Entscheidungsstichwort (Thema)
irreführende Werbeaussage. Coenzym Q10
Leitsatz (redaktionell)
Wird in einer Werbeaussage ein Produkt als Ursache für eine auf natürliche Weise erfolgende Aktivierung von in den Körperzellen versteckten Energiereserven und als Energieergänzung für eine verbesserte Lebensqualität angepriesen, vermittelt dies nicht den Eindruck, es bestehe eine (medizinische) Notwendigkeit zur zusätzlichen Einnahme des Mittels. Ob eine Irreführung durch diese Werbeaussage besteht, hängt daher von der wissenschaftlichen Absicherung ab.
Normenkette
LMBG § 17 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 1, 2 a
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 09.01.2001) |
LG Flensburg (Urteil vom 16.06.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG in Schleswig v. 9.1.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Flensburg v. 16.6.2000 hinsichtlich des Werbeverbots für das Präparat "Q." zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt u. a. das nicht als Arzneimittel zugelassene Präparat mit der Bezeichnung "Q.". Sie bewarb dieses Präparat in der von ihr herausgegebenen Broschüre "W."(Ausgabe Februar 1998 S. 24) wie folgt:
"Doppelt wirkendes Q10, enthält Coenzym Q10 und Vitamine. Gönnen Sie sich diese Energieergänzung für ein besseres Leben."
und
"Das Coenzym Q10 aktiviert die versteckten Energiereserven, die sich in allen Körperzellen befinden. Neue Energie auf natürliche Weise."
Der klagende Wettbewerbsverein ist der Ansicht, dass diese Werbung irreführend sei, weil "Q." die ihm zugeschriebenen Eignungen und Wirkungen nicht aufweise.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für "Q." wie in der Zeitschrift "W." (Ausgabe Februar 1998) geschehen zu werben.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie stellt die Klagebefugnis des Klägers in Abrede und hält den Klageantrag für nicht hinreichend bestimmt. In der Sache macht sie geltend, der Verkehr werde durch die beanstandete Werbeaussage nicht irregeführt.
Das LG hat der Klage, die auch noch gegen die in der fraglichen Broschüre enthaltene Werbung der Beklagten für zehn weitere Produkte gerichtet war, im vollen Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist hinsichtlich neun der elf Produkte, darunter "Q.", ohne Erfolg geblieben.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Beklagten hat der Senat nur insoweit angenommen, als der Beklagten die Werbung für "Q." verboten worden ist. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Kläger als prozessführungsbefugt und den Klageantrag als i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt gefasst angesehen. In der Sache hat es angenommen, dass die beanstandete Werbung gegen § 17 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 und S. 2 Buchst. a LMBG verstoße.
Die Aussagen über "Q." seien aus der Sicht des Verbrauchers nicht nur dahin zu verstehen, dass durch dieses Mittel das vom Körper gebildete Ubichinon (Coenzym Q10) zur Verbesserung der Lebensqualität ergänzt werden könne. Die des Weiteren beschriebenen Wirkungen von "Q." bezögen sich ebenfalls nicht nur auf die möglicherweise gegebene positive Wirkung des körpereigenen Coenzyms, sondern auf Grund des Gesamtzusammenhangs auch auf das von der Beklagten vertriebene Mittel. Nach dem Gutachten Prof. Dr. L. aus dem Jahr 1995 gebe es keinen wissenschaftlich gesicherten Nachweis für einen erhöhten Bedarf an exogen zugeführtem Ubichinon bei verstärkter körperlicher Belastung und schon gar nicht bei normaler Belastung. Die für das Gegenteil darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe insoweit nichts dargelegt. Zwar möge Prof. Dr. L. den Wahrheitsgehalt der Werbeaussage hinsichtlich der Energiebildung im Körper bestätigt haben. Die Werbeaussage suggeriere aber gerade auch die Notwendigkeit der zusätzlichen Einnahme des Mittels der Beklagten.
II. Die Revision hat in dem Umfang, in dem der Senat sie angenommen hat, Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Entgegen der Auffassung der Revision bestehen gegen die Klagebefugnis des Klägers aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG im Streitfall keine Bedenken. Hiervon ist der Senat mit ausführlicher Begründung in mehreren Entscheidungen (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.1999 - I ZR 33/97, GRUR 1999, 936 [937] = WRP 1999, 918 - Hypotonietee; Urt. v. 10.11.1999 - I ZR 212/97, GRUR 2000, 546 [547] = WRP 2000, 502 - Johanniskraut-Präparat; Urt. v. 11.7.2002 - I ZR 273/99, ZLR 2002, 660 [663] - Sportlernahrung, jew. m. w. N.) und auch bei der Beschlussfassung über die teilweise Nichtannahme der Revision der Beklagten ausgegangen.
2. Der Klageantrag ist auch, anders als die Revision meint, i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt gefasst.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Klageantrag mit der Formulierung "wie geschehen in" auf die beanstandete konkrete Verletzungsform bezogen ist, wobei diese durch die Vorlage der sie enthaltenden Broschüre der Beklagten hinreichend konkretisiert ist. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von der Fallgestaltung, die der von der Revision angeführten Senatsentscheidung "TCM-Zentrum" (BGH, Urt. v. 26.10.2000 - I ZR 180/98, BGHReport 2001, 391 = MDR 2001, 763 = GRUR 2001, 453 [454] = WRP 2001, 400) zu Grunde gelegen hat; denn dort hatte die Klagepartei ihr Rechtsschutzziel - anders als der Kläger im Streitfall - mehrdeutig formuliert ("Anzeigen der nachfolgenden Art"). Entgegen der Auffassung der Revision erfasst der vom Kläger gestellte Antrag im Übrigen keineswegs nur völlig gleich lautende und gleichgestaltete Werbeanzeigen, sondern bezieht sich nach der sog. Kerntheorie auf alle künftig erscheinenden Anzeigen, in denen das Charakteristische der beanstandeten Werbung zum Ausdruck kommt (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 57 Rz. 12m. w. N.). Damit stellt sich das Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht als zweifelhaft dar.
3. In der Sache hält die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne von der Beklagten nach § 1 UWG i. V. m. § 17 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 und S. 2 Buchst. a LMBG die Unterlassung der streitigen Werbeaussagen verlangen, der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Vorwurf der Irreführung i. S. d. § 17 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 und S. 2 Buchst. a LMBG stellt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht als gerechtfertigt dar. Der Hinweis auf die auf natürliche Weise erfolgende Aktivierung von in den Körperzellen versteckten Energiereserven und die durch die Energieergänzung verbesserte Lebensqualität enthält eine subjektiv gefärbte und unspezifische allgemeine Werbeanpreisung. Diese vermittelt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht den Eindruck, es bestehe eine (medizinische) Notwendigkeit zur zusätzlichen Einnahme des Mittels. Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob die exogene Zufuhr von Ubichinon zur Energiebildung im Körper beiträgt, keine Feststellungen getroffen. Es wird daher im Rahmen des wiedereröffneten Berufungsverfahrens die dahingehende Werbeaussage der Beklagten auf ihre hinreichende wissenschaftliche Absicherung zu überprüfen haben.
Fundstellen
BGHR 2003, 1417 |
GRUR 2004, 72 |
ZLR 2004, 88 |