Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkung. Geschenk. Rückforderung. Rückforderungsanspruch. Notbedarf. Bedürftigkeit. Einrede. standesmäßiger Unterhalt. Leistungsfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Einrede nach § 529 Abs. 2 BGB steht nicht dem Rückforderungsanspruch an sich, sondern nur dessen gegenwärtiger Durchsetzung entgegen.
Normenkette
BGB § 529 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 13.3.2003 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Celle aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die 1923 geborene Klägerin, die seit 1990 Sozialhilfe bezieht, übergab der Beklagten, einer Verwandten in der Seitenlinie, im Jahr 1992 einen aus dem Verkauf von Bildern ihres Vaters stammenden Betrag von 40.000 DM, auf den die Beklagte in der Folgezeit Zinsen leistete; der Schenkungscharakter der Zuwendung ist in der Revisionsinstanz nicht mehr im Streit. Im Jahr 2000 forderte die Klägerin den Betrag zurück, worauf die Beklagte erklärte, zur Rückzahlung nicht in der Lage zu sein, weil das Geld u.a. für eine Haussanierung aufgebraucht worden sei. Das LG hat der auf Rückzahlung des Betrags nebst Zinsen gerichteten Klage ggü. der Beklagten unter Klageabweisung gegenüber deren zunächst mitverklagtem Ehemann in der Hauptsache stattgegeben, während das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten unter Zugrundelegung einer Schenkung die Klage auch insoweit wegen Verarmung der Beklagten abgewiesen hat. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 812 ff. BGB nicht zu. Der Anspruch sei zwar dem Grunde nach gegeben. Die Klägerin habe der Beklagten die 40.000 DM geschenkt. Auch sei Notbedarf bei der Klägerin eingetreten. Die Rückforderung sei jedoch nach § 529 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil der standesgemäße Unterhalt des Beschenkten bei Herausgabe des Geschenks gefährdet würde. Die Beklagte verfüge lediglich über ein monatliches Einkommen von 130 EUR, während ihr ein Selbstbehalt von mindestens 1.250 EUR zustehe. Ihr Einkommen müsse die Beklagte daher nicht einsetzen. Die Veräußerung des Familienheims könne nicht verlangt werden, da diese nicht zumutbar sei. Zudem sei die Beklagte noch gemeinsam mit dem Ehemann verpflichtet, ein Ende 2002 mit ca. 175.000 DM valutierendes Darlehen zurückzuführen. Weiter sei das Hausgrundstück als Schonvermögen zu behandeln. Auch einen Realkredit könne die Beklagte nicht aufnehmen.
II. Die Revision greift die Wertung der Geldleistung an die Beklagte als Schenkung nicht an. Sie macht jedoch geltend, § 529 Abs. 2 BGB gebe dem Beschenkten lediglich eine Einrede, die, soweit sie durchgreife, zur Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet führe, wie dies für die Bestimmung des § 519 Abs. 2 BGB anerkannt sei. Zudem habe das Berufungsgericht nicht ausreichend beachtet, dass der Beschenkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 BGB darlegungs- und beweispflichtig sei. Bei der Feststellung, die Beklagte sei nicht in der Lage, einen Realkredit aufzunehmen, habe das Berufungsgericht nicht beachtet, dass hierzu Vortrag der Beklagten fehle. Zudem müsse die Beklagte ihre Arbeitskraft in bestmöglicher Weise einsetzen. Dass die Beklagte zwei Kinder habe, habe sie nicht von weiteren Darlegungen befreit. Weiter seien Erwägungen zu fiktiven Einkünften aus Haushaltsführungstätigkeit nicht angestellt worden.
III. Die Beklagte meint, eines Vorbehalts bei der Klageabweisung als "zur Zeit unbegründet" im Tenor habe es nicht bedurft. Die Einrede wirke wie bei § 519 Abs. 1 BGB nur so lange, wie Bedürftigkeit bestehe. Die Klageabweisung bedeute deshalb nur, dass die Klage zur Zeit unbegründet sei. Bei Entfallen der Bedürftigkeit könne erneut Klage erhoben werden. Das Gericht müsse nur in den Gründen sagen, dass es den Anspruch als zur Zeit unbegründet abweise. Eine erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung der eigenen Arbeitskraft bestehe nur gegenüber Kindern, nicht auch ggü. der klagenden Verwandten.
IV. 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Revision schon deshalb zum Erfolg führen muss, weil die Klage bei Durchgreifen der Einrede aus § 529 Abs. 2 BGB nur als derzeit unbegründet abgewiesen werden durfte. Allerdings gibt diese Bestimmung dem Beschenkten das Recht, die an sich nach § 528 BGB bei Bedürftigkeit des Schenkers geschuldete Herausgabe des Geschenks zu verweigern, soweit er bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein "standesgemäßer", d.h. nach der Rechtsprechung des Senats sein angemessener Unterhalt (BGH, Urt. v. 11.7.2000 - X ZR 126/98, NJW 2000, 3488) oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflicht gefährdet wird. Sie begründet nach allgemeiner Auffassung wie § 519 BGB eine Einrede (Kollhosser in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 529 Rz. 6, m.w.N.; beiläufig auch BGH, Urt. v. 19.12.2000 - X ZR 146/99, BGHReport 2001, 186 = MDR 2001, 742 = NJW 2001, 1207 [1208 f.]). Wie nach § 519 BGB (Kollhosser in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 519 Rz. 4) besteht die Einrede aber nur, solange und soweit die Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 BGB vorliegen. Damit handelt es sich nur um eine anspruchshemmende Einrede, die nicht dem Rückforderungsanspruch an sich, sondern nur dessen gegenwärtiger Durchsetzung entgegensteht. Diese Rechtslage ist mit dem Fall vergleichbar, dass eine Forderung besteht, aber nicht fällig ist. Nach der Rechtsprechung des BGH zur Tenorierung bei nicht fälligen Forderungen darf die Klage in diesem Fall nicht als endgültig unbegründet abgewiesen werden (BGH v. 27.10.1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254 [259] = MDR 1995, 469; v. 11.2.1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365 = MDR 1999, 671); allerdings reicht es - worauf die Beklagte an sich zutreffend hinweist - aus, wenn sich diese Einschränkung aus den Gründen ergibt (BGH v. 28.10.1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79 [88 f.] = MDR 2000, 207), die hierfür ausgelegt werden müssen (BGH, Urt. v. 28.9.2000 - VII ZR 57/00, NJW-RR 2001, 310 = BGHR ZPO § 322 Abs. 1 Rechtskraftwirkung 13, m.w.N.). Für die Geltendmachung der Einreden aus § 519 BGB und § 529 Abs. 2 BGB gilt im Grundsatz nichts Anderes. Ob das Berufungsurteil dem mit seinen Ausführungen, der Anspruch sei ausgeschlossen, denn er bestehe nicht, wenn der Beschenkte außerstande sei, das Geschenk herauszugeben, ohne seinen standesgemäßen Unterhalt zu gefährden (BU 9), noch gerecht wird, kann allerdings offen bleiben, weil das Berufungsurteil aus anderen Gründen keinen Bestand haben kann.
2. Die Rüge, das Berufungsgericht habe mangels Vortrags der Beklagten nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, die Beklagte habe einen zusätzlichen Kredit nicht bedienen können, ist allerdings nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat die Höhe der noch bestehenden Belastung vorgetragen; das Berufungsgericht hat außerdem das Einkommen der Beklagten und ihres Ehemanns festgestellt. Daraus konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei den Schluss ziehen, dass ein Realkredit nicht mehr aufgenommen werden konnte.
3. Das Berufungsgericht hat aber nicht geprüft, ob die Beklagte zu einer Erwerbstätigkeit über die erzielten 130 EUR (und über den Selbstbehalt) hinaus in der Lage war. Zu einer solchen Erwerbstätigkeit war die Beklagte im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Bestimmungen, die auch im Schenkungsrecht und auch bei wie hier fehlender gesetzlicher Unterhaltspflicht anzuwenden sind (BGH, Urt. v. 11.7.2000 - X ZR 126/98, NJW 2000, 3488), grundsätzlich, wenn auch jedenfalls nicht uferlos, im Sinn einer sie treffenden Obliegenheit verpflichtet (BGH, Urt. v. 15.12.1993 - XII ZR 172/92, MDR 1994, 483 = NJW 1994, 1002 = BGHR BGB § 1603 Abs. 2 S. 1 - Erwerbsobliegenheit 1). Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine Frage einer erheblich gesteigerten Unterhaltspflicht, sondern betrifft lediglich die - den zur Herausgabe Verpflichteten treffenden - gesetzlichen Anforderungen. Das Berufungsgericht hat sich hiermit nicht auseinander gesetzt. Damit hat es, wie die Revision jedenfalls im Ergebnis zutreffend rügt, die Frage des Außerstandeseins zur Herausgabe (die Leistungsfähigkeit) der Beklagten nach § 529 Abs. 2 BGB nicht umfassend geprüft. Diese bisher unterlassene Prüfung nötigt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, das bei seiner erneuten Befassung zunächst zu bedenken haben wird, ob der Erhalt und die Verwendung der 40.000 DM bei der Beklagten zu einer Änderung der Lebenssituation geführt hat, auf die sich zu berufen ihr verwehrt ist (BGH, Urt. v. 11.7.2000 - X ZR 126/98, NJW 2000, 3488). Soweit dies zu verneinen ist, wird das Berufungsgericht weiter zu prüfen haben, ob die Beklagte leistungsfähig ist. Wenn es dies weiter verneint, wird es zu berücksichtigen haben, dass grundsätzlich lediglich eine Abweisung der Klage als derzeit unbegründet in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 1445189 |
NJW 2005, 3638 |
BGHR 2006, 14 |
FamRZ 2005, 1989 |
JurBüro 2006, 162 |
WM 2006, 56 |
ZEV 2006, 37 |
JuS 2006, 183 |
MDR 2006, 255 |