Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensrückabwicklung bei Beteiligung an geschlossenen Immobilienfonds. Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung. Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft. Ausschluss des Rückforderungsdurchgriffs. Verbundene Geschäfte
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Wirksamkeit des in der Widerrufsbelehrung zu einem Darlehensvertrag enthaltenen Zusatzes, im Falle des Widerrufs komme auch der "verbundene Kaufvertrag" nicht zustande (Anschluss an die BGH, Urt. v. 11.3.2008 - XI ZR 317/06, WM 2008, 828 Rz. 16; v. 11.11.2008 - XI ZR 269/06, WM 2009, 65 Rz. 11).
b) Ein bei verbundenen Geschäften grundsätzlich möglicher Rückforderungsdurchgriff gem. § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, wenn der Anleger sich im Einzelfall nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft mit seinem Widerruf allenfalls für die Zukunft von der Fondsbeteiligung lösen und daher nicht die Rückzahlung der Einlage verlangen kann (Anschluss an das BGH, Urt. v. 10.11.2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rz. 49). Dem stehen europarechtliche Bedenken nicht entgegen (EuGH WM 2010, 882 Rz. 35 ff., 50).
c) Für einen Rückforderungsdurchgriff analog § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG ist auch dann kein Raum, wenn im Einzelfall ein Rückforderungsdurchgriff nach § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht kommt (Anschluss an das BGH, Urt. v. 10.11.2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rz. 49).
Normenkette
VerbrKrG § 9 Abs. 2 S. 4 (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung); BGB §§ 812-813; HWiG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 S. 3 (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung), S. 4 (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung); VerbrKrG § 9 Abs. 1 (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung)
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 10.01.2008; Aktenzeichen 6 U 204/07) |
LG Koblenz (Urteil vom 04.01.2007; Aktenzeichen 3 O 807/04) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 10.1.2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Koblenz vom 4.1.2007 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Darlehens, das ihm die beklagte Bank zur Finanzierung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilenfonds gewährt hat.
Rz. 2
Der Kläger, ein damals 32 Jahre alter Filialleiter in einem Getränkemarkt, wurde von zwei Anlagevermittlern geworben, sich zur Steuerersparnis ohne Eigenkapital an der S. KG (im Folgenden: Fondsgesellschaft) zu beteiligen. Er unterzeichnete am 25.6.1997 die vorformulierte Beitrittserklärung als Kommanditist zu der Fondsgesellschaft mit einer Einlage von 30.000 DM zzgl. Agio. Zur Finanzierung der Kommanditbeteiligung schloss der Kläger am 10./15.7.1997 einen Vertrag über ein endfälliges Darlehen i.H.v. (brutto) 35.700 DM (= 18.253,12 EUR) mit der Beklagten und wies diese gleichzeitig an, den Nettokreditbetrag auf ein Sonderkonto der Fondsgesellschaft auszuzahlen. Als Sicherheit verpfändete er den Gesellschaftsanteil nebst allen Ansprüchen, Pflichten und Rechten aus dem Gesellschaftsvertrag und trat außerdem seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung sowie auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen ab. Dem Darlehensvertrag war eine gesonderte, vom Kläger unterzeichnete Widerrufsbelehrung mit u.a. folgendem Inhalt beigefügt:
"Der Kreditnehmer wird darauf hingewiesen, dass im Fall des Widerrufs des Kreditvertrages auch der verbundene Kaufvertrag nicht wirksam zustande kommt."
Rz. 3
Die Beklagte zahlte den Nettokreditbetrag weisungsgemäß an die Fondsgesellschaft aus. Im November 2003 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrages vom 10./15.7.1997 und der Fondsbeteiligung gerichteten Willenserklärungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz. Unter Berufung darauf hat er die Beklagte auf Rückzahlung der von 1997 bis 2002 auf das Darlehen gezahlten Zinsraten abzgl. der erhaltenen Fondsausschüttungen, nach seiner Berechnung im Endergebnis 4.570,13 EUR zzgl. Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Ansprüche, die ihm aus dem Fondsbeitritt gegen den Fonds selbst, dessen Initiatoren sowie die beiden Anlagevermittler zustehen, sowie auf Rückabtretung der Rechte aus der sicherungshalber abgetretenen Lebensversicherung in Anspruch genommen. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Zug um Zug abgetretenen Rechte in Verzug befindet und dass ihr keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag zustehen.
Rz. 4
Das LG hat nach Beweisaufnahme der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG ihre Verurteilung zur Zahlung unter Anrechnung von Steuervorteilen des Klägers auf den Betrag von insgesamt 1.435,95 EUR zzgl. Zinsen reduziert, den Feststellungsausspruch hinsichtlich des Beginns des Annahmeverzuges abgeändert und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, und zur vollständigen Abweisung der Klage.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung, weil er seine auf den Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen habe. § 5 Abs. 2 HWiG stehe der Anwendung des Haustürwiderrufsgesetzes nicht entgegen, weil das Verbraucherkreditgesetz hier nicht vorrangig anwendbar sei.
Rz. 8
Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme sei der Kläger durch mündliche Verhandlungen in seiner Privatwohnung ohne vorangegangene Bestellung zur Abgabe der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen bestimmt worden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG).
Rz. 9
Bei Abgabe der Widerrufserklärung im November 2003 sei das Widerrufsrecht des Klägers nicht durch Fristablauf erloschen gewesen. Die mit dem Darlehensvertrag erteilte Widerrufsbelehrung genüge ihrerseits nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HWiG. Der Hinweis, dass im Falle des Widerrufs des Kreditvertrags auch der verbundene Kaufvertrag nicht wirksam zustande komme, stelle eine unzulässige andere Erklärung im Sinne des Gesetzes dar, die zudem unzutreffend und irreführend sei. Vom rechtsunkundigen Verbraucher könne nicht erwartet werden, dass er den Begriff des "Kaufvertrags" auf den Erwerb der Fondsbeteiligung beziehe. Das Widerrufsrecht des Klägers sei auch nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erloschen, da der Kredit nicht vollständig zurückgezahlt sei.
Rz. 10
Der Kläger habe sein Widerrufsrecht bzw. die sich aus dem Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrags ergebenden Rechte auch nicht nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirkt.
Rz. 11
Infolge des Widerrufs habe die Beklagte gem. § 3 Abs. 1 HWiG dem Kläger die aufgrund des Darlehensvertrages gezahlten Zinsen zu erstatten sowie die Rechte aus der Lebensversicherung zurück zu übertragen. Im Gegenzug schulde der Kläger die Übertragung seiner Rechte aus dem Fondsbeitritt, nicht aber die Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst einer Nutzungsentschädigung. Denn die Beteiligung des Klägers an der Fondsgesellschaft stelle ein mit dem Darlehensvertrag verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG dar. Der Kläger müsse sich jedoch auf seinen Zahlungsanspruch nicht nur die Fondsausschüttungen, sondern auch die durch die Fondsbeteiligung erzielten unverfallbaren und ihm verbleibenden Steuervorteile anrechnen lassen. Der danach lediglich noch i.H.v. 1.435,95 EUR bestehende Zahlungsanspruch des Klägers sei nicht verjährt.
Rz. 12
Die weiteren Klageanträge seien ebenfalls zulässig und begründet, der Feststellungsantrag hinsichtlich des Annahmeverzugs jedoch nur mit der Maßgabe, dass Verzug erst zu einem späteren als dem vom LG angenommenen Zeitpunkt eingetreten sei.
II.
Rz. 13
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 14
1. Dem Kläger steht kein Rückabwicklungsanspruch gegen die Beklagte aus § 3 Abs. 1 HWiG zu. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger aufgrund einer Haustürsituation i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG zum Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages bestimmt worden ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es nicht entscheidend an, weil ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers bei Abgabe der Widerrufserklärung im November 2003 bereits erloschen war. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entspricht die dem Darlehensvertrag beigefügte Widerrufsbelehrung trotz des Zusatzes, dass im Falle des Widerrufs des Kreditvertrags "auch der verbundene Kaufvertrag nicht wirksam zustande kommt", den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG. Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HWiG ist daher mit Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung durch den Kläger am 15.7.1997 in Gang gesetzt worden und war deshalb zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung abgelaufen.
Rz. 15
a) Wie der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, ist der Zusatz, dass im Falle des Widerrufs einer Darlehensvertragserklärung "auch der verbundene Kaufvertrag nicht wirksam zustande kommt", keine unzulässige andere Erklärung gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG, wenn - was nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall ist - der Fondsbeitritt mit dem seiner Finanzierung dienenden Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 Abs. 1 VerbrKrG (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung) bildet (BGH, Urt. v. 11.3.2008 - XI ZR 317/06, WM 2008, 828 Rz. 11, 16, XI ZR 381/07, BeckRS 2008, 07114 Rz. 11, 16, XI ZR 68/07, BeckRS 2008, 06947 Rz. 12, 17, XI ZR 215/07, BeckRS 2008, 07113 Rz. 12, 17; v. 11.11.2008 - XI ZR 269/06, WM 2009, 65 Rz. 11).
Rz. 16
b) Der streitige Zusatz ist auch dann nicht unrichtig oder irreführend, wenn man entsprechend der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Hinweisbeschluss v. 10.4.2006 - II ZR 218/04, WM 2006, 1523 Rz. 1 m.w.N.) die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch auf den Widerruf der Beitrittserklärung zu einer Fondsgesellschaft anwendet (dazu näher unten III. 2.). Denn der Anleger ist bei einem verbundenen Geschäft von der Kredit gebenden Bank im Falle des Widerrufs des Darlehensvertrages nach dem Schutzzweck des § 3 HWiG grundsätzlich so zu stellen, als ob er dem Fonds nicht beigetreten wäre, d.h. als ob der eigene Beitritt nie wirksam gewesen wäre (st.Rspr. des Senats, s. nur BGH, Urt. v. 17.9.1996 - XI ZR 164/95, BGHZ 133, 254, 259 ff.; v. 25.4.2006 - XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 Rz. 20; v. 24.4.2007 - XI ZR 191/06, BGHZ 172, 157 Rz. 18 m.w.N.; v. 11.3.2008 - XI ZR 317/06, WM 2008, 828 Rz. 15).
Rz. 17
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Rückübertragung der gestellten Sicherheit gegen die Beklagte zu. Da der streitgegenständliche Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen worden ist, ist der Besicherungsvereinbarung der Parteien nicht die Grundlage entzogen. Mangels eines wirksamen Widerrufs sind zudem die vom Kläger verfolgten Feststellungsanträge unbegründet.
III.
Rz. 18
Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Rz. 19
Ein Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der darlehensvertraglichen Tilgungs- und Zinsleistungen ergibt sich insb. nicht aus der Rechtsfigur des Rückforderungsdurchgriffs. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger seine auf den Fondsbeitritt gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat und damit ein Rückgewährverhältnis i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 HWiG entstanden ist. Hierauf kommt es nicht entscheidend an, weil die Voraussetzungen für einen Rückforderungsdurchgriff nicht vorliegen.
Rz. 20
1. Allerdings kommt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts i.S.v. § 9 Abs. 1 VerbrKrG ein Rückforderungsdurchgriff gem. § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Betracht (BGH, Urt. v. 4.12.2007 - XI ZR 227/06, BGHZ 174, 334 Rz. 30 f.; v. 10.11.2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rz. 48 f.). Die Vorschrift setzt das Bestehen einer die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausschließenden Einrede des Schuldners voraus. Sie begründet einen eigenständigen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch, wenn der Betroffene bereits zum Zeitpunkt der Leistung dauerhaft berechtigt war, diese endgültig zu verweigern. Unter diesen besonderen Umständen wird der Leistung einer Nichtschuld der Fall gleichgestellt, dass der Anspruch zwar besteht, seine Geltendmachung aber durch eine dauernd bestehende Einrede ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung ist in den Fällen, in denen die Bank auf Rückzahlung der aufgrund des Darlehensvertrages geleisteten Beträge in Anspruch genommen wird, indes nicht erfüllt, wenn sich der Kreditnehmer nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft von dem Beitrittsvertrag statt rückwirkend nur für die Zukunft lösen kann, eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des verbundenen Anlagegeschäfts mithin an dem Bestandschutz des fehlerhaften Fondsbeitritts scheitert (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rz. 49).
Rz. 21
2. Danach scheidet im Streitfall ein aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB herzuleitender Rückforderungsdurchgriff aus, weil der Kläger sich nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft mit seinem Widerruf wenn überhaupt nur für die Zukunft von der Fondsbeteiligung lösen und damit keine Rückzahlung der Einlage verlangen konnte (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rz. 49). Ausweislich des an die Beklagte gerichteten Widerrufsschreibens vom 6.11.2003 hat er mit Schreiben vom selben Tage ggü. der Fondsgesellschaft die Beitrittserklärung widerrufen. Für die vor diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen stand ihm daher keine den Anspruch dauernd ausschließende Einrede i.S.d. § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
Rz. 22
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind die Regeln über fehlerhafte Gesellschaften auch auf den Beitritt zu Publikumsgesellschaften der vorliegenden Art anwendbar mit der Folge, dass der Beitritt des durch den Einsatz unzulässiger Mittel geworbenen Anlegers gewöhnlich als wirksam zu behandeln ist, wenn dieser in Vollzug gesetzt wurde. Lediglich für die Zukunft kann sich der Betroffene von der Gesellschaftsbeteiligung lösen (BGH, Urt. v. 2.7.2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 207; v. 16.12.2002 - II ZR 109/01, BGHZ 153, 214, 221; v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHZ 156, 46, 52 f.; Hinweisbeschluss v. 10.4.2006 - II ZR 218/04, WM 2006, 1523 f.; BGH, Urt. v. 20.7.2010 - XI ZR 465/07, WM 2010, 1555 Rz. 35, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Rz. 23
b) Für die vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft in einer werbenden Publikumsgesellschaft nach den Regeln des Haustürwiderrufsgesetzes gelten keine eigenständigen und besonderen Grundsätze. Bei einer in Vollzug gesetzten Personengesellschaft sind nicht nur deren Gläubiger haftungsrechtlich zu schützen. Vielmehr ist auch sicherzustellen, dass die Mitgesellschafter des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters grundsätzlich nicht schlechter als er selbst behandelt werden. Die Mitgesellschafter haben gewöhnlich ein schützenswertes Interesse daran, dass die Beteiligungsbasis (der Gesellschafterkreis) sich nicht schmälert. Dabei macht es bei wertungsgerechter Betrachtung keinen Unterschied, ob der Betroffene bei Abschluss des Beitrittsvertrages arglistig getäuscht oder in einer Haustürsituation geworben und anschließend nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. In beiden Fällen reicht die unzulässige Beeinträchtigung der Willensentscheidungsfreiheit des Beitretenden für sich genommen nicht aus, um eine Rückabwicklung der Gesellschaftsbeteiligung unter Hintanstellung der schutzwürdigen Interessen der Gesellschaftsgläubiger und Mitgesellschafter zuzulassen (s. dazu BGH, Vorlagebeschluss v. 5.5.2008 - II ZR 292/06, WM 2008, 1026 Rz. 15 m.w.N.; zuvor schon BGH, Urt. v. 2.7.2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 207). Für die Anwendung von § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt daher die notwendige Grundlage.
Rz. 24
c) Dieser Betrachtungsweise stehen europarechtliche Bedenken nicht entgegen. Die 1. Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrer Entscheidung vom 15.4.2010 (Rs. C-215/08, WM 2010, 882 Rz. 35 ff., 50) ausdrücklich klar gestellt, dass die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften mit der "Haustürgeschäfterichtlinie" vereinbar sind, so dass der Anleger nach erfolgtem Widerruf des Beitrittsvertrages nicht die Rückzahlung der von ihm geleisteten Einlage verlangen kann, sondern auf die Geltendmachung eines etwaigen Auseinandersetzungsguthabens beschränkt ist. Ferner hat die Gesellschaft ihm gegenüber ggf. einen Anspruch auf Verlustdeckung, wenn die Auseinandersetzungsrechnung ein negatives Auseinandersetzungs-"Guthaben" ergibt (BGH, Urt. v. 12.7.2010 - II ZR 292/06, WM 2010, 1492 Rz. 8 ff.).
Rz. 25
3. Ein Rückforderungsdurchgriff des Klägers ist auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG herzuleiten. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 10.11.2009 (XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rz. 50 ff. m.w.N.) näher dargelegt hat, ist für eine Analogie der Vorschrift schon deshalb kein Raum, weil angesichts des Rückforderungsdurchgriffs aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB keine planwidrige Regelungslücke besteht. Zudem lässt sich aus dem in § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG normierten Einwendungsdurchgriff weder im Wege der Auslegung noch der Analogie ein davon grundverschiedener Rückforderungsdurchgriff herleiten. Dazu sind Gesetzeswortlaut, Entstehungsgeschichte und Schutzzweck der Norm zu eindeutig. Die analoge Anwendung von § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG kommt deshalb auch dann nicht in Betracht, wenn - wie hier - im Einzelfall ein Rückforderungsdurchgriff aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB ausscheidet (BGH, Urt. v. 10.11.2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rz. 53).
IV.
Rz. 26
Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage insgesamt abweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2659975 |
EBE/BGH 2011 |
NJW-RR 2011, 406 |
EWiR 2011, 309 |
NZG 2011, 465 |
WM 2011, 261 |
WuB 2011, 247 |
ZIP 2011, 319 |
ZfIR 2011, 302 |
MDR 2011, 360 |
NJ 2011, 4 |
BKR 2011, 110 |
GWR 2011, 84 |
ZBB 2011, 164 |