Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für Verbrauchersachen auch bei Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 KWG. § 13 Abs. 1 Luganer Übereinkommen
Leitsatz (amtlich)
a) Im Sinne von Art. 13 Abs. 1 LugÜ kann auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 KWG ein Anspruch "aus einem Vertrag" sein und damit der Zuständigkeit für Verbrauchersachen unterliegen.
b) Für die Anknüpfung an einen Vertrag und die Begründung der Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ genügt, dass sich die Schadenshaftung allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine Klage, die auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, eine so enge Verbindung zu dem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.2002 - Rs. C-96/00 - Slg. 2002 S. I-6367, Gabriel).
Normenkette
BGB § 823; LugÜ Art. 13 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 20.4.2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der in Deutschland wohnende Kläger verlangt von der Beklagten, einer in Zürich residierenden Aktiengesellschaft, Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung.
Rz. 2
Ab Herbst 1997 wurde der Kläger, ein selbständiger Landschaftsgärtner, mehrfach telefonisch auf die Dienste der Beklagten aufmerksam gemacht. Am 17.3.1998 unterschrieb er in seiner Wohnung in L. (Deutschland) einen "Vermögensverwaltungsauftrag" sowie einen "Zeichnungsschein mit Wiederanlageauftrag" für ein "Schweizer Sicherheitspaket für den Mittelstand". Im Zeichnungsschein waren eine Zeichnungssumme von 72.000 SFr mit jährlichen Zahlungen, eine Laufzeit von 20 Jahren und die Bareinzahlung der ersten Jahresrate in Zürich vorgesehen. Zudem übergab er an den für die Beklagte tätigen Vertriebsbeauftragten 2000 DM als - im Zeichnungsschein vereinbarte - Auslandsbearbeitungsgebühr. Die Beklagte unterzeichnete den Vermögensverwaltungsauftrag - ausweislich des Formulars - in Zürich und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26.3.1998 mit, sie habe eine Kontoreservierung bei der vertraglich vorgesehenen Bank veranlasst und freue sich, für den Kläger als Vermögensverwaltung tätig zu sein.
Rz. 3
Am 15.6.1998 unterschrieb der Kläger in Zürich einen weiteren "Zeichnungsschein mit Wiederanlageauftrag" für einen "Schweizer Vermögensaufbauplan" über 300.000 SFr und eine Laufzeit von 10 Jahren. Der erste Zeichnungsschein wurde durchgestrichen. Zugleich übergab der Kläger 25.000 DM zur Anlage durch die Beklagte. Im Jahr 2001 kam es anlässlich eines Wechsels des eingeschalteten Kreditinstituts zu einem weiteren Vermögensverwaltungsauftrag. In diesem war ebenso wie in dem früheren Vermögensverwaltungsauftrag Zürich als Gerichtsort für den Kläger vorgesehen. Der Kläger leistete keine weiteren Zahlungen und kündigte im Jahr 2006 das Vertragsverhältnis bei einem Kontostand von 470,49 EUR.
Rz. 4
Die Beklagte verfügte nicht über eine Erlaubnis gem. §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 64e Abs. 2 Satz 2 KWG. Mit der insb. auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG gestützten Klage verlangt der Kläger den Differenzbetrag zur aufgebrachten Summe von 27.000 DM ersetzt.
Rz. 5
Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht sie als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLGReport Stuttgart 2009, 717 veröffentlicht ist, meint, aus dem Luganer Übereinkommen vom 16.9.1988 (BGBl. II 1994, 2658 ff., 3772; künftig: LugÜ) ergebe sich keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
Rz. 7
Für die auf eine unerlaubte Handlung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen (Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518) und am Rande auf § 826 BGB wegen verschwiegener Kick-back Zahlungen gestützte Klage sei keine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ gegeben. Eine Genehmigungspflicht nach dem Kreditwesengesetz unterstellt wäre zwar für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch aus unerlaubter Handlung in Deutschland grundsätzlich eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ begründet. Die Parteien hätten aber auch den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung durch eine von Amts wegen zu berücksichtigende Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 LugÜ wirksam abbedungen. Der gem. Art. 15 LugÜ nicht wirksam abbedungene Gerichtsstand für Verbraucherklagen nach Art. 13, 14 LugÜ sei für deliktische Ansprüche nicht eröffnet.
II.
Rz. 8
Die zulässige Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.2010 - VI ZR 23/09, VersR 2010, 690 Rz. 7; v. 29.6.2010 - VI ZR 122/09, ZIP 2010, 1752 Rz. 10; BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff.; v. 28.6.2007 - I ZR 49/04, BGHZ 173, 57 Rz. 21; v. 20.11.2008 - I ZR 70/06, VersR 2009, 807 Rz. 17). Eine solche ergibt sich daraus, dass der internationale Gerichtsstand für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ anzuwenden ist. Auf die Frage, ob im Streitfall auch eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 18 LugÜ begründet worden ist, kommt es nicht an.
Rz. 9
1. Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich im Streitfall nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16.9.1988. Dieses ist in Deutschland am 1.3.1995 und in der Schweiz am 1.1.1992 in Kraft getreten (BGBl. II 1995, 221) und findet gem. Art. 54b Abs. 2 Buchst. a LugÜ mit Vorrang vor dem nationalen Prozessrecht Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127, 133; Musielak/Weth, ZPO, 7. Aufl., Vorb. EG-Verordnungen, Rz. 13).
Rz. 10
Die Auslegung des Luganer Übereinkommens obliegt den nationalen Gerichten (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rz. 9). Für die Auslegung gelten im Wesentlichen dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ), da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen beider Abkommen verpflichtet haben (vgl. BAG, Urt. v. 20.8.2003 - 5 AZR 45/03, NZA 2004, 58, 61).
Rz. 11
2. Nach Art. 2 Abs. 1, Art. 53 LugÜ ist eine Gesellschaft oder juristische Person, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, grundsätzlich nur vor den Gerichten dieses Staates - hier der Schweiz - zu verklagen, sofern das Übereinkommen nicht im 2. bis 6. Abschnitt Ausnahmen vorsieht (Art. 3 LugÜ). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegen im Streitfall für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen § 32 KWG, auf den das Klagevorbringen und die Revisionsbegründung maßgeblich abstellen, die Voraussetzungen des im 4. Abschnitt des Luganer Übereinkommens geregelten internationalen Gerichtsstands für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ vor. Dieser Gerichtsstand ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht wirksam abbedungen, weil nach Art. 15 LugÜ von der grundsätzlichen Zuständigkeitsregelung für Verbrauchersachen im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden kann, wenn die Vereinbarung - anders als hier - nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird. Der nur am Rande erhobene Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB durch verschwiegene Kick-back Zahlungen beim Abschluss von Lebensversicherungen ist demgegenüber für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht von Bedeutung, weil die Beklagte nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils, auf die das Berufungsgericht verweist, keine Lebensversicherung für den Kläger abgeschlossen hat.
Rz. 12
a) Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 LuGÜ darf ein Verbraucher eine Klage aus einem Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung in seinem Wohnsitzstaat erheben, sofern dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b).
Rz. 13
Bei der Auslegung dieser Vorschriften ist zu beachten, dass die im Luganer Übereinkommen verwendeten Begriffe ebenso wie die im Brüsseler Übereinkommen von 1968 (EuGVÜ) verwendeten grundsätzlich autonom auszulegen sind, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um dessen volle Wirksamkeit zu sichern (vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.2002 - Rs. C-96/00 - Slg. 2002 S. I-6367, Gabriel, Rz. 37; vom 20.1.2005 - Rs. C-27/02 - Slg. 2005 S. I-499, Engler, Rz. 33; vom 5.2.2004 - Rs. C-265/02 - Slg. 2004 S. I-1543, Frahuil, Rz. 22; BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O., Rz. 11; BGH, Urt. v. 22.4.2009 - VIII ZR 156/07, NJW 2009, 2606, Rz. 13). Die besonderen Gerichtsstände, die - wie Art. 13 bis 15 LugÜ - eine Klage an einem anderen Ort als dem Wohnsitz des Beklagten erlauben, müssen als Ausnahmevorschriften eine enge Auslegung erfahren, die nicht über die vom Übereinkommen ausdrücklich in Betracht gezogenen Fälle hinausgehen darf (vgl. EuGH, Urteile vom 20.1.2005, Engler, Rz. 42 f.; vom 11.10.2007 - Rs. C-98/06 - Slg. 2007 S. I-8319, Freeport, Rz. 35, jeweils m.w.N.). Es ist nicht erheblich, wie die auf den Fall (lex causae) oder am Gerichtsort (lex fori) anzuwendenden nationalen Rechtsordnungen das Rechtsverhältnis einordnen (vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.1998 - Rs. C-51/97 - Slg. 1998 S. I-6534, Réunion européenne, Rz. 15; Wiezcorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., Art. 5 EuGVÜ Rz. 4). Dies hat zur Folge, dass dem Kläger unter Umständen am Gerichtsstand des Vertrages ein nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Anspruch zugesprochen werden kann und umgekehrt (vgl. Schlosser, Europäisches Zivilprozessrecht, 2004, Art. 5 EuGVVO Rz. 3a; zur im Deliktsgerichtsstand einzuklagenden, nach französischem Recht vertraglich ausgestalteten Produzentenhaftung: EuGH, Urt. v. 17.6.1992 - Rs. C-26/91 - Slg. 1992 S. I-3967, Handte; Schlosser, a.a.O., Art. 5 EuGVVO Rz. 17).
Rz. 14
b) Im Zusammenhang mit der Auslegung der dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LuGÜ inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ hat der EuGH darauf hingewiesen, dass sich der Begriff der unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, i.S.v. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ nach ständiger Rechtsprechung auf alle nicht an einen Vertrag i.S.v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfenden Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird (vgl. EuGH, Urteile vom 27.10.1998, Réunion européenne, Rz. 22; vom 11.7.2002, Gabriel, Rz. 33; vom 20.1.2005, Engler, Rz. 29). Im Hinblick darauf sei zunächst zu prüfen, ob eine Klage als Klage aus einem Vertrag zu qualifizieren sei, wobei Art. 13 EuGVÜ als lex specialis gegenüber Art. 5 Nr. 1 den Vorrang habe. Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ sei nur dann anzuwenden, wenn erstens der Kläger ein privater Endverbraucher sei, zweitens die Klage an einen zwischen diesem Verbraucher und einem gewerbsmäßigen Verkäufer geschlossenen Vertrag anknüpfe, der u.a. die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand habe und der gegenseitige, voneinander abhängende Pflichten zwischen den beiden Parteien des Vertrages habe entstehen lassen, und drittens die beiden spezifischen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b erfüllt seien (vgl. EuGH, Urteile vom 11.7.2002, Gabriel, Rz. 38 bis 40, 47 bis 51; vom 20.1.2005, Engler, Rz. 34). Die Begriffe "Werbung" und "ausdrückliches Angebot" in der Formulierung der ersten dieser Voraussetzungen umfassten alle Formen der Werbung in dem Vertragsstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz habe, also auch Angebote, die dem Verbraucher persönlich unterbreitet würden. Bei der zweiten dieser Voraussetzungen beziehe sich der Ausdruck "zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen" auf jede schriftliche Rechtshandlung und jeden anderen Schritt des Verbrauchers in seinem Wohnsitzstaat, in denen sein Wille, der Aufforderung des Gewerbetreibenden Folge zu leisten, zum Ausdruck komme (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.2002, Gabriel, Rz. 44 f.). Für die Rechtshandlung als solche genügt also die Abgabe jeder zum Vertragsschluss führenden Erklärung des Verbrauchers (Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 2007, S. 153 m.w.N.). Erfolgt der Abschluss einer Anlage über einen inländischen Vermittler, der die Vertragsabschlusserklärung des Anlegers weiterleitet, werden demnach Anleger die zum Abschluss erforderliche Rechtshandlung regelmäßig in ihrem Wohnsitzstaat vornehmen (Benicke, WM 1997, 951).
Rz. 15
In der Rechtssache Gabriel hat der EuGH nach diesen Grundsätzen die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ bei einer Klage bejaht, mit der ein Verbraucher aus § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes einen (gesetzlichen) Anspruch gegen einen Unternehmer geltend machte, der eine Gewinnzusage gemacht hatte. Maßgebend hierfür war, dass diese untrennbar mit einer Warenbestellung und folglich mit dem Abschluss eines Vertrags verbunden war. Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ könne nämlich nicht dahin ausgelegt werden, dass nur bestimmte Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag unter die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 13 bis 15 des Übereinkommens fielen, während andere Klagen, die zu diesem Vertrag eine so enge Verbindung aufwiesen, dass sie von ihm nicht getrennt werden könnten, nach anderen Vorschriften zu beurteilen seien (vgl. EuGH, Urteile vom 11.7.2002, Gabriel, Rz. 56; vom 14.5.2009 - Rs. C-180/06 - Slg. 2009 I-3961, Ilsinger, Rz. 44). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der EuGH dies in seinem Urteil vom 20.1.2005, Engler (Rz. 36 ff.), nicht relativiert. In diesem ebenfalls österreichischen Fall war nämlich die Gewinnzusage nicht mit einer Warenbestellung verbunden. Der für die Anwendung des Art. 13 LugÜ erforderliche Verbrauchervertrag, dem das Gewinnversprechen hätte zugeordnet werden können, fehlte demnach (EuGH, Urteil vom 14.5.2009, Ilsinger, Rz. 43 ff.).
Rz. 16
c) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall alle Voraussetzungen für eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 LugÜ erfüllt.
Rz. 17
aa) Zwischen dem Kläger und der Beklagten wurde der nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ erforderliche (Verbraucher-)Vertrag abgeschlossen. Die Beklagte unterbreitete dem Kläger, der sein privates Vermögen anlegen wollte, in seinem Wohnsitzstaat durch ihren Vertriebsbeauftragten ein "Angebot" für einen Vermögensverwaltungsvertrag, der den Verwalter zur Verwaltung des Vermögens eines Kunden in dessen Interesse verpflichtet und ein Dienstleistungsvertrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages ist (BGH, Urt. v. 28.10.1997 - XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69, 73). Für ein "Angebot" i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) LugÜ genügte dabei nach der gebotenen autonomen Auslegung, dass der andere Vertragspartner den Kläger als Verbraucher aufforderte, seinerseits ein Angebot abzugeben (vgl. auch Kleinknecht, a.a.O., S. 153 m.w.N.), was der Kläger durch Aushändigung der unterschriebenen Vertragsunterlagen tat. Dieses Angebot hat die Beklagte durch Gegenzeichnung angenommen.
Rz. 18
bb) Nach den oben dargelegten Kriterien liegt auch die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LugÜ genannte Voraussetzung vor, dass der Verbraucher in seinem Staat die "zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen" vorgenommen hat. Das Berufungsgericht bezweifelt dies zwar, weil insoweit nicht der Vermögensverwaltungsvertrag als Rahmenvertrag maßgeblich sei, sondern der Zeichnungsschein als Durchführungsvertrag. Der ursprüngliche "Zeichnungsschein mit Wiederanlageauftrag" sei jedoch durch den später in der Schweiz geschlossenen ersetzt worden und erst dieser habe den eingeklagten Schaden verursacht. Dies wird aber den hier gegebenen Umständen nicht gerecht. Diese sind vielmehr dadurch geprägt, dass der Kläger beim Besuch des Vertriebsbeauftragten der Beklagten am 17.3.1998 bereits alles getan hatte, was von seiner Seite her erforderlich war, um eine auf vertraglicher Grundlage beruhende Vermögensverwaltung durch die Beklagte, den danach erfolgten Vertragsschluss sowie die getätigte Anlage herbeizuführen.
Rz. 19
Es ist zwar möglich, dass Rahmenverträge - etwa reine Vertriebsrahmenverträge ohne konkrete kaufvertragliche Verpflichtungen - keine Art. 13 LugÜ unterfallenden Verpflichtungen begründen (vgl. Musielak/Stadler, a.a.O., Art. 5 EuGVVO Rz. 9; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 4c). Im Streitfall wurden aber bereits am 17.3.1998 und mit der nachfolgenden Gegenzeichnung des Verwaltungsauftrags durch die Beklagte gegenseitige vertragliche Verpflichtungen begründet. Der streitgegenständliche Vermögensverwaltungsauftrag legte die nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ vorausgesetzten dienstvertraglichen Pflichten bereits fest, wonach die Beklagte Geld des Klägers in dessen Interesse aufgrund eigenverantwortlicher Anlageentscheidungen mit einer von der Beklagten herzustellenden Geschäftsbeziehung zur Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich gegen Vergütung verwalten sollte. Zudem unterschrieb der Kläger am 17.3.1998 an seinem Wohnort einen Zeichnungsschein mit einem Wiederanlageauftrag, mit dem er seinerseits verbindliche Verpflichtungen ggü. der Beklagten eingegangen ist. Dass mit dem von der Beklagten gegengezeichneten Vermögensverwaltungsauftrag und der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins bereits die für Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ erforderlichen gegenseitigen Verpflichtungen begründet werden sollten, wird auch daran deutlich, dass der Kläger am 17.3.1998 schon die Auslandsbearbeitungsgebühr an den Vertriebsbeauftragten der Beklagten übergeben hat, die ihre Grundlage in dem Zeichnungsschein findet.
Rz. 20
cc) Soweit das Berufungsgericht Zweifel geäußert hat, ob der für den konkreten Schaden ursächliche Anlagevertrag in Deutschland zustande gekommen ist, weil der in Deutschland unterschriebene Zeichnungsschein später in Zürich durch einen inhaltlich abweichenden Zeichnungsschein ersetzt worden ist, steht dies den vorstehenden Ausführungen nicht entgegen.
Rz. 21
Dieser zweite Zeichnungsschein kam bereits seinem Wortlaut nach "aufgrund des Vermögensverwaltungsauftrags" zustande. Zudem ist bei der Auslegung die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1985 - III ZR 80/84, NJW 1986, 1490; v. 1.10.2002 - IX ZR 443/00, NJW 2003, 59; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. I, 13. Aufl., S. 87 f.; Staudinger/Löwisch, BGB (2005), § 311 Rz. 74). Die bloße Streichung des ersten "Zeichnungsscheins" belegt einen solchen Willen nicht (vgl. RGZ 119, 21, 24). Dies war auch dann sinnvoll, wenn der erste "Zeichnungsschein" im zweiten aufgegangen sein soll, um dem Missverständnis entgegenzuwirken, beide würden nebeneinander gelten. Auch dass der Kläger nach Aussage seiner Ehefrau keine jährlichen Zahlungen mehr vereinbaren wollte, ließ sich durch einen Änderungsvertrag erreichen, bei dem alle wechselseitigen Verpflichtungen weiterhin auf dem bereits im März 1998 zustande gekommenen Schuldverhältnis gründeten. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, weil das Berufungsgericht dies offen gelassen hat und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06, BGHZ 179, 186 Rz. 14; Wenzel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 546 Rz. 10; Musielak/Ball, a.a.O., § 546 Rz. 5). Für den im Jahr 2001 vereinbarten Austausch der depotführenden Bank erwägt auch das Berufungsgericht zutreffend keine Novation. Selbst wenn man die einzelnen Zeichnungsscheine anders beurteilen würde, käme es für die Annahme einer internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte darauf nicht an. Diese knüpft nämlich daran an, dass der abgeschlossene Verwaltungsvertrag Grundlage für alle nachfolgenden Handlungen des Klägers war und für diesen Vertrag die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ erfüllt sind.
Rz. 22
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird im Streitfall auch der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 KWG "aus einem Vertrag" i.S.v. Art. 13 Abs. 1 LugÜ geltend gemacht. Er wird mithin von der internationalen Zuständigkeit nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 LugÜ erfasst. Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts wird den im Wege der autonomen Auslegung vom EuGH entwickelten Grundsätzen zur Auslegung der dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ nicht gerecht.
Rz. 23
aa) Für eine Anknüpfung an einen Vertrag und die Begründung der Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ genügt, dass sich die Schadenshaftung allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine Klage, die auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, eine so enge Verbindung zu dem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. EuGH, Urteile vom 11.7.2002, Gabriel, Rz. 38, 56; vom 14.5.2009, Ilsinger, Rz. 44). Dies entspricht dem Zweck der Sonderregelung der Art. 13 ff. LuGÜ, wonach der Verbraucher als der wirtschaftlich schwächere und rechtlich weniger erfahrene Vertragspartner geschützt werden soll und ihm der Entschluss zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte nicht dadurch erschwert werden darf, dass er bei den Gerichten des Staates klagen muss, in dessen Hoheitsgebiet sein Vertragspartner seine Niederlassung hat (vgl. zum Brüsseler Abkommen EuGH, Urt. v. 19.1.1993 - Rs. 89/91 - Slg. 1993 S. 139, Shearson Lehmann Hutton, Rz. 18). Dagegen bezieht sich Art. 5 Nr. 3 LügU nur auf alle nicht an einen Vertrag anknüpfenden Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird (vgl. EuGH, Urteile vom 27.10.1998, Réunion européenne, Rz. 22; vom 11.7.2002, Gabriel, Rz. 33; vom 20.1.2005, Engler, Rz. 29; Dasser/Oberhammer/Oberhammer, Kommentar zum Lugano - Übereinkommen (LugÜ), 2008, Art. 5 Rz. 20; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 Brüssel I-VO, Rz. 78).
Rz. 24
bb) Im Streitfall besteht für den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG die für die Bejahung des Verbrauchergerichtsstands geforderte enge Verbindung zu dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag. Der Kläger verlangt nämlich als Verbraucher von seinem Vertragspartner den diesem vereinbarungsgemäß zur Verwaltung überlassenen Geldbetrag ersetzt, weil jener den Vertrag aufgrund eines gegen ihn gerichteten gesetzlichen Verbots nicht habe abschließen dürfen.
Rz. 25
Die Erlaubnispflicht des § 32 KWG bezweckt, dass nur Unternehmen Bankgeschäfte betreiben, die personell und finanziell die Gewähr für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung bieten. Das Erlaubnisverfahren ermöglicht es, das Eindringen ungeeigneter Personen und unzulänglich fundierter Unternehmen in das Kreditgewerbe zu verhindern (Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fischer, KWG, 3. Aufl., § 32 Rz. 3). Es schützt damit zum einen das Finanzsystem, zum anderen aber auch die Anleger (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.2006 - VI ZR 339/04, VersR 2006, 1374 Rz. 13 f.; BT-Drucks. 10/1441, 20). Bei der Erstreckung dieses Erlaubnisvorbehalts auf Finanzdienstleistungen durch Art. 1 Nr. 47 Buchst. a des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997 (BGBl. I, 2518) wurde eine Vorgabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABl. EG Nr. L 141 vom 11.6.1993 S. 27) umgesetzt (vgl. BT-Drucks. 13/7142, 89). Auch diese Richtlinie zielte außer auf die Stabilität des Finanzsystems vor allem auf den Anlegerschutz ab (vgl. Abs. 2 der Erwägungsgründe der Richtlinie 93/22/EWG, a.a.O., S. 27). Das Verbot richtet sich demnach nicht allgemein gegen jedermann, sondern gegen den Finanzdienstleister als Vertragsschließenden, dessen Anleger als Partner eines solchen Vertrages gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG geschützt wird.
Rz. 26
Der Rechtsstreit steht damit in so engem Zusammenhang mit dem Vermögensverwaltungsvertrag, dass er von diesem nicht getrennt werden kann, weil alle dem Abschluss dieses Vertrags folgenden Anlagen bei der Beklagten ihre Grundlage in diesem Vertrag haben. Nur bei Einbeziehung des nach deutschem Recht deliktischen Anspruchs in den Anwendungsbereich des Art. 13 LugÜ wird unter diesen Umständen dessen Normzweck angemessen Rechnung getragen, der an die besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers anknüpft (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.2002, Gabriel, Rz. 39; BGH, Urt. v. 22.4.2009 - VIII ZR 156/07, NJW 2009, 2606 Rz. 15). Diese besondere Schutzbedürftigkeit findet ihren Niederschlag auch in den strengen Voraussetzungen des Art. 15 LugÜ für eine Gerichtsstandsvereinbarung. Würde man im Rahmen des Luganer Übereinkommens Ansprüche, die eine so enge Verbindung mit dem Vertragsschluss haben, gemäß der innerstaatlichen Rechtsordnung als deliktisch qualifizieren, umginge dies den durch diese Strenge beabsichtigten Schutz des Verbrauchers. Die Zurechnung zum Verbrauchergerichtsstand steht nicht in Widerspruch zum Gebot der Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände und der Rechtssicherheit (vgl. EuGH, Urteil vom 17.6.1992, Handte, Rz. 12, 19; Dasser/Oberhammer/Domej, a.a.O., Präambel Protokoll Nr. 2 Rz. 32; Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO Art. 5 Rz. 2 m.w.N.), weil der verklagte Vermögensverwalter voraussehen kann, dass er für solche Klagen seines Vertragspartners, die einen engen Zusammenhang mit dem Verbrauchervertrag haben, im Gerichtsstand nach Art. 13 LugÜ in Anspruch genommen werden kann. Dem übereinkommensautonom gewonnenem Ergebnis steht mithin nicht entgegen, dass es sich nach deutschem und damit nationalem Recht beim Zahlungsverlangen in Höhe des verlorenen Geldes gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG um einen deliktischen Schadensersatzanspruch handelt (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.2005 - VI ZR 339/04, a.a.O.; - VI ZR 340/04, WM 2006, 1896, 1897; - VI ZR 341/04, juris).
III.
Rz. 27
Das Urteil ist nach allem aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat bisher nur die für eine Prüfung der internationalen Zuständigkeit erheblichen Tatsachen festgestellt und im Übrigen auf die Feststellungen des LG verwiesen, die den Sachverhalt nicht ausschöpfen. Es hat nunmehr Gelegenheit, ausgehend von dem Geschehen im März 1998 unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt geltenden kollisionsrechtlichen Rechtslage zur Sache zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 2538566 |
BGHZ 2011, 156 |
BB 2010, 2833 |
BB 2010, 3049 |
NJW 2011, 532 |
EBE/BGH 2010 |
EWiR 2010, 795 |
WM 2010, 2163 |
WuB 2011, 119 |
ZIP 2010, 2264 |
AnwBl 2011, 122 |
EuZW 2011, 34 |
IPRax 2011, 488 |
MDR 2010, 1482 |
RIW 2011, 73 |
GWR 2010, 581 |
ZGS 2010, 550 |
ELF 2010, 85 |
EuLF 2010, 191 |