Leitsatz (amtlich)
Zur Länge der Annahmefrist bei einem Vertragsantrag an eine große Handelsgesellschaft.
Zur Unternehmensbezogenheit der Schuldanerkenntniserklärung eines GmbH-Geschäftsführers.
Normenkette
BGB §§ 151, 164, 781
Verfahrensgang
LG Zwickau (Aktenzeichen 5 O 167/97) |
OLG Dresden (Aktenzeichen 13 U 3634/97) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. April 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau, 5. auswärtige Zivilkammer in Plauen, vom 4. November 1997 abgeändert.
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts B. vom 16. Dezember 1996 wird unter Aufhebung im übrigen in Höhe von 300.832,21 DM nebst Zinsen aufrechterhalten. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Zahlung aus einem Schuldanerkenntnis vom 20. Juni/13. Juli 1994.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, eine große Mineralölgesellschaft, belieferte die D. GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter der Beklagte war, mit Öl und Treibstoffen. Als die Schulden der GmbH in der ersten Jahreshälfte 1994 den Betrag von 300.000 DM überschritten, stellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Belieferung ein. Der Beklagte gab im Namen der GmbH am 10. Juni 1994 ein notarielles Schuldanerkenntnis ab, in dem der Schuldbetrag von 280.262,47 DM ohne Mehrwertsteuer aufgenommen war. Am 20. Juni 1994 unterzeichnete er auf einem Formular der Rechtsvorgängerin der Klägerin, in dem sein Name und seine Privatanschrift handschriftlich vermerkt sind, ohne Vertretungszusatz als „Schuldner” ein Schuldanerkenntnis mit Ratenzahlungsvereinbarung über den Bruttobetrag in Höhe von 322.301,84 DM zuzüglich Zinsen, das von der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 13. Juli 1994 gegengezeichnet wurde. Ein weiteres notarielles Schuldanerkenntnis, das ebenfalls über den Bruttobetrag lautete, gab der Beklagte im Namen der GmbH am 9. August 1994 ab. Über das Vermögen der GmbH ist im Jahre 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden.
Der Beklagte macht gegenüber dem Zahlungsbegehren der Klägerin aus dem Schuldanerkenntnis vom 20. Juni/13. Juli 1994 geltend, die Klägerin habe das Anerkenntnisangebot nicht rechtzeitig angenommen. Außerdem habe er das Anerkenntnis nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der GmbH abgegeben; es handele sich nämlich um ein unternehmensbezogenes Geschäft.
Das Landgericht hat den von der Klägerin erwirkten Vollstreckungsbescheid über 308.890 DM zuzüglich Zinsen aufrechterhalten und den Beklagten zur Zahlung weiterer 5.354,05 DM nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts sowie den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin unter Reduzierung der Klageforderung um 13.411,84 DM die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils im Umfang der Revisionsanträge.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines klageabweisenden Urteils im wesentlichen ausgeführt:
Die für das Zustandekommen eines Schuldbeitritts darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe nicht den Nachweis führen können, daß mit der am 20. Juni/13. Juli 1994 geschlossenen Vereinbarung ein Anspruch gegen den Beklagten begründet werden sollte. Die Vereinbarung sei unklar und auslegungsbedürftig. Aus der Urkunde lasse sich keine Vermutung für die Einigung eines Schuldbeitritts begründen. Zwar sei der Beklagte im Kopf der Urkunde als Schuldner mit seiner persönlichen Anschrift benannt. Auch habe er die Vereinbarung persönlich ohne einen Firmenzusatz unterzeichnet, der auf ein Vertretungsverhältnis hindeuten könnte. Aber das Formular sei nicht auf einen Schuldbeitritt hin konzipiert, sondern als „Schuldanerkenntnis und Ratenzahlungsvereinbarung”. Mithin setze die Feststellung einer Schuld des Beklagten das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraus. Das legten die Überschrift und der Text nahe, weil eine Schuld anerkannt werde. Der in Nr. 2 bis 6 der Vereinbarung geregelte Komplex „Ratenzahlung” gebe der Urkunde ihr eigentliches Gepräge. Demgegenüber trete die von der Klägerin aus der Urkunde herausgelesene Schuldübernahme schon optisch zurück.
Auch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme könne von der Vereinbarung eines persönlichen Schuldbeitritts des Beklagten nicht ausgegangen werden. Widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sei im übrigen das Nebeneinander von notariellen Schuldanerkenntnissen und der privatschriftlichen Haftungsübernahme.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist aus § 781 BGB begründet.
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, der Beklagte hafte aus der privatschriftlichen Vereinbarung vom 20. Juni/13. Juli 1994 nur dann, wenn er die Verbindlichkeiten der D. GmbH gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Wege eines Schuldbeitritts mitübernommen habe. Dies ist rechtsirrig.
Die Haftung des Beklagten hängt nicht von einem Schuldbeitritt ab. Persönlich gehaftet wird insbesondere auch aus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB). Ein solcher Vertrag kommt auch dann in Betracht, wenn zwischen den Vertragsparteien bisher keine rechtlichen Beziehungen bestanden. Ein Schuldanerkenntnis kann nämlich für fremde Verbindlichkeiten abgegeben werden. Dies hat das Berufungsgericht verkannt und bedingt durch seinen unrichtigen Ausgangspunkt die Prüfung eines Anspruchs der Klägerin aus §§ 780, 781 BGB unterlassen.
2. Diese Prüfung hat der erkennende Senat nachzuholen. Die Auslegung des Vertrages kann dabei unabhängig von der Beurteilung des Berufungsgerichts erfolgen. Der Inhalt des Vertrages ist nicht individuell ausgehandelt, sondern unter Verwendung eines Formulars festgelegt worden, das von der Rechtsvorgängerin der Klägerin, einer großen Mineralölgesellschaft, zum Abschluß solcher Verträge in mehreren Oberlandesgerichtsbezirken benutzt worden ist.
a) Die vom Beklagten abgegebene Erklärung ist als abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) anzusehen. Das ergibt sich aus Wortlaut, Inhalt sowie Sinn und Zweck der Vereinbarung. Das von der rechtskundigen Rechtsvorgängerin der Klägerin benutzte Formular trägt die Überschrift „Schuldanerkenntnis und Ratenzahlungsvereinbarung”. Im Formulartext heißt es, der namentlich aufgeführte Beklagte „erkenne hiermit an”, der Rechtsvorgängerin der Klägerin 322.301,84 DM zuzüglich Zinsen zu schulden. Ein Schuldgrund ist in der Urkunde nicht genannt. Benutzt wurde das Formular in einer Situation, in der die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Belieferung der D. GmbH eingestellt hatte, weil diese ihren hohen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen konnte. Der Rechtsvorgängerin der Klägerin kam es auf ein vom Schuldgrund losgelöstes Anerkenntnis der Verbindlichkeiten durch den Beklagten an, um die Chancen der Realisierung ihrer Forderung zu erhöhen. Der Beklagte sah sich veranlaßt, das von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewünschte „Schuldanerkenntnis” abzugeben, um die Weiterbelieferung der D. GmbH zu erreichen. Die Vereinbarung erfüllt damit alle Voraussetzungen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1998 - XII ZR 66/97, NJW 1999, 574, 575), die an ein abstraktes Schuldanerkenntnis zu stellen sind. Daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin in dem Formularvertrag eine Erfüllung der Verbindlichkeit in Raten bewilligt hat, ändert nichts. Auch bei einer abstrakten Zahlungsverpflichtung können Ratenzahlungen vorgesehen werden.
b) Gegen das wirksame Zustandekommen des Schuldanerkenntnisses bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat die Anerkenntniserklärung des Beklagten vom 20. Juni 1994 am 13. Juli 1994 durch Gegenzeichnung angenommen. Eine Erklärung der Annahme gegenüber dem Beklagten war nach den Umständen nicht zu erwarten (§ 151 Satz 1 BGB). Der Inhalt der von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewünschten Anerkenntniserklärung war zwischen dem Beklagten und der Zeugin H., einer Mitarbeiterin der Rechtsvorgängerin der Klägerin, festgelegt worden. Mit einer weiteren Äußerung der Rechtsvorgängerin der Klägerin, für die das Schuldanerkenntnis des Beklagten trotz der darin enthaltenen Ratenzahlungsvereinbarung ein im wesentlichen vorteilhaftes Geschäft war, konnte der Beklagte nur dann rechnen, wenn sie mit dem Inhalt der Anerkenntniserklärung nicht einverstanden war.
Im Zeitpunkt der Gegenzeichnung war die Anerkenntniserklärung des Beklagten noch nicht erloschen (§ 151 Satz 2 BGB). Die Erklärung und die Umstände, unter denen sie abgegeben wurde, ergeben nichts für einen Willen des Beklagten, seine Bindung auf einen Zeitpunkt vor dem 13. Juli 1994 zu begrenzen. Bei großen Gesellschaften wie der Rechtsvorgängerin der Klägerin, bei denen Vertragsangelegenheiten von einiger Bedeutung nicht in der Filiale vor Ort, sondern von einer zentralen Stelle bearbeitet und entschieden werden, kann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, nicht damit gerechnet werden, die Annahme werde bereits binnen weniger Tage erfolgen. Das gilt besonders, wenn die Angelegenheit wie hier in der allgemeinen Urlaubszeit zu bearbeiten ist. Nichts spricht dafür, daß der Beklagte dies nicht berücksichtigt hätte und sich an seine Anerkenntniserklärung nicht bis zum 13. Juli 1994 binden wollte.
c) Verpflichtet aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis ist der Beklagte persönlich, nicht die D. GmbH, deren Geschäftsführer er war. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Handeln in fremdem Namen trägt, was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat, derjenige, der ein Vertreterhandeln behauptet (Senatsurteil vom 28. Januar 1992 - XI ZR 149/91, WM 1992, 567, 568). Diesen Beweis hat der Beklagte nicht erbracht.
aa) Aus der Formularvereinbarung vom 20. Juni/13. Juli 1994 ergibt sich kein Anhaltspunkt für ein Vertreterhandeln. Als Vertragspartei war bei der Unterzeichnung im Kopf der Urkunde nur der Beklagte persönlich unter seiner Privatanschrift, nicht aber die D. GmbH aufgeführt. Seine Unterschrift trägt keinen Zusatz oder einen Stempel, der auf ein Handeln für die D. GmbH hinweist. Auch dem Urkundentext „ich, der Unterzeichner, erkenne hiermit an” ist dafür nichts zu entnehmen.
bb) Das Ergebnis der Beweisaufnahme und die sonstigen festgestellten Umstände rechtfertigen entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht die Annahme, der Schuldanerkenntnisvertrag sei als unternehmensbezogenes Geschäft zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der D. GmbH zustande gekommen. Die Grundsätze über unternehmensbezogene Geschäfte ändern nichts an dem im Vertretungsrecht geltenden Offenkundigkeitsprinzip. Auch in diesen Fällen muß der Vertragspartner, das Unternehmen, für den Geschäftspartner von vornherein eindeutig erkennbar sein. Nur wenn das Geschäft in dem Sinne unternehmensbezogen ist, daß es mit einem bestimmten Handelsunternehmen abgeschlossen und ersichtlich der Inhaber dieses Unternehmens Vertragspartner werden sollte, wird der tatsächliche Unternehmensinhaber Vertragspartner. Es handelt sich bei diesem Grundsatz nicht um eine Beweis-, sondern um eine Auslegungsregel, die voraussetzt, daß der Handelnde sein Auftreten für ein Unternehmen hinreichend deutlich macht (Senatsurteil vom 28. Januar 1992 - XI ZR 149/91, WM 1992, 267, 269; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - IX ZR 25/94, WM 1994, 2233, 2234, jew. m.w.Nachw.). Davon kann hier keine Rede sein.
Die Zeugin H. hat ausgesagt, ihr sei es bei dem Schuldanerkenntnis vom 20. Juni/13. Juli 1994 gerade um eine persönliche Verpflichtung des Beklagten gegangen, dem Beklagten sei auch bewußt gewesen, daß er sich persönlich verpflichte. Der Zeuge F. konnte dazu keine Angaben machen; nach seinen Bekundungen hat er von der Existenz des Schuldanerkenntnisses des Beklagten erst im Verlaufe des Rechtsstreits erfahren.
Der als Partei vernommene Beklagte hat zwar in Abrede gestellt, daß er sich habe persönlich verpflichten wollen. Auch aus seiner Aussage ergibt sich aber nicht, daß er hinreichend deutlich gemacht hat, nur für die D. GmbH auftreten zu wollen.
Aus dem Umstand, daß das Schuldanerkenntnis auf Verbindlichkeiten der D. GmbH basiert und der Beklagte persönlich nicht in der Lage war, die vereinbarten monatlichen Raten zu erbringen, ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten ein Auftreten für die GmbH nicht. Das Schuldanerkenntnis wurde in einem Zeitpunkt abgegeben, in dem die GmbH die Forderungen der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht begleichen konnte und diese deshalb die Belieferung der GmbH eingestellt hatte. Wenn der Geschäftsführer der GmbH in einer solchen Situation unter seiner privaten Anschrift ohne Vertretungszusatz ein Schuldanerkenntnis unterschreibt, um die Weiterbelieferung der nicht leistungsfähigen GmbH zu erreichen, so spricht dies für eine persönliche Verpflichtung des Geschäftsführers. Das gilt besonders, wenn dem Gläubiger – wie hier – ein notarielles Schuldanerkenntnis der GmbH über den weitaus größten Teil ihrer Verbindlichkeiten sowie eine Lastschrifteinzugsermächtigung für ein Geschäftskonto der GmbH bereits vorliegen. Zumindest bleiben ernsthafte, nicht auszuräumende Zweifel an der Unternehmensbezogenheit des Geschäfts. Diese gehen zu Lasten des Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - IX ZR 25/94, WM 1994, 2233, 2234).
d) Aufgrund des abstrakten Schuldanerkenntnisses ist der Beklagte zur Zahlung des von der Klägerin noch begehrten Betrages von 300.832,21 DM zuzüglich Zinsen verpflichtet.
III.
Auf die Revision der Klägerin war das Urteil des Berufungsgerichts daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO) und der ergangene Vollstreckungsbescheid in diesem Umfang aufrechtzuerhalten (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Unterschriften
Nobbe, Dr. Schramm, Dr. van Gelder, Dr. Müller, Dr. Joeres
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.04.2000 durch Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 1209 |
DB 2000, 1322 |
DStR 2000, 1098 |
NJW 2000, 2984 |
EWiR 2001, 9 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1113 |
WuB 2000, 761 |
WuB 2000, 767 |
WuB 2000, 777 |
ZIP 2000, 972 |
JuS 2001, 81 |
MDR 2000, 840 |