Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung eines Unternehmens im Zugewinnausgleich
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob bei der Bewertung eines Unternehmens im Zugewinnausgleich dem vom Sachverständigen ermittelten Ertragswert der Betrag hinzugerechnet werden kann, um den der Verkehrswert eines einzelnen Unternehmensbestandteils dessen Buchwert übersteigt.
Normenkette
BGB § 1376
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des 11. Zivilsenats - 3. Senat für Familiensachen - des OLG Koblenz v. 13.7.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das OLG zurückverwiesen.
Wert: 123.690 EUR (= 241.917,25 DM)
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Zugewinnausgleich.
Die am 17.2.1984 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 2.2.1996 zugestellten Scheidungsantrag des Ehemannes durch Verbundurteil des AG Montabaur v. 11.1.1999 rechtskräftig geschieden. Das Verfahren über den Zugewinnausgleich wurde abgetrennt.
Der Ehemann ist Inhaber eines als Einzelfirma geführten Maschinenbauunternehmens. Nach einem vom AG eingeholten Sachverständigengutachten wies das Unternehmen zum 31.12.1983 einen Ertragswert von 0 und einen Substanzwert von 46.000 DM aus. Zum 31.12.1995 hat der Sachverständige den Ertragswert des Unternehmens mit 509.000 DM errechnet. Von diesem Betrag hat der Sachverständige jedoch ein mit 599.000 DM ermitteltes negatives Eigenkapital in Abzug gebracht. Dieses negative Eigenkapital hat der Sachverständige unmittelbar aus der Bilanz zum 31.12.1995 hergeleitet, nach der Aktivwerten i.H.v. 363.000 DM Verbindlichkeiten und Rückstellungen i.H.v. 962.000 DM gegenüberstehen. Der Unternehmenswert ergebe sich erst aus der Subtraktion des fehlenden Eigenkapitals (363.000 DM - 962.000 DM = - 599.000 DM) vom ermittelten Ertragswert (509.000 DM). Ein denkbarer Erwerber des Unternehmens werde nämlich erst dann bereit sein, für das Unternehmen einen Kaufpreis in Höhe des ermittelten Ertragswertes zu zahlen, wenn das Unternehmen mindestens einen Substanzwert von 0 aufweise; anderenfalls würde der Erwerber Verbindlichkeiten eingehen, die von den Aktiva des Unternehmens nicht gedeckt wären. Da der festgestellte Ertragswert von 509.000 DM unter der Prämisse ermittelt worden sei, dass dem Unternehmen das fehlende Eigenkapital von () 599.000 DM zum Bewertungsstichtag zugeführt werde, sei der Wert des Unternehmens zum 31.12.1995 mit (509.000 DM - 599.000 DM =) - 90.000 DM zu veranschlagen.
Zum Betriebsvermögen des Maschinenbauunternehmens gehört eine während der Ehe errichtete Werkhalle auf einem ebenfalls in der Ehe erworbenen Grundstück; der Verkehrswert der Halle nebst Grundstück betrug zum 31.12.1995 624.000 DM; in der Bilanz zum 31.12.1995 ist für die Halle ein Buchwert von 257.678 DM ausgewiesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei eine Einkommensteuerbelastung, wie sie sich im Falle der Veräußerung des Unternehmens aus der Aufdeckung stiller Reserven ergeben könnte, nicht zu berücksichtigen, da üblicherweise in Höhe des negativen Kapitals Verlustvorträge bestünden, durch die der beim Verkauf des Unternehmens erzielte Gewinn kompensiert würde.
Das AG hat den vom Ehemann erzielten Zugewinn mit 573.587 DM (rechnerisch richtig: 574.292 DM) veranschlagt. Bei der Ermittlung des Endvermögens des Ehemannes hat es dessen Maschinenbauunternehmen mit (509.000 DM - 599.000 DM =) minus 90.000 DM und die Werkhalle gesondert mit 624.000 DM in Ansatz gebracht. Unter Berücksichtigung weiterer Vermögenspositionen im Gesamtwert von (Aktiva 420.375 DM - Verbindlichkeiten 176.246 DM =) 244.129 DM hat es ein Endvermögen des Ehemannes i.H.v. 777.424 DM (rechnerisch richtig: 778.129 DM) errechnet, dem es ein Anfangsvermögen von 203.837 DM gegenübergestellt hat. Da die Ehefrau in der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat, ergebe sich ein Anspruch der Ehefrau auf die Hälfte des vom Ehemann erzielten Zugewinns, mithin - folgt man dem Rechenwerk des AG - auf Zahlung von (573.587 DM: 2 =) 286.793,50 DM. Da die Ehefrau jedoch nur Zahlung von 187.659 DM beantragt hat, hat das AG den Ehemann verurteilt, an die Ehefrau diesen Betrag zu zahlen.
Die Berufung des Ehemannes hat das OLG zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Ehefrau hat es das Urteil des AG teilweise abgeändert und den Ehemann antragsgemäß verurteilt, an die Ehefrau 241.917,25 DM zu zahlen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Ehemann sein Klagabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
1. Das OLG, (OLG Koblenz v. 13.7.2001 - 11 UF 248/00, FamRB 2002, 161 = OLGReport Koblenz 2002, 152 = FamRZ 2002, 1190 [LS]), geht - gestützt auf das Sachverständigengutachten - im Ansatz davon aus, dass das Maschinenbauunternehmen des Ehemannes für die Zwecke des Zugewinnausgleichs mit dem Ertragswert zu veranschlagen sei, den der Sachverständige zum 31.12.1995 zutreffend mit 509.000 DM ermittelt habe.
Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ziel der Wertermittlung nach § 1376 Abs. 2 BGB ist es, das Unternehmen mit seinem "vollen, wirklichen" Wert anzusetzen. Grundsätze darüber, nach welcher Methode dies im Einzelnen zu geschehen hat, enthält das Gesetz für andere als landwirtschaftliche Betriebe (vgl. § 1376 Abs. 4 BGB) nicht (Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Kap. 1 Rz. 89). Diese Methode sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden ist Sache des - sachverständig beratenen - Tatrichters. Seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (BGH, Urt. v. 24.10.1990 - XII ZR 101/89, MDR 1991, 343 = FamRZ 1991, 43 [44]). Derartige Fehler zeigt die Revision insoweit nicht auf.
Zwar kann, wie der Senat im Zusammenhang mit der Bewertung freiberuflicher Praxen dargelegt hat (BGH, Urt. v. 25.11.1998 - XII ZR 84/97, MDR 1999, 362 = FamRZ 1999, 361 [362]; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1376 BGB Rz. 19), gegen das Ertragswertverfahren sprechen, dass sich einerseits eine Ertragswertprognose für ein Unternehmen im Einzelfall kaum von der Person des derzeitigen Unternehmensinhabers trennen lässt, dass andererseits aber die Erwartung künftigen Einkommens, die der individuellen Arbeitskraft des Inhabers zuzurechnen ist, nicht maßgebend sein kann, weil es beim Zugewinn nur auf das am Stichtag vorhandene Vermögen ankommt. Das OLG hat indes für das Maschinenbauunternehmen keine einer freiberuflichen Tätigkeit vergleichbaren Ertragsmerkmale festgestellt, die auf einen potenziellen Erwerber nicht übertragbar wären. Es hat insoweit auch keinen Sachvortrag des Ehemannes übergangen; der von der Revision hierfür angeführte Beratungsbericht, der für das Unternehmen 1996 erstellt worden ist, lässt solche persönlichen Ertragsmerkmale nicht erkennen; er belegt im Gegenteil, dass das Unternehmen derzeit nur vormittags von dem Ehemann geführt und im Übrigen von einem angestellten Betriebsmeister geleitet wird. Ebenso lässt sich - entgegen der Auffassung der Revision - kein allgemeiner Erfahrungssatz aufstellen, nach dem sich die Ertragsprognose einer Einzelfirma nicht von der Person ihres Inhabers trennen lässt. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass die Organisationsform eines Betriebs als einzelkaufmännisches Unternehmen keine Rückschlüsse auf dessen Größe zulässt. In der Literatur wird zwar darauf hingewiesen, dass beim Verkauf besonders strukturierter Klein- und Mittelbetriebe häufig nur Preise erzielt werden, die unter dem nach der Ertragswertmethode errechneten Unternehmenswert liegen (Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl., S. 50). Es ist jedoch weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass das Maschinenbauunternehmen des Ehemannes die hierfür genannten Strukturmerkmale (etwa: eine auf den konkreten Inhaber ausgerichtete Personenbezogenheit des Unternehmens, die unentgeltliche Mitarbeit von Familienangehörigen oder eine geringe Organisationstiefe) aufweist.
2. Da bei der Ermittlung des mit 509.000 DM veranschlagten Ertragswertes die Verbindlichkeiten des - überschuldeten - Unternehmens nicht berücksichtigt worden seien, hat das OLG - auch insoweit dem Sachverständigengutachten folgend - von diesem Ertragswert das sich aus der Bilanz 1995 ergebende negative Eigenkapital i.H.v. rund 599.000 DM (Verbindlichkeiten und Rückstellungen i.H.v. 962.000 DM bei Aktiva i.H.v. 363.000 DM) in Abzug gebracht. Den sich damit ergebenden (negativen) Unternehmenswert von minus 90.000 DM hat es in das Endvermögen des Ehemannes eingestellt. Da auf diese Weise - über das negative Eigenkapital - sämtliche Betriebsverbindlichkeiten Berücksichtung fänden, könnten diese Verbindlichkeiten, auch soweit der Ehemann für sie persönlich hafte, nicht zusätzlich als Negativposten in das Endvermögen einfließen.
Diese Ausführungen lassen revisionsrechtlich bedeutsame Rechtsfehler nicht erkennen. Sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.
3. Hinsichtlich der zum Betriebsvermögen gehörenden Werkhalle hält das OLG es indes für geboten, deren deutlich über dem Bilanzwert liegenden Substanzwert (gemeint ist der im Kurzgutachten des Sachverständigen K. ermittelte unstreitige "Verkehrswert") gesondert Rechnung zu tragen. In der - vorstehend wiedergegebenen - Bewertung des Unternehmens sei die Halle nur insoweit berücksichtigt, als sie mit ihrem Buchwert i.H.v. 257.678 DM als Aktivposten in der Bilanz zum 31.12.1995 aufgeführt sei. In Höhe dieses Buchwertes habe die Werkhalle (als Aktivposten) das negative Eigenkapital - also die Überschuldung des Unternehmens - verringert; zugleich habe sie insoweit - im Rahmen der Verrechnung des negativen Eigenkapitals mit dem Ertragswert - den im Endvermögen anzusetzenden wirtschaftlichen Wert des Unternehmens erhöht. Für die Zwecke des Zugewinnausgleichs dürfe der deutlich über dem Buchwert liegende Substanzwert (Verkehrswert) der Halle jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Vielmehr müssten Ertragswert und Substanzwert (Verkehrswert) dadurch miteinander verknüpft werden, dass die Bewertung des Betriebs fiktiv ohne die Werkhalle erfolge und diese mit ihrem tatsächlichen (Verkehrs-) Wert in das Endvermögen des Ehemannes eingestellt werde. Der Buchwert der Halle sei deshalb bei der Ermittlung des negativen Eigenkapitals mit der Folge unberücksichtigt zu lassen, dass sich die Verschuldung des Unternehmens um den Buchwert der Halle auf (599.000 DM + 257.678 DM =) 856.678 DM erhöhe und der - sich durch Verrechnung dieses Betrags mit dem Ertragswert ergebende - Wert des Unternehmens auf (509.000 DM - 856.678 DM =) - 347.678 DM sinke. Diesem Absinken des Unternehmenswertes im Endvermögen stehe jedoch die gesonderte Berücksichtigung der nunmehr im Endvermögen gesondert und mit ihrem tatsächlichen (Verkehrs-) Wert von 624.000 DM anzusetzenden Werkhalle ggü. Auf der Grundlage der vom OLG vorgenommenen Berechnung erhöht sich danach im Ergebnis das Endvermögen des Ehemannes hinsichtlich seines Unternehmens einschließlich der Werkhalle von (509.000 DM Ertragswert - 599.000 DM negatives Eigenkapital =) - 90.000 DM auf (509.000 DM Ertragswert - 856.678 DM negatives Eigenkapital + 624.000 DM tatsächlicher Wert der Werkhalle =) 276.322 DM.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die vom OLG vorgenommene Aufspaltung des Unternehmenswertes in den Verkehrswert der Halle und den Ertragswert des Unternehmens im Übrigen ist nicht gerechtfertigt. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass bei der Bewertung eines Unternehmens - gleich nach welcher Methode sie erfolgt - das nicht betriebsnotwendige Vermögen von der Gesamtbewertung des Unternehmens ausgenommen und mit seinem Liquidationswert dem Gesamtwert hinzugesetzt werden muss, um den realen Unternehmenswert zu ermitteln (Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl., S. 50 [181 ff.] m.w.N.; Künkel, FPR 1996, 99 [104]). Das OLG hat aber nicht festgestellt, dass es sich bei der Werkhalle um nicht betriebsnotwendiges Vermögen handelt. Es hat bei seiner Berechnung zwar berücksichtigt, dass bei gesonderter Bewertung der Werkhalle deren Buchwert nicht auch beim negativen Eigenkapital (als Aktivposten) Berücksichtigung finden kann. Es ist jedoch davon ausgegangen, dass der für das Unternehmen einschließlich der Werkhalle ermittelte Ertragswert von 509.000 DM unverändert bleibe, auch wenn die Werkhalle aus dem Betriebsvermögen ausgegliedert und - auf dieser fiktiven Grundlage - einer gesonderten Bewertung unterzogen würde. Für die Annahme eines auch bei (fiktivem) Wegfall der Werkhalle gleich bleibenden Ertragswertes des Unternehmens fehlt jedoch jede tatsächliche Grundlage.
b) Außerdem hat das OLG die Werkhalle mit ihrem Verkehrswert (Liquidationswert) i.H.v. 624.000 DM in Ansatz gebracht. Auch hiergegen bestehen Bedenken. Werden, wie hier, bei der Wertermittlung Beträge angesetzt, die sich nur durch eine Veräußerung von Teilen des Betriebsvermögens erzielen lassen, dann müssen die bei der Veräußerung anfallenden Steuern ebenso als wertmindernde Faktoren berücksichtigt werden wie sonstige Kosten, die den Veräußerungserlös senken (BGH, Urt. v. 27.9.1989 - IVb ZR 75/88, MDR 1990, 227 = FamRZ 1989, 1276 [1279]; Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Kap. 1 Rz. 296; Schröder, Bewertungen im Zugewinnausgleich, 3. Aufl., Rz. 74). Das OLG hat die grundsätzliche Notwendigkeit, eine solche "latente Steuerlast" wertmindernd zu berücksichtigen, nicht verkannt. Es hat eine solche Berücksichtigung - unter Berufung auf entsprechende Darlegungen des Sachverständigen - hier jedoch für entbehrlich erachtet. Nach Auskunft des Sachverständigen könnten in Höhe des negativen Eigenkapitals Verlustvorträge unterstellt werden, durch die der Veräußerungsgewinn des Unternehmens kompensiert würde. Das OLG hat hieraus gefolgert, dass dies - angesichts eines negativen Eigenkapitals von 599.000 DM - auch für den Betrag von 366.322 DM gelte, um den der Verkehrswert der Halle deren Buchwert übersteige, also für die "stille Reserve". Für diese Folgerung fehlen jedoch die erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen.
4. Die angefochtene Entscheidung kann nach allem keinen Bestand haben. Der Senat vermag angesichts der noch offenen Bewertungsfragen in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Die Sache war daher an das OLG zurückzuverweisen, damit dieses die gebotenen Wertfeststellungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut trifft.
Von deren Ergebnis wird auch abhängen, ob und inwieweit die §§ 1381, 1382 BGB dem Ausgleichsverlangen der Ehefrau entgegenstehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1261821 |
BGHR 2005, 166 |
FamRZ 2005, 99 |
NJW-RR 2005, 153 |
NZG 2005, 264 |
MDR 2005, 276 |
FF 2005, 107 |
FamRB 2005, 65 |
NJW-Spezial 2005, 58 |
ZFE 2005, 66 |
ZNotP 2005, 113 |
FK 2005, 86 |
GuG 2005, 374 |
www.judicialis.de 2004 |