben vom selben Tag forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf seine Bestellung zum vorläufigen Verwalter auf, alle für die Schuldnerin auf dem Konto der KG eingehenden Zahlungen auf das für das Insolvenzeröffnungsverfahren eingerichtete näher bezeichnete Sonderkonto weiterzuleiten.
In der Folgezeit versandte die Schuldnerin an ihre Kunden teilweise weiterhin Rechnungen, in denen das Konto der KG bei der Beklagten angegeben war. Zwischen dem 21.10.1999 und dem 19.6.2000 verbuchte die Beklagte auf diesem Konto Zahlungseingänge i.H.v. 317.571,04 DM und verrechnete sie mit dem dort bestehenden Debetsaldo. Diesen Betrag hat der Kläger abzgl. einer Zahlung von 1.086 DM von der Beklagten beansprucht, weil die Zahlungseingänge der Schuldnerin gebührten.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat ihr i.H.v. (67.772,32 EUR + 6.874,19 EUR =) 74.646,51 EUR stattgegeben. Ausweislich der Empfängerbezeichnungen seien die Zahlungseingänge in dieser Höhe zweifelsfrei für die Schuldnerin bestimmt gewesen. Die weiter gehende Berufung hat es zurückgewiesen, weil der Nachweis einer für die Beklagte eindeutig erkennbaren Bezeichnung der Zahlungsempfänger nicht erbracht sei. Die Zurückweisung der Berufung betrifft ferner eine am 21.10.1999 eingegangene Überweisung sowie am gleichen Tag erfolgte Vorbehaltsgutschriften zweier Schecks über (1.052 EUR + 24.599,84 EUR =) 25.651,84 EUR. Die Revision des Klägers richtet sich nur gegen die Zurückweisung der Berufung betreffend die Scheckgutschriften. Die Beklagte erstrebt mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Der Statthaftigkeit der Revision des Klägers steht die fehlende Zulassung des Rechtsmittels entgegen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Insoweit hat das Berufungsgericht die Revision in dem angefochtenen Urteil nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Damit verliert die unselbständige Anschlussrevision ihre Wirkung (§ 554 Abs. 4 ZPO).
I.
Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält zwar keinen Zusatz, durch den die Zulassung der Revision eingeschränkt wird. In den Entscheidungsgründen führt das Berufungsgericht jedoch hinsichtlich der Zulassung der Revision aus, eine grundsätzliche Bedeutung liege in der Frage, "ob bei einer Divergenz von Empfängerbezeichnung und Kontonummer auch im beleglosen Überweisungsverkehr die Empfängerbezeichnung maßgeblich" sei. Hieraus ergibt sich eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Teile des prozessualen Anspruchs, bezüglich derer die Rechtsfrage zu Lasten der Beklagten entscheidungserheblich geworden ist.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind für die Prüfung des Umfangs einer zugelassenen Revision auch die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils heranzuziehen (BGHZ 48, 134 [136]; BGH, Urt. v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 [360] = MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536; Urt. v. 12.11.2003 - XII ZR 109/01, MDR 2004, 689 = BGHReport 2004, 666 = NJW 2004, 1324; Beschl. v. 29.1.2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365 [1366]; Urt. v. 17.6.2004 - VII ZR 226/03, BGHReport 2004, 1583 = MDR 2004, 1375 = NJW 2004, 3264; v. 28.10.2004 - VII ZR 18/03, BGHReport 2005, 393). In diesen Fällen ist jedoch erforderlich, dass sich die Beschränkung der Zulassung klar ergibt; der BGH hat es wiederholt als unzureichend angesehen, wenn das Berufungsgericht lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision genannt hat, ohne weiter erkennbar zu machen, dass es die Zulassung der Revision auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstandes hat beschränken wollen (BGH, Urt. v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 [361] = MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536, m.w.N. aus der Rspr. des BGH).
2. Im Streitfall liegt in dem Hinweis des Berufungsgerichts auf die Streitfrage zur Divergenz von Empfängerbezeichnung und Kontonummer nicht nur eine Begründung, sondern eine hinreichend klar zum Ausdruck gekommene Beschränkung der Zulassung.
a) Das Berufungsgericht hat Zahlungsansprüche des Klägers i.H.v. 74.646,51 EUR aus Anfechtung (§§ 129, 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO) und Auftrag (§§ 667, 675 BGB) durchgreifen lassen. Aus seiner Sicht war entscheidungserheblich, ob die Zahlungseingänge nach dem Inhalt der Überweisungsaufträge für die Insolvenzschuldnerin bestimmt waren, was sich nur aus der Empfängerbezeichnung in den Überweisungsaufträgen ergeben konnte. Das Berufungsgericht hat hier eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gesehen: Für den beleggebundenen Überweisungsverkehr sei anerkannt, dass bei einer Divergenz von Empfängerbezeichnung und Kontonummer die Empfängerbezeichnung maßgeblich sei, weil der Name eine wesentlich sicherere Individualisierung ermögliche. Allerdings habe sich die Beklagte des beleglosen Überweisungsverkehrs bedient, bei dem die in der Belegform eingereichten Überweisungsaufträge automatisch eingelesen und lediglich die Daten an die Empfängerbank weitergeleitet würden (EZÜ-Verfahren). Für diese Art des Zahlungsverkehrs sei umstritten, ob es auf die Kontonummer oder die Empfängerbezeichnung ankomme. Den Vorzug verdiene die zweitgenannte Auffassung, der sich der Senat anschließe. Für die mit der Revision angegriffene Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der Scheckzahlungen waren aus Sicht des Berufungsgerichts andere Erwägungen als die Bestimmung der Empfängerzuständigkeit im EZÜ-Verfahren maßgeblich: Die entsprechenden Gutschriften auf dem Konto der KG seien am 21.10.1999, mithin erst "am Tag der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens" erfolgt. An diesem Tage habe die Beklagte von dem Kläger die Weisung erhalten, die Zahlungen auf das Sonderkonto umzuleiten. Dessen Faxschreiben sei erst um 16.32 Uhr abgesandt worden. Zu Gunsten der Beklagten sei davon auszugehen, dass ihr bei Vornahme der Buchung die Weisung noch nicht bekannt gewesen sei.
b) Bei einer Gesamtschau der Entscheidungsgründe ergibt sich auf der Grundlage dieser Begründung der Wille des Berufungsgerichts, die Revision auf den zugesprochenen Teil der Klage zu beschränken. Eine hinreichend klare Beschränkung bejaht der BGH namentlich dann, wenn sich die von dem Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (BGHZ 48, 134 [136]; BGH, Urt. v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 [362] = MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536; Urt. v. 16.1.1996 - XI ZR 116/95, MDR 1996, 456 = NJW 1996, 926 [927]; Beschl. v. 29.1.2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365 [1366]).
Das ist hier der Fall. Die Streitfrage, die das Berufungsgericht geklärt wissen wollte, ob es nämlich auch im belegfreien Überweisungsverkehr (EZÜ-Verfahren) hinsichtlich der Bestimmung des Zahlungsempfängers vorrangig auf die in den Überweisungsaufträgen vermerkte Empfängerbezeichnung ankommt, stellte sich nur hinsichtlich des zugesprochenen Teils der Klage. Die übrigen Überweisungen wiesen nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Schuldnerin als Zahlungsempfängerin aus. Für den von dem Kläger weiterverfolgten Anspruch wegen der von der Beklagten eingezogenen Schecks wurde die Streitfrage aus Sicht des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich, weil nach seiner tatrichterlichen Würdigung die Beklagte bei Vornahme der Buchung die Weisung des Klägers noch nicht erhalten hatte. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Revision nur insoweit zulassen wollte, als sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung wegen der von ihr im EZÜ-Verfahren eingezogenen Beträge wenden würde.
c) Eine Beschränkung mit diesem Inhalt ist zulässig. Es ist möglich, die Revision hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes zuzulassen, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH v. 3.6.1987 - IVa ZR 292/85, BGHZ 101, 276 [278] = MDR 1987, 917; Urt. v. 5.11.2003 - VIII ZR 320/02, MDR 2004, 468 = BGHReport 2004, 262 = WM 2004, 853; v. 17.6.2004 - VII ZR 226/03, BGHReport 2004, 1583 = MDR 2004, 1375 = NJW 2004, 3264 [3265]). Dies ist hier hinsichtlich des zugesprochenen Teils der Klageforderung ohne Zweifel der Fall.
3. Hat das Berufungsgericht die Revision - wie hier - wirksam mit Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsfrage zugelassen, so wirkt die Zulassung nicht für die Partei, zu deren Gunsten die Rechtsfrage entschieden ist. Dies gilt auch dann, wenn sie das Urteil aus einem völlig anderen Grunde anzugreifen beabsichtigt (BGH, Urt. v. 5.11.2003 - VIII ZR 320/02, MDR 2004, 468 = BGHReport 2004, 262 = WM 2004, 853). Die Frage der Bestimmung des Zahlungsempfängers im EZÜ-Verfahren hat das Berufungsgericht entsprechend der Auffassung des Klägers in dem Sinne entschieden, dass auf den in dem Überweisungsauftrag genannten Empfangsberechtigten und nicht auf den Inhaber des mitgeteilten Empfängerkontos abzustellen ist. Die von dem Kläger eingelegte Revision ist deshalb unzulässig.
II.
Damit erledigt sich auch die - unselbständige - Anschlussrevision (§ 554 Abs. 4 ZPO). Verliert sie ihre Wirkung dadurch, dass die Revision - wie hier - als unzulässig verworfen wird, sind die Kosten des Revisionsverfahrens verhältnismäßig zu verteilen (BGH v. 11.3.1981 - GSZ 1/80, BGHZ 80, 146 [147, 149] = MDR 1981, 638). Dies führt zu der ausgesprochenen Kostenquotelung.
Fundstellen
Haufe-Index 1333776 |
BB 2005, 965 |
BGHR 2005, 867 |
FamRZ 2005, 882 |
NJW-RR 2005, 715 |
JurBüro 2005, 445 |
MDR 2005, 886 |