Leitsatz (amtlich)
a) Hängt der Anteil am Vergütungsaufkommen, den eine Verwertungsgesellschaft an den einzelnen Berechtigten ausschüttet, von der Höhe der Lizenzeinnahmen des jeweiligen Berechtigten ab, kann die Verwertungsgesellschaft dem Berechtigten eine angemessene Ausschlussfrist setzen, innerhalb deren ihr Meldungen über die Lizenzeinnahmen sowie Unterlagen und Belege vorliegen müssen, die ihr eine Plausibilitätskontrolle erlauben.
b) Unabhängig davon kann die Verwertungsgesellschaft in Fällen, in denen ein Missbrauch nicht ausgeschlossen erscheint, von dem Berechtigten den vollen Nachweis verlangen, dass die eingenommenen Lizenzzahlungen einen realen Hintergrund haben. Der vom Berechtigten zu erbringende Beweis betrifft aber stets nur den Zufluss; dagegen kann die Verwertungsgesellschaft keine Auskunft darüber verlangen, in welcher Weise der Berechtigte über die ihm zugeflossenen Gelder verfügt hat.
Normenkette
UrhWG § 7
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 30.08.2001; Aktenzeichen 3 U 201/98) |
LG Hamburg |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des OLG Hamburg, 3. Zivilsenat, v. 30.8.2001 unter Zurückweisung der Revision der Beklagten im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Sänger. Die Beklagte nimmt als Verwertungsgesellschaft neben den Ansprüchen der Tonträgerhersteller die Ansprüche der ausübenden Künstler wahr. Die Parteien sind durch den zwischen ihnen geschlossenen "GVL-Wahrnehmungsvertrag für ausübende Künstler" v. 8.6./10.7.1970 miteinander verbunden.
Als Maßstab für die Ausschüttung der eingenommenen Vergütungen - etwa für öffentliche Wiedergaben oder für private Vervielfältigungen der Darbietungen der ausübenden Künstler - dienen der Beklagten die von den Künstlern selbst eingenommenen und gemeldeten Lizenzgebühren. Der Anteil des einzelnen Künstlers an der Gesamtsumme dieser Lizenzgebühren bestimmt gleichzeitig den Anteil, den dieser Künstler von den auszuschüttenden Geldern beanspruchen kann. Dies ergibt sich im Einzelnen aus dem "Gesellschaftsvertrag", auf den der zwischen den Parteien geschlossene Wahrnehmungsvertrag Bezug nimmt. Danach gelangen
die für die Sendung, öffentliche Wiedergabe, Vermietung, Vervielfältigung eingezogenen Vergütungen ... unter ausübenden Künstlern im Verhältnis der von diesen in dem betreffenden Geschäftsjahr aus der Erstverwertung in Bezug auf das Inland erzielten anrechenbaren Einkünfte zur Aufteilung.
Haben beispielsweise die von der Beklagten vertretenen Künstler in einem bestimmten Jahr Lizenzgebühren i.H.v. 100 Mio. EUR gemeldet und stehen der Beklagten 30 Mio. EUR zur Ausschüttung zur Verfügung, erhält ein Künstler für jeden Euro, den er an Lizenzgebühren eingenommen hat, 30 Cent als Ausschüttung von der Beklagten.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die vom Kläger für die Jahre 1990, 1991, 1992 und 1993 gemeldeten Lizenzgebühren, die die Grundlage für die Bemessung der Ausschüttung bilden sollen, einen realen Hintergrund haben. Außerdem besteht Streit darüber, ob diese Zahlungen nur für die künstlerische Leistung oder aber auch für die Herstellung von Tonträgern gezahlt worden sind. In letzterem Fall müssten die vom Kläger gemeldeten Einnahmen um den für die Tonträgerherstellung gezahlten Betrag gekürzt werden, weil Maßstab für die Ausschüttung der von der Beklagten eingenommenen Vergütungen allein die für die künstlerische Darbietung gezahlten Beträge sind.
Der Kläger stand ursprünglich bei der C. GmbH unter Vertrag. Er hatte mit seinem unter "e. " handelnden Agenten und Manager W. einen Exklusivvertrag geschlossen, und dieser hatte - unter Mitzeichnung des Klägers - C. GmbH das Recht eingeräumt, mit dem Kläger exklusiv Tonaufnahmen herzustellen. Nach Ablauf dieses Vertrages im Jahre 1984 einigten sich C. GmbH, W. und der Kläger, dass alle Rechte an den Vertragsaufnahmen auf W. übergehen sollten. 1987 schlossen der Kläger und W. dann untereinander einen "Künstler-Produzenten-Vertrag", in dem sich der Kläger dazu verpflichtete, "Titel zur Herstellung von Schallplattenaufnahmen zur Verfügung zu stellen oder bei entsprechenden Aufnahmen mitzuwirken" (§ 1 Abs. 2 des Vertrages). Der Kläger sollte dabei - abgesehen von einer bei Vertragsabschluss zu zahlenden Summe - 5 DM für jeden bei Konzerten und 2,50 DM für jeden sonst verkauften Tonträger erhalten (§ 10 des Vertrages), mindestens jedoch als Vorauszahlung "20.000 DM pro im Katalog als LP/MC/CD enthaltener Produktion" (§ 11 des Vertrages). In welchem Umfang auf der Grundlage dieses Vertrages Tonträger produziert worden sind, ist zwischen den Parteien streitig. Tatsächlich wurden für die jetzt zur Abrechnung stehenden Jahre jeweils 100.000 DM auf ein Konto des Klägers überwiesen.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger zunächst neben einem Auskunftsantrag einen Zahlungsantrag gestellt, der die Ausschüttung für die Jahre 1987 und 1988 betraf. Der Kläger hatte für diese Jahre Teilbeträge erhalten. Die Mehrforderung war von der Beklagten unter Hinweis darauf abgelehnt worden, dass es sich bei dem Vertrag zwischen W. und dem Kläger jedenfalls teilweise um einen Bandübernahmevertrag handele. Gegenstand eines Bandübernahmevertrags ist nicht allein die künstlerische Darbietung, sondern eine vollständige Produktion; die nach einem solchen Vertrag geschuldete Gegenleistung umfasst daher die Lizenzgebühren nicht nur der ausübenden Künstler, sondern auch die des Tonträgerherstellers und ggf. die des Urhebers. Mit einem ersten Teilurteil hat das LG die Zahlungsklage hinsichtlich der Jahre 1987 und 1988 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG ZUM 1997, 555).
Der zweite Teil des Rechtsstreits, der nunmehr in die Revisionsinstanz gelangt ist, betrifft die Ausschüttung für die Jahre 1990, 1991, 1992 und 1996 (der Kläger hat seine Einnahmen aus dem Jahr 1993 erst 1996 gemeldet). Für diese Jahre hat der Kläger zum einen die garantierte Lizenzvorauszahlung von jeweils 100.000 DM, zum anderen auch Einzelabrechnungen über Direktverkäufe und Drittlizenzen gemeldet. Die Beklagte hat die dieser Meldung zugrunde gelegten Einnahmen durchweg nicht anerkannt und eine Beteiligung des Klägers an der Ausschüttung abgelehnt. Sie hat ihre Weigerung damit begründet, dass es sich bei dem Konzertbüro W. um eine Agentur des Klägers handele und es daher nicht gewährleistet sei, dass die Einnahmen dauerhaft dem Kläger zugeflossen seien. Daneben hat sie sich - wie schon bei der die Jahre 1987 und 1988 betreffenden Forderung - darauf gestützt, dass der Vertrag zwischen dem Kläger und W. zumindest teilweise ein Bandübernahmevertrag sei, so dass allenfalls 45 % der Einnahmen zu berücksichtigen seien.
Das LG hat den angeführten Zahlungsanträgen mit dem zweiten Teilurteil teilweise stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat sich der Kläger zur Berechnung der Klageforderung zuletzt nur noch auf die Vorauszahlung von 100.000 DM p.a. gestützt und seine Klageforderung wie nachstehend dargestellt berechnet:
Jahr |
Zugrundegelegte Lizenzeinnahmen |
GVL-Schlüssel (Prozentsatz) |
Netto-Betrag |
+ 7 % MWSt. |
Gesamtforderung |
Antrag |
1990 |
100.000 DM |
37,8290 % |
37.829,00 DM |
2.648,03 DM |
40.477,03 DM |
31.363,72 DM |
1991 |
100.000 DM |
35,4570 % |
35.457,00 DM |
2.481,99 DM |
37.938,99 DM |
34.305,30 DM |
1992 |
100.000 DM |
37,4843 % |
37.484,30 DM |
2.623,90 DM |
40.108,20 DM |
36.069,68 DM |
1996 |
100.000 DM |
28,6259 % |
28.625,90 DM |
nicht geltend gemacht |
28.625,90 DM |
28.625,90 DM |
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130.364,60 DM |
Der Kläger hat dabei klargestellt, dass er - soweit die Forderung den Antrag übersteigt - lediglich eine Teilforderung geltend macht, und hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 130.364,60 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Das Berufungsgericht hat es für hinreichend belegt angesehen, dass dem Kläger jährlich 100.000 DM an Lizenzeinnahmen zugeflossen seien. Es hat jedoch in dem Vertrag des Klägers mit W. einen Bandübernahmevertrag gesehen und daher - entsprechend den Vertragsbedingungen der Beklagten für derartige Verträge - einen Abzug von 55 % für gerechtfertigt gehalten. Dementsprechend hat das Berufungsgericht den Zahlungsanspruch des Klägers wie in der nachstehenden Aufstellung dargestellt berechnet und die Beklagte zur Zahlung von 66.217,56 DM nebst Zinsen verurteilt:
Jahr |
Netto-Betrag |
+ 7 % MWSt. |
Gesamtforderung |
davon 45 % |
1990 |
37.829,00 DM |
2.648,03 DM |
40.477,03 DM |
18.214,66 DM |
1991 |
35.457,00 DM |
2.481,99 DM |
37.938,99 DM |
17.072,54 DM |
1992 |
37.484,30 DM |
2.623,90 DM |
40.108,20 DM |
18.048,70 DM |
1996 |
28.625,90 DM |
nicht geltend gemacht |
28.625,90 DM |
12.881,66 DM |
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66.217,56 DM |
Mit ihren Revisionen wenden sich beide Parteien gegen dieses Urteil. Der Kläger verfolgt seinen über den zugesprochenen Betrag hinausgehenden Zahlungsantrag, die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Beide Parteien beantragen jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Einnahmen des Klägers in der beanspruchten Höhe als hinreichend belegt angesehen, eine Kürzung der Klageforderung aber für gerechtfertigt gehalten, weil es sich bei dem zu Grunde liegenden Künstler-Produzenten-Vertrag auch um einen Bandübernahmevertrag gehandelt habe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Kläger habe den erforderlichen Nachweis für seine Lizenzeinnahmen i.H.v. 100.000 DM p.a. erbracht. Die Beklagte sei im Interesse einer gerechten Verteilung der Vergütungen unter den Künstlern gehalten, für die angemeldeten Lizenzgebühren nicht bloße Angaben, sondern Nachweise zu verlangen. Die maßgeblichen Anforderungen habe die Beklagte für die jeweiligen Jahre in den sog. "Hinweisen an die Berechtigten für die Verteilung (Musik)" festgelegt. Diese Hinweise seien zwar nicht ausdrücklich zum Bestandteil des Wahrnehmungsvertrages gemacht worden, ihr Inhalt konkretisiere aber ohnehin nur das, was sich aus Treu und Glauben ergebe. Auch bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe sei davon auszugehen, dass der Kläger in den fraglichen Jahren jeweils 100.000 DM als garantierte Vorauszahlung auf Lizenzeinnahmen erhalten habe. Die entsprechenden Überweisungen auf das Konto des Klägers seien ausreichend belegt. Der Umstand, dass W., der diese Zahlungen bewirkt habe, berechtigt gewesen sei, über das Konto zu verfügen, so dass eine Rücküberweisung an ihn nicht ausgeschlossen werden könne, reiche nicht aus, um den Nachweis der zu Gunsten des Klägers erfolgten Lizenzgebührenzahlung zu verneinen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass das Konto des im Ausland lebenden Klägers mit dem Vermerk "c.o. W. " und mit der Anschrift des Büros W. bei der Bank geführt werde, bei der auch W. als dessen Agent und Manager seine Konten habe, und dass dieser über das Konto verfügungsbefugt sei. Die Anforderungen an die Kontoverbindung eines im Ausland lebenden Künstlers dürften nicht überspannt werden. Unabhängig davon fänden die Pauschalzahlungen von 100.000 DM pro Jahr auch eine Entsprechung in den vom Kläger vorgelegten Einzelabrechnungen. Diese von W. erstellten Lizenzabrechnungen zeigten, dass die garantierte Lizenzvorauszahlung der Größenordnung nach angemessen und nicht überhöht sei.
Mit Recht habe aber die Beklagte die vom Kläger gemeldeten Lizenzeinnahmen nur mit einer Quote von 45 % berücksichtigt. Nach § 1 Abs. 2 des maßgeblichen "Künstler-Produzenten-Vertrags" habe sich der Kläger dazu verpflichtet, "Titel zur Herstellung von Schallplattenaufnahmen zur Verfügung zu stellen oder bei entsprechenden Aufnahmen mitzuwirken". Danach könne der Kläger seine vertragliche Verpflichtung entweder durch eine fertig produzierte Aufnahme oder durch die künstlerische Darbietung erfüllen. Der Vertrag sei daher teilweise als Bandübernahmevertrag zu qualifizieren. Da die Vergütungsregelung in §§ 10, 11 des Vertrages für beide Möglichkeiten nur eine einheitliche Vergütung vorsehe und die Beklagte daher habe annehmen müssen, dass die gemeldeten Lizenzgebühren nicht nur das Entgelt des ausübenden Künstlers, sondern auch das des Tonträgerherstellers umfassten, sei die Beklagte berechtigt, alle Einnahmen als solche aus einem Bandübernahmevertrag einzuordnen und den pauschalen Abzug von 55 % vorzunehmen. Eine derartige Typisierung sei der Beklagten gestattet, weil sie im Interesse der Wahrnehmungsberechtigten in der Lage sein müsse, die eingezogenen Vergütungen zeitnah und gerecht zu verteilen.
II. Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision der Beklagten haben keinen Erfolg. Dagegen führt die Revision des Klägers in dem Umfang, in dem zu seinem Nachteil erkannt worden ist, zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Nachweis als erbracht angesehen hat, dass die vom Kläger gemeldeten Lizenzzahlungen ihm zugeflossen und ihm auch wirtschaftlich verblieben sind.
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass für Meldung und Nachweis der Lizenzgebühren bei der Beklagten besondere Regeln gelten. Da die gemeldeten Lizenzgebühren die Grundlage für die Ausschüttung der von ihr eingenommenen Vergütungen darstellen, muss die Beklagte innerhalb einer bestimmten Frist Klarheit darüber gewinnen, welche Lizenzeinnahmen sie zu berücksichtigen hat und welche nicht. Ist die Ausschüttung an die große Zahl von Wahrnehmungsberechtigten einmal vorgenommen, lassen sich nur noch in geringem Umfang Korrekturen vornehmen. Eine nachträgliche Anerkennung der Lizenzeinnahmen einzelner Künstler würde dazu führen, dass bereits ausgeschüttete Vergütungen zurückgefordert werden müssten, was sich schon wegen des Verwaltungsaufwands verbietet. Die Bildung zusätzlicher Rückstellungen für verspätete Forderungen würde dagegen zu einer Schmälerung des für die Ausschüttung zur Verfügung stehenden Aufkommens führen. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte darauf besteht, die Berechtigung einer Meldung in angemessener Frist zu klären (vgl. OLG München v. 15.10.1998 - 6 U 4862/97, OLGReport München 1999, 1 = NJW-RR 1999, 1363 zur Meldefrist bei der VG Wort). Sie kann daher für die Meldung der Lizenzeinnahmen eine Ausschlussfrist vorsehen, innerhalb deren ihr Unterlagen und Belege vorgelegt werden müssen, die ihr eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Sie muss auf Grund dieser Angaben in der Lage sein, sich durch stichprobenartige Überprüfung Gewissheit darüber zu verschaffen, dass dem Tonträgerhersteller aus der Verwertung der fraglichen Darbietungen Einnahmen in einem Umfang zugeflossen sind, die die gemeldeten Lizenzgebühren als gerechtfertigt erscheinen lassen.
b) Das Gebot einer zeitnahen Ausschüttung der Vergütungen bedeutet allerdings nicht, dass die Beklagte sich auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken müsste und genötigt wäre, gemeldete Lizenzgebühren ohne den erforderlichen Nachweis anzuerkennen. Die Beklagte ist vielmehr im Interesse der anderen Berechtigten gehalten, unzureichend belegte Meldungen zurückzuweisen und ggf. auf einem vollen Nachweis der Lizenzeinnahmen zu bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2001 - I ZR 41/99, BGHReport 2002, 355 = GRUR 2002, 332 [334] = WRP 2002, 442 - Klausurerfordernis, zur Meldung von Kompositionen für das Wertungsverfahren der Sparte E der GEMA). Hierzu zählt insb., dass die Beklagte in Fällen, in denen ein Missbrauch nahe liegt oder doch nicht ausgeschlossen erscheint, zusätzliche Nachweise verlangt. Ein solcher Missbrauch ist vor allem dann in Erwägung zu ziehen, wenn zwischen dem Künstler und dem Tonträgerhersteller, von dem der Künstler die gemeldeten Lizenzeinnahmen bezieht, eine enge Verbindung oder gar eine wirtschaftliche Einheit besteht. Es muss gewährleistet sein, dass der Vertrag, auf dem die gemeldeten Lizenzeinnahmen beruhen, ein dem Ausgleich gegenläufiger Interessen dienender Austauschvertrag ist. Bestehen insofern - etwa im Hinblick auf eine Beteiligung des Künstlers an dem Unternehmen des Tonträgerherstellers - berechtigte Zweifel, kann die Beklagte eine weitere Aufschlüsselung der Einnahmen verlangen, um zuverlässig beurteilen zu können, ob die gemeldeten Lizenzgebühren einen realen wirtschaftlichen Hintergrund haben. Dies bedeutet, dass i.d.R. in Fällen, in denen ein Missbrauch nicht auszuschließen ist, nicht nur die Zahlungen des Tonträgerherstellers an den Künstler, sondern ergänzend auch der Zahlungsfluss vonseiten eines unbeteiligten Dritten an den Tonträgerhersteller dargetan werden muss.
c) Das Berufungsgericht hat es als erwiesen erachtet, dass dem Kläger für die fraglichen Jahre jeweils 100.000 DM an Lizenzeinnahmen zugeflossen sind. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht nicht schon auf Grund der äußeren Umstände einen Missbrauch als erwiesen angesehen hat. Weder die enge Verbindung zwischen dem Kläger und W., der nicht nur als Produzent, sondern gleichzeitig als Manager und Agent des Klägers fungiert, noch der Umstand, dass die Einnahmen des im Ausland lebenden Klägers auf ein Konto geflossen sind, das mit der Adresse W's geführt wurde und über das W. verfügen konnte, reichen für sich genommen aus, um von einer missbräuchlichen Anmeldung auszugehen. Die Beklagte konnte auch keinen Nachweis darüber verlangen, wie der Kläger über die auf dem fraglichen Konto bei der Volksbank O. eingegangenen Zahlungen verfügt hat. Denn ein solcher Nachweis, der den Kläger möglicherweise dazu genötigt hätte, seine persönlichen Verhältnisse offen zu legen, wäre ungeeignet gewesen, einen Missbrauch aufseiten des Klägers auszuschließen. Dabei ist auch zu bedenken, dass eine Kontrolle des Abflusses - wenn entsprechende Offenbarungspflichten anzunehmen wären - in der Zukunft leicht unterlaufen werden könnten.
d) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten dagegen, dass das Berufungsgericht die vom Kläger vorgelegten Einzelabrechnungen herangezogen hat, um darzulegen, dass die gemeldeten Lizenzvorauszahlungen durchaus einen realen Hintergrund hatten. Insbesondere ist der Einwand nicht berechtigt, der Kläger habe diese Einzelabrechnungen trotz einer entsprechenden Beanstandung seitens der Beklagten erst während des laufenden Rechtsstreits und damit lange nach dem Ablauf der Ausschlussfrist vorgelegt. Die Korrespondenz, auf die sich die Revision der Beklagten bezieht (Anlagen K 15.1 bis 15.4), macht deutlich, dass die Beklagte damals nicht etwa Einzelabrechnungen gefordert hat. Sie hat vielmehr in Zweifel gezogen, dass die Gelder, die auf das Konto des Klägers bei der Volksbank O. überwiesen wurden, den Kläger auch wirklich erreicht haben, und hat verlangt, der Kläger müsse belegen, wie er über die Mittel auf diesem Konto verfügt habe (Anlage K 15.2). Diese Auskunft konnte die Beklagte - wie dargelegt - nicht beanspruchen. Die Einzelabrechnungen hat sie aber nicht verlangt. In einem Fall, in dem aus ihrer Sicht ein Missbrauch nicht ausgeschlossen ist und sie daher - mit Recht - weiter gehende Nachweise verlangt, muss die Beklagte dem Wahrnehmungsberechtigten auch im Interesse einer zügigen Verteilung der Einnahmen zeitnah mitteilen, welche Angaben er noch zu machen hat. Die Revision der Beklagten vermag kein Vorbringen in den Vorinstanzen aufzuzeigen, wonach der Kläger zu einer entsprechenden Aufschlüsselung der Einzeleinnahmen aufgefordert worden ist.
2. Dagegen ist die Revision des Klägers begründet. Die getroffenen Feststellungen bieten keine hinreichende Grundlage für die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung der gemeldeten Einnahmen um 55 %.
a) Es begegnet allerdings keinen rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte gemischte, nicht aufgeschlüsselte Einnahmen aus Musikproduktions- und Bandübernahmeverträgen grundsätzlich nur mit einer Quote von 45 % berücksichtigt. Denn in den Einnahmen aus dem Bandübernahmevertrag sind auch die Lizenzgebühren des Tonträgerherstellers enthalten. In Ermangelung einer vertraglich fixierten Aufschlüsselung ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Anteil für die künstlerische Darbietung zurückhaltend und typisierend mit 45 % bemisst (vgl. zu derartigen Typisierungen und Pauschalierungen BGH, Beschl. v. 3.5.1988 - KVR 4/87, MDR 1988, 936 = GRUR 1988, 782 [783] - GEMA-Wertungsverfahren; BVerfG ZUM 1997, 555; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, § 7 UrhWG Rz. 6).
b) Das Berufungsgericht hat den zwischen den Parteien geschlossenen "Künstler-Produzenten-Vertrag" als einen Vertrag bewertet, der teilweise auch Bandübernahmen zum Gegenstand habe, weshalb die Beklagte berechtigt sei, bei der Berechnung der Ausschüttung an den Kläger den gezahlten Lizenzbetrag pauschal um 55 % zu kürzen.
aa) Das Berufungsgericht stellt darauf ab, dass der Kläger nach § 1 Abs. 2 des "Künstler-Produzenten-Vertrags" verpflichtet ist, "Titel zur Herstellung von Schallplattenaufnahmen zur Verfügung zu stellen oder bei entsprechenden Aufnahmen mitzuwirken". Das Berufungsgericht sieht in der ersten Alt. die Möglichkeit, dass der Kläger nicht nur die künstlerische Darbietung als Sänger erbringt, sondern dem Vertragspartner W. eine fertige Produktion zur Verfügung stellt. Der Umstand allein, dass sich der Vertrag nach seinem Wortlaut auch auf eine Bandübernahme beziehen kann, führt nicht dazu, dass die Einnahmen aus dem Vertrag ohne weiteres als Einnahmen aus einem Bandübernahmevertrag bewertet werden können. Unstreitig hat der Kläger nicht selbst produziert. Auch bei den Meldungen von Lizenzeinnahmen an die Beklagte hat der Kläger - worauf seine Revision mit Recht hinweist - keinerlei Anlass für die Annahme gegeben, dass es sich um Einnahmen aus einem Bandübernahmevertrag handelte. Besteht für den ausübenden Künstler kein Anlass, seine Lizenzeinnahmen teilweise der Verwertung von Tonträgerherstellerrechten zuzuordnen, kann die Verwertungsgesellschaft sich nicht darauf beschränken, nur noch den herabgesetzten Vergütungssatz für Einnahmen aus Bandübernahmeverträgen zu zahlen. Der ausübende Künstler, der eine Pauschallizenz auch im Zusammenhang mit der Überlassung von Tonträgern erzielt, ist zwar gehalten, von vornherein durch eine entsprechende Aufteilung der Einnahmen nach Gegenstand und Höhe für Klarheit zu sorgen, will er eine Herabsetzung des Vergütungssatzes vermeiden. Diese Substanziierungspflichten setzen aber voraus, dass eine unterschiedliche Verwertung stattgefunden hat. Besteht insoweit Unklarheit, darf die Verwertungsgesellschaft den mit der Einordnung als Bandübernahmevertrag verbundenen pauschalen Abzug nur vornehmen, wenn sie den Berechtigten mit ihrer Einschätzung konfrontiert und ihn vergeblich zu einer entsprechenden Darlegung aufgefordert hat. Allein auf Grund des Vertragstextes durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass die Einnahmen sich (auch) auf vollständige Produktionen (Bandübernahmen) bezogen. Vielmehr hätte sie den Kläger auffordern müssen, sich zu der Frage der Bandübernahme zu erklären und ggf. nachzuweisen, dass die gemeldeten Einnahmen keinerlei Bandübernahmen betrafen. Nach dem Vortrag des Klägers verhält es sich so.
bb) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Begründung des LG herleiten. Das LG hat darauf abgestellt, dass der "Künstler-Produzenten-Vertrag", auf Grund dessen dem Kläger die gemeldeten Einnahmen zugeflossen sind, nicht allein Neuproduktionen, sondern auch Produktionen aus der Zeit betrifft, in der der Kläger noch bei C. GmbH unter Vertrag stand. Die Tonträgerherstellerrechte an diesen Altproduktionen sind nicht bei C. GmbH verblieben. Das LG hat angenommen, dass diese Rechte beim Kläger liegen; die dem Kläger zugeflossenen Einnahmen beträfen daher - was die Altproduktionen angehe - stets auch Herstellerrechte und seien daher als gemischte Einnahmen aus einem Musikproduktions- und Bandübernahmevertrag zu bewerten. Mit Recht rügt die Revision des Klägers, dass diese Annahme nicht ohne weiteres mit dem Text des C. GmbH-Vertrages von 1984 in Einklang steht. Denn dort heißt es, dass "sämtliche in Ansehung dieser Aufnahmen bei C. GmbH liegenden Leistungsschutzrechte ... auf W. unentgeltlich übertragen" werden.
Das LG hat sich ergänzend darauf gestützt, die wirtschaftliche Gegenleistung für die Überlassung der Leistungsschutzrechte sei der Verzicht des Klägers auf Lizenzgebühren; der Kläger habe sich damit wirtschaftlich an den Kosten für die Altproduktionen beteiligt. Diese Annahme wäre jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn der Kläger in nennenswertem Umfang auf Lizenzgebühren verzichtet hätte und wenn dieser Verzicht als Gegenleistung für die Überlassung der Produktionsrechte angesehen werden könnte. Hierzu fehlen indessen jegliche Feststellungen.
III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. In diesem Umfang ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist. Die Revision der Beklagten ist dagegen zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1193365 |
BGHR 2004, 1332 |
NJW-RR 2004, 1621 |
GRUR 2004, 767 |
AfP 2004, 481 |
AfP 2004, 584 |
MDR 2004, 1193 |
WRP 2004, 1184 |
ZUM 2004, 837 |