Leitsatz (amtlich)

a) Hat der Architekt eine mit dem Auftraggeber vereinbarte Baukostenobergrenze nicht eingehalten, kann dem Auftraggeber ein Schadensersatzanspruch zustehen (Fortführung von BGH, Urt. v. 23.1.2003 - VII ZR 362/01, BauR 2003, 566 = NZBau 2003, 281).

Der auf die Nichteinhaltung einer solchen Obergrenze gestützte Schadensersatzanspruch führt dazu, dass der Architekt den sich aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ergebenden Honoraranspruch auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten gem. § 10 HOAI a.F. insoweit nicht geltend machen kann, als dieser das Honorar überschreitet, welches sich ergäbe, wenn die anrechenbaren Kosten der vereinbarten Baukostenobergrenze entsprochen hätten (dolo-agit-Einwand, § 242 BGB).

b) Beruft sich der Auftraggeber auf eine Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm behauptete Beschaffenheitsvereinbarung.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1; HOAI 1996/2002 §§ 4, 10

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG (Urteil vom 20.06.2013; Aktenzeichen 1 U 1032/12)

LG Mühlhausen (Entscheidung vom 27.11.2012; Aktenzeichen 3 O 471/09)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Jena vom 20.6.2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten restliches Architektenhonorar.

Rz. 2

Die Beklagte wollte ein Betriebsgebäude zu einem Geschäfts- und Wohnhaus umbauen lassen. Mit schriftlichem Vertrag vom 13./16.7.2006 beauftragte sie die Klägerin mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 gem. § 15 Abs. 2 HOAI a.F.; als Honorar wurde der Mindestsatz der Honorarzone III vereinbart. Später gab die Beklagte weitere Leistungsphasen in Auftrag. Für die von der Klägerin erbrachten Leistungen zahlte die Beklagte insgesamt 61.620,51 EUR.

Rz. 3

Bereits vor Vertragsschluss hatte die Klägerin einen "Honorar-Vorschlag" vom 4.7.2006 auf der Grundlage anrechenbarer Kosten i.H.v. 586.206,90 EUR übergeben. Bei ihrer späteren Honorarberechnung legte sie hingegen höhere anrechenbare Kosten zugrunde und forderte mit ihrer Klage erstinstanzlich zuletzt ein Resthonorar i.H.v. 34.266,03 EUR nebst Zinsen.

Rz. 4

Zwischen den Parteien ist streitig, welche Vorgaben zu den Baukosten gemacht wurden. Die Beklagte behauptet, der Klägerin sei anlässlich des ersten Planungsgespräches mitgeteilt worden, dass die Baukosten maximal 600.000 EUR betragen dürften, womit sich die Klägerin einverstanden erklärt habe. Die Klägerin behauptet, sie habe am 24.8.2006 eine Baukostenschätzung übergeben, die zu erwartende Kosten i.H.v. 1,2 Mio. EUR ausgewiesen habe, welche die Beklagte akzeptiert habe.

Rz. 5

Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 2.470,20 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der diese die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 31.795,83 EUR nebst Zinsen angestrebt hat, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 6

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rz. 7

Auf das Rechtsverhältnis der Parteien ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung 1996/2002 anzuwenden (im Folgenden: HOAI a.F.).

I.

Rz. 8

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 9

Das Verfahren vor dem LG leide unter einem wesentlichen Verfahrensmangel. Nachdem es zu einem Richterwechsel gekommen sei, habe der erkennende Einzelrichter zu Unrecht darauf verzichtet, eine in früherer Besetzung bereits durchgeführte Zeugenvernehmung zu der Frage zu wiederholen, welche Kostenvorgaben der Klägerin gemacht worden seien. Der Richter habe seine Überzeugung nicht auf die protokollierte Aussage des Zeugen Dr. K. stützen dürfen, weil sich aus der Protokollierung der Aussage keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen ergäben.

Rz. 10

Dieser Verfahrensmangel wirke sich aber im Ergebnis nicht aus, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, dass es nicht zu der von der Beklagten behaupteten Vereinbarung einer Baukostenobergrenze gekommen sei. Es sei umstritten, wer die Beweislast für eine solche Vereinbarung trage. Das Berufungsgericht schließe sich der vom BGH im Urteil vom 4.10.1979 - VII ZR 319/78, BauR 1980, 84, vertretenen Auffassung an, dass die Beweislast bei dem Architekten liege, da nach § 632 Abs. 2 BGB der einen taxmäßigen oder üblichen Werklohn fordernde Unternehmer die Behauptung des Auftraggebers widerlegen müsse, es sei ein fester geringerer Werklohn vereinbart.

Rz. 11

Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis nicht geführt. Auf die Aussage der von der Klägerin benannten Zeugin E., ihrer Sekretärin, komme es nicht an, da diese nicht habe angeben können, bei der Übergabe der Kostenschätzung am 24.8.2006 anwesend gewesen zu sein. Der Zeuge Dr. K. habe in der Berufungsinstanz nicht vernommen werden müssen, weil er lediglich gegenbeweislich benannt worden sei.

Rz. 12

Die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze habe zur Folge, dass diese Summe die Obergrenze der anrechenbaren Kosten für die Honorarberechnung bilde. Lege man eine Baukostenobergrenze von 586.206,90 EUR zugrunde, stehe der Klägerin insgesamt ein Honorar von 64.090,71 EUR zu, so dass sich der Resthonoraranspruch der Klägerin - wie vom LG entschieden - lediglich auf 2.470,20 EUR belaufe.

II.

Rz. 13

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rz. 14

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der noch im Streit stehende Honoraranspruch der Klägerin nicht abgelehnt werden.

Rz. 15

1. Die bisherigen Feststellungen tragen die Auffassung des Berufungsgerichts nicht, die Klägerin habe zu beweisen, dass es nicht zu der von der Beklagten behaupteten Vereinbarung über eine Baukostenobergrenze gekommen ist.

Rz. 16

a) Hat der Architekt eine mit dem Auftraggeber vereinbarte Baukostenobergrenze nicht eingehalten, kann dem Auftraggeber ein Schadensersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB in der Weise zustehen, dass der Honorarberechnung Baukosten maximal in Höhe der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Kostenobergrenze als anrechenbare Kosten zugrunde gelegt werden. Die Planungsleistung eines Architekten entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn sie ein Bauwerk vorsieht, dessen Errichtung höhere Baukosten erfordert, als sie von den Parteien des Architektenvertrags vereinbart sind. Der Architekt ist verpflichtet, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Baukosten des Bauwerks zu beachten. Dabei muss er eine vereinbarte Baukostenobergrenze einhalten (vgl. BGH, Urt. v. 24.4.2014 - VII ZR 164/13, BGHZ 201, 32 Rz. 21; Urt. v. 21.3.2013 - VII ZR 230/11, BGHZ 197, 93 Rz. 9; Urt. v. 13.2.2003 - VII ZR 395/01, BauR 2003, 1061, juris Rz. 9 = NZBau 2003, 388; Urt. v. 23.1.2003 - VII ZR 362/01, BauR 2003, 566, juris Rz. 15 f. = NZBau 2003, 281). Der auf die Nichteinhaltung einer solchen Obergrenze gestützte Schadensersatzanspruch des Auftraggebers führt dazu, dass der Architekt den sich aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ergebenden Honoraranspruch auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten gem. § 10 HOAI a.F. insoweit nicht geltend machen kann, als dieser das Honorar überschreitet, welches sich ergäbe, wenn die anrechenbaren Kosten der vereinbarten Baukostenobergrenze entsprochen hätten. Denn der Architekt verhielte sich treuwidrig i.S.d. § 242 BGB, wenn er einen Honoraranspruch durchsetzen wollte, obwohl er verpflichtet wäre, das Erlangte sofort wieder herauszugeben (vgl. zum dolo-agit-Einwand BGH, Urt. v. 9.2.2012 - VII ZR 31/11, BGHZ 192, 305 Rz. 17; Urt. v. 14.1.2010 - VII ZR 108/08, BGHZ 183, 366 Rz. 23; jeweils m.w.N.).

Rz. 17

b) Bestreitet der Architekt die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze, muss der Auftraggeber, der verlangt, so gestellt zu werden, als wäre diese eingehalten worden, die behauptete Vereinbarung beweisen. Beruft sich der Auftraggeber auf eine Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze, trägt er mithin die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm behauptete Beschaffenheitsvereinbarung.

Rz. 18

aa) Dies entspricht der Grundregel der Beweislastverteilung, dass jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2014 - VII ZR 289/12, BauR 2014, 1773 Rz. 19 = NZBau 2014, 555; Prütting in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., Grundlagen, Kapitel 11 Rz. 20 ff.; jeweils m.w.N.; vgl. zudem zur Baukostenobergrenze BGH, Urt. v. 23.1.1997 - VII ZR 171/95, BauR 1997, 494, 495, juris Rz. 6; OLG Stuttgart, BauR 2010, 1260, 1263, juris Rz. 49; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 4. Teil Rz. 17; Koeble in Locher/Koeble/Frik, HOAI, 12. Aufl., Einleitung Rz. 180).

Rz. 19

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können die von der Rechtsprechung zu § 632 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze zur Beweislastverteilung für den Schadensersatzanspruch wegen Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze nicht herangezogen werden. Aus dem Urteil des BGH v. 4.10.1979 - VII ZR 319/78, BauR 1980, 84, 85, juris Rz. 17 f., ergibt sich nichts anderes. Jener Entscheidung lag nicht ein Schadensersatzanspruch wegen Überschreitung einer Baukostenobergrenze, sondern die Erwägung zugrunde, dass in der Vereinbarung einer Baukostenobergrenze eine nach den Regelungen der damals geltenden Gebührenordnung für Architekten (GOA) wirksame Vereinbarung eines Parameters für die Honorarberechnung liegen kann. Es kann dahinstehen, ob diese Erwägung unter Geltung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (1996/2002) überhaupt weiterhin Gültigkeit haben kann, denn im Streitfall liegt eine allen Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 4 HOAI a.F. genügende Honorarvereinbarung nicht vor.

Rz. 20

c) Ist eine bestimmte Baukostenobergrenze vereinbart und behauptet eine der Vertragsparteien deren spätere Abänderung, trägt diejenige Partei hierfür die Beweislast, für die sich die Abänderung günstig erweisen würde. Beruft sich der Architekt auf eine nachträgliche Verständigung über eine Erhöhung der Baukostenobergrenze, hat er die von ihm behauptete Abänderung darzulegen und zu beweisen (BGH, Urt. v. 13.2.2003 - VII ZR 395/01, BauR 2003, 1061, 1062, juris Rz. 14 = NZBau 2003, 388; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., Vor § 284 Rz. 19 m.w.N.).

Rz. 21

2. Nach den vorstehenden Maßgaben hat das Berufungsgericht die Beweislast verkannt. Zudem hat es verfahrensfehlerhaft von einer Beweiserhebung abgesehen.

Rz. 22

a) Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist mit der gebotenen Klarheit schon nicht zu entnehmen, mit welchem Inhalt es eine Vereinbarung über eine Baukostenobergrenze angenommen hat - nach dem Honorar-Vorschlag vom 4.7.2006 über 586.206,90 EUR oder aufgrund von Vorgaben des Ehemanns der Beklagten (Zeuge Dr. K) über 600.000 EUR. Diese Differenz würde sich auf die durch lineare Interpolation zu ermittelnde Höhe des Architektenhonorars auswirken (§ 5a HOAI a.F.).

Rz. 23

b) Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist auch nicht zu entnehmen, ob es die Klägerin betreffend die ursprüngliche Vereinbarung einer Baukostenobergrenze oder deren nachträgliche Erhöhung als beweisfällig behandelt hat.

Rz. 24

aa) Lag den Erwägungen des Berufungsgerichts zugrunde, dass streitig war, ob überhaupt eine Baukostenobergrenze vereinbart worden ist, hätte die Beweisaufnahme vom Berufungsgericht wiederholt werden müssen. Da die Beklagte für die von ihr behauptete Vereinbarung einer Kostenobergrenze die Beweislast trägt, hätte das Berufungsgericht von der Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen Dr. K. nicht absehen dürfen.

Rz. 25

bb) Der Standpunkt des Berufungsgerichts, die klagende Architektin trage die Beweislast, kommt erst dann zum Tragen, wenn unstreitig oder bewiesen ist, dass ursprünglich eine (niedrigere) Baukostenobergrenze vereinbart war. In diesem Fall wäre die Klägerin für eine sie begünstigende Erhöhung beweisbelastet. Hierzu fehlt es bislang an hinreichenden Feststellungen.

Rz. 26

Auch dann hätte das Berufungsgericht die Zeugeneinvernahme wegen des von ihm richtig erkannten Verfahrensmangels in erster Instanz wiederholen müssen.

Rz. 27

Die erneute Vernehmung der Zeugin E. konnte nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgelehnt werden. Die Auffassung, die Angaben der Zeugin E. seien mangels persönlicher Anwesenheit beim Gespräch von vornherein nicht geeignet, Beweis zu erbringen, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Die Aussage eines Zeugen "vom Hörensagen" unterliegt der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) des Tatrichters. Auch der Zeuge vom Hörensagen ist Zeuge, da er seine eigene konkrete Wahrnehmung bekunden soll. Zwar haftet dieser Art des Beweises eine besondere Unsicherheit an, die über die allgemeine Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises hinausgeht, so dass an die Beweiswürdigung hohe Anforderungen zu stellen sind. Dies kann es aber nicht rechtfertigen, ein solches Beweismittel als unzulässig oder ungeeignet anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79 Rz. 21; Urt. v. 4.7.2002 - IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, juris Rz. 6).

III.

Rz. 28

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 9881340

NJW 2016, 8

NJW 2017, 386

BauR 2017, 1096

BauR 2017, 134

DWW 2016, 384

IBR 2016, 702

JurBüro 2017, 163

ZAP 2016, 1214

ZfIR 2016, 805

JZ 2017, 9

MDR 2016, 1443

VersR 2017, 230

ZfBR 2017, 56

BauSV 2017, 72

NJW-Spezial 2016, 716

NZBau 2016, 5

NZBau 2017, 46

RdW 2017, 188

FMP 2017, 21

FSt 2017, 307

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