Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 22.02.2001) |
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 23.02.2000) |
Tenor
Auf die Revision des Streithelfers des Beklagten wird das am 22. Februar 2001 verkündete Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23. Februar 2000 verkündete Grundurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des einschließlich der Kosten der Streithilfe zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte schrieb 1997 die Sicherung/Sanierung der Hausmülldeponie W. öffentlich aus, wobei die VOB/A gelten sollte. Bei den zu erledigenden Erdbaumaßnahmen sollte der Auftragnehmer gering belastete mineralische Baurestmassen als Verfüllmaterial einsetzen dürfen. Derartiges Material wird üblicherweise nur gegen ein Entgelt abgenommen. Das Angebot der Bieter sollte deshalb neben dem Leistungsangebot ein Zusatzangebot über das Entgelt umfassen, das der Bewerber dem Beklagten für die Abnahme gering belasteter Massen biete. In der Leistungsbeschreibung, nach der jeweils Einheitspreis und Gesamtpreis anzugeben waren, hieß es unter Position 3.1.50
„130.000 m³ gestelltes Profilierungsmaterial (gemäß Zusatzangebot) … liefern, profilgerecht … einbauen und intensiv verdichten”,
bzw. unter Position 3.2.10
„18.000 … Kies/Sandgemisch … für die Ausgleichsschicht (gestelltes Material, s. Zusatzangebot) … liefern und fach- sowie profilgerecht … im verdichteten Zustand einbauen”.
Die Baumaßnahme sollte durch einen prozentualen Zuschuß zu den Kosten von dritter Seite gefördert werden, aber nur bis zu einem Höchstbetrag. Der Beklagte wollte diesen Höchstbetrag nach Möglichkeit ausschöpfen und deshalb dem Subventionsgeber gegenüber auf der Grundlage des Leistungsangebots des späteren Auftragnehmers abrechnen.
Die Klägerin beteiligte sich an der Ausschreibung. Ihr Leistungsangebot endete mit einer Gesamtsumme von 759.099,09 DM (660.086,17 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer). Bei den Positionen 3.1.50 und 3.2.10 wies dieses Angebot jeweils negative Preise auf, nämlich -6,61 DM als Einheitspreis und -859.040 DM als Gesamtpreis bzw. -3,04 DM als Einheitspreis und -54.799,20 DM als Gesamtpreis. Das Zusatzangebot hinsichtlich des von der Klägerin aufzubringenden Entgelts für die Abnahme gering belasteter mineralischer Baurestmassen nannte als Einheitspreise 6,61 DM bzw. 3,04 DM und als Gesamtpreise 859.300,– DM bzw. 54.720,– DM; es lautete also insgesamt über 914.020,– DM.
Im Eröffnungstermin am 2. September 1997 war das Angebot der Klägerin wegen seines außerordentlich niedrigen Preises Gegenstand einer Diskussion zwischen dem anwesenden Vertreter der Klägerin und dem für den Beklagten handelnden Vertreter. Letzterer änderte daraufhin die Positionen 3.1.50 und 3.2.10 jeweils auf 0,– DM und vermerkte als Preis des Leistungsanbots der Klägerin einen Betrag von 1.458.459,89 DM. In der Folgezeit wurde die Klägerin zur Erläuterung ihres Angebots aufgefordert. Mit Telefax vom 12. September 1997 überreichte die Klägerin dem Vertreter des Beklagten einen Auszug aus ihrer EDV-Kalkulation zu dem ausgeschriebenen Projekt. Darin waren für die Position 3.1.50 ein Einheitspreis von (netto) 4,– DM und ein Gesamtpreis von (netto) 520.026,– DM sowie für die Position 3.2.10 ein Einheitspreis von (netto) 4,47 DM und ein Gesamtpreis von (netto) 80.499,60 DM angegeben; die Aufstellung endete mit einer Nettosumme von 2.174.450,97 DM; zuzüglich 326.167,65 DM Mehrwertsteuer ergab sich ein Gesamtbetrag von 2.500.618,62 DM.
Anfang Oktober 1997 teilte der Beklagte der Klägerin mit, sie sei wegen Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen hinsichtlich der beiden Angebotspositionen von der Prüfung ausgeschlossen worden.
Die Klägerin rief daraufhin vergeblich die Vergabeprüfstelle an. Diese vertrat die Ansicht, der Beklagte habe zu Recht den Zuschlag auf das andere Angebot erteilt, das unter Berücksichtigung der auf das Leistungsangebot zu erlangenden Subvention und des vom Bieter angebotenen Erstattungsbetrags die geringste Eigenleistung des Beklagten erfordert habe.
Mit der Klage begehrt die Klägerin nunmehr Schadensersatz. Sie meint, ihr Angebot sei vollständig, eindeutig und das annehmbarste gewesen. Zur Erläuterung ihrer Kalkulation führt sie – wie schon gegenüber der Vergabeprüfstelle – an, für das Liefern habe sie bei der Position 3.1.50 eine von ihr zu erbringende Zuzahlung von 10,61 DM/m³ angenommen. Hiervon habe sie Einbaukosten in Höhe von 4,– DM/m³ abgesetzt. Dies habe eine Vergütung an den Auftraggeber in Höhe von 6,61 DM/m³ ermöglicht. Hinsichtlich der Position 3.2.10 habe sie entsprechend mit Beträgen von -7,51 DM/m³ Zuzahlung, 4,47 DM/m³ Kosten und -3,04 DM/m³ Vergütung kalkuliert. Das belege, daß sie ihr Angebot nicht nachgebessert habe. Ziehe man von der Nettobaukostenkalkulationssumme von 2.174.450,– DM für 130.000 m³ je 10,61 DM sowie für 18.000 m³ je 7,51 DM ab, so erhalte man nämlich 659.970,– DM und damit unter Berücksichtigung EDV-technischer Rundungsfehler praktisch die tatsächlich auch angebotene Nettoangebotssumme von 660.086,17 DM.
Das Landgericht hat auf den Antrag der Klägerin, den Beklagten zur Zahlung von 2.265.271,09 DM nebst Zinsen zu verurteilen sowie festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr jeden weiteren entgangenen Gewinn aus der Ausschreibung zu erstatten, wie folgt erkannt:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dabei hat es die Sache zur Entscheidung über die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs sowie zur Entscheidung über den Feststellungsantrag an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Streithelfer des Beklagten verfolgt das Begehren nach Klageabweisung nunmehr mit der Revision weiter.
Die Klägerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung bzw. Abänderung der bisher in dieser Sache erlassenen Urteile und zur Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts als uneingeschränktes Grundurteil angesehen, ihm also entnommen, daß erstinstanzlich über den Grund des eingeklagten Schadensersatzanspruchs sowohl, was die mit dem bezifferten Klageantrag verlangten Beträge, als auch, was die mit dem Feststellungsantrag geltend gemachten, angeblich noch nicht bezifferbaren Schäden anbelangt, entschieden worden ist. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen könne nämlich das Grundurteil nicht zugleich als stattgebendes Feststellungsurteil angesehen werden.
Dem kann – anders als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen – nicht entgegengehalten werden, das Landgericht habe das Feststellungsbegehren schlicht übergangen, so daß mangels eines Antrags nach § 321 ZPO im weiteren Verfahren nur noch über den bezifferten Zahlungsantrag zu befinden gewesen sei. Denn das Landgericht hat im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich als Begehren der Klägerin auch deren Feststellungsantrag aufgenommen, so daß die Auslegung naheliegt und ihr beigetreten werden kann, das Landgericht habe mit dem Grundurteil auch über diesen Feststellungsantrag entschieden. Damit unterscheidet sich der Streitfall auch von dem der Entscheidung des III. Zivilsenats vom 10. Januar 2002 (III ZR 62/01, NJW 2002, 1115, 1116) zu Grunde liegenden Sachverhalt.
Vergeblich ist auch der Hinweis der Revisionserwiderung im Hinblick auf den Feststellungsantrag der Klägerin habe neben den Überlegungen, die das Landgericht zum Grund des streitigen Schadensersatzanspruchs in seinem Urteil niedergelegt habe, allenfalls über das Feststellungsinteresse noch etwas ausgeführt werden können; das Urteil des Landgerichts müsse deshalb als Grundurteil hinsichtlich des Zahlungsantrags und als der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags stattgebendes Teilurteil interpretiert werden.
Inhalt und Grenzen seiner Entscheidung hat das erkennende Gericht durch entsprechende Fassung seines Urteils zum Ausdruck zu bringen (BGHZ 122, 16, 17). Hat das Urteil einen eindeutigen Inhalt, besteht zur Heranziehung außerhalb desselben möglicherweise gegebener Umstände kein Grund. So liegen die Dinge auch hier. Das Landgericht hat nach Tenor und Entscheidungsgründen nur über den Grund des streitigen Schadensersatzanspruchs entschieden. Die Annahme einer abschließenden Entscheidung des Landgerichts über den Feststellungsantrag der Klägerin scheidet deshalb aus.
2. Ein Grundurteil, das auch den mit dem Feststellungsantrag geltend gemachten Schadensersatz umfaßt, durfte – wie das Oberlandesgericht zu Recht erkannt hat – nicht ergehen. § 304 Abs. 1 ZPO erlaubt den Erlaß eines Grundurteils nur insoweit, als ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Das ist bei einem Feststellungsantrag, der wegen einer im einzelnen noch ungewissen Entwicklung gestellt wird, mangels bezifferten Begehrens nicht der Fall (BGH, Urt. v. 04.10.2000 – VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 m.w.N. aus st. Rspr.).
Das erstinstanzliche Verfahren litt damit an einem wesentlichen Mangel. § 304 Abs. 1 ZPO dient wie § 301 Abs. 1 ZPO der Prozeßökonomie. Das verbietet es grundsätzlich, eine fehlerhafte Anwendung der Vorschrift im weiteren Verfahren hinzunehmen. Wie bei einem unzulässigen Teilurteil (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12.01.1994 – XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 381 m.w.N.) führt deshalb der Erlaß eines unzulässigen Grundurteils zur Anwendung von §§ 539, 540 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (a.F.), die gemäß § 26 Nr. 2, 5 EGZPO hier anzuwenden ist.
3. Bei der Wahl der ihm dadurch an sich eröffneten Möglichkeiten hat das Berufungsgericht jedoch nicht bedacht, daß der Erlaß eines Teilurteils Restriktionen unterliegt. Das Berufungsgericht hat eine eigene Sachentscheidung nur hinsichtlich des bezifferten Zahlungsantrags getroffen, wobei es ausdrücklich ausgeführt hat, daß Gegenstand des Berufungsverfahrens lediglich dieser Antrag gewesen sei. Unter den Gegebenheiten des vorliegenden Falls war dies prozeßordnungswidrig, weil das Oberlandesgericht damit angesichts der auch den Feststellungsantrag umfassenden Klage der Sache nach ein Teilurteil erlassen hat und nach ständiger Rechtsprechung bei objektiver Klagehäufung von Leistungsbegehren und Feststellungsantrag, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, ein Teilurteil regelmäßig unzulässig ist (BGH, Urt. v. 04.10.2000 – VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 m.w.N.).
Die Unzulässigkeit folgt aus der Gefahr widersprechender Entscheidung, wenn auf demselben tatsächlichen Geschehen beruhende, aber verschiedene hieraus folgende Schäden erfassende Klageanträge mangels einheitlicher Entscheidung in der betreffenden Instanz sodann – sei es von dem erkennenden Gericht selbst, sei es von einem im Instanzenzug anzurufenden Gericht – dem Grunde nach unterschiedlich entschieden werden können. Diese Gefahr war im vorliegenden Fall nicht etwa deshalb ausgeräumt, weil nach dem angefochtenen Urteil das Landgericht sowohl über den Zahlungsantrag als auch über den Feststellungsantrag noch abschließend zu entscheiden gehabt hätte. Denn die Entscheidung des Berufungsgerichts zum Grund des Zahlungsantrags war für sich mit dem Rechtsmittel der Revision anfechtbar, so daß die Beurteilung, ob das Geschehen, auf welches die Klage gestützt ist, zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin führen kann, sowohl vor dem Landgericht – nämlich hinsichtlich des zurückverwiesenen Feststellungsantrags – als auch vor dem Revisionsgericht – nämlich hinsichtlich des Zahlungsantrags – hätte zu treffen sein können. Die Revision macht damit im Ergebnis zu Recht geltend, daß das Urteil des Berufungsgerichts aus prozessualen Gründen keinen Bestand haben kann.
4. In der Sache geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Ausschreibung des Beklagten die Abgabe eines Leistungsangebots mit Preisen vorsah, die unabhängig von den Beträgen anzugeben waren, die der Bieter nach dem Zusatzangebot selbst dafür zu vergüten bereit war, daß das Material, das der Auftragnehmer zu verfüllen hatte, aus gering belasteten Baurestmassen bestehen und gestellt werden durfte (Erstattungsbetrag).
Diese Auslegung begegnet keinen rechtlichen Bedenken, sondern wird durch den Wortlaut der Positionen 3.1.50 und 3.2.10 der Leistungsbeschreibung getragen. Danach sollten das Material für die Profilierung und die Ausgleichsschicht gemäß dem Zusatzangebot gestellt werden. Die in den Positionen 3.1.50 und 3.2.10 genannten Leistungen Liefern, Einbauen und Verdichten betrafen mithin nur das Verbringen des Materials zur Baustelle und die anschließenden Verfüllarbeiten vor Ort. Hierfür sollte unter den Positionen 3.1.50 und 3.2.10 der jeweilig vom Bewerber geforderte Preis angegeben werden.
5. Das Berufungsgericht hat gemeint, die von der Klägerin in ihrem Leistungsangebot gleichwohl vorgenommene Verrechnung des von ihr gebotenen Erstattungsbetrags mit dem nach den Positionen 3.1.50 und 3.2.10 Verlangten bedeute keine Mißachtung der Vorgaben des Beklagten, die zum Ausschluß nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A hätte führen müssen. Denn die Beantwortung der Frage, welches der eingehenden Angebote sich am Ende als das annehmbarste erweisen würde, sei durch die von der Klägerin vorgenommene Verrechnung nicht beeinträchtigt worden.
Das bekämpft die Revision zu Recht.
Nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung war unter den Positionen 3.1.50 und 3.2.10 der Leistungsbeschreibung nach Einheitspreis und Gesamtpreis der Betrag anzugeben, den die Klägerin für den Antransport, den Einbau und das Verdichten des von ihr gestellten Materials verlangte. Dieser Anforderung hat die Klägerin nicht genügt.
Die Parteien streiten nicht darüber, daß das Angebot der Klägerin nicht so zu verstehen war, daß sie für die genannten Arbeiten kein Entgelt wünschte, ja hierfür dem Beklagten sogar noch etwas vergüten wollte. Auch diese Arbeiten wollte die Klägerin vielmehr nur gegen ein von ihr kalkuliertes Entgelt erledigen. Was sie für diese Arbeiten beanspruchte, war in dem Leistungsangebot der Klägerin jedoch nicht angegeben. Das war auch nicht unter Zuhilfenahme des Zusatzangebots der Klägerin zu ersehen. Selbst für den, der in Erwägung zog, daß die Klägerin eine Verrechnung mit dem Betrag vorgenommen haben könnte, den sie zu erstatten bereit war, war nur ein Saldo erkennbar, nicht, wie er sich im einzelnen zusammensetzte.
Das Angebot der Klägerin enthielt damit nicht alle geforderten Preise und entsprach deshalb nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A. Diese Feststellung kommt nicht etwa erst dann in Betracht, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten soll, ist nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden. Jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis ist deshalb so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Das dem nicht gerecht werdende Angebot der Klägerin mußte deshalb wegen Mißachtung von § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A zwingend ausgeschlossen werden. Das verbietet zugleich die für den Erfolg der Klage nötige Feststellung, daß die Klägerin berechtigterweise darauf vertrauen durfte, den Auftrag auf ihr am 2. September 1997 eröffnetes Angebot zu erhalten.
6. Hieran ändert auch nichts, daß gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A Gelegenheit zur Aufklärung in bezug auf ein eröffnetes Angebot gegeben werden kann und das Berufungsgericht gemeint hat, die Klägerin habe den Inhalt ihres Angebots jedenfalls in diesem Rahmen ohne Änderung des Angebots aufgeklärt. Denn auch dem kann nicht beigetreten werden.
Nach ihrer eigenen Darstellung will die Klägerin ihr Angebot dahin verstanden wissen, daß sie unter Berücksichtigung der eigenen Erstattungsleistung die ausgeschriebenen Arbeiten für brutto 759.099,09 DM erledige. Aufgrund der nach Abgabe des Angebots gebotenen Erklärungen hätte sich deshalb ein derartiger Betrag ebenfalls ergeben müssen, wenn es sich hierbei um bloße Erläuterungen gehandelt hätte bzw. handelte. Das ist jedoch nicht der Fall. Dabei ist es gleichgültig, ob man auf die Diskussion im Eröffnungstermin abstellt, die zur Feststellung eines Angebotspreises von 1.458.459,89 DM führte, oder ob man auf die späteren Offenbarungen von Kalkulationsgrundlagen durch die Klägerin abstellt.
a) Ausgehend von dem Betrag von 1.458.459,89 DM ergibt sich unter Anrechnung der mit dem Zusatzangebot zugesagten Beträge, daß die Klägerin die Erledigung der ausgeschriebenen Arbeiten sogar für nur 554.439,89 DM (1.458.459,89 DM abzüglich 914.020,– DM) angeboten hätte. Die Klägerin hätte damit während des Eröffnungstermins im Wege nachträglicher Verhandlung versucht, ihre Bieterposition zu verbessern. Eine derartige „Klarstellung” des Angebots durfte bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden (vgl. Sen.Urt. v. 06.02.2002 – X ZR 185/99, NJW 2002, 1952).
b) Ausgehend von der mit Telefax vom 12. September 1997 übersandten Kalkulation, die mit brutto 2.500.618,62 DM endet, ergibt sich dagegen folgendes: Bei Abzug der mit dem Zusatzangebot tatsächlich zugesagten Beträge von insgesamt 914.020,– DM hätte das Angebot der Klägerin mit einer von dem Beklagten zu zahlenden Bruttosumme von 1.586.598,92 DM geendet. Der „erläuterte” Angebotspreis wäre also mehr als doppelt so hoch wie der Gesamtpreis von 759.099,09 DM gewesen, der sich auf Grund des eröffneten Angebots ergab. Das kann und braucht kein Auftraggeber als Aufklärung des Angebotsinhalts aufzufassen. Bei einer derartigen Abweichung ist vielmehr anzunehmen, daß eine nachträgliche Änderung des abgegebenen Angebots vorgenommen werden soll, die – weil ein Angebot dieses Inhalts im Eröffnungstermin nicht vorlag – nicht in die Wertung einfließen darf und nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 a VOB/A auszuschließen ist.
c) Die Erläuterung, welche die Klägerin im Prozeß und zuvor auch schon der Vergabeprüfstelle gegeben hat, führt schließlich dazu, daß sich bei getrennter Kalkulation von eigentlichem Angebot einerseits und Zusatzangebot andererseits der angebotene Erstattungsbetrag um 130.000 × 4,– DM, also um 520.000,– DM sowie um 18.000 × 4,47 DM, also um weitere 80.460,– DM auf insgesamt 1.514.480,– DM erhöht hätte. Es hätte sich so ausgehend von dem kalkulierten Entgelt von 2.500.618,62 DM ein verbleibender Preis von 986.138,62 DM ergeben. Auch das hätte ein Angebot mit einem deutlich höheren Entgelt als das bedeutet, das am 2. September 1997 zunächst eröffnet worden ist. Deshalb kann auch insoweit keine nach § 24 VOB/A zulässige Aufklärung des Angebotsinhalts stattgefunden haben, sondern nur eine nachträgliche Änderung des Angebotspreises vorgelegen haben.
7. Da mithin auf das Angebot der Klägerin der Zuschlag nicht erteilt werden durfte, kommt ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht in Betracht. Die deshalb gebotene Klageabweisung kann der Senat selbst aussprechen.
8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Melullis, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen
Haufe-Index 926225 |
BGHR 2003, 830 |
BauR 2003, 1783 |
IBR 2003, 264 |
EUK 2003, 157 |
GK/Bay 2004, 235 |
VergabeR 2003, 558 |