Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats III) des Bundespatentgerichts vom 13. November 1997 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des am 28. Januar 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 30. Januar 1992 angemeldeten europäischen Patents 553 802 (Streitpatents), dessen Erteilung am 9. August 1995 bekanntgemacht wurde. Das Streitpatent betrifft eine Antriebsvorrichtung für eine Schranke oder dergleichen; wegen des Wortlauts seiner Ansprüche in der erteilten Fassung wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung hat sie sich auf die bereits im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften, namentlich die deutsche Offenlegungsschrift 37 15 936 und das Gebrauchsmuster 90 00 478, berufen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat sie das Streitpatent nur noch beschränkt mit insgesamt sieben Patentansprüchen verteidigt. Danach sollten die Patentansprüche 1 bis 3 wie folgt lauten:
„Antriebsvorrichtung für einen zwischen zwei Endpositionen um einen vorbestimmten Schwenkwinkel von vorzugsweise im wesentlichen 90° schwenkbaren Schrankenbaum (9) oder dgl. mit einem von einem Träger (1) getragenen, elektrischen Antriebsmotor (3), der über ein Zahnradgetriebe (4) und einen Kurbeltrieb (6, 7, 10) eine Baumwelle (8) hin- und herdreht, sowie mit am Träger (1) angreifender Ausgleichsfeder (13) für die Schranke,
dadurch gekennzeichnet,
daß die als Druckfeder wirkende Ausgleichsfeder (13) über eine Kurbel (6) des Kurbeltriebs (6, 7, 10) an einer jeweils um den doppelten Schwenkwinkel des Schrankenbaums (9) hin- und herdrehenden Getriebewelle (5) eines dem Antriebsmotor (3) nachgeschalteten Getriebes (4) angreift, wobei die Ausgleichsfeder (13) über eine mit einem Federtopf versehene und von einer Bohrung der Kurbel (6) aufgenommene Federtopfwelle (12) mit der Kurbel (6) gekoppelt ist, wobei die Bohrung für die Federtopfwelle (12) in der Kurbel (6) gegenüber der Verbindungslinie zwischen den Achsen der Getriebewelle (5) und eines an der Kurbel (6) befindlichen Gelenks zur Verbindung von dieser mit einem nachfolgenden Teil (7) des Kurbeltriebs (6, 7, 10) um die Achse der Getriebewelle (5) derart verdreht angeordnet ist, daß sich in der geschlossenen Endposition des Schrankenbaums (9) für das Getriebe (4) ein resultierendes, kleines Drehmoment gegen die Schließstellung ergibt.
Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß bei waagerecht verlaufender Ausgleichsfeder (13) die Bohrung für die Federtopfwelle (12) um einen Winkel (ß) von etwa 40° um die Achse der Getriebewelle (5) verdreht angeordnet ist.
Antriebsvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Bohrung für die Federtopfwelle (12) in der Kurbel (6) gegenüber der Verbindungslinie zwischen den Achsen der Getriebewelle (5) und eines an der Kurbel (6) befindlichen Gelenks zur Verbindung von dieser mit einem nachfolgenden Teil (7) des Kurbeltriebs (6, 7, 10) um einen Winkel (ß) um die Achse der Getriebewelle (5) derart verdreht angeordnet ist, daß die Ausgleichsfeder (13) durch entsprechende Vorspannung in der geöffneten Endposition der Schranke ein geringes Drehmoment in die Schließstellung auf den Schrankenbaum (9) ausübt.”
Das Bundespatentgericht, auf dessen Urteil wegen des Wortlauts der verteidigten weiteren Patentansprüche 4 bis 7 verwiesen wird, hat das Streitpatent unter Klageabweisung im übrigen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß die Patentansprüche die verteidigte Fassung erhalten haben.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren im Umfang der verteidigten Patentansprüche 1 bis 3 weiter und beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent im Umfang der neugefaßten Patentansprüche 1 bis 3 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. K., ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten des Prof. Dr.-Ing. W., die Beklagte ein Gutachten des Prof. Dr.-Ing. habil. H. vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg; der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, daß dem Gegenstand der verteidigten Patentansprüche die Patentfähigkeit fehlt.
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Antriebsvorrichtung für einen Schrankenbaum oder dergleichen, der zwischen zwei Endpositionen um einen vorbestimmten Schwenkwinkel von vorzugsweise etwa 90° verschwenkbar ist. Der Schrankenbaum wird dabei von einem Elektromotor angetrieben, der an einem Träger befestigt ist und die Baumwelle über ein Zahnradgetriebe und einen Kurbeltrieb hin- und herdreht. Am Träger greift ferner eine Ausgleichsfeder für die Schranke an.
Eine derartige Antriebsvorrichtung ist, wie die Streitpatentschrift beschreibt, aus der deutschen Offenlegungsschrift 37 15 936 bekannt. Die Ausgleichsfeder zur Drehmomententlastung des Antriebsgetriebemotors ist zwischen dem Träger und einem an der Baumwelle angreifenden Hebel, der Teil des Kurbelgetriebes ist, vorgesehen. Die Streitpatentschrift bemängelt, der Antriebsgetriebemotor sei trotz der Ausgleichsfeder relativ stark auszulegen, da das Kurbelgetriebe eine ungleichförmige Übersetzung liefere und daher die Drehmomententlastung nicht optimal wirke. Außerdem bedinge der erforderliche Federweg einen relativ langen Federkurbelarm, der eine kompakte Bauweise beeinträchtige.
Als Aufgabe der Erfindung gibt die Patentschrift an, eine Antriebsvorrichtung der bekannten Art zu schaffen, bei der die Drehmomentbelastung und der elektrische Energieverbrauch des Antriebsgetriebemotors wesentlich verringert sind und kleinere Kurbelarme für die Ausgleichsfedern benötigt werden.
Hierzu schlägt das Streitpatent eine Antriebsvorrichtung für einen Schrankenbaum mit folgenden Merkmalen vor:
- Der Schrankenbaum (9) ist zwischen zwei Endpositionen um einen vorbestimmten Schwenkwinkel (vorzugsweise im wesentlichen 90°) schwenkbar.
- Die Vorrichtung weist einen von einem Träger (1) getragenen elektrischen Antriebsmotor (3) auf.
Der Antriebsmotor (3) dreht eine Baumwelle (8) hin und her über
- ein ihm nachgeschaltetes Zahnradgetriebe (4) und
- einen Kurbeltrieb (6, 7, 10).
Es ist eine Ausgleichsfeder (13) für die Schranke vorgesehen, die angreift
- einerseits am Träger (1) und
- andererseits über eine Kurbel (6) des Kurbeltriebs (6, 7, 10) an der Getriebewelle (5) des Zahnradgetriebes (4).
Die Ausgleichsfeder (13)
- wirkt als Druckfeder und
- ist mit der Kurbel (6) über eine Federtopfwelle (12) gekoppelt, die mit einem Federtopf versehen ist und von einer Bohrung der Kurbel (6) aufgenommen wird.
- Die Bohrung ist gegenüber der Verbindungslinie zwischen den Achsen der Getriebewelle (5) und eines Gelenks, das die Kurbel (6) mit dem nachfolgenden Teil (7) des Kurbeltriebs (6, 7, 10) verbindet, um die Achse der Getriebewelle (5) derart verdreht angeordnet, daß sich in der geschlossenen Endposition des Schrankenbaums (9) für das Getriebe (4) ein resultierendes kleines Drehmoment gegen die Schließstellung ergibt.
- Die Getriebewelle (5) dreht jeweils um den doppelten Schwenkwinkel des Schrankenbaum (9) hin und her.
Die nachfolgenden Figuren zeigen die Seitenansicht eines Ausführungsbeispiels (Bezugszeichen 5, 12 und 13 zum besseren Verständnis hinzugefügt) sowie den Verlauf des Getriebedrehmoments für die Antriebsvorrichtung gegenüber dem Drehwinkel ([phgr]) der Getriebewelle, wobei Figur 1 die Stellung des Kurbeltriebes in dergeöffneten Position des Schrankenbaumes zeigt. Demgegenüber ist Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 auf die geschlossene Position des Schrankenbaums abgestellt. Die Stellung von Feder und Kurbeltrieb in der geschlossenen Position kann der Fachmann aus Figur 1 in der Weise ableiten, daß er sich die Kurbel (6) um 180° um den Mittelpunkt der Getriebewelle (5) verschwenkt vorstellt.
2. Um das aus Antriebsmotor, gleichmäßig übersetzendem Getriebe (= Zahnradgetriebe), ungleichmäßig übersetzenden Getriebe (= Kurbeltrieb oder Viergelenkgetriebe) und Schrankenbaum bestehende, bewegte Teilsystem mit möglichst geringer Antriebsmotorleistung betreiben zu können, ist es, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, so auszulegen, daß es sich in allen Betriebsstellungen etwa im Gleichgewicht befindet, d.h. nicht in der einen oder anderen Richtung von alleine (ohne Einwirkung von außen) zu drehen beginnt. Die in diesem System insbesondere am Schrankenarm wirkenden Schwerkräfte und die (gegensinnigen) Federkräfte sollten so groß sein, daß weder die eine noch die andere Art Kräfte das System in die eine oder andere Drehrichtung zu bewegen vermag. Dabei können aus Vereinfachungsgründen die Reibkräfte und Reibmomente des Systems vernachlässigt bzw. als verhältnismäßig gering angenommen werden. D.h., die resultierende Drehmomentsverlaufskurve (A) aus Schwerkräften und Federkräften, wie sie in Fig. 3 der Streitpatentschrift dargestellt ist, sollte möglichst nahe der Abszisse, im Idealfall auf der Abszisse verlaufen. In diesem Idealfall wären von einem Antriebsmotor lediglich noch Reibleistungen sowie Beschleunigungs- und Verzögerungsleistung aufzubringen und keine Leistungen mehr, um dem System Energie zu liefern oder aus diesem herauszunehmen.
Zur Erzeugung einer dem Idealfall möglichst nahe kommenden Drehmomentverlaufskurve T(2) = f ([phgr](2)) bedarf es Federmotoren, die so ausgelegt sind, daß die durch die Schwerkraft des Baums verursachten Drehmomente und die durch den Federmotor verursachten Drehmomente in jeder Schrankenstellung möglichst gleich groß, aber entgegengesetzt wirkend sind. Die Ausgleichsfeder soll also möglichst in jeder Schrankenstellung das entgegengesetzte Drehmoment ausgleichen.
Das als Aufgabe der Erfindung bezeichnete Ziel, Drehmomentenbelastung und elektrischen Energieverbrauch des Antriebsgetriebemotors wesentlich zu verringern, versteht der Fachmann hiernach dahin, daß der Drehmomentenverlauf dem Idealverlauf möglichst gut angenähert werden soll. Da der Schwerkraftdrehmomentenverlauf des Schrankensystems durch die Gestalt der Systembauteile und durch die (natürliche) Schwerkraft festgelegt ist, läßt sich das technische Problem auch dahin formulieren, eine Federanordnung und eine Federkraftsteuerung anzugeben, welche einen Federdrehmomentenverlauf erzeugen kann, der zumindest annähernd spiegelsymmetrisch zum Schwerkraftmomentenverlauf ist und das Drehmoment des Schrankenbaums in jeder Stellung zu kompensieren vermag. Dies soll zudem mittels kleinem Bauvolumen erreicht werden.
Zur Lösung dieses Problems sieht das Streitpatent folgende Maßnahmen vor:
Zum einen wird die Ausgleichsfeder als Druckfeder ausgestaltet und ist über einen gelenkigen, mit der Kurbel 6 verbundenen Federtopf an die Kurbel 6 zu koppeln (Merkmal 5), über die sie an der Getriebewelle des Zahnradgetriebes angreift (Merkmal 4.2). Anders als im Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 37 15 936 soll die Ausgleichsfeder nicht zwischen Gestell (Träger) und Abtriebsschwinge, sondern zwischen Gestell (Träger) und Antriebskurbel angeordnet werden. Da das kleinste Übersetzungsverhältnis zwischen Antriebskurbel und Abtriebsschwinge größer 1 ist (etwa 1,5:1 bis 2:1, wie der Sachverständige erläutert hat), kann die von einer Ausgleichsfeder zu erzeugende Kraft, welche auf die Antriebskurbel in einem bestimmten Abstand vom Gestelldrehpunkt dieser Kurbel wirkt, um den Faktor ca. 1,5 bis 2 kleiner sein als die Kraft einer Ausgleichsfeder, welche zum gleichen Zweck an der Abtriebsschwinge an einem gleich langen Hebelarm angreift. Das ermöglicht, wie auch die Klägerin ausdrücklich einräumt, bei sonst gleichen Eigenschaften eine kleinere, kompaktere Bauweise als bei Anordnung der Ausgleichsfeder zwischen Gestell und Abtriebsschwinge.
Dabei ist die Bohrung für die Federtopfwelle in der Kurbel so auf dieser anzuordnen, daß sich ein kleines resultierendes Drehmoment gegen die Schließstellung (in Richtung Öffnen der Schranke) ergibt, wenn sich die Kurbel in der Position befindet, die sie einnimmt, wenn der Schrankenbaum in Schließstellung ist (Merkmal 6). Aus dieser Anordnung ergibt sich zugleich das in Anspruch 3 angesprochene Drehmoment in die Schließstellung, wenn sich der Schrankenbaum in der in Figur 1 gezeigten Offenstellung befindet. Mit Merkmal 6 ist zwar keine exakte Position der Bohrung für die Federtopfwelle in der Kurbel beschrieben. Das ist jedoch auch nicht erforderlich. Die Streitpatentschrift wendet sich nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen – die mit denen des Gutachters der Beklagten übereinstimmen – an einen Maschinenbauingenieur mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluß, der über Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen auf den Gebieten der Getriebelehre und der elektrischen Steuerungstechnik sowie in der Mechanik und der Konstruktionslehre besitzt. Dieser Fachmann kann, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats dargestellt hat, aufgrund der Anweisung des Merkmals 6 und seiner Erläuterung in der Patentschrift mit Hilfe seines Fachwissens die im konkreten Anwendungsfall nach der erfindungsgemäßen Lehre sachgerechte Anordnung der Bohrung bestimmen.
Ihm stehen die Auslegedaten einer Feder (Federkennlinie und Vorspannung), Federweg und Federanordnung (Abstand des Federangriffspunktes vom Hebeldrehpunkt und Richtung der Federdrehkraft) zur Verfügung, um eine günstige Federdrehmomentenverlaufskurve zu erzeugen. Er weiß, daß sich die auf ein Getriebeglied einwirkende Kraft – außer durch Ändern des Federweges – auch noch dadurch ändern läßt, daß man die Richtung der Federkraft zur Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes der Feder an dem betreffenden Getriebeglied ändert; sie läßt sich auf Null steuern, wenn diese Richtungen senkrecht zueinander stehen (Totlage derFeder). Bei einer Antriebsvorrichtung der vorliegenden Art werden typischerweise die Totlagen desKurbeltriebes für die Endpositionen der Schranke benutzt. Der Fachmann entnimmt der Patentschrift, daß mittels der „verdrehten” Anordnung die Richtung der Federkraft zur Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes der Feder an der Kurbel so gewählt werden soll, daß sich in der Getriebetotlage das gewünschte „kleine” Drehmoment gegen die Schließstellung ergibt, das die Öffnung des Schrankenbaums unterstützt. Die Ausgleichsfederkraft soll in der Getriebetotlage in der geschlossenen Endposition des Schrankenbaums nur in etwa senkrecht zur Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes an der Kurbel 6, d.h. annähernd in Richtung der „Totlinie” (gestrichelte Linie in Figur 1) wirken; die Ausgleichsfeder soll sich in der Totlage des Getriebes ebenfalls nahe ihrer Totlage, aber nichtin der Totlage befinden. Dazu muß die Wirkungslinie der Feder an dem Getriebedrehpunkt vorbeilaufen.
Die genaue Positionierung der Bohrung und die (u.a.) von ihr abhängige Größe des Drehmoments gegen die Schließstellung hängen davon ab, wie am besten das in Merkmal 6 angesprochene Drehmoment und die Ausgleichsfunktion der Feder über den gesamten Schwenkbereich im übrigen so miteinander in Einklang zu bringen sind, daß die Feder den idealen Momentenverlauf möglichst gut angenähert zu erzeugen vermag. Dazu muß der Fachmann Kurbeltrieb und Feder entsprechend konstruieren. Diese konkrete Konstruktion muß und kann die Patentschrift nicht vorgeben. Es genügt, daß sie die Parameter angibt, die hierbei zu beachten sind, und damit dem Fachmann die entscheidende Richtung angibt, in der er mit Erfolg weiterarbeiten und die jeweils günstigste Lösung auffinden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.1967 – Ia ZB 14/66, GRUR 1968, 311, 313 – Garmachverfahren; Sen.Urt. v. 5.7.1994 – X ZR 104/92, BGH-DAT Zivilsachen – verschleißfeste Oberfläche).
II. Hieraus ergibt sich zugleich, daß das Streitpatent die Erfindung hinsichtlich Anordnung der Ausgleichsfeder zur Achse der Getriebewelle und zur Totlagenlinie so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.
Der Nichtigkeitsgrund des Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ liegt auch im übrigen nicht vor.
Die Klägerin macht allerdings geltend, das Streitpatent erziele die angegebenen Vorteile nicht, weil durch die gelehrten Maßnahmen keine Energieersparnis erzielt, sondern vielmehr ein hoher Energiebedarf verursacht werde. In dem Gutachten, das Prof. Dr.-Ing. W. für die Klägerin erstattet hat, werden die Kurven in Figur 3 der Streitpatentschrift als falsch berechnet bezeichnet, da die Kurve C das Vorzeichen wechsele, was nicht zutreffen könne. Im allgemeinen sei eine gute Kompensation der Drehmomente mit einer Feder an der Antriebskurbel nicht möglich, da das Drehmoment infolge Baumgewicht an der Antriebskurbel (Quotient aus dem Moment des Baumgewichts um die Baumwelle und dem Übersetzungsverhältnis des Viergelenks) in komplizierter Weise vom Drehwinkel der Antriebskurbel abhängig sei, während das Moment infolge Federkraft zwar ebenfalls eine komplizierte Funktion des Kurbelwinkels sei, jedoch ganz anderen Gesetzmäßigkeiten als die Funktion des Moments infolge Baumgewicht folge. Der Privatgutachter leitet daraus ab, daß man ohne weitere Wahlgrößen im allgemeinen nicht hoffen könne, eine Kurve B zu erzeugen, die an jeder Stelle ein gutes Spiegelbild von Kurve C sei. Mit diesem Vorbringen, das das Schwergewicht ihres Angriffs gegen das Streitpatent bildet, kann die Klägerin nicht durchdringen.
Die Verpflichtung des Anmelders zur vollständigen Offenbarung der Erfindung (Art. 83 EPÜ) soll ihn veranlassen, die Lehre, für die er die Erteilung eines Patents erstrebt, in einem solchen Umfang zunächst der Erteilungsbehörde und durch deren Vermittlung später der Öffentlichkeit aufzudecken, daß es einem Fachmann möglich ist, diese Lehre umzusetzen. Daraus folgt zugleich, daß von ihm (nur) das aufzudecken ist, was notwendig ist, um den Fachmann in den Stand zu versetzen, die Lehre praktisch zu verwirklichen (Sen.Urt. v. 8.12.1983 – X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 273 – Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung). Eine ausreichende Offenbarung ist allerdings schon dann zu verneinen, wenn der Durchschnittsfachmann die technische Lehre des Patentanspruchs nur unter großen Schwierigkeiten und nicht oder nur durch Zufall ohne vorherige Mißerfolge zur Erreichung des angestrebten Erfolgs praktisch verwirklichen kann (Sen.Urt. v. 4.10.1979 – X ZR 3/76, GRUR 1980, 166, 168 – Doppelachsaggregat II). Das ist hier indessen nicht die Frage. Es geht nicht darum, ob die beanspruchte technische Lehre so deutlich und vollständig offenbart ist, daß ein Fachmann sie ausführen kann, sondern darum, inwieweit tatsächlich die angegebenen Vorteile erzielt werden, wenn der Fachmann das ausführt, was als Erfindung in der Streitpatentschrift umschrieben ist. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch mangelnde technische Brauchbarkeit einer Lehre als fehlende Ausführbarkeit gewertet werden kann, bedarf hier schon deshalb keiner Erörterung, weil die Erfindung unstreitig eine kompaktere Bauweise der Antriebsvorrichtung ermöglicht.
Im übrigen gehen die Einwände der Klägerin von falschen Voraussetzungen aus. Denn wie die Beklagte einleuchtend dargelegt hat, erklärt sich der Vorzeichenwechsel in Figur 3 des Streitpatents durch eine der Darstellung zugrundeliegende Auslegung der Antriebsvorrichtung, bei der die Schranke zur Erhöhung der Arbeitsfrequenz schnell öffnet und schnell schließt, um ein unerlaubtes Passieren der Durchfahrt nach Möglichkeit auszuschließen. Hierzu wird der Baum zu Beginn des Schließvorgangs aus der senkrechten Baumstellung heraus im Getriebewinkelbereich von 0 bis 63° stark beschleunigt, und zwar so stark, daß er sich schneller aus der senkrechten Stellung heraus bewegt, als er sich im freien Fall bewegen würde. Das hat der Privatgutachter der Klägerin nicht berücksichtigt, der in seinem Gutachten davon ausgeht, daß bei Schranken nur sehr kleine Beschleunigungen aufträten. Nach dem unwiderlegten Vorbringen der Beklagten hat sich gezeigt, daß die Merkmal 6 entsprechende Anlenkung der Ausgleichsfeder an der Getriebekurbel zusätzlich zum Moment aus der Gewichtskraft auch das Moment aus Verzögerungen und Beschleunigung des Schrankenbaums in der Nähe der geschlossenen Stellung des Schrankenbaums recht gut ausgleichen kann. Der Privatgutachter der Klägerin räumt seinerseits ein, daß es „vielleicht manchmal doch recht gut” gelingen könne, eine Kurve B zu erzeugen, die an jeder Stelle ein gutes Spiegelbild von Kurve C sei. Das schließt es aus festzustellen, daß mit der erfindungsgemäßen Lehre günstige Drehmomentenverläufe nicht erreicht werden können.
Danach kommt es aber nicht mehr darauf an, inwieweit (allein) mit den Mitteln des Streitpatents tatsächlich über die gesamte Drehmomentenverlaufskurve ein dem erörterten Stand der Technik überlegener Federdrehmomentenverlauf erzielt wird. Selbst wenn es hierzu auf weitere, in der Streitpatentschrift nicht angesprochene Parameter ankäme, änderte dies nichts daran, daß die erfindungsgemäßen Maßnahmen, die nach dem fachmännischen Verständnis der Streitpatentschrift dem Ziel des möglichst günstigen Austarierens des Gesamtsystems dienen sollen, ausführbar sind und zur Erreichung dieses Zieles jedenfalls bei schnellaufenden Schranken beitragen.
III. Ein Gegenstand mit den vorstehend dargestellten Merkmalen ist in keiner der Entgegenhaltungen vollständig beschrieben; er ist daher, wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, neu.
1. Die in der in der Streitpatentschrift erörterten deutschen Offenlegungsschrift 37 15 936 beschriebene Antriebsvorrichtung besteht wie die erfindungsgemäße aus einem Elektromotor, einem gleichmäßig übersetzenden Zahnrad- oder Schneckengetriebe, einem daran anschließenden Viergelenkgetriebe sowie einem Schwenkteil (Schrankenbaum). Die gleichfalls vorgesehenen Ausgleichsfedern sind nicht zwischen Gestell und Kurbel (Antriebsglied des Viergelenkgetriebes), sondern zwischen Gestell und Schwinge (Abtriebsglied des Viergelenkgetriebes) angeordnet. Es handelt sich nicht um Druck-, sondern um Zugfedern, die demgemäß mit dem Getriebeglied auch nicht über mit einem Federtopf versehene Federtopfwellen gekoppelt sind, die von Bohrungen des Getriebegliedes aufgenommen werden. Die Merkmale 4.2 bis 5.2 sind somit nicht verwirklicht.
Die Druckschrift lehrt auch nicht, die Koppelstelle für die Ausgleichsfedern so anzuordnen, daß sie gegenüber der „Totlinie” des Kurbeltriebs um die Achse der ihr zugeordneten Getriebewelle derart verdreht angeordnet ist, daß sich in der geschlossenen Endposition des Schrankenbaums für das Getriebe ein resultierendes kleines Drehmoment gegen die Schließstellung ergibt (Merkmal 6). In der Beschreibung ist dazu nichts verlautet. Zwar ändern sich, wie auch der Sachverständige ausführt, bei einer Federaufhängung, wie sie in den Figuren der Entgegenhaltung dargestellt ist, neben dem Federweg auch die Richtungen zwischen Federkraft und Bewegung des Anlenkpunktes zwangsläufig geringfügig. Jedoch wird die Möglichkeit, Federkraftwirkungen durch Änderung der Richtung zwischen der Federkraft und der Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes zu erzielen, nicht gewollt zur Erzeugung einer bestimmten Momentenverlaufskurve eingesetzt. Der Fachmann hat daher keine Veranlassung, die zeichnerische Darstellung in den Figuren in dieser Hinsicht zu analysieren.
2. Der europäischen Patentschrift 290 957 sowie den Unterlagen, die die Klägerin zu der von ihr behaupteten offenkundigen Vorbenutzung vorgelegt hat, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen keine über den Inhalt der deutschen Offenlegungsschrift 37 15 936 hinausgehende Offenbarung zu entnehmen. Die Klägerin hat insoweit auch nichts mehr geltend gemacht.
3. Die im deutschen Gebrauchsmuster 90 00 478 beschriebene Antriebsvorrichtung dient gleichfalls dem Zweck, Schrankenbäume bevorzugt um 90° zu schwenken. Ein Gehäuse ist gemeinsamer Träger für die Funktionseinheiten Antriebsmotor, gleichmäßig übersetzendes Schneckengetriebe, ungleichmäßig übersetzendes Viergelenkgetriebe und Welle zum Antrieb des Schrankenbaums.
Wie beim Streitpatent ist eine Feder an der Kurbel des Viergelenkgetriebes angelenkt und leitet in diese Kräfte ein. Die – entgegen Merkmal 5 als Zugfeder ausgebildete – Feder wirkt in den Totlagen des Viergelenkgetriebes jedoch nicht vorwiegend senkrecht zur Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes, sondern vorwiegend in Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes, d.h. Getriebetotlage und Federtotlage werden nicht wie beim Streitpatent etwa gleichzeitig, sondern um etwa 90° phasenverschoben erzeugt. Der Kurbeltrieb ist durch Federspannung in Richtung fort von jeder seiner beiden Totpunktstellungen beaufschlagt, um die Schranke bei einem Stromausfall notfalls auch von Hand betätigen zu können (S. 3, letzter Abs.). Während beim Gegenstand des Streitpatents die Ausgleichsfeder im Bereich der Totlagen des Viergelenkgetriebes bezogen auf die Bewegungsrichtung des Federanlenkpunktes der Kurbel unter einem Winkel von „nahe” 90° wirkt mit der Folge, daß das von der Feder gelieferte Drehmoment zum Ausgleich statischer Momente in den Totlagen des Viergelenkgetriebes relativ klein, „unterwegs” (auf dem Weg der Kurbel von der einen in die andere Totlage) jedoch relativ groß ist, kann die Feder beim Gegenstand des Gebrauchsmusters im Bereich der Totlagen relativ große, hingegen „unterwegs” nur relativ kleine Drehmomente auf die Antriebskurbel ausüben. In diesem Bereich eignet sie sich daher weniger bzw. nicht zum Ausgleich von Drehmomenten und ist hierfür, wie sich aus der Beschreibung ergibt, auch nicht bestimmt. Merkmal 6 ist daher ebensowenig beschrieben wie im Sinne des Merkmals 4 eine Ausgleichsfeder für die Schranke, die über den gesamten Schwenkweg dem Ausgleich des Drehmoments infolge Baumgewicht dient.
4. Die übrigen Entgegenhaltungen liegen, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten im einzelnen nachgewiesen hat, von der Lehre des Patentanspruchs 1 noch weiter ab und offenbaren – abgesehen davon, daß eine Ausgleichs-Druckfeder in der jedoch keinen Kurbeltrieb betreffenden deutschen Patentschrift 15 30 443 sowie im Gebrauchsmuster 83 00 704 gezeigt ist – nichts, was zusätzlich in Richtung der Erfindung nach dem Streitpatent wiese; auch die Klägerin macht insoweit nichts geltend. Diese Schriften bedürfen daher keiner weiteren Erörterung.
IV. Nach dem Ergebnis der Verhandlung und der Beweisaufnahme hat der Senat auch nicht die Überzeugung gewinnen können, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ.
Ausgehend von der deutschen Offenlegungsschrift 37 15 936 bestand für den Fachmann schon keine Veranlassung, den Angriffspunkt der Ausgleichsfeder von der Schwinge auf die Kurbel des Viergelenkgetriebes zu verlegen. Bis auf das Gebrauchsmuster 90 00 478 verwenden auch alle anderen Antriebsvorrichtungen im Stand der Technik die Anbindung des freien Endes der Ausgleichsfeder an die Baumwelle. Weil die (Sinus-) Funktion des durch die Schwerkraft des Baumes verursachten Drehmoments und der Drehmomentenverlauf einer an der Schwinge angreifenden linearen Feder sich gut entsprechen, liegt dies vielmehr fern, wie der gerichtliche Sachverständige – insoweit in Übereinstimmung mit dem Privatgutachter der Klägerin – in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert hat. Das Gebrauchsmuster 90 00 478 bot zu einer Abweichung hinsichtlich des Angriffspunkts der Ausgleichsfeder auch keine Anregung, da dort die an der Kurbel vorgesehene Ausgleichsfeder nur dazu dient, den Kurbeltrieb aus den Totpunktlagen heraus zu beaufschlagen, um die Schranke bei einem Stromausfall von Hand betätigen zu können, also weder dazu bestimmt noch geeignet ist, über den gesamten Drehwinkel als Ausgleichsfeder zu wirken, und deshalb auch ganz anders ausgelegt werden kann als die erfindungsgemäße Ausgleichsfeder. Um zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen, mußte der Fachmann zudem dazu finden, die Koppelstelle für die Ausgleichsfeder so anzuordnen, daß sie gegenüber der „Totlinie” des Kurbeltriebs um die Achse der ihr zugeordneten Getriebewelle derart verdreht angeordnet ist, daß sich in der geschlossenen Endposition des Schrankenbaums für das Getriebe ein resultierendes kleines Drehmoment gegen die Schließstellung ergibt. Auch dafür gab es weder in der Offenlegungsschrift, noch im Gebrauchsmuster 90 00 478 noch sonst im Stand der Technik ein Vorbild.
Nichts anderes gilt, wenn der Fachmann sich Gedanken über eine mögliche Fortentwicklung der Vorrichtung nach dem Gebrauchsmuster 90 00 478 machte. Da die Ausgleichsfeder in den Totlagen des Viergelenkgetriebes vorwiegend nicht senkrecht zur Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes, sondern in Bewegungsrichtung des Anlenkpunktes wirkt, der Kurbeltrieb durch Federspannung in Richtung fort von jeder seiner beiden Totpunktstellungen beaufschlagt ist, um die Schranke bei einem Stromausfall von Hand betätigen zu können, lehrt das Gebrauchsmuster geradezu das Gegenteil dessen, was das Streitpatent will. Da die Feder beim Gegenstand des Gebrauchsmusters im Bereich der Totlagen relativ große, hingegen „unterwegs” nur relativ kleine Drehmomente auf die Antriebskurbel ausüben kann, führt auch unter Berücksichtigung der deutschen Offenlegungsschrift 37 15 936 kein Weg zu der gegenläufigen Auslegung der Federdrehmomente, die das Streitpatent erzielen will.
V. Die mit der Nichtigkeitsklage ebenfalls angegriffenen, in der Berufungsinstanz noch zur Entscheidung stehenden Patentansprüche 2 und 3 haben weitere Ausgestaltungen der Lehre des Patentanspruchs 1 zum Gegenstand, sind auf diesen rückbezogen und werden daher durch dessen Patentfähigkeit ebenfalls getragen.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 Satz 2 PatG in der nach Art. 29 2. PatGÄndG weiter anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Jestaedt ist erkrankt und verhindert zu unterschreiben. Rogge, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.02.2001 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen