Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, welcher Warenbegriff für eine Marke im Arzneimittelbereich zugrunde zu legen ist, deren Schutz sich allgemein auf Arzneimittel erstreckt, die jedoch nur für einen Teilbereich dieses Oberbegriffs benutzt wird.
Normenkette
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 10. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, im Jahre 1884 als Kommanditgesellschaft in Hamburg gegründet, führt seit dieser Zeit den Firmennamen Ichthyol-Gesellschaft C., H. & Co. Als mittelständisches pharmazeutisches Unternehmen stellt sie medizinische Präparate auf der Basis von sulfonierten Schieferölen her und vertreibt diese. Ihre Tätigkeit begann mit der Entwicklung und Herstellung eines in der Dermatologie einsetzbaren Rohstoffs mit dem Namen „Ichthyol”, abgeleitet von der griechischen Bezeichnung der prähistorischen Schuppenfische „Ichthys” und der lateinischen Bezeichnung „oleum” für Öl. Inzwischen umfaßt das Sortiment der Klägerin darüber hinaus eine Reihe anderer Präparate, die nicht nur äußerlich aufgetragen werden, sondern auch in den Darreichungsformen Tablette, Kapsel und Zäpfchen für die Bereiche Dermatologie, Gynäkologie, Orthopädie und Urologie angeboten werden. Unter der Bezeichnung „Ichthyol” vertreibt die Klägerin einen Rohstoff als Rezeptursubstanz und eine Salbe als Fertigarzneimittel, die rezeptfrei in Apotheken erhältlich ist. Sie verwendet die Bezeichnung „Ichthyol” außerdem in Form ihres auch als Wort-/Bildmarke Nr. 617 931 mit Zeitrang vom 24. Dezember 1963 geschützten Firmenlogos (farbig angelegtes auf der Spitze stehendes Quadrat mit der die Diagonale füllenden Schrift „Ichthyol”) auf ihren weiteren Präparaten.
Die Klägerin ist Inhaberin zweier Wortmarken „Ichthyol” (Nr. 10 764 mit Zeitrang von 1895, geschützt für aus schwefelhaltigen Kohlenwasserstoffen hergestellte chemische und pharmazeutische Produkte und Nr. 97 437 mit Zeitrang vom 18. Februar 1907, geschützt für eine Vielzahl von Waren aus unterschiedlichen Warenklassen, unter anderem auch für Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate). Das Firmenlogo genießt als eingetragene Marke Schutz für die Waren Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, pharmazeutische Drogen sowie weitere Waren.
Die Bezeichnung „Ichthyol” wird von der Klägerin als verkürzter Bestandteil ihres Firmennamens im täglichen Gebrauch verwendet. Im Jahr erwirtschaftet sie mit ihrer Gesamtproduktpalette einen Umsatz von etwa 35 Mio. DM. Auf die „Ichthyol”-Salbe entfiel im Jahre 1995 ein Umsatz von 77.000 DM.
Die Beklagte, ein amerikanisches Unternehmen, das sich mit der Entwicklung neuer Krebsbehandlungsmittel und -therapien befaßt, meldete am 28. April 1994 beim Deutschen Patentamt die Marke „ETHYOL” für therapeutische Arzneimittel in der Krebsbehandlung, zu verabreichen in Verbindung mit Chemo- und Strahlentherapie, an. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Inzwischen ist das Warenverzeichnis auf „therapeutische in Verbindung mit Chemo- und Strahlentherapie mittels Injektion zu verabreichende, verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Krebsbehandlung” eingeschränkt worden. Am 29. März 1996 meldete die Beklagte außerdem die Marken „Eth-YOL Essex Pharma”, „Eth-YOL U.S. Bioscience” und „Eth-YOL” an. Auch gegen diese Markenanmeldungen erhob die Klägerin Widerspruch.
Noch vor der Eintragung der Marke „ETHYOL” ließ die Beklagte ein Präparat unter dieser Bezeichnung durch ihre Lizenznehmerin Essex Pharma auf dem deutschen Markt einführen. Vertrieben wird „Ethyol” als Trockensubstanz mit dem Inhaltsstoff „Amifostin”, welcher gegen Zytotoxizität ionisierender Strahlen – in der Strahlentherapie – sowie alkylierende Substanzen und Platinanaloga – in der Chemotherapie – schützt. Es handelt sich um ein verschreibungspflichtiges hochspezialisiertes Arzneimittel, das die Linderung der starken körperlichen Belastungen, die mit der Chemo- oder Strahlentherapie in der Krebsbehandlung zwangsläufig einhergehen, bezweckt.
Die Klägerin hat sich aus den genannten Marken „Ichthyol” sowie ihrem Firmenschlagwort gegen die Benutzung der Bezeichnung „ETHYOL” gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, daß angesichts des hohen Bekanntheitsgrades der eingeführten Marke „Ichthyol”, der deshalb ein weiter Schutzbereich zukomme, eine Verwechslungsgefahr gegeben sei. Bereits die Übereinstimmung in der Lautfolge „thyol” reiche hierfür aus. Die erforderliche Warenähnlichkeit sei schon deshalb gegeben, weil die einander gegenüberstehenden Zeichen jeweils für Arzneimittel verwendet würden. Auch die von der Beklagten angemeldeten Marken in den unterschiedlichen Schreibweisen begründeten eine Verwechslungsgefahr mit den Klagekennzeichnungen. Die Beklagte hänge sich an den guten Ruf von „Ichthyol” an. Auf das derzeitige, eng begrenzte Anwendungsgebiet für „Ethyol” könne nicht abgestellt werden, weil die Beklagte für sich in Anspruch nehme, die Marke auch für weitere Anwendungsgebiete zu verwenden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,
es zu unterlassen,
die Bezeichnung „ETHYOL”, auch in der Schreibweise „Eth-YOL”, in Alleinstellung oder in Kombination mit Firmennamen wie „U.S. Bioscience” oder „Essex Pharma” auf Arzneimitteln, insbesondere auf therapeutischen, in Verbindung mit Chemo- und Strahlentherapie zu verabreichenden Arzneimitteln in der Krebsbehandlung oder auf deren Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter dem Zeichen „ETHYOL”, auch in den genannten Schreibweisen und Kombinationen mit Firmennamen, diese Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, unter dem Zeichen „ETHYOL”, auch in den genannten Schreibweisen und Kombinationen mit Firmennamen, diese Waren einzuführen oder auszuführen, zur Nutzung dieses Zeichens „ETHYOL”, auch in den genannten Schreibweisen und Kombinationen mit Firmennamen, für diese Waren Lizenzen zu erteilen oder das Zeichen „ETHYOL”, auch in den genannten Schreibweisen und Kombinationen mit Firmennamen, in Geschäftspapieren, Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefen, Empfehlungen, Rechnungen und dgl. oder in der Werbung zu benutzen oder benutzen zu lassen;
- die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Deutschen Patentamt die Warenzeichenanmeldung U. Wz „ETHYOL” und die drei am 29. März 1996 vorgenommenen Warenzeichenanmeldungen „Eth-YOL U.S. Bioscience”, „Eth-YOL Essex Pharma” und „Eth-YOL” zurückzunehmen;
- die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen unter Angabe des erzielten Umsatzes sowie unter Angabe der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Kalendervierteljahren und Bundesländern;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist oder künftig entstehen wird.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, bei den Kennzeichen der Klägerin handele es sich nicht um bekannte, sondern eher um in ihrer Kennzeichnungskraft schwache Marken. Der Bestandteil „thyol” sei klanglich identisch mit „thiol”, welcher vielfach in pharmazeutischen Marken enthalten sei. Die Umsätze der Klägerin mit dem Fertigarzneimittel „Ichthyol” seien für die Annahme einer bekannten Marke zu gering. Eine Verwechslungsgefahr bestehe insbesondere aufgrund der Verschiedenheit der unter den jeweiligen Marken vertriebenen Produkte nicht. Ihr, der Beklagten, Mittel sei ein hochspezialisiertes Arzneimittel, das ausschließlich in der Krebsbehandlung in Verbindung mit Chemo- oder Strahlentherapie eingesetzt und überwiegend über Krankenhausapotheken an Krankenhäuser abgegeben werde. Es wende sich ausschließlich an Fachärzte, die Krebsspezialisten seien und Patienten mit weit fortgeschrittener Krebserkrankung behandelten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten marken- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche der Klägerin verneint und dazu ausgeführt:
Ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei nicht gegeben, weil die gebotene umfassende Abwägung anhand des Gesamteindrucks der zu vergleichenden Zeichen ergebe, daß eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe. Es verbiete sich, dem im konkreten Fall übereinstimmenden Bestandteil beider Zeichen – der Endung „thyol” – eine besondere, die Gesamtzeichen prägende Bedeutung zuzumessen und deshalb angesichts der Übereinstimmung insoweit eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Hiergegen spreche schon der im Markenrecht anerkannte Grundsatz, daß regelmäßig der Gesamteindruck durch die Anfangssilben geprägt werde. Das gelte besonders bei Marken für medizinische und pharmazeutische Produkte, bei denen die Endsilben zumeist wenig Aussagekraft hätten.
Das Landgericht habe zutreffend herausgearbeitet, daß für die Frage einer Verwechslungsgefahr eine genaue Betrachtung der Kollisionslage auch hinsichtlich der unter den gegenüberstehenden Marken vertriebenen Waren vorzunehmen sei. Danach ergebe sich für das Produkt der Beklagten, daß die Marke ausschließlich für hochspezialisierte verschreibungspflichtige Arzneimittel eingesetzt werden könne. Zwar wende sich die Klägerin mit Recht dagegen, daß das Landgericht auf die konkreten, von ihr vertriebenen Präparate abgestellt und außer acht gelassen habe, daß sich ihr Markenschutz auf Arzneimittel bzw. pharmazeutische Präparate allgemein beziehe, es erscheine aber fraglich, ob dieser Schutz auch die speziellen Präparate abdecken könne, für welche die Beklagte die Bezeichnung „Ethyol” verwenden wolle. Dem stehe entgegen, daß für weite Produktoberbegriffe in der Warenklasseneinteilung eine Aufspaltung in verkehrsübliche Produktbereiche stattzufinden habe. Nicht jegliche Benutzung der Marke für eine oder mehrere unter einen Oberbegriff fallende Waren bewirke, daß die Marke für alle unter den Oberbegriff zu subsumierenden Produkte rechtserhaltend benutzt worden sei.
Bei der danach vorzunehmenden differenzierenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei von entscheidender Bedeutung, daß sich die Präparate der Parteien an ganz unterschiedliche Patienten und Ärzte wendeten. Da es sich bei dem Medikament der Beklagten um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel handele, komme es für das Vorliegen einer Markenähnlichkeit in erster Linie auf die Auffassung der Ärzte und Apotheker an. Es sei insgesamt als fernliegend zu erachten, daß bei Ärzten, die in die Lage versetzt würden, das Mittel der Beklagten schwer krebskranken Patienten zu verschreiben, sich aufgrund des Markennamens die Vorstellung ergeben könne, dieses Produkt stamme möglicherweise aus dem Hause der Klägerin.
Auch ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sei nicht gegeben. In Fällen, in denen eine Verwechslungsgefahr trotz bestehender Warenähnlichkeit wegen ausreichenden Abstands bei den sich gegenüberstehenden Zeichen zu verneinen sei, sei ein ergänzender Schutz über § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nach der Zielrichtung der Markenrechtsrichtlinie nicht gegeben. Auch Ansprüche aus § 15 MarkenG sowie § 1 UWG seien vom Landgericht zutreffend verneint worden.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und Art. 5 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu beurteilen (vgl. GRUR 1998, 387, 389 Tz. 39 = WRP 1998, 39 – Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. = WRP 1998, 1165 – Canon; GRUR Int. 1999, 734, 736 Tz. 18 = WRP 1999, 806 – Lloyd; MarkenR 2000, 255, 256 Tz. 24 – Adidas/Marca Mode). Das gilt uneingeschränkt auch für die Beurteilung nach der Regelung der die genannten Bestimmungen der Markenrechtsrichtlinie umsetzenden § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Dabei besteht eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der in Frage stehenden Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marken. Danach kann insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und umgekehrt sowie durch eine besondere Bekanntheit der älteren Marke im Markt ausgeglichen werden (BGH, Urt. v. 13.1.2000 – I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 – ATTACHÉ/TISSERAND; Urt. v. 6.7.2000 – I ZR 21/98, GRUR 2001, 158, 159 f. = WRP 2001, 41 – Drei-Streifen-Kennzeichnung, jeweils m.w.N.).
2. Diesen Beurteilungsmaßstab hat das Berufungsgericht im Ansatz verfehlt, indem es davon ausgegangen ist, die Frage der Verwechslungsgefahr setze eine umfassende Abwägung anhand des Gesamteindrucks der zu vergleichenden Zeichen voraus. Das Berufungsgericht hat – wie das Landgericht – die Wechselwirkung zwischen den einzelnen für die Beurteilung wesentlichen Faktoren nicht hinreichend in seine Betrachtung einbezogen, indem es, unter Außerachtlassung der Frage der Warenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klagekennzeichen, anhand des Gesamteindrucks der einander gegenüberstehenden Zeichen eine Markenähnlichkeit und damit von vornherein eine Verwechslungsgefahr verneint hat.
Zwar hat sich das Berufungsgericht auch mit der Frage der Warenähnlichkeit beschäftigt, diese jedoch nicht in den erforderlichen Zusammenhang mit der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klagekennzeichen gebracht, die überhaupt unerörtert geblieben ist. Es schöpft hinsichtlich der Frage der Warenähnlichkeit den gegebenen Sachverhalt nicht aus und hat auch nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen.
Zunächst bezeichnet das Berufungsgericht den Zugang des Landgerichts, daß eine genaue Betrachtung der Kollisionslage auch hinsichtlich der unter den gegenüberstehenden Marken vertriebenen Waren vorzunehmen sei, als prinzipiell zutreffend. Dem kann nicht beigetreten werden. Die Frage der Warenähnlichkeit bestimmt sich, anders als es das Landgericht gesehen hat, bei eingetragenen Marken nach deren Warenverzeichnis, gegebenenfalls – sofern die Einrede der Nichtbenutzung durchgreift – nach entsprechend eingeschränkten Warenbegriffen. Hiervon geht zwar im Ergebnis auch das Berufungsgericht aus, wenn es ausführt, im Grundsatz richtig wende die Klägerin ein, daß das Landgericht zu Unrecht auf die konkreten von der Klägerin vertriebenen Präparate abgestellt und außer acht gelassen habe, daß sich der Markenschutz für die Klägerin auf Arzneimittel bzw. pharmazeutische Präparate allgemein beziehe. Es stellt es aber als fraglich hin, ob dieser Schutz im Streitfall auch die Präparate abdecken könne, für die die Beklagte die angegriffene Bezeichnung verwendet. Dem stehe entgegen, daß für weite Produktoberbegriffe in der Warenklasseneinteilung eine Aufteilung in verkehrsübliche Produktbereiche stattzufinden habe. Im Arzneimittelbereich müsse, um Neuanmeldern einen Markenerwerb für pharmazeutische Produkte überhaupt zu ermöglichen, für bestehende Marken ein verhältnismäßig enger Schutz bezüglich der Produktbereiche angenommen werden. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden.
Die Beklagte hat zwar die Benutzung der Klagemarken für andere Präparate als für Salben bestritten. Damit hat sie sich jedoch – was das Berufungsgericht nicht erörtert hat – mit dem sonst unstreitigen Sachverhalt in Widerspruch gesetzt. Denn die Klägerin hat unwidersprochen – unter Vorlage von Verwendungsbeispielen – vorgetragen, daß sie ihre Wort-/Bildmarke „Ichthyol” als Dachmarke für alle ihre Arzneimittel verwende. Gegenteilige Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen, vielmehr die Benutzung der Klagekennzeichen als Dachmarke im Tatbestand als unstreitig dargestellt. Zwar scheint es so, daß das Berufungsgericht hiervon auch hat ausgehen wollen, wenn es ausführt, die Klägerin wende im Grundsatz richtig ein, daß sich ihr Markenschutz auf Arzneimittel bzw. pharmazeutische Präparate allgemein beziehe. Feststellungen dazu, welcher genaue Warenbereich, entweder der im Warenverzeichnis enthaltene weite Oberbegriff oder ein nach der Benutzungslage eingeschränkter Begriff der Prüfung zugrunde zu legen ist, hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen, so daß unklar bleibt, von welchem Warenbegriff es bei der Prüfung der Warenähnlichkeit ausgegangen ist.
Soweit das Berufungsgericht unter Hinweis auf Fezer (Markenrecht, 1. Aufl., § 14 Rdn. 156) meint, daß Arzneimittelmarken auch im Hinblick auf die Produktbereiche nur ein verhältnismäßig enger Schutzbereich zuerkannt werden könne, kann dieser Erwägung in der vom Berufungsgericht formulierten Allgemeinheit nicht beigetreten werden. Auch im Arzneimittelbereich kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an, die das Berufungsgericht derzeit noch nicht hinreichend ermittelt hat.
3. Das Berufungsgericht wird deshalb Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, welche konkreten Waren auf seiten der Klagekennzeichen bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr einzubeziehen sind. Hierzu hat die Klägerin umfangreich vorgetragen, indem sie ihre Produktpalette im einzelnen dargelegt hat. Sofern von dem Vortrag der Klägerin und von der weiteren – im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig dargestellten – Tatsache auszugehen ist, daß die Klägerin die Wort-/Bildmarke „Ichthyol” auf allen ihren Präparaten verwendet, käme eine Einschränkung des weiten Oberbegriffs des Warenverzeichnisses dieser Marke allenfalls auf einen alle diese Präparate umfassenden Oberbegriff in Betracht.
Des weiteren wird das Berufungsgericht auf der dann gegebenen Tatsachengrundlage die Frage nach dem Grad der Warenähnlichkeit zu beantworten haben.
Darüber hinaus wird das Berufungsgericht im neu eröffneten Berufungsverfahren Feststellungen dazu treffen müssen, welches Maß an Kennzeichnungskraft den Klagekennzeichen zukommt. Nach dem Vortrag der Klägerin kommt ihnen hohe Bekanntheit zu. Sie werden als Dachmarke für alle Arzneimittel der Klägerin verwendet, so daß unter Berücksichtigung des unstreitigen Umsatzes der Klägerin mit ihrer Gesamtproduktpalette in Höhe von jährlich etwa 35 Mio. DM und einer mehr als 100jährigen Benutzung weder von einer – wie die Beklagte geltend macht – schwachen noch auch von einer nur durchschnittlichen Kennzeichnungskraft, sondern eher von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft wird ausgegangen werden müssen.
Alsdann wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch des Maßes der gegebenen Ähnlichkeit der Bezeichnungen „Ichthyol” und „ETHYOL” die Frage des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr zu beantworten haben. Bei seiner erneuten Beurteilung wird das Berufungsgericht sich auch mit dem Gesamteindruck der vom Klageantrag zu Ziffer 2 erfaßten Markenanmeldungen zu befassen und zu prüfen haben, ob die Schreibweise des Wortes „Ethyol” mit einem Bindestrich und/oder unter Hinzufügung weiterer Wortbestandteile („Essex Pharma” bzw. „U.S. Bioscience”) zu der Annahme berechtigt, die Zeichen seien von den Klagekennzeichen so weit entfernt, daß eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben ist.
Sollte eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinn nicht zu bejahen sein, wird das Berufungsgericht der Frage einer Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen der angegriffenen Bezeichnung mit den Klagekennzeichen nachzugehen haben. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, daß es eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinn bei den vom Klageantrag 2 erfaßten und mit Hinzufügungen versehenen Bezeichnungen verneint, weil dann für den Verkehr eine Verwendungsweise der Bezeichnung „ETHYOL” als Dachmarke nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist.
III. Da auf der Grundlage der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Frage einer Verwechslungsgefahr nicht abschließend beantwortet werden kann, kommt es beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand noch nicht auf die Frage der Anwendbarkeit der § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, § 15 MarkenG oder § 1 UWG an (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 27.4.2000 – I ZR 236/97, GRUR 2000, 875 = WRP 2000, 1142 – Davidoff).
IV. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Pokrant, Büscher, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.05.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHR 2002, 33 |
BGHR |
GRUR 2002, 65 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2001, 1447 |
PharmaR 2001, 390 |