Entscheidungsstichwort (Thema)
Neubau Filmtheaterkomplex. Angebot Generalmietvertrag. Vormietrecht aufgrund bindenden Mietvorvertrags. Auskunftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung eines Mietvorvertrages über Kinoräume, die als Teil eines Gesamtkomplexes erst noch errichtet werden sollen, sowie zum Auskunftsrecht aus einem Vormietrecht.
Normenkette
BGB §§ 535, 463 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Endurteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. November 1999 aufgehoben und das Endurteil der 14. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 15. Juni 1998 abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, mit der Klägerin, soweit im Gebäudekomplex M., B.straße, Filmtheater und Multiplex errichtet werden, einen Mietvertrag abzuschließen, der dem in Ziffer III. und IV. des Nachtrages zum Pachtvertrag vom 3./4. Mai 1994 geschlossenen Mietvorvertrag entspricht.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den Inhalt des mit der Firma V. Ltd., A., abgeschlossenen Pachtvertrages samt allen Nebenabreden und Zusätzen über das Anwesen B.straße mitzuteilen.
Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus einem Mietvorvertrag und einem Vormietrecht gegen die Beklagte Rechte zustehen.
Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgänger betrieben seit 1956 im Anwesen B.straße in M. den „M. -Filmpalast”, ein Filmtheater mit vier Kinos und einer Gesamtfläche von 2.300 m², sowie einer Besucherkapazität von 1.460 Sitzplätzen, seit 1979 als Pächterin aufgrund eines Pachtvertrages mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der L. AG. Der Vertrag zwischen der L. AG und der Klägerin vom 28. Juni 1978 enthält in § 3 folgende Regelung:
- „Der Pachtvertrag beginnt am 01.01.1979. Er wird auf die Dauer von 15 Jahren (i.w. fünfzehn Jahren) fest abgeschlossen und läuft bis zum 31.12.1993.
- Ein Jahr vor Ablauf der Pachtzeit verpflichten sich beide Parteien, nach Möglichkeit den Vertrag um mindestens 5 Jahre zu verlängern, soweit über die Pachtbedingungen Einigkeit erzielt werden kann.
- Die Pächterin erhält in jedem Fall ein Vorpachtrecht.”
Die Beklagte erwarb Ende des Jahres 1993 das Anwesen B.straße von der L. AG. Im ersten Halbjahr 1994 kam es zu Verhandlungen zwischen ihr und der Klägerin wegen der Verlängerung des Vertrages vom 28. Juni 1978. Diese führten am 3./4. Mai 1994 zum Abschluß des sogenannten „Nachtrags Nr. 1” zum Vertrag vom 28. Juni 1978. Dieser lautet auszugsweise:
I. 1. In § 3 bzw. III. der o.g. Mietverträge ist die Mietdauer jeweils bis zum 31.12.1993 begrenzt. Ergänzend ist vereinbart, daß die Parteien sich verpflichten, ein Jahr vor Ablauf der Mietzeit Vereinbarungen über eine Vertragsverlängerung aufzunehmen. Wegen des Verkaufs des Objektes wurden mit dem Voreigentümer jedoch keine abschließenden Verhandlungen geführt. Der Mieter hat ein Vormietrecht.
2. Unter Berücksichtigung dieses Vormietrechts werden beide Mietverhältnisse zunächst um drei Jahre, d.h. bis zum 31.12.1996 verlängert. Es wird eine Kündigungsfrist von 6 Monaten vereinbart. Erfolgt keine termingerechte Kündigung, verlängern sich die Mietverträge jeweils um ein weiteres Jahr.
II. …
III. 1. Dem Mieter ist bekannt, daß die Vermieterin eine Umstrukturierung/Modernisierung des Gesamtobjektes B.straße, S.-straße, Z.straße, mit dem Ziel der baulichen und wirtschaftlichen Optimierung anstrebt. Diese Bemühungen bewertet der Mieter positiv.
Die Planung befindet sich derzeit noch im Vorstadium, so daß heute weder über künftige Nutzungsmöglichkeiten, Lage von Räumlichkeiten für die Kinos noch über längere Vertragslaufzeiten verbindliche Aussagen getroffen werden können.
2. Sofern ein neues Konzept die Beibehaltung von Kinos beinhaltet, erklärt der Mieter jedoch bereits heute unwiderruflich sein Einverständnis zu einer Umverlagerung seines Mietbereiches und die Vermieterin erklärt, in das Objekt keinen weiteren Kinobetreiber aufzunehmen nachdem ein Vertrag gemäß Ziffer IV. dieses Nachtrages abgeschlossen wurde. Die genaue Größe und Lage der Fläche wird zwischen Vermieterin und Mieter zu gegebener Zeit noch festgelegt.
IV. 1. Nach dem 31.12.1996 verpflichtet sich der Mieter im Falle der Realisierung eines Umbaus/Neubaus die jetzt genutzten Flächen entsprechend der erforderlichen Ablaufplanung kurzfristig (innerhalb von drei Monaten) ganz oder teilweise nach schriftlicher Aufforderung durch die Vermieterin zurückzugeben. Der Mieter akzeptiert bereits jetzt, daß sein Geschäftsbetrieb je nach Umfang der Baumaßnahmen eventuell ganz oder zum Teil zum Erliegen kommt bzw. nur eingeschränkt möglich ist. Sofern möglich, wird die Vermieterin Interimsflächen zur vorübergehenden Nutzung anbieten. Demgemäß verringern/erhöhen sich die Mindestmieten um die jeweils gültige qm/Miete entsprechend.
2. Die Parteien verpflichten sich, im Fall der Realisierung des Vorhabens gemäß III. Ziffer 2. über neue Flächen einen neuen Mietvertrag mit folgenden Festkonditionen abzuschließen:
- Mietdauer: 10 Jahre + 5 Jahre Option
- Umsatzmiete mit Mindestmiete
- Mietpreiskoppelung der Mindestmiete an den Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Haushaltes von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen, 1980 = 100 (Ausgangspunkt ist der Indexstand zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses), Veränderung bei jeweils um mehr als 7,5 Punkte)
- Ausbau der Räumlichkeiten zu Lasten des Mieters
- Übernahme sämtlicher Instandhaltungskosten, ausgenommen Dach und Fach
- Vollumlage der Betriebs- und Heizkosten
- Umlage von üblichen Verwalterkosten gemäß einem Verteilungsschlüssel nach anteiligen m², sofern ein Verwalter für die Gesamtimmobilie bestellt wird
- Verpflichtung zur Werbegemeinschaft, falls Gründung erfolgt
3. Kommt es trotz Realisierung des Umbaus/Neubaus zu keiner Einigung über den Neuabschluß eines Mietvertrages, so erhalten beide Seiten abweichend von Ziffer 2. dieses Nachtrages ein einmaliges Sonderkündigungsrecht. Die Kündigung ist binnen vier Wochen nachdem eine der Vertragsparteien das Scheitern der Verhandlungen schriftlich erklärt hat, auszusprechen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende.
4. Sollte – aus welchen Gründen auch immer – die Umstrukturierung des Objektes durch die Vermieterin nicht erfolgen, so sind die vorstehenden Regelungen IV. in Ziffer 1. bis 3. hinfällig. Andere Rechte stehen dem Mieter nicht zu.
Die Vermieterin wird bemüht sein, die durch Baumaßnahmen zu erwartenden Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Weder aus der Durchführung der Baumaßnahmen und den damit verbundenen Beeinträchtigungen noch aus der gänzlichen Schließung bzw. Teilschließung des Objektes kann der Mieter gegen die Vermieterin Ansprüche irgendwelcher Art herleiten.
Ende 1996 entschloß sich die Beklagte, den M. -Komplex komplett abzureißen – was zwischenzeitlich geschehen ist – und einen Neubau zum Betrieb eines sogenannten „Multiplex”-Kinos zu errichten, bestehend aus 14 Kinos auf einer Gesamtfläche von ca. 10.000 m² mit insgesamt ca. 4.500 Sitzplätzen sowie Läden, gastronomischen Einrichtungen, Büros und einer Tiefgarage. Die Vorstellung der Beklagten ging dahin, den neu errichteten M. -Komplex als einheitliches Kino- und Entertainment-Center zu gestalten, dessen Betrieb einem Generalmieter übergeben werden sollte. Die Beklagte verhandelte bereits mit der C./K.-Gruppe über deren Eintritt als Generalmieter.
Am 12. August 1996 fand zwischen den Parteien eine Unterredung statt, bei der die Beklagte die Klägerin unter anderem über den geplanten Abschluß eines Generalmietvertrages und über die Konditionen eines solchen Vertrages unterrichtete. Gegenstand des Gesprächs war auch ein mögliches Vormietrecht der Klägerin sowie die Höhe einer möglichen Abgeltung dieses Rechts. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, bis 15. September 1996 eine Entscheidung über den Abschluß eines Generalmietvertrages mitzuteilen. Mit Schreiben vom 9. Oktober 1996 erklärte die Klägerin, daß sie als Generalmieterin nicht in Frage komme, da dies auch eine grundsätzliche Änderung der vertraglichen Vereinbarung vom 3./4. Mai 1994 darstelle, und stellte Schadensersatzforderungen in Aussicht.
Ihre Klage, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, mit der Klägerin einen dem in Ziffer III. und IV. des Nachtrages zum Pachtvertrag vom 3./4. Mai 1994 geschlossenen Mietvorvertrag entsprechenden Mietvertrag abzuschließen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an sie 2 Mio. DM nebst Zinsen zu bezahlen, hat das Landgericht abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, mit der Klägerin einen dem in Ziffer III. und IV. des Nachtrages zum Pachtvertrag vom 3./4. Mai 1994 geschlossenen Mietvorvertrag entsprechenden Mietvertrag abzuschließen, soweit im Gebäudekomplex M., B.straße, Filmtheater oder Multiplex errichtet werden, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, auf der Grundlage des Nachtrages zum Pachtvertrag vom 3./4. Mai 1994, Ziffer IV. 2. ein Angebot auf Abschluß eines Miet-/Pachtvertrages betreffend die im Anwesen „M.” B.straße in M. entstehenden Kinos an die Klägerin abzugeben, ferner die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Inhalt des mit der Firma V. Ltd., A., abgeschlossenen Pachtvertrages samt allen Nebenabreden und Zusätzen über das Anwesen B.straße mitzuteilen. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie ihre Berufungsanträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung der Beklagten nach den Hauptanträgen der Klägerin.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Feststellungsantrag sei unzulässig. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Verpflichtung der Beklagten (§ 256 Abs. 1 ZPO) sei nicht gegeben. Die erstrebte Feststellung führe nämlich nicht zu einer sachgemäßen, prozeßökonomisch sinnvollen Entscheidung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten. Eine abschließende Entscheidung über die Streitpunkte könne die Klägerin nur im Wege einer Leistungsklage erreichen, die ihr auch möglich sei. Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag auf Abgabe eines Angebots der Beklagten sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Vorvertrages seien zwar erfüllt. Voraussetzung sei, daß Regelungen mit einem solchen Maß an Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit und Vollständigkeit getroffen seien, daß im Streitfall der Inhalt des Vertrags richterlich festgesetzt werden könne. Ein gewerblicher Mietvorvertrag sei in der Regel hinreichend bestimmt, wenn eine Einigung über das Mietobjekt, die Mietdauer und den Mietzins erzielt worden sei, wobei die Ausgestaltung näherer Vertragsbedingungen weiteren Verhandlungen vorbehalten bleiben könnten. Die Mietdauer sei eindeutig festgelegt. Der Mietzins – Umsatzmiete mit Mindestmiete – sei jedenfalls bestimmbar; auch der Mietgegenstand sei ausreichend geregelt. Die Parteien seien sich einig gewesen, daß, soweit möglich, eine Zuweisung der der bisherigen Nutzung entsprechenden Flächen zum Betrieb eines Kinos am Standort „M. -Komplex” erfolgen solle. Der gesamte Regelungsinhalt der Vereinbarung ergebe, daß ein vorvertraglicher Bindungswille bestanden habe.
Die Parteien hätten jedoch angesichts der in Aussicht genommenen weitgehenden Umstrukturierungsmaßnahmen einen Verhandlungsbedarf für gegeben erachtet. Die Beklagte habe die Klägerin darüber informiert, daß der M. -Komplex abgerissen und die Errichtung eines Multiplex-Kinos mit 14 Sälen und 4.500 Sitzplätzen auf einer Fläche von 10.000 m² unter der Leitung eines Generalmieters geplant sei. Die Klägerin habe die Beklagte aufgefordert zu erklären, ob die Möglichkeit bestehe, das Objekt als Generalmieter selbst zu übernehmen. Die Klägerin habe sich ihrer nach dem Vertrag bestehenden Verhandlungspflicht mit dem Hinweis, sie komme als Generalmieter nicht in Frage, entzogen. Damit habe sie den Vertrag selbst nicht erfüllt. Die Klägerin habe es endgültig abgelehnt, das Objekt als Generalmieter zu führen, und an dieser Auffassung auch noch in der Schlußverhandlung vor dem Oberlandesgericht festgehalten. Hinsichtlich der Nutzung des in ihrem Eigentum stehenden Gebäudekomplexes sei die Beklagte keinen Beschränkungen unterlegen. Sie sei nicht gehindert gewesen, aus wirtschaftlichen Erwägungen eine grundlegend andere Gestaltung des Filmtheaters zu planen und durchzuführen, insbesondere auch einen Generalmietvertrag mit dem neuen Betreiber abzuschließen.
Der Antrag der Klägerin auf Erteilung der Auskunft sei zulässig, jedoch unbegründet. Eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin analog § 510 BGB a.F. (= §§ 463 ff. BGB n.F.) den Inhalt des mit dem australischen Unternehmen geschlossenen Vertrags mitzuteilen, bestehe nicht. Aus der Vereinbarung in Ziffer I. und II. des Nachtrags vom 3./4. Mai 1994 zu den Miet- bzw. Pachtverträgen von 1978 ergebe sich zwar, daß das vereinbarte Vormietrecht weiter wirksam sein solle. Die Ablehnung eines Generalmietvertrags durch die Klägerin bedeute aber, daß die Klägerin sich geweigert habe, ihr Vormietrecht auszuüben. Dafür spreche insbesondere auch, daß die Klägerin erstinstanzlich hilfsweise zur Abgeltung des Vormietrechts einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2 Mio. DM geltend gemacht habe. Die Klägerin sei davon ausgegangen, daß die Beklagte bereits einen Vertrag mit einem Dritten, nämlich der C./K.-Gruppe abgeschlossen habe, was tatsächlich jedoch nicht der Fall gewesen sei.
2. Die Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage zu Unrecht als unzulässig erachtet. Für eine Feststellungsklage ist zwar im allgemeinen kein Raum, wenn eine Leistungsklage möglich ist, die das Rechtsschutzinteresse des Klägers ebenso wahren würde (st.Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1994 – V ZR 34/92 – NJW-RR 1994, 1272/1273 m.N.).
Will eine Partei aus einem Vorvertrag den Abschluß eines Hauptvertrages erreichen, so hat sie im Regelfall auf Annahme eines konkreten, von ihr selbst abgegebenen Angebots zu klagen (BGH, Urteil vom 18. November 1993 – IX ZR 256/92 – NJW-RR 1994, 317, 318 m.w.N.; Staudinger/Bork BGB 13. Bearbeitung Vorbem. zu §§ 145 ff. Rdn. 67). Dies war der Klägerin jedoch, wie die Revision zu Recht geltend macht, wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht möglich. Sie kennt die Details der errichteten Bauten nicht und weiß im einzelnen nicht, welche Räume für Kinos vorgesehen sind.
Die Möglichkeit, im Wege der Leistungsklage auf Abgabe eines Angebots zu klagen, wie es die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag getan hat, wäre ebenfalls mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden. Der Klageantrag auf Abschluß eines nach einem Vorvertrag geschuldeten Hauptvertrages muß grundsätzlich den gesamten Vertragsinhalt umfassen (BGH, Urteil vom 18. November 1994 aaO). Bestimmt genug ist der Leistungsantrag nur, wenn er alles enthält, was nach den Vorstellungen der Klägerin den Inhalt der Verpflichtung der Beklagten zum Abschluß des gewünschten Vertrages bilden soll. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß es wegen noch ausstehender Regelungen zu weiteren Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien kommt. Für eine stückweise Herbeiführung des Gesamtvertrages im Wege von Teilleistungsklagen ist ein Rechtsschutzbedürfnis aber grundsätzlich nicht anzuerkennen (BGH, Urteil vom 18. November 1994 aaO). Die Beklagte hatte hier einen erheblichen Spielraum hinsichtlich der Details. Es bestünde die Gefahr, daß der Streit der Parteien, wenn die Beklagte ein Angebot abgäbe, im Vollstreckungsverfahren fortgesetzt würde. In solchen Fällen ist aber der Klageantrag als nicht hinreichend bestimmt anzusehen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1998 – II ZR 330/97 – NJW 1999, 954). Demgegenüber kann ein Feststellungsverfahren zur Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führen. Dafür liegen hier ausreichende Anhaltspunkte vor. Die Parteien streiten nicht um Details des Mietvertrages, sondern darum, ob die Beklagte überhaupt an die Klägerin vermieten muß bzw. ob es ausreichend ist, wenn sie der Klägerin einen Generalmietvertrag angeboten hat. Der Klägerin geht es nur um die Feststellung, daß sich die Beklagte nicht einseitig vom Vertrag lossagen kann, sondern ein Angebot bezüglich der errichteten Kinoräume abgeben muß.
b) Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, mit der Klägerin, soweit im Gebäudekomplex M., B.straße, Filmtheater oder Multiplex errichtet werden, einen dem in Ziffer III. und IV. des Nachtrages zum Pachtvertrag vom 3./4. Mai 1994 geschlossenen Mietvorvertrag entsprechenden Mietvertrag abzuschließen.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Parteien einen bindenden Vorvertrag geschlossen haben und daß der Klägerin ein Vormietrecht zustand, wenn auch die Beklagte hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks freie Hand haben sollte. Dieses im Wege der Auslegung gefundene Ergebnis ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insofern sind Rechtsfehler nicht zu erkennen.
aa) Ziffer IV. 2. des Nachtrags vom 3./4. Mai 1994 beinhaltet einen bindenden Mietvorvertrag. Die Vertragsparteien haben über das Mietobjekt und die Mietdauer eine ausreichende Einigung erzielt. Zu Recht bejaht das Oberlandesgericht auch die für einen Vorvertrag erforderliche Einigung über die Miete. Es reicht aus, daß sie – notfalls mit sachverständiger Hilfe – bestimmbar ist. Selbst ohne jegliche Vereinbarung über den Mietzins kann sogar ein Mietvertrag zustande kommen, sofern sich die Parteien bindend über eine entgeltliche Überlassung des Gebrauchs der Mietsache einigen. Dann kann im konkreten Fall ein angemessener oder ortsüblicher Mietzins als vereinbart gelten (Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 – XII ZR 88/90 – WuM 1992, 312, 313). Danach ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin nach den Umbaumaßnahmen einen Mietvertrag mit 10 Jahren Laufzeit plus 5 Jahren Option anzubieten. Die Verpflichtung besteht, wenn die Beklagte auf ihrem Areal weiterhin Kinos vorsieht, und erstreckt sich auf sämtliche Kinos. Einzelheiten, insbesondere Umfang und Lage, sollten noch Vereinbarungssache sein; sie hängen von der Art des Umbaus ab, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bekannt war.
bb) Nach Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Beklagte hinsichtlich der Nutzung des in ihrem Eigentum stehenden Gebäudekomplexes keinen Beschränkungen. Das ist zwar im Grundsatz zutreffend und wird von der Revision auch nicht in Frage gestellt. Die Beklagte hätte danach z.B. von der Errichtung von Kinoräumen ganz absehen und eine andere Nutzung als bisher vorsehen können. Im Mietvorvertrag wird sie in ihrer Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des Geländes nicht beschränkt. Das ändert aber nichts daran, daß sie wegen der Vermietung tatsächlich errichteter Kinoräume an den Mietvorvertrag gebunden ist.
cc) Unzutreffend ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Beklagte den Vorvertrag durch Anbieten eines Generalmietvertrages erfüllen konnte. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte der Klägerin die neu gestalteten Räume entsprechend ihrer Verpflichtung angeboten mit der Folge, daß sie kein weiteres Angebot mehr machen mußte, weil die Klägerin Verhandlungen über dieses Angebot abgelehnt hat. Das Berufungsgericht stellt entscheidend darauf ab, da die Beklagte hinsichtlich der Nutzung des Komplexes keinen Beschränkungen unterlag, sei sie auch berechtigt gewesen, für das gesamte Gelände einen Generalmieter zu suchen. Eine Auslegung dahin, daß die Beklagte ihre Verpflichtung aus dem Vorvertrag auch durch Anbieten eines Generalmietvertrages erfüllen kann, widerspricht aber dem mit der Absprache verfolgten Zweck und beachtet die beiderseitige Interessenlage nicht.
(1) Zwar ist die Auslegung von Individualvereinbarungen grundsätzlich Sache des Tatrichters. Diese Auslegung bindet aber das Revisionsgericht u.a. dann nicht, wenn sie unter Verletzung gesetzlicher Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) oder der Denkgesetze vorgenommen wurde (BGHZ 135, 269, 273). Das ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat angenommen, es liege ein bindender Mietvorvertrag vor. Der Mietgegenstand sei – da bestimmbar – ausreichend geregelt. Die Parteien seien sich einig gewesen, daß, soweit möglich, eine Zuweisung der der bisherigen Nutzung entsprechenden Flächen zum Betrieb eines Kinos am Standort „M. -Komplex” erfolgen solle. Andererseits geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin verpflichtet sein solle, den gesamten Komplex zu übernehmen. Diese Auslegung ist widersprüchlich, so daß der Senat nicht an sie gebunden ist (Senatsurteil vom 17. September 1980 – IVb ZR 550/80 – FamRZ 1980, 1104).
(2) Der Senat kann die gebotene Auslegung selbst vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten und auch nicht erforderlich sind (BGHZ 121, 284, 289). Er legt die getroffene Vereinbarung dahin aus, daß der Beklagte der Klägerin Kinos zur Miete überlassen muß, falls solche errichtet werden, die Klägerin aber weitere Räume wie Restaurants, Geschäfte und die Tiefgarage nicht anmieten muß.
Bis zum Abschluß des „Nachtrags Nr. 1” hatte die Klägerin nur Kinoräume und damit nur einen Teil des Gesamtkomplexes gemietet. Ein großer Teil wurde anderweitig genutzt. Ziffer III. Nr. 2 spricht von einer „Umverlagerung seines Mietbereiches”, falls ein neues Konzept die Beibehaltung von Kinos beinhaltet. Im Gegenzug verpflichtete sich die Vermieterin, keine weiteren Kinobetreiber aufzunehmen. Dieser Konkurrenzschutz wäre nicht verständlich, wenn die Klägerin von vornherein den gesamten Komplex hätte anmieten sollen. Schließlich sieht IV. Nr. 2 g „die Umlage von üblichen Verwalterkosten gemäß einem Verteilungsschlüssel nach anteiligen m²” vor, sofern ein Verwalter für die Gesamtimmobilie bestellt wird. Auch diese Regelung wäre nicht sinnvoll, wenn die Klägerin verpflichtet sein sollte, den gesamten Komplex zu übernehmen.
Dies bedeutet, daß die Parteien einen Mietvorvertrag über neu errichtete Kinoräume abgeschlossen haben. Zwar ist die Beklagte nicht verpflichtet, Kinos zu errichten. Sie ist frei, wie sie das Objekt künftig nutzen will. Sind nach dem Umbau im „M.” weiter Kinos vorhanden, so ist die Klägerin aber befugt, diese zu betreiben, wie sie bzw. ihr Rechtsvorgänger es seit 1956 getan haben.
(3) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Es mag durchaus zutreffen, daß der Neubau einen Umfang angenommen hat, den die Parteien bei Abschluß des Vorvertrages nicht vorausgesehen haben. Die Beklagte hatte sich aber zur Vermietung der künftigen Kinos verpflichtet, unabhängig davon, wie die Gestaltung des Komplexes im einzelnen aussehen würde. Damit muß sie auch das Risiko tragen, daß die – versprochene – Einzelvermietung wirtschaftlich ungünstiger ist als die Überlassung an einen Gesamtmieter.
(4) Mit dem Antrag auf Abschluß eines Generalmietvertrages hat die Beklagte der Klägerin zwar (auch) Kinos angeboten. Sie wollte damit aber die Klägerin zwingen, nicht nur die Kinos, sondern auch die übrigen Gewerbeflächen (Läden, Restaurants, Büros und Tiefgaragen) anzumieten. Die Klägerin hätte damit nur die Möglichkeit gehabt, alles zu nehmen oder die Kinos nicht zu bekommen. Damit konnte die Beklagte ihre Verpflichtung aus dem Mietvorvertrag nicht erfüllen. Sie hat ein „aliud” angeboten. Dieses mußte die Klägerin weder annehmen noch darüber verhandeln. Sie kann vielmehr verlangen, daß ihr die Kinos nach Maßgabe des Mietvorvertrages angeboten werden.
c) Die Klägerin kann auch die begehrte Auskunft verlangen. Zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß der Klägerin ein Vormietrecht zusteht. Aus der Vereinbarung in Ziffer I. und II. des Nachtrags Nr. 1 vom 3./4. Mai 1994 zu dem Pachtvertrag von 1978 ergibt sich, daß das ursprünglich zwischen den Parteien des Pachtvertrages vereinbarte Vormietrecht weiter wirksam sein sollte und nicht, wie die Beklagte meint, mit dem Nachtrag vom 3./4. Mai 1994 abschließend berücksichtigt und beseitigt worden ist. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß Ziffer I. der Vereinbarung der Interpretation der Beklagten ausdrücklich widerspricht, weil eindeutig zum Ausdruck kommt, daß der Klägerin ein Mietvorrecht zustehen soll.
Aufgrund des Vormietrechts ist der Berechtigte befugt, durch einseitige Erklärung gegenüber dem Verpflichteten ein Mietverhältnis mit dem Inhalt zu begründen, wie es der Verpflichtete mit dem Dritten abgeschlossen hat (BGHZ 55, 71, 74). Um überprüfen zu können, ob die Ausübung eines Vormietrechts möglich und sinnvoll ist, muß der Berechtigte den Inhalt des Mietvertrages kennen. § 510 BGB a.F., der dem Vorkaufsberechtigten gegenüber dem Verpflichteten ein Auskunftsrecht einräumt, ist insoweit auf Vormiet- und Vorpachtverträge analog anzuwenden (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1970 – VIII ZR 77/69 – NJW 1971, 422, 423, 424).
Von einer solchen Auskunftspflicht geht auch das Berufungsgericht aus, ist aber der Meinung, daß die Klägerin ihr Vormietrecht nicht ausüben will und ihr deshalb auch kein Anspruch auf Auskunft zusteht. Diese auf einer Auslegung des Verhaltens der Vertragsparteien beruhende Auffassung ist unzutreffend. Zwar ist der Senat auch insoweit nur zu einer eingeschränkten Überprüfung befugt. Die Auslegung durch das Berufungsgericht bindet den Senat aber nicht, weil sie von unzutreffenden rechtlichen Überlegungen ausgeht und die Interessen der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, ist der Senat auch insoweit selbst zur Auslegung befugt (BGHZ 124, 39, 45).
aa) Die Rechtsprechung verlangt für einen wirksamen Verzicht auf ein Vorkaufsrecht den Abschluß eines Erlaßvertrages (st.Rspr. des BGH; BGH, Urteil vom 10. Juni 1966 – VII ZR 177/64 – WM 1966, 893, 895). Für den Verzicht auf ein Mietvorrecht gilt nichts anderes. Das Oberlandesgericht hat eine Einigung über einen Verzicht nicht festgestellt. Ein ausreichender Sachvortrag in dieser Richtung ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt.
bb) Die Klägerin verhält sich auch nicht treuwidrig (vgl. BGH aaO; BGH, Urteil vom 3. Februar 1966 – II ZR 230/63 – WM 1966, 511, 512), wenn sie auf ihrem Vormietrecht besteht. In der Ablehnung des ihr angebotenen Generalmietvertrages liegt kein Verzicht der Klägerin auf ihre Rechte aus dem Vormietvertrag. Das Vertragsangebot der Beklagten hat mit dem Vormietrecht nichts zu tun. Das Vormietrecht gibt der Klägerin nicht das Recht, von der Verpflichteten die Abgabe eines Mietangebots zu verlangen. Es berechtigt den Inhaber vielmehr, durch einseitige Erklärung ein Mietverhältnis mit dem Inhalt zu begründen, wie es der Verpflichtete mit dem Dritten abgeschlossen hat. Diese Rechtsstellung kann der Verpflichtete nicht durch ein eigenes Mietvertragsangebot beeinträchtigen, das anzunehmen der Berechtigte nicht verpflichtet ist. Würde die Ablehnung eines Mietvertragsangebotes als Verzicht auf das Vormietrecht gewertet, so wäre es für den Verpflichteten ein Leichtes, das Vormietrecht auszuschalten. Er könnte durch ein ungünstiges Angebot auf diesem Wege den Berechtigten von der Ausübung seines Vormietrechtes abhalten. Das kann nicht rechtens sein.
Aus dem Umstand, daß die Klägerin in erster Instanz hilfsweise zur Abgeltung des Vormietrechts einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2 Mio. DM geltend gemacht hat, kann man entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht schließen, daß die Klägerin ihr Vormietrecht nicht ausüben will. Die Klägerin hat Schadensersatz von der Beklagten verlangt, weil diese durch Abschluß eines Mietvertrages mit der C./K. -Gruppe ihr xxVormietrecht verletzt habe. Die Klägerin mußte zumindest mit der Möglichkeit rechnen, daß die Beklagte mit dieser Firma einen Generalmietvertrag abgeschlossen haben könnte, in den sie nicht eintreten wollte, und daß die Beklagte auf diese Weise ihr Vormietrecht bezüglich der Kinoräume umgangen hätte.
3. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.).
Unterschriften
Gerber, Sprick, Weber-Monecke, Fuchs, Bundesrichter Dr. Ahlt ist erkrankt und kann deshalb nicht unterschreiben. Gerber
Fundstellen
Haufe-Index 779213 |
NJW 2002, 3016 |
BGHR 2002, 1077 |
NZM 2002, 910 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 385 |
ZMR 2002, 895 |
ZfIR 2004, 127 |
MDR 2002, 1362 |
GuT 2003, 4 |