Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenz des Bauträgers. Umstellung des Antrags auf Erstattung der letzten Kaufpreisraten auf Feststellung der Erstattungsforderungen zur Insolvenztabelle. Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochenen Rechtsstreits
Leitsatz (amtlich)
Der Gläubiger kann den wegen einer Insolvenzforderung geführten und durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochenen Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und geprüft worden und bestritten geblieben ist.
Normenkette
ZPO § 240 S. 1; InsO §§ 87, 179 Abs. 1-2, § 180 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 09.10.2012; Aktenzeichen 9 U 4030/10) |
LG München I (Urteil vom 30.07.2010; Aktenzeichen 8 O 24508/09) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG München vom 9.10.2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die 39 Kläger sind Wohnungseigentümer in der Wohnanlage L. straße ... in M. . Sie hatten jeweils die I. GmbH & Co. KG als Bauträgerin mit der schlüsselfertigen Erstellung der Wohneinheiten beauftragt und an diese die im Dezember 2005 im Zusammenhang mit einem Abnahmetermin angeforderte, vertragsgemäß nach vollständiger Fertigstellung fällige letzte Kaufpreisrate i.H.v. 3,5 v.H. des Gesamtkaufpreises gezahlt. Die Bauträgerin wurde im Dezember 2006 mit anderen Gesellschaften zur I. KG (nachfolgend auch: Schuldnerin) verschmolzen.
Rz. 2
Die Kläger haben diese Gesellschaft im Jahr 2009 auf Erstattung der letzten Kaufpreisraten sowie auf Auskunft über gezogene Nutzungen aus den gezahlten Beträgen und Herausgabe dieser Nutzungen verklagt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen, die letzte Kaufpreisrate sei zu Unrecht angefordert worden, weil die Wohnanlage im Dezember 2005 nicht wirksam abgenommen worden und noch nicht fertiggestellt gewesen sei. Das LG hat der Klage stattgegeben. Während des Verfahrens über die Berufung der beklagten Gesellschaft ist am 1.6.2011 über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Kläger haben das nach § 240 ZPO unterbrochene Verfahren gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und den Antrag auf Erstattung der letzten Kaufpreisraten umgestellt auf Feststellung der Erstattungsforderungen zur Insolvenztabelle. Die weiteren Anträge haben sie nicht weiter verfolgt. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und den Tenor des angefochtenen Urteils im Sinne der begehrten Feststellung neu gefasst. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der beklagte Insolvenzverwalter die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die auf die Erstattungsansprüche beschränkte Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens gegen den Insolvenzverwalter sei zulässig. Grundsätzlich setze die Aufnahme des Verfahrens durch die Kläger eine vorherige und in der Sache erfolglose Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle voraus. Die mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11.8.2011 unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil erfolgte Forderungsanmeldung habe den formalen Anforderungen genügt. Der Insolvenzverwalter sei nicht gehindert gewesen, die Forderungen zu prüfen. Das Rechtsschutzinteresse der Kläger an der begehrten Feststellung folge daraus, dass der Beklagte der materiell-rechtlichen Begründetheit der Forderungen im Berufungsverfahren widersprochen habe. Der Antrag der Kläger sei auch in der Sache begründet. Eine wirksame vollständige Abnahme der Leistungen der Bauträgerin liege nicht vor. Die Wohnanlage sei auch nicht mangelfrei fertiggestellt gewesen. Die Ansprüche der Kläger seien nicht verjährt.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 6
1. Zur Aufhebung des Urteils führt allerdings nicht bereits der Umstand, dass das Berufungsgericht sein Urteil in abgekürzter Form nach § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgefasst hat. Nach dieser Bestimmung bedarf es im erstinstanzlichen Verfahren keines Tatbestands gem. § 313 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 ZPO und im Berufungsverfahren keiner Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Im Streitfall lag diese Voraussetzung nicht vor, weil entgegen der Annahme des Berufungsgerichts die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO überschritten und deshalb die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft war. In solchen Fällen ist ein Berufungsurteil regelmäßig aufzuheben, weil die Entscheidung entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist (§§ 547 Nr. 6, 562 Abs. 1 ZPO).
Rz. 7
Von einer Aufhebung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall erreicht werden kann, weil sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage noch ausreichenden Umfang ergibt (BGH, Beschl. v. 25.5.2004 - X ZR 258/01, NJW-RR 2004, 1576 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Das Berufungsgericht nimmt zu Beginn der Begründung seiner Entscheidung auf die tatsächlichen Ausführungen des LG Bezug. Es gibt die Entscheidungsformel des LG zusammenfassend wieder und teilt mit, dass der Beklagte mit der Berufung die Abweisung der Klage verfolgt. Aus der weiteren Begründung der Entscheidung wird in einem für die revisionsrechtliche Nachprüfung ausreichenden Maß erkennbar, welchen Sachverhalt das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat.
Rz. 8
2. Das Berufungsgericht hätte jedoch keine Sachentscheidung treffen dürfen, weil die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits durch die Kläger nicht wirksam war.
Rz. 9
a) Die Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochenen Rechtsstreits richtet sich gem. § 240 Satz 1 ZPO nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften. Ein Passivprozess, mit dem die Insolvenzmasse in Anspruch genommen wird, kann vom Gläubiger nur unter den besonderen, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 InsO ohne Weiteres aufgenommen werden. Im Übrigen können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO). Trotz des bereits anhängigen Rechtsstreits muss der Insolvenzgläubiger deshalb seine Forderung zunächst nach § 174 InsO zur Insolvenztabelle anmelden. Die Forderung muss sodann in einem Prüfungstermin vor dem Insolvenzgericht oder im schriftlichen Verfahren geprüft werden (§§ 29 Abs. 1 Nr. 2, 176 f InsO). Wenn der Insolvenzverwalter oder ein anderer Insolvenzgläubiger der Forderung im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren widerspricht, kann der Gläubiger den anhängigen Rechtsstreit mit dem Ziel der Feststellung der Forderung zur Tabelle aufnehmen (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO). Liegt, wie im Streitfall, für die Forderung bereits ein (vorläufig) vollstreckbarer Schuldtitel vor, obliegt die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits dem Bestreitenden (§ 179 Abs. 2 InsO). Bleibt dieser untätig, ist aber auch der Gläubiger zur Aufnahme befugt (BGH, Beschl. v. 31.10.2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rz. 7 m.w.N.).
Rz. 10
Die Durchführung des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens dient dem Interesse der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger. Durch das Verfahren der Anmeldung und Prüfung soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, sich an der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Begründetheit der Forderung zu beteiligen, zumal die gerichtliche Feststellung gegenüber allen Insolvenzgläubigern wirkt (§ 183 Abs. 1 InsO). Aus diesem Grund ist das Erfordernis des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens auch nicht abdingbar. Es handelt sich vielmehr um eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung sowohl im Falle einer neu erhobenen Feststellungsklage (BGH, Urt. v. 27.9.2001 - IX ZR 71/00, WM 2001, 2180 f.; v. 23.10.2003 - IX ZR 165/02, WM 2003, 2429, 2431; v. 5.7.2007 - IX ZR 221/05, BGHZ 173, 103 Rz. 12; v. 22.1.2009 - IX ZR 3/08, WM 2009, 468 Rz. 16 f.) als auch bei der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits (BGH, Urt. v. 26.6.1953 - V ZR 71/52, LM Nr. 1 zu § 146 KO; v. 8.11.1961 - VIII ZR 149/60, NJW 1962, 153, 154; v. 21.2.2000 - II ZR 231/98, WM 2000, 891, 892; BAGE 120, 27 Rz. 22, 29 f.).
Rz. 11
b) Im Streitfall kann offen bleiben, ob die Kläger, wie das Berufungsgericht annimmt, ihre Forderungen bereits mit dem Schreiben vom 11.8.2011 wirksam zur Insolvenztabelle angemeldet hatten. Jedenfalls waren die Forderungen bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht nach den Vorschriften der Insolvenzordnung geprüft. Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten hatte dieser die Aufnahme der Forderungen in die Insolvenztabelle auf der Grundlage der Forderungsanmeldung vom 11.8.2011 zunächst abgelehnt, weil die Anmeldung nicht den formalen Anforderungen des § 174 InsO entsprochen habe. Mangels Aufnahme in die Tabelle waren die Forderungen nicht Gegenstand des Prüftermins, der im schriftlichen Verfahren am 10.11.2011 stattfand. Der Bevollmächtigte der Kläger meldete die Forderungen daraufhin unter dem 10.2.2012 mit ausführlicherer Begründung erneut an. Diese Anmeldung behandelte der Beklagte als nachträgliche Forderungsanmeldung. Ein Termin zur Prüfung dieser Forderungen oder eine Prüfung im schriftlichen Verfahren nach § 177 Abs. 1 InsO wurde jedoch vom Insolvenzgericht bis zur Berufungsverhandlung nicht angeordnet.
Rz. 12
Die Prüfung der Forderungen nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften war entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht deshalb entbehrlich, weil die angemeldeten Forderungen prüffähig waren und der Insolvenzverwalter durch sein Verhalten im Rechtsstreit zum Ausdruck brachte, die Forderungen bestreiten zu wollen. Der Zweck, den übrigen Insolvenzgläubigern eine Beteiligung zu ermöglichen, kann nur durch eine förmliche Durchführung des Prüfungsverfahrens vor dem Insolvenzgericht erreicht werden.
Rz. 13
3. Weil es mangels Durchführung des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens an einer rechtswirksamen Aufnahme des nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits durch die Kläger fehlt, waren das angefochtene Urteil und das zugrunde liegende Verfahren ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin aufzuheben (§ 562 Abs. 1 und 2 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch zu machen, besteht kein Anlass.
Fundstellen
Haufe-Index 7171405 |
DStR 2014, 1983 |
HFR 2014, 1118 |
NJW 2014, 8 |
BauR 2014, 1832 |
BauR 2014, 1983 |
EBE/BGH 2014 |
NJW-RR 2014, 1270 |
WM 2014, 1487 |
ZIP 2014, 1503 |
ZfIR 2014, 572 |
DZWir 2014, 597 |
JZ 2014, 561 |
MDR 2014, 1049 |
NJ 2014, 6 |
NZI 2014, 6 |
NZI 2014, 749 |
ZInsO 2014, 1608 |
InsbürO 2014, 490 |
KSI 2014, 243 |
NJW-Spezial 2014, 534 |
StX 2014, 591 |
ZVI 2014, 411 |
FMP 2015, 19 |
PAK 2014, 150 |