Leitsatz (amtlich)
Zu einer atypischen Bürgschaft mit dem Inhalt, daß der verbürgte Kredit der Tilgung einer Schuld des Bürgen gegenüber dem Hauptschuldner dienen soll.
Eine formularmäßige Klausel, die trotz Zahlungen des Bürgen den Übergang der Rechte des Kreditinstituts gegen den Hauptschuldner bis zur vollen Befriedigung wegen des verbürgten Anspruchs aufschiebt, so daß bis dahin die Zahlungen nur als Sicherheit gelten, ist auch dann wirksam, wenn der – allein verbürgte – Anspruch des Kreditinstituts durch mehrere Bürgschaften voll gesichert wird (Ergänzung zu BGHZ 92, 374; BGH, Urt. v. 7. November 1985 – IX ZR 40/85, ZIP 1986, 85; v. 23. Oktober 1986 – IX ZR 203/85, NJW 1987, 374).
Normenkette
BGB §§ 765, 774 Abs. 1 Sätze 1-2; AGBG § 9
Verfahrensgang
LG Düsseldorf |
OLG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision der Beklagten werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 1998 und dessen Ergänzungsurteil vom 10. September 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Sparkasse nimmt die Beklagten, die eine Inkassostelle für Ärzte betreiben, im Urkundenprozeß aus einer Bürgschaft in Anspruch.
Der Beklagte zu 1 trat zur Steuerersparnis einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft bei, die als „GbR …” in der Gemeinde R. (Sachsen-Anhalt) ein Einkaufszentrum erwerben wollte (künftig: GbR). Die Beklagte zu 2 ist nach dem Vorbringen der Beklagten ebenfalls Gesellschafterin.
Am 2. November 1993 vereinbarte die T. GmbH (fortan: T. GmbH) mit anderen Mitgliedern der GbR im wesentlichen folgendes: Die T. GmbH sollte Grundstücke, die sie damals erwerben wollte und später auch erwarb, mit einem Einkaufszentrum bebauen und an die GbR für 19.805.800 DM einschließlich Mehrwertsteuer veräußern. Die Übergabe des Objekts und die Fälligkeit des Kaufpreises waren für den 1. Juli 1994 „mit einer Karenzfrist von einem Monat” vorgesehen. Die T. GmbH sollte Generalmieterin des Einkaufszentrums werden und für einen jährlichen Mietzins von 1,5 Mio. DM sorgen. – Die Bebauung übernahm die M. GmbH Baugesellschaft (künftig: M. GmbH) im Auftrag der T. GmbH.
Die Klägerin schloß am 21./29. März 1994 einen „Kontokorrentkreditvertrag” bis zum Höchstbetrag von 15.500.000 DM mit der T. GmbH und M. GmbH „zunächst bis 30.10.1994” mit Verlängerungsmöglichkeit. Unter Ziffer 4 betreffend „Besondere Vereinbarungen” heißt es u.a.:
„Dieser Kredit dient der Zwischenfinanzierung für den Neubau des ‚Einkaufszentrums R. W…’.
Die Auszahlung dieser Kreditmittel erfolgt nach Baufortschritt gegen Vorlage von Bautenstandsberichten …
Es ist vorgesehen, diesen Kredit nach dem Ablauf zum 30.10.1994 durch langfristige Darlehnsmittel abzulösen.”
Der Kredit wurde gesichert durch eine erstrangige Gesamtgrundschuld über 21 Mio. DM, die von der T. GmbH an den Grundstücken des Einkaufszentrums bestellt wurde, und durch vier Bürgschaften von Gesellschaftern der GbR bis zum Höchstbetrag von je 3.875.000 DM. Eine solche Bürgschaft übernahmen die Beklagten gemeinsam am 21. März 1994.
Am 25. März 1994 verkaufte die T. GmbH die Grundstücke des Einkaufszentrums an fünf Gesellschafter der GbR – darunter der Beklagte zu 1 – für 20.731.050 DM brutto unter Übernahme einer Bebauungs- und Anmietungspflicht; das Kaufobjekt sollte spätestens am 1. August 1994 fertiggestellt und übergeben werden.
Etwa im August 1994 übernahmen der Beklagte zu 1 und vier weitere Gesellschafter der GbR in der Urkunde über die Bestellung der Grundschuld in Höhe von 21 Mio. DM zugunsten der Klägerin die persönliche Haftung und unterwarfen sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Verhandlungen der GbR mit der Klägerin über eine Endfinanzierung des Projekts scheiterten. Im Juli 1995 stellte die Klägerin die genannten Kredite fällig. Im Juli 1996 bestand noch eine Kreditschuld in Höhe von etwa 14.750.000 DM.
Die T. GmbH trat ihren Kaufpreisanspruch gegen die GbR am 27. Dezember 1995 an die M. GmbH ab. Die Käufer sind noch nicht Eigentümer des Einkaufszentrums.
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung eines Teilbetrages von 1 Mio. DM aus der Bürgschaft durch Vorbehaltsurteil stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat der Klage ebenfalls durch Vorbehaltsurteil entsprochen mit der Einschränkung, daß die Zahlung zu erbringen ist Zug um Zug gegen Abtretung und Eintragung einer nachrangigen Teilgrundschuld über 1 Mio. DM aus der Gesamtgrundschuld. Dagegen richten sich die Revision der Klägerin, die eine uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten erstrebt, und die Anschlußrevision der Beklagten, die weiterhin die Klageabweisung verfolgen.
Entscheidungsgründe
Revision und Anschlußrevision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).
A. Anschlußrevision der Beklagten
I.
Sie rügt vergeblich, daß das Berufungsgericht einen Verfahrensfehler des Landgerichts unterstellt, aber dennoch nicht den Rechtsstreit gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen, sondern nach § 540 ZPO selbst entschieden hat.
1. Das Urteil des Landgerichts beruhte auf einem Verfahrensfehler, weil es zu dem Streitpunkt, ob eine Endfinanzierung des Erwerbs des Einkaufszentrums durch die GbR Geschäftsgrundlage des Bürgschaftsvertrages der Parteien gewesen ist, pauschal auf ein Urteil in einem Rechtsstreit der Klägerin gegen einen anderen Gesellschafter und Mitbürgen Bezug genommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 1990 – I ZR 49/89, WM 1991, 789 f).
2. Dennoch ergibt sich kein Rechtsfehler des Berufungsgerichts daraus, daß es den Rechtsstreit nicht an das Landgericht zurückverwiesen hat.
Die Entscheidung zwischen einer Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO und einer eigenen Sachentscheidung nach § 540 ZPO steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Dabei ist der mit einer Zurückverweisung verbundene zusätzliche Zeit- und Kostenaufwand gegen den Verlust einer Tatsacheninstanz abzuwägen. Die Überlegungen, die für seine Ermessensausübung maßgeblich waren, hat das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen mitzuteilen; dafür reicht es regelmäßig aus, wenn das Berufungsurteil erkennen läßt, daß das Berufungsgericht die Alternative zwischen § 539 ZPO und § 540 ZPO gesehen und erwogen hat (BGH, Urt. v. 15. März 2000 – VIII ZR 31/99, NJW 2000, 2024, 2025).
Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht. In der Sache erscheint es nicht als unvertretbar, daß das Berufungsgericht den vorliegenden Urkundenprozeß als entscheidungsreif für ein eigenes Vorbehaltsurteil (§ 599 ZPO) angesehen hat. Daran ändert es nichts, daß die Anschlußrevision mit Erfolg einen – noch zu erörternden – Rechtsfehler der Sachentscheidung des Berufungsgerichts geltend macht.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts, es bestehe ein wirksamer Bürgschaftsvertrag der Parteien und dessen Geschäftsgrundlage sei nicht dadurch weggefallen, daß die Klägerin die Endfinanzierung des Vorhabens nicht übernommen habe, werden von der Anschlußrevision hingenommen. Insoweit enthält das Berufungsurteil nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand auch keinen Rechtsfehler.
Falls der Beklagte zu 1 – mit anderen Gesellschaftern – in der Grundschuldurkunde die persönliche Haftung für die Kreditverbindlichkeit der T. GmbH gegenüber der Klägerin übernommen hat, so wird die Bürgschaft dadurch nicht berührt. Insoweit kann es dahinstehen, ob eine solche Verpflichtung von der Durchführung des Vertrages zwischen der T. GmbH und Mitgliedern der GbR vom 25. März 1994 abhängig ist. Da mit der Haftungsübernahme die – vom Beklagten zu 1 auch verbürgte – Kreditschuld der T. GmbH gegenüber der Klägerin gesichert werden sollte, ist diese Verpflichtung des Beklagten zu 1 als Schuldbeitritt – neben der Bürgschaft – zu werten (vgl. Staudinger/Horn, BGB 13. Bearb. § 765 Rn. 224 zur Übernahme eines Handelsgeschäfts des Hauptschuldners gemäß § 25 HGB).
III.
Die Anschlußrevision rügt jedoch mit Erfolg, daß das Berufungsgericht das unter Beweis gestellte Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe die T. GmbH aus dem Kreditvertrag entlassen und mit der M. GmbH vereinbart, diese wegen der Kreditforderung nicht vorrangig in Anspruch zu nehmen, für unsubstantiiert und deswegen für rechtlich unerheblich gehalten hat (§ 286 ZPO).
1. Die Beklagten haben behauptet: Die T. GmbH habe ihren Kaufpreisanspruch aus dem Vertrag mit Mitgliedern der GbR vom 25. März 1994 nur deswegen am 27. Dezember 1995 an die M. GmbH abgetreten, weil die Klägerin in diesem Zusammenhang die T. GmbH als Mitschuldnerin aus dem Kreditvertrag entlassen habe. Die M. GmbH, die mit der Klägerin „verbunden” sei, habe einen Vergleich mit ihren Gläubigern über eine Quote von 40 % geschlossen und durchgeführt. Dies sei nur möglich gewesen, weil die Klägerin nicht als Gläubigerin an diesem Vergleich teilgenommen habe; statt dessen habe die Klägerin mit der M. GmbH vereinbart, daß die Klägerin diese Gesellschaft nicht wegen der Kreditschuld in Anspruch nehme, sondern deren Erfüllung durch Inanspruchnahme der Bürgen und notfalls durch Verwertung des Grundstücks suchen werde. – Dieses Vorbringen, das die Klägerin bestritten hat, haben die Beklagten unter Beweis gestellt durch Parteivernehmung von zwei Vorstandsmitgliedern der Klägerin.
a) Entgegen der Wertung des Berufungsgerichts ist dieses Vorbringen weder „ins Blaue hinein” aufgestellt noch „bloße Spekulation”. Das Berufungsgericht hat, wie die Anschlußrevision zu Recht rügt, übersehen, daß die Beklagten keine unmittelbare Kenntnis von Absprachen der Klägerin mit der T. GmbH und M. GmbH haben und ihnen deswegen Darlegung und Beweisführung bezüglich solcher Vereinbarungen erschwert sind. In einem solchen Falle darf eine Partei auch von ihr nur vermutete Tatsachen zumindest dann behaupten und unter Beweis stellen, wenn für die Richtigkeit ihres Vorbringens hinreichende Anhaltspunkte bestehen; zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird eine solche Beweisführung erst bei offensichtlicher Willkür oder Rechtsmißbrauch (BGH, Urt. v. 11. Juli 1996 – IX ZR 226/94, WM 1996, 1649, 1654; v. 18. Mai 1999 – X ZR 158/97, NJW 1999, 2887, 2888, jeweils m.w.N.). Hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten ergeben sich schon daraus, daß die Klägerin selbst nicht behauptet hat, sie habe ihren Anspruch gegen die T. GmbH und M. GmbH auf Rückzahlung des Kredits nach dessen Kündigung am 4. Juli 1995 gerichtlich geltend gemacht. Aus wirtschaftlicher Sicht ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, aus welchen Gründen die T. GmbH, die der Klägerin für die Kreditverbindlichkeit in Höhe von fast 15 Mio. DM als Gesamtschuldnerin haftet, ihren Kaufpreisanspruch in Höhe von 20.731.050 DM an die M. GmbH abgetreten hat. Daran ändern die Schreiben der Klägerin vom 18. April 1997 an eine T. B. GmbH, eine T. P. GmbH und eine V. B. GmbH, jeweils unter Bezugnahme auf einen nicht näher erläuterten Schuldbeitritt, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts. Es ist schon nicht ersichtlich, daß diese Gesellschaften mit der Hauptschuldnerin (T. GmbH) identisch sind. Außerdem wurde in dem Schreiben der Klägerin an die T. B. GmbH lediglich eine Teilleistung von 100.000 DM verlangt, die gegenüber der gesamten Kreditforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig ist.
b) Außerdem beanstandet die Anschlußrevision zu Recht, daß das Berufungsgericht die Beklagten, die ersichtlich darauf vertraut haben, ihr Vorbringen sei ausreichend, nicht darauf hingewiesen hat, es sehe dieses als unsubstantiiert an, und damit den Beklagten keine Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags und zur Beibringung weiterer Unterlagen gegeben hat (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO; vgl. BGHZ 127, 254, 260; BGH, Urt. v. 2. Februar 1993 – XI ZR 58/92, WM 1993, 1264, 1266; v. 27. November 1996 – VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441). In diesem Fall hätten die Beklagten, wie die Anschlußrevision geltend macht, ihr Vorbringen durch Parteivernehmung von Vorstandsmitgliedern der Klägerin unter Beweis gestellt und Gelegenheit gehabt, bereits dem Berufungsgericht den erst im Revisionsverfahren eingereichten Vertrag vom 11. Dezember 1997 vorzulegen, in dem die T. GmbH gegenüber ihrer Vertragspartnerin ihre Verbindlichkeiten zum 26. November 1997 dargelegt hat; in dieser Aufstellung fehlt die Kreditschuld gegenüber der Klägerin.
2. Das Vorbringen der Beklagten kann nach dem vorgetragenen Sachverhalt rechtserheblich sein. Sollte die Klägerin die Kreditschuld der T. GmbH und – darauf kann der Vortrag der Beklagten auch nach Ansicht des Berufungsgerichts hindeuten – ebenfalls der M. GmbH erlassen haben (vgl. § 423 BGB), so haften die beklagten Bürgen grundsätzlich nicht (§§ 767 Abs. 1 Satz 1, 768 BGB). Hat die Klägerin allein die T. GmbH aus ihren Verbindlichkeiten entlassen und der M. GmbH nur eine Stundung oder ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt, so könnten sich die Beklagten grundsätzlich auch auf ein solches Gegenrecht der M. GmbH berufen (§ 768 BGB). Zwar haben die Bürgen in Ziff. 2 der formularmäßigen Bürgschaft auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit gemäß § 770 BGB, die Einrede der Verjährung der Hauptschuld und „auf die sonstigen Einreden nach § 768 BGB” verzichtet, soweit sie nicht unbestritten oder nicht rechtskräftig festgestellt sind. Ein umfassender klauselmäßiger Ausschluß des § 768 BGB durchbricht aber den Grundsatz, daß die Bürgschaft vom jeweiligen Bestand der Hauptschuld abhängig ist, und den damit verbundenen Bürgenschutz so nachhaltig, daß eine solche Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 9 AGBG unwirksam ist (BGH, Urt. v. 8. März 2001 – IX ZR 236/00, Umdruck S. 8, z.V.b. in BGHZ). Das gilt auch für die vorliegende formularmäßige Abbedingung des § 768 BGB, die so weit geht, daß sie einem umfassenden Ausschluß gleichkommt.
Ein Recht der Beklagten aus dieser Vorschrift kann jedoch dann entfallen, wenn die Klägerin als Gläubigerin und die bürgenden Käufer im Einvernehmen mit der T. GmbH als Hauptschuldnerin und Verkäuferin eine atypische Bürgschaft mit dem Inhalt vereinbart haben, daß der verbürgte Zwischenkredit – im Vorgriff auf die von den Käufern zu beschaffende Endfinanzierung – der überwiegenden Tilgung des von den bürgenden Käufern geschuldeten Kaufpreises spätestens nach dessen Fälligkeit dienen und von diesen zurückgeführt werden sollte. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ergeben sich Anhaltspunkte für eine solche Vereinbarung vor allem aus den in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehenden Verträgen der Beteiligten, wie noch ausgeführt wird (s. unten zu b). Aufgrund einer solchen Vereinbarung wäre der Beklagte zu 1 als bürgender Käufer selbst dann nicht von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin frei geworden, wenn diese die Hauptschuldnerinnen aus ihrer Kreditschuld entlassen hat; das gilt entsprechend für die Beklagte zu 2, die ihre Verpflichtung gegenüber der Klägerin neben dem Beklagten zu 1 und gemeinsam mit diesem selbstschuldnerisch übernommen hat (Ziffer 3 der Bürgschaft). Dazu haben sich bisher weder die Parteien noch das Berufungsgericht geäußert.
a) Nach Ziffer 4 des Vertrages vom 21./29. März 1994 diente der Kredit von 15.500.000 DM, den die Klägerin der T. GmbH und M. GmbH einräumte, der Zwischenfinanzierung „für den Neubau” des Einkaufszentrums und sollte nach Baufortschritt ausgezahlt werden. Nach Ablauf der vorgesehenen Kreditzeit am 30. Oktober 1994, die auf Antrag der Kreditnehmer verlängert werden konnte, sollte der Zwischenkredit durch langfristige Darlehensmittel abgelöst werden (Ziffer 3, 4 des Kreditvertrages). Dieser Kredit wurde gesichert durch die erstrangige, von der T. GmbH bestellte Grundschuld über 21 Mio. DM und durch vier Bürgschaften von Mitgliedern der GbR (Ziffer 5 mit Anlage 1 des Kreditvertrages), die mit Ausnahme der Beklagten zu 2 auch Partner des Vertrages mit der T. GmbH vom 25. März 1994 waren. Die Sicherungszweckerklärung der Bürgschaft der Beklagten vom 21. März 1994 entspricht der Zweckbestimmung des Kreditvertrages. Diese Rechtsgeschäfte dienten nach ihrem Wortlaut dazu, der T. GmbH und der M. GmbH, die von der T. GmbH mit der Errichtung des Einkaufszentrums auf ihren Grundstücken beauftragt war, Kreditmittel für diese Baumaßnahme zu verschaffen; nach der Aufschlüsselung des Kaufpreises in § 4 des Kaufvertrages betrugen die „Baukosten und Baunebenkosten” 17.200.000 DM.
b) Dagegen sprechen zunächst die Regelungen des Kaufvertrages vom 25. März 1994, den die T. GmbH und fünf Mitglieder der GbR in Ausführung des Vertrages vom 2. November 1993 und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zwischen der Klägerin und der T. GmbH und M. GmbH sowie mit der Bürgschaft der Beklagten geschlossen haben, dafür, daß der verbürgte Kredit tatsächlich der Zwischenfinanzierung des überwiegenden Teils desKaufpreises diente. Die Errichtung des Einkaufszentrums war bei Abschluß des Kaufvertrages so weit fortgeschritten, daß Übergabe und Fertigstellung des Objekts spätestens am 1. August 1994 zu erfolgen hatten (§ 7 des Vertrages). Die „Belegung” des Nettokaufpreises von 18 Mio. DM konnte durch Übernahme der zugunsten der Klägerin eingetragenen Gesamtgrundschuld erfolgen (§ 4 des Vertrages); da im Vertrag die Auflassung der Grundstücke an die Käufer erklärt und die Eigentumsumschreibung bewilligt wurden (§ 12), wären nach der damals erwarteten raschen Übereignung die von den Käufern erworbenen Grundstücke mit der Grundschuld belastet gewesen, wenn die Käufer diese zur Fremdfinanzierung des Kaufpreises übernommen hätten. Nach § 5 Abs. 1 des Vertrages war eine solche Fremdfinanzierung „zumindest zum Teil” vorgesehen. „Deshalb” verpflichtete sich die T. GmbH als Verkäuferin, allen dinglichen Belastungen des Grundstücks zuzustimmen, wenn sichergestellt ist, daß die dem einzutragenden Grundpfandrecht zugrundeliegende Darlehensvaluta der Begleichung des Kaufpreises und der Erwerbsnebenkosten dient, wobei der Kaufpreis sichergestellt sein mußte (§ 5 Abs. 2 des Vertrages). Die Verkäuferin stimmte außerdem der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das zu belastende und verkaufte Grundeigentum zugunsten der Finanzierungsinstitute der Käufer zu (§ 5 Abs. 3 des Vertrages); eine Unterwerfung der Verkäuferin unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen und deren Haftungsübernahme wurden jedoch ausgeschlossen (§ 5 Abs. 4 des Vertrages). Die Käufer bevollmächtigten die Angestellten des beurkundenden Notars, sie zugunsten ihrer Finanzierungsinstitute hinsichtlich auszuzahlender Darlehensbeträge der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen zu unterwerfen und insoweit die persönlichen Haftungserklärungen abzugeben; außerdem erstreckte sich die Vollmacht darauf, den Antrag auf Eintragung der Belastungen zugunsten der Finanzierungsinstitute der Käufer mit Rang vor der zu deren Gunsten einzutragenden Eigentumsübertragungsvormerkung zu stellen (§ 6 Abs. 2 des Vertrages). Aufgrund dieser Vollmacht wurden die Käufer auf Antrag der Klägerin vom 2. August 1994 in der Grundschuldurkunde der persönlichen Haftung und der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen.
Ferner deutet das – insoweit lückenhafte – Vorbringen der Parteien darauf hin, daß der verbürgte Kredit der Zwischenfinanzierung des überwiegenden Teil des Kaufpreises diente. Die Beklagten haben vorgebracht, die Klägerin habe die „Finanzierung des Ankaufs des Objekts durch die GbR” 1993 angeboten und zugesagt; die Klägerin habe sich auch bereit erklärt, einen Zwischenkredit zu gewähren; es sei Geschäftsgrundlage der Bürgschaft gewesen, daß die Klägerin die Endfinanzierung des Objekterwerbs übernehme. Die Klägerin hat nach eigenem Vortrag entsprechende Verhandlungen mit der GbR geführt. Zum Inhalt und Ergebnis dieser Verhandlungen wird auf die vorgelegten Unterlagen verwiesen, insbesondere auf die Notiz eines Direktors der Klägerin, die nach der Behauptung der Beklagten vom 30. November 1993 stammt, auf die Notizen des Geschäftsführers der GbR vom 10. und 19. Mai 1994 und den Schriftwechsel der Klägerin mit der GbR. Die Beklagten haben nicht dargelegt, mit welchen anderen zur Verfügung stehenden Mitteln die Käufer den Kaufpreis bei Fälligkeit, die im Zusammenhang mit der spätestens für den 1. August 1994 vorgesehenen Übergabe des Objekts eintreten sollte (§§ 4, 7 Abs. 1 des Kaufvertrages), zahlen wollten.
Nach alledem kann sich hinter der gewählten Konstruktion eines Kreditvertrages der Klägerin mit der T. GmbH und M. GmbH verbergen, daß der von Käufern des Einkaufszentrums verbürgte Zwischenkredit in Wirklichkeit dazu dienen sollte, den Käufern im Einvernehmen aller Beteiligten bei Eintritt der Fälligkeit die Zahlung des überwiegenden Teils des Kaufpreises an die T. GmbH zu ermöglichen.
c) Danach wird das Berufungsgericht zunächst aufzuklären haben, ob die Klägerin gemäß dem Vorbringen der Beklagten die Hauptschuldnerinnen aus ihrer Kreditschuld entlassen oder zumindest der M. GmbH eine Stundung oder ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt hat. Das haben die Beklagten zu beweisen.
Sollte dieser Beweis gelingen, so wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob ein entsprechender Einwand der Beklagten aus §§ 767, 768 BGB aufgrund der Vereinbarung einer – von der Klägerin zu beweisenden – atypischen Bürgschaft im vorstehenden Sinne gegenstandslos ist.
Im weiteren Berufungsverfahren könnte in entsprechender Anwendung des § 263 ZPO vom vorliegenden Urkundenprozeß zum ordentlichen Verfahren übergegangen werden (vgl. BGHZ 69, 66, 69), falls sich dies als notwendig herausstellen sollte.
B. Revision der Klägerin
Sie beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht in seinem Vorbehaltsurteil die Verurteilung der Beklagten, aufgrund ihrer Bürgschaft als Gesamtschuldner an die Klägerin einen Teilbetrag von 1 Mio. DM zu zahlen, dahin eingeschränkt hat, daß die Klägerin Zug um Zug aus ihrer (Sicherungs-) Gesamtgrundschuld den Beklagten eine nachrangige Teilgrundschuld über 1 Mio. DM abzutreten und deren Eintragung ins Grundbuch zu bewilligen hat.
I.
Die Revision rügt zunächst erfolglos, das Berufungsgericht habe den Beklagten den zugebilligten Gegenanspruch „aufgedrängt”, ohne daß diese sich auf ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB berufen hätten. Die Beklagten haben allgemein ein solches Recht der Klageforderung entgegengehalten. Dazu haben sie die Ansicht vertreten, sie hätten, falls sie zur Zahlung verpflichtet seien, Anspruch auf Abtretung eines erstrangigen Teils der Grundschuld der Klägerin in Höhe des ausgeurteilten Bürgschaftsbetrages. Das Berufungsgericht ist dieser Rechtsmeinung nicht gefolgt und hat den Beklagten nur einen Anspruch auf Abtretung einer nachrangigen Teilgrundschuld zugebilligt. Auch ein solcher geringerer Gegenanspruch fällt unter das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht.
II.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin, im Falle einer Erfüllung der Klageforderung eine entsprechende nachrangige Teilgrundschuld aus der von der T. GmbH bestellten Gesamtgrundschuld einzuräumen, ergebe sich aus § 774 Abs. 1 Satz 1 mit §§ 401, 412 BGB; § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB stehe nicht entgegen.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 774 Abs. 1 Satz 1 mit §§ 401, 412 BGB die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner insoweit, als der Bürge den Gläubiger befriedigt, auf den Bürgen mit akzessorischen Sicherheiten übergeht. Selbständige Sicherungsrechte – wie die hier bestellte Sicherungsgrundschuld – gehen zwar nicht kraft Gesetzes auf den Bürgen über; der Gläubiger ist jedoch, sofern er nicht mit dem Sicherungsgeber etwas anderes vereinbart hat, in entsprechender Anwendung der genannten Vorschriften verpflichtet, das Sicherungsrecht gemäß der Leistung des Bürgen auf diesen zu übertragen (BGHZ 110, 41, 43 m.w.N.). Die Parteien haben nicht behauptet, daß eine Abrede im Sicherungsvertrag der Klägerin mit der T. GmbH die Abtretung einer Teilgrundschuld ausschließe.
Aus § 426 BGB, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf das Verhältnis von mehreren Sicherungsgebern Anwendung findet, sofern die Sicherungsmittel auf gleicher Stufe stehen (BGHZ 108, 179, 183 ff; BGH, Urt. v. 24. September 1992 – IX ZR 195/91, NJW 1992, 3228, 3229), ist im Streitfall ein Ausgleichsanspruch der Beklagten als Bürgen gegen die T. GmbH als Grundschuldbestellerin von vornherein nicht herzuleiten. Denn die T. GmbH ist zugleich Hauptschuldnerin des gesicherten Kredits. In einem solchen Fall kommt ein Ausgleich nach § 426 BGB nicht in Betracht (BGHZ 108, 179, 183, 185).
2. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand steht dem Übergang eines Rückgriffsanspruchs auf die Beklagten Ziffer 5 Abs. 1 der formularmäßigen Bürgschaftserklärung entgegen. Danach gehen, falls der Bürge Zahlungen leistet, die Rechte der Sparkasse gegen den Hauptschuldner dann auf den Bürgen über, wenn die Sparkasse wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Hauptschuldner volle Befriedigung erlangt hat; bis dahin gelten die Zahlungen nur als Sicherheit. Gemäß Ziffer 12 der Bürgschaftserklärungen sichern die Bürgschaften der Käufer allein die Forderung der Gläubigerin gegen die Hauptschuldnerinnen aus dem Kreditvertrag vom 21./29. März 1994. Die Parteien haben nicht behauptet, daß die Klägerin wegen dieser Forderung bereits voll befriedigt worden sei.
Ziffer 5 der formularmäßigen Bürgschaftserklärung ist mit § 9 AGBG vereinbar. Der Senat hat bereits in einem Fall, der nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des AGBG zu beurteilen war, entschieden, daß eine solche Formularbedingung einer richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB jedenfalls dann standhalte, wenn die Bürgschaft sämtliche Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit dem Hauptschuldner sichere (BGHZ 92, 374, 377 ff, 382 f). Diese Rechtsprechung hat der Senat nach Inkrafttreten des AGBG im Hinblick auf § 9 AGBG bestätigt (BGH, Urt. v. 7. November 1985 – IX ZR 40/85, ZIP 1986, 85, 88; v. 23. Oktober 1986 – IX ZR 203/85, NJW 1987, 374, 375). Der Grundgedanke dieser Entscheidungen kann auf den vorliegenden Fall erstreckt werden. Die Höchstbetragsbürgschaft der Beklagten sichert die – allein verbürgte – Kreditforderung der Klägerin gemeinsam mit den gleich hohen Bürgschaften der drei Mitgesellschafter in voller Höhe. Dieser Fall ist mit den vom Senat entschiedenen Fällen vergleichbar. Auch hier verschlechtert die Formularklausel die Rechtsstellung des Bürgen insgesamt nicht so nachhaltig, daß ihr die rechtliche Anerkennung wegen unangemessener Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben versagt werden müßte. Die Bürgschaftsbedingung schließt den Forderungsübergang gemäß § 774 BGB auf den Bürgen nicht aus, sondern schiebt ihn nur bis zur vollständigen Befriedigung der Gläubigerin auf, damit diese nicht durch konkurrierende Rückgriffsansprüche der Bürgen beeinträchtigt werden kann. Die Erweiterung des Gläubigervorrechts über § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus ist durch das berechtigte Interesse des Kreditinstituts gerechtfertigt, bis zur Tilgung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners einen Zugriff der Bürgen auf andere Sicherungsrechte zu verhindern.
3. Danach kann es im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen, ob die Beklagten nach einer Vollbefriedigung der Klägerin einen durchsetzbaren Rückgriffsanspruch gegen die Hauptschuldnerinnen haben, obwohl die T. GmbH gegen die Bürgen – mit Ausnahme der Beklagten zu 2) – eine Kaufpreisforderung erworben hat (vgl. dazu BGHZ 142, 315, 318 ff i.V.m. § 4 des Kaufvertrages), die inzwischen an die M. GmbH abgetreten worden ist (§ 774 Abs. 1 Satz 3 BGB).
C.
Das Ergänzungsurteil des Berufungsgerichts entspricht zwar § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO, kann aber wegen der Aufhebung des Haupturteils des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, weil es keinen Ausspruch über die Vollstreckbarkeit enthält.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2001 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2001, 1224 |
DB 2001, 1665 |
DStR 2001, 1169 |
NJW 2001, 2327 |
NWB 2001, 2332 |
BGHR 2001, 645 |
BauR 2001, 1804 |
EWiR 2001, 575 |
KTS 2001, 457 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1060 |
WuB 2001, 909 |
ZIP 2001, 914 |
MDR 2001, 1002 |
NZI 2001, 45 |
ZBB 2001, 188 |