Leitsatz (amtlich)

a) Verfügungsberechtigter i. S. d. § 2 Abs. 3 S. 1 VermG ist während der Anhängigkeit eines Restitutionsverfahrens auch der gem. § 11b Abs. 1 VermG bestellte gesetzliche Vertreter des Eigentümers.

b) Zum Nutzungsherausgabeanspruch der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. gegen den gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben des früheren jüdischen Eigentümers (Weiterentwicklung des BGH v. 21.2.2002 - III ZR 107/01, BGHReport 2002, 488 = VIZ 2002, 408).

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 6, § 2 Abs. 3 S. 1, § 7 Abs. 7 S. 2, § 11b Abs. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 29.08.2002)

LG Berlin (Urteil vom 13.11.2001)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der Zivilkammer 8 des LG Berlin v. 13.11.2001 abgeändert und das Urteil des 16. Zivilsenats des KG in Berlin v. 29.8.2002 aufgehoben.

Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs und die Kosten, einschließlich der Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, die Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc., verlangt von der Beklagten der Sache nach für die Zeit ab 1.7.1994 die Herausgabe von Nutzungen für ein Grundstück in Berlin-Prenzlauer Berg, das ihr durch am 12.4.1999 bestandskräftig gewordenen Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen v. 2.3.1999 übertragen worden ist. Das Grundstück stand am 30.1.1933 im Eigentum des J. C. -F. , einer Person jüdischen Glaubens. Das KG Berlin ordnete am 13.12.1940 die Verwaltung des Grundstücks auf Grund der Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens v. 15.1.1940 (RGBl. I, 191) an. Nach § 3 i. V. m. § 2 der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz v. 25.11.1941 (RGBl. I, 722) verfiel das Vermögen dem Deutschen Reich. Eine entsprechende Eintragung in das Grundbuch wurde jedoch nicht vorgenommen.

Nach Kriegsende wurde das Grundstück auf Grund der Verordnung v. 18.12.1951 über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin (VOBl. I, 565) unter staatliche Verwaltung gestellt. Staatlicher Verwalter war der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin, der Rechtsvorgänger der Beklagten. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung zum 31.12.1992 wurde die Beklagte für die anschließende Zeit zum gesetzlichen Vertreter für die unbekannten Eigentümer des Grundstücks nach § 11b Abs. 1 S. 1 VermG bestellt. Die Beklagte übergab der Klägerin zu Händen einer von dieser eingeschalteten Hausverwaltung das Grundstück am 16.7.1999. Nachdem die Beklagte für die Zeit von der Bestandskraft des Restitutionsbescheids bis zur Übergabe des Grundstücks einen Anspruch von 25.238,27 DM anerkannt hat, über den das LG durch Anerkenntnisurteil entschieden hat, verlangt die Klägerin von der Beklagten jetzt noch für die Zeit v. 1.7.1994 bis 11.4.1999 Zahlung von 152.788,08 EUR (= 298.827,51 DM) nebst Zinsen. Insoweit hatte die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Senat hat auf Beschwerde der Klägerin die Revision zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsmittel der Klägerin sind begründet. Ihre Klage ist in dem noch verbliebenen Umfang dem Grunde nach gerechtfertigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lassen sich Nutzungsherausgabeansprüche gegen die Beklagte nicht verneinen.

1. a) Zutreffend geht das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Restitutionsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen - davon aus, dass der eingetragene Eigentümer auf Grund der Bestimmungen der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz einen Vermögensverlust erlitten hat, der wegen der Belegenheit des Grundstücks im Ostteil Berlins nach den Regelungen des Vermögensgesetzes wieder gutzumachen war. Für dessen Anwendung, hier der Bestimmung des § 1 Abs. 6 VermG, ist es ohne Bedeutung, dass der nach der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz angeordnete Vermögensverfall als nichtig angesehen wird (vgl. BVerwG v. 18.5.1995 - 7 C 19/94, BVerwGE 98, 261 [263]; BGH BGHZ 16, 350 [352 ff.]; grundlegend zu dieser Verordnung unter dem Gesichtspunkt des Entzugs der Staatsangehörigkeit BVerfG BVerfGE 23, 98); denn das Vermögensgesetz will auch und gerade Vermögensentziehungen des NS-Staates wieder gutmachen, die nicht zu einem Verlust des Eigentums geführt haben (vgl. BGH v. 9.1.2003 - III ZR 121/02, BGHZ 153, 258 [260 f.] = BGHReport 2003, 371). Für den betroffenen Personenkreis wurden durch § 1 Abs. 6 VermG erstmals konstitutiv Rückübertragungsansprüche begründet, die sich hier, weil Ansprüche von jüdischen Berechtigten oder deren Rechtsnachfolgern nicht geltend gemacht waren, auf ihren rechtzeitig gestellten Rückgabeantrag in der Person der Klägerin als Rechtsnachfolgerin i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 3 VermG verwirklicht haben.

b) Demgegenüber kommt der Aufhebung der während der DDR-Zeit begründeten staatlichen Verwaltung in der hier vorliegenden Fallkonstellation keine eigenständige vermögensrechtliche Wirkung in Bezug auf die Wiedergutmachung erlittenen Unrechts zu. Das ändert freilich - wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt - nichts daran, dass die staatliche Verwaltung, die als typisches Teilungsunrecht von § 1 Abs. 4 VermG erfasst wird und in den §§ 11 ff. VermG eigenen Regelungen der Wiedergutmachung unterliegt, hier auch dann wirksam bestanden hat, wenn sie in der Verordnung v. 18.12.1951 über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin keine Grundlage gehabt hätte, weil es sich bei dem betreffenden Vermögensgegenstand entgegen der Grundbuchlage nicht um ausländisches Privatvermögen, sondern um inländisches Staatsvermögen bzw. Volkseigentum handelte. Die Anordnung der staatlichen Verwaltung verdeutlicht, dass der während der NS-Zeit zu Gunsten des Deutschen Reichs verfallene Vermögenswert weiterhin dem Zugriff des eingetragenen Eigentümers oder dessen Erben entzogen blieb. Allerdings löste die Aufhebung der staatlichen Verwaltung zum 31.12.1992 in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht die üblicherweise mit ihr verbundene Folge aus, dass die Nutzungsverhältnisse an dem Grundstück oder Gebäude auf den Eigentümer übergingen (vgl. § 11a Abs. 4 VermG). Denn an die Stelle des ursprünglich eingetragenen Eigentümers, dessen Vermögensverlust auf die NS-Verfolgung zurückging, war hier - anders als in den Fällen, die den Senatsurteilen BGH, Urt. v. 20.11.1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183; Urt. v. 5.7.2001 - III ZR 235/00, BGHZ 148, 241 = BGHReport 2001, 673; und Urt. v. 21.2.2002 - III ZR 107/01, BGHReport 2002, 488 = VIZ 2002, 408) zu Grunde lagen - kein anderer Eigentümer getreten, dessen Rechtsstellung durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung selbstständig betroffen worden wäre. Ferner waren Erben des eingetragenen Eigentümers nicht bekannt, sodass auch nicht in Betracht kam, etwa außerhalb eines vor dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen geführten Verwaltungsverfahrens durch eine auf einer Erbscheinserteilung beruhenden Grundbuchberichtigung - bei Rücknahme oder Erledigterklärung des von der Klägerin gestellten Rückgabeantrags (zu einer solchen Konstellation vgl. das Senatsurteil BGH, Urt. v. 9.1.2003 - III ZR 121/02, BGHZ 153, 258 [264 f. 268] = BGHReport 2003, 371) - ihre Rechte wieder herzustellen. War daher mit der gesetzlichen Aufhebung der staatlichen Verwaltung zum 31.12.1992 nicht die Beseitigung erlittenen Unrechts verbunden, erhielt die Klägerin ihre Rechtsstellung allein auf Grund des auf § 3 VermG beruhenden Restitutionsbescheids, mit dem das Verfolgungsunrecht nach § 1 Abs. 6 VermG rückgängig gemacht wurde.

2. Aus diesem Restitutionsverhältnis steht der Klägerin als Berechtigter nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG der Anspruch zu, mit Wirkung v. 1.7.1994 vom Verfügungsberechtigten die Herausgabe der bis zur Rückübertragung des Eigentums gezogenen Nutzungen zu verlangen. Dieser Anspruch ist nicht, wie die Beklagte in den Vorinstanzen gemeint hat, nach § 7 Abs. 8 S. 2 VermG erloschen.

Wie der BGH mit Urt. v. 11.7.2003 (BGH v. 11.7.2003 - V ZR 430/02, BGHReport 2003, 1256 = MDR 2003, 1283 = VIZ 2003, 526 [528 f.], unter B II 2) entschieden hat, ist zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs i. S. v. § 7 Abs. 8 S. 2 VermG erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Berechtigte an den Verfügungsberechtigten ein Schreiben richtet, dem dieser entnehmen kann, dass er die Herausgabe der Mieteinnahmen beansprucht. Diesen Anforderungen genügt nach diesem Urteil, dem sich der Senat anschließt, ein Schreiben, in dem "die ab dem 1.7.1994 zu erstellende und zu übermittelnde Abrechnung gem. § 7 Abs. 7 VermG" geltend gemacht wird. Unstreitig hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin v. 23.7.1999 erhalten, in dem sie mit einer im Wesentlichen gleich lautenden Formulierung ebenfalls zur Abrechnung nach § 7 Abs. 7 VermG aufgefordert worden ist. Dem musste sie den Wunsch der Klägerin entnehmen, nicht nur eine Abrechnung zu erhalten, sondern zugleich den in § 7 Abs. 7 S. 2 VermG geregelten Anspruch auf Nutzungsherausgabe durchzusetzen.

3. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin aus § 7 Abs. 7 S. 2 VermG jedoch mit der Begründung, die Beklagte sei in der Zeit v. 1.7.1994 bis 11.4.1999 nicht Verfügungsberechtigte im Sinn des § 7 Abs. 7 VermG gewesen. Wie die Regelung in § 2 Abs. 3 VermG zeige, sei nur derjenige Verfügungsberechtigter, in dessen Eigentum oder Verfügungsmacht der Vermögenswert stehe. Dabei verlange die Verfügungsmacht eine formale Rechtsinhaberschaft, der eine "faktische" Verfügungsbefugnis, wie sie die Klägerin für gegeben halte, nicht genüge. Das ergebe sich nicht zuletzt aus der Bestimmung des § 2 Abs. 3 S. 2 VermG, die den staatlichen Verwalter nur kraft gesetzlicher Fiktion als verfügungsberechtigt ansehe. Vor der Restitution sei die Beklagte nicht Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Als Eigentümer komme vielmehr nach Art. 21 Abs. 3 Zweiter Halbs. EV der Bund, möglicherweise nach Art. 22 Abs. 4 S. 1 und 3 EV auch das Land Berlin in Betracht. Die Verfügungsberechtigung der Beklagten kraft staatlicher Verwaltung habe am 31.12.1992 ihr Ende gefunden. Ein Restitutionsverhältnis habe auch nicht zwischen der Klägerin und den unbekannten Erben des jüdischen Eigentümers bestanden. Schließlich sei der Klägerin eine unmittelbare Inanspruchnahme der Beklagten als gesetzlicher Vertreterin der unbekannten Eigentümer verwehrt, weil die Beklagte insoweit nur diesen gegenüber verpflichtet sei.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass zwischen der Klägerin und den unbekannten Erben des jüdischen Eigentümers kein eigentliches Restitutionsverhältnis bestand, das Grundlage für Ansprüche aus § 7 Abs. 7 S. 2 VermG sein könnte. Richtig ist zwar, dass der frühere Eigentümer, der seine Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht geltend macht, spätestens mit der bestandskräftigen Restitutionsentscheidung zu Gunsten der Klägerin seinen eigenen Rückgabeanspruch nicht mehr realisieren kann. Das rechtfertigt aber nicht die Sichtweise, durch die Rückgabeentscheidung verlören der eingetragene Eigentümer oder seine Erben das Eigentum zu Gunsten der Klägerin. Vielmehr ist der Klägerin durch § 2 Abs. 1 S. 3 VermG ausdrücklich die Rolle zugewiesen, anstelle des jüdischen Berechtigten, der seine Ansprüche nicht geltend macht, als dessen Rechtsnachfolger dafür Sorge zu tragen, dass der Vermögensverlust wieder rückgängig gemacht wird. Das Antragsrecht der Klägerin greift daher auch in Fällen, in denen das Erbrecht des Fiskus den eingetretenen Vermögensverlust im Ergebnis perpetuieren würde (vgl. § 2 Abs. 1 S. 4 VermG).

b) Nach der in § 2 Abs. 3 S. 1 VermG vorgenommenen Begriffsbestimmung, die für die Anwendung der materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften des Vermögensgesetzes maßgeblich ist, ist Verfügungsberechtigter bei der Rückübertragung von anderen Vermögenswerten - wie hier bei einem Grundstück - diejenige Person, in deren Eigentum oder Verfügungsmacht der Vermögenswert steht. In Rechtsprechung und Literatur wird insoweit einhellig zu Grunde gelegt, dass die Begriffe Eigentum oder Verfügungsmacht auf die formale Inhaberschaft eines Rechts abstellen (vgl. BVerwG VIZ 2000, 717; VIZ 2001, 200 [203]; Neuhaus in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 2 Rz. 43; Brettholle/Köhler-Apel in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rz. 59; Wasmuth in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rz. 191 f.). Dabei kommt dem Begriff der Verfügungsmacht insofern allerdings eine über die Inhaberschaft - etwa an einer Forderung - hinausreichende Bedeutung zu, als sie auch die formale Berechtigung umfasst, über den infrage stehenden Vermögenswert zu verfügen. Dies gilt etwa für Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einen Testamentsvollstrecker. Auch der staatliche Verwalter, dessen Aufgaben und Pflichten im Einzelnen in §§ 11 Abs. 2, 15 VermG gesetzlich umrissen sind, ist in diesem Sinn Verfügungsberechtigter. Dies wird durch die Regelung in § 2 Abs. 3 S. 2 VermG verdeutlichend klargestellt (vgl. Neuhaus in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 2 Rz. 48; Brettholle/Köhler-Apel in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rz. 62; Wasmuth, in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rz. 204), mag dies auch in der Form einer Fiktion geschehen sein. Soweit das Berufungsgericht dieser Fiktion entnehmen will, dem staatlichen Verwalter komme eigentlich keine Verfügungsmacht im Sinn des § 2 Abs. 3 S. 1 VermG zu, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn auch ohne die Regelung in § 2 Abs. 3 S. 2 VermG kann nicht zweifelhaft sein, dass der staatliche Verwalter - im Verwaltungsverfahren nach § 31 Abs. 2 VermG Beteiligter - bis zur Beendigung seines Amtes spätestens am 31.12.1992 (vgl. § 11a Abs. 1 S. 1 VermG) eine Rechtsstellung hatte, die ihn nach Maßgabe der genannten Vorschriften zu Verfügungen über den Vermögenswert berechtigten. Durch die nähere Ausgestaltung des Vermögensgesetzes und die im Vermögenszuordnungsgesetz geregelte Verfügungsbefugnis öffentlich-rechtlicher Körperschaften kann es auch ohne weiteres dazu kommen, dass es in Bezug auf ein und denselben Vermögenswert mehrere Verfügungsberechtigte gibt. So hat der Senat wiederholt Fälle zu entscheiden gehabt, in denen sowohl der Eigentümer als auch der staatliche Verwalter als Verfügungsberechtigte der Unterlassungsverpflichtung aus § 3 Abs. 3 S. 1 VermG unterworfen waren und der staatliche Verwalter in einen doppelten Rechte- und Pflichtenkreis eingebunden war (vgl. BGH v. 20.11.1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183 [191] = ; BGHZ 148, 241 [244, 250 f.]; v. 21.2.2002 - III ZR 107/01, BGHReport 2002, 488 = VIZ 2002, 408 [409]). Ferner ist auf die Fälle hinzuweisen, in denen die gesetzliche Verfügungsbefugnis einer Gemeinde nach § 8 Abs. 1 S. 1 Buchst. a VZOG neben die Verfügungsberechtigung des Eigentümers nach § 8 Abs. 2 S. 1 VZOG tritt (vgl. Neuhaus in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 2 Rz. 44 f.).

Ob die Verfügungsmacht i. S. d. § 2 Abs. 3 S. 1 VermG von Gesetzes wegen bestehen muss oder ob sie auch durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung verliehen werden kann (so etwa Wasmuth in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rz. 192), hat das BVerwG für fraglich gehalten, aber offen gelassen (BVerwG VIZ 2000, 717 [718]). Ob dem zu folgen wäre, braucht auch hier nicht entschieden zu werden. Denn die Beklagte erfüllte mit ihrer Bestellung zur gesetzlichen Vertreterin der unbekannten Erben des früheren Eigentümers nach § 11b Abs. 1 S. 1 VermG alle Merkmale einer gesetzlichen Verfügungsmacht nach § 2 Abs. 3 S. 1 VermG (in diesem Sinn auch Wasmuth in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rz. 192, 200). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist ohne weiteres deutlich, dass der gesetzliche Vertreter in eigener Person im Hinblick auf die Nichtverfügbarkeit des Eigentümers hinzuzuziehen ist. Dass sein Handeln als gesetzlicher Vertreter materiell dem Eigentümer zugerechnet wird, ergibt sich aus der Aufgabenzuweisung, ist aber kein Grund, ihm die Verfügungsberechtigung abzusprechen und diese materiell allein dem Vertretenen zuzuweisen. Eine solche Sicht ließe außer Betracht, dass der gesetzliche Vertreter durch den Bestellungsakt gerade an die Stelle des Vertretenen gesetzt wird, dessen Rechte hierdurch beschränkt werden (vgl. Gisselmann in Kimme, Offene Vermögensfragen, § 11b VermG Rz. 19, 28), und zwar nicht nur in Fällen, in denen der Eigentümer zwar bekannt, dieser aber wegen seines nicht festzustellenden Aufenthalts nicht erreichbar ist, sondern auch dann, wenn überhaupt ungewiss ist, wer Eigentümer des Vermögenswerts ist. Dass in einer solchen Situation der gesetzliche Vertreter dazu berufen ist, die Belange des Eigentümers zu vertreten, aber auch - bei Vorliegen eines Restitutionsantrages - die Verfügungsbeschränkungen des § 3 Abs. 3 S. 1 VermG zu beachten, verleiht ihm ungeachtet des Umstands, dass er bei seiner Aufgabenerfüllung nach § 11b Abs. 1 S. 5 VermG i. V. m. §§ 1821 und 1837 BGB in gewissem Umfang der Genehmigung bedarf und einer Aufsicht unterliegt, die in § 2 Abs. 3 S. 1 VermG beschriebene Verfügungsmacht. Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird dadurch bestätigt, dass § 11b Abs. 1 VermG in Bezug auf ehemals staatlich verwaltete Vermögenswerte ein Vakuum auszufüllen hat, das sich nach der Beendigung der staatlichen Verwaltung bei mangelnder Feststellbarkeit des Eigentümers oder seines Aufenthalts ergeben würde. Aus dem Senatsurteil v. 21.2.2002 (BGH, Urt. v. 21.2.2002 - III ZR 107/01, BGHReport 2002, 488 = VIZ 2002, 408 [409]) ergibt sich nichts anderes, auch wenn dieses die missverständliche Wendung enthält, der bisherige Eigentümer sei nach dem 31.12.1992 "allein" Verfügungsberechtigter gewesen. Die Frage, ob auch der gesetzliche Vertreter nach § 11b VermG Verfügungsberechtigter im Sinn des § 2 Abs. 3 S. 1 VermG sein kann, stellte sich in dem damaligen Verfahren nicht und sollte auch nicht beantwortet werden. Vielmehr ging es allein darum zu klären, inwieweit der gesetzliche Vertreter auf Grund seiner Bestellung gegenüber dem von der staatlichen Verwaltung betroffenen bisherigen Eigentümer und ggf. gegenüber dem Restitutionsberechtigten als künftigen Eigentümer verantwortlich ist.

c) Dem Anspruch auf Nutzungsherausgabe steht nicht entgegen, dass die Beklagte nach den gem. § 11b Abs. 1 S. 5 VermG sinngemäß anwendbaren Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Auftrag den unbekannten Erben des eingetragenen Eigentümers gegenüber in der Pflicht stünde.

aa) Zwar hat der Senat grundsätzlich und wiederholt entschieden, dass der Einordnung als Restitutionsverhältnis oder Verwalterverhältnis wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Wiedergutmachung von Teilungsunrecht besondere Bedeutung zukommt (vgl. nur BGH v. 20.11.1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183 [185 ff.]; v. 5.7.2001 - III ZR 235/00, BGHZ 148, 241 = BGHReport 2001, 673). Die hieran geknüpften Ansprüche auf Kostenerstattung, Aufwendungsersatz und Rechenschaft unterscheiden sich nämlich ihrem Umfang nach und in der Frage der Verjährung erheblich. Er hat deshalb den staatlichen Verwalter wegen seiner Aufwendungsersatzansprüche entsprechend § 670 BGB grundsätzlich an den Eigentümer des verwalteten Vermögenswerts verwiesen, eine Inanspruchnahme des Restitutionsberechtigten durch den Verfügungsberechtigten auf Kostenerstattungsansprüche nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG beschränkt sowie dem Restitutionsberechtigten einen Auskunftsanspruch gegen den gesetzlichen Vertreter des zuvor von der staatlichen Verwaltung betroffenen Voreigentümers versagt (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2002 - III ZR 107/01, BGHReport 2002, 488 = VIZ 2002, 408 [409]). Tatsächlicher Hintergrund dieser Fälle war jedoch, dass von den Schädigungsmaßnahmen (verfolgungsbedingte Vermögensverluste während der NS-Zeit, die zum Erwerb durch einen so genannten "Ariseur" führten; staatliche Verwaltung des Vermögenswerts während der DDR-Zeit) unterschiedliche Personen betroffen waren.

bb) Die aufgezeigten Grundsätze, an denen der Senat festhält, sind jedoch an der Verwirklichung der vom Vermögensgesetz beabsichtigten Wiedergutmachung zu messen. So hat der Senat im Urteil v. 5.7.2001 in einem Fall, in dem es dem Eigentümer eines ehemals staatlich verwalteten Grundstücks wegen der nachfolgenden Restitution an den Berechtigten nicht möglich war, die Aufwendungsersatzansprüche des staatlichen Verwalters aus den ihm bis zur Restitution zugeflossenen Gebrauchsvorteilen zu erfüllen, diese Ansprüche der Höhe nach begrenzt und den staatlichen Verwalter, der auch im Verhältnis zum Restitutionsgläubiger Verfügungsberechtigter war, gegen diesen auf Ansprüche nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG verwiesen (BGH v. 5.7.2001 - III ZR 235/00, BGHZ 148, 241 [250 f.] = BGHReport 2001, 673). Die Begrenzung der Aufwendungsersatzansprüche des staatlichen Verwalters gegen den Eigentümer des verwalteten Vermögenswerts beruhte auf der Überlegung, den durch den Restitutionsanspruch eines besser Berechtigten betroffenen Eigentümer im Ergebnis nicht schlechter zu stellen, als wäre es bei seiner durch die staatliche Verwaltung bewirkten "wirtschaftlichen Enteignung" geblieben (BGH v. 5.7.2001 - III ZR 235/00, BGHZ 148, 241 [247 f.] = BGHReport 2001, 673).

cc) In der hier vorliegenden Fallkonstellation stellt die Inanspruchnahme der Beklagten als gesetzliche Vertreterin der unbekannten Erben des eingetragenen Eigentümers durch die Klägerin als Restitutionsberechtigte nur eine scheinbare Durchbrechung der angeführten Grundsätze dar. Zwar besteht - wie ausgeführt - zwischen der Klägerin und den unbekannten Erben des jüdischen Eigentümers kein eigentliches Restitutionsverhältnis. Die Klägerin hat aber nach § 2 Abs. 1 S. 3 VermG im vermögensrechtlichen Sinn die Stellung eines Rechtsnachfolgers des jüdischen Eigentümers. Diese Rechtsnachfolge ist nicht auf den Rückgabeanspruch nach § 3 VermG beschränkt, sondern bezieht sich auch auf die Nutzungsherausgabeansprüche nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG, die - abweichend vom Grundsatz, dass der Vermögenswert bis zur Bestandskraft des Rückgabebescheids Teil des Vermögens des Verfügungsberechtigten bleibt - u. a. deshalb eingeführt worden sind, um einen Beitrag zur zügigen Rückübereignung der zu restituierenden Immobilien zu leisten (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.1998 - III ZR 145/97, VIZ 1998, 323; v. 23.4.1999 - V ZR 142/98, BGHZ 141, 232 [235 f.] = MDR 1999, 1058). Ist aber die Klägerin Rechtsnachfolgerin des jüdischen Eigentümers, bestehen keine Bedenken, ihr aus dem durch die Bestellung zur gesetzlichen Vertreterin gem. § 11b Abs. 1 VermG begründeten Auftragsverhältnis auch die Rechte der unbekannten Erben gegen die Beklagte als gesetzliche Vertreterin zu geben. Dies gilt jedenfalls in dem hier beanspruchten Umfang der Nutzungsherausgabe nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG.

Unbillige Nachteile für die Beklagte ergeben sich aus dieser Lösung nicht. Geht man davon aus, dass es auch an Erben des früheren jüdischen Eigentümers fehlt, liegt auf der Hand, dass der Beklagten aus dem nach § 11b Abs. 1 S. 5 VermG begründeten Auftragsverhältnis keine Inanspruchnahme droht, für die sie die erwirtschafteten Überschüsse zurückbehalten müsste. Aber auch dann, wenn tatsächlich Erben vorhanden wären und diese die Beklagte auf Abrechnung in Anspruch nehmen würden, wären deren Rechte wegen der nicht rechtzeitigen Anmeldung der Ansprüche, spätestens jedoch wegen der bestandskräftigen Rückgabe des Vermögenswerts an die Klägerin untergegangen. Die Beklagte könnte einem diesbezüglichen Abrechnungsanspruch entgegenhalten, sie habe ihre Herausgabepflicht nach § 667 BGB wirksam gegenüber der Klägerin erfüllt.

Soweit die Revisionserwiderung unter Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHZ 153, 258, 264 f. meint, bei dem von der Beklagten vertretenen Eigentümer könne es sich nicht um den früheren jüdischen Eigentümer oder dessen Erben gehandelt haben, weil diese ungeachtet der weiter bestehenden Grundbucheintragung das Eigentum an dem Grundstück verloren hätten, liegt dem eine Sichtweise zu Grunde, die mit der Bestellung nach § 11b Abs. 1 VermG nicht in Einklang steht. Denn insoweit war maßgeblich, dass es sich hier um einen ehemals staatlich verwalteten Vermögenswert handelte, für den das Grundbuch auf einen Eigentümer hinwies, dessen Erben nicht festzustellen waren. Hätte man seinerzeit erkannt, dass es sich um ehemaliges Reichsvermögen handelte, das dem Bund zugefallen ist, hätte für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters nach § 11b Abs. 1 VermG wegen Fehlens eines "wirklichen" Verwalterverhältnisses keine Grundlage bestanden. Im Übrigen hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich aus dem durch die Bestellung als gesetzliche Vertreterin begründeten Auftragsverhältnis gegenüber dem Bund oder dem Land Berlin für verpflichtet halte oder von diesen auf Abrechnung in Anspruch genommen werde.

Soweit das Berufungsgericht in Erwägung zieht, der Bund oder das Land kämen als verfügungsberechtigte Eigentümer bis zur Bestandskraft des Rückgabebescheids als Anspruchsgegner der Klägerin in Betracht, kommt es hierauf nicht an, weil auch die Beklagte - wie ausgeführt - Verfügungsberechtigte war und in dieser Stellung die Nutzungen des Vermögenswerts gezogen hat.

4. Nach allem ist der Klageanspruch in dem noch anhängigen Umfang dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Sache ist zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch zu klären hat, ob die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten - weit hinter der Klageforderung zurückbleibenden - Kostenerstattungsansprüche nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG, die ihr als Verfügungsberechtigter zustehen können, begründet sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1147597

BGHZ 2005, 376

BGHR 2004, 1001

FamRZ 2004, 1168

EWiR 2004, 829

VIZ 2004, 318

WM 2004, 2394

NJ 2004, 358

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