Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von eigenkapitalersetzender Gesellschafterkredithilfe. Stammkapitalziffer übersteigendes Vermögen. Umwandlung. Gewinnanteile
Leitsatz (amtlich)
Eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterhilfe darf nach den Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz im GmbH-Recht nur dann zurückgezahlt werden, wenn wieder genügend freies, die Stammkapitalziffer übersteigendes Vermögen vorhanden ist. Das Gleiche gilt für Zinsen und - nach Umwandlung der Gesellschafterhilfe in eine stille Einlage - Gewinnanteile.
Normenkette
GmbHG §§ 30-31
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 04.09.2002; Aktenzeichen 8 U 227/01) |
LG Bochum |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Hamm v. 4.9.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war Gesellschafter der beklagten GmbH. Mit Vertrag v. 16.9.1994 übertrug er seinen Geschäftsanteil i.H.v. 200.000 DM zu je 50 % auf den Mitgesellschafter Dr. Z. und den Geschäftsführer M. Als Gegenleistung traten die Erwerber jeweils einen gegen die Beklagte gerichteten Darlehensrückzahlungsanspruch i.H.v. 50.000 DM an den Kläger ab. Mit Vertrag vom selben Tage wurde der Kläger stiller Gesellschafter der Beklagten. Seine Einlage sollte 200.000 DM betragen. Sie wurde aufgebracht durch Umwandlung eines von ihm an die Beklagte gegebenen Darlehens i.H.v. 100.000 DM und durch Umwandlung der beiden an ihn abgetretenen Darlehensrückzahlungsansprüche i.H.v. je 50.000 DM. In § 6 des Vertrages über die stille Gesellschaft heißt es, dass für die Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters von dem Gewinn auszugehen sei, der sich aus dem Jahresabschluss der Beklagten ergebe, und dass eine Beteiligung am Verlust ausgeschlossen sei.
Mit der Klage macht der Kläger den Gewinnanspruch für 1997 geltend. Er berechnet diesen Anspruch auf der Grundlage des in dem Jahresabschluss ausgewiesenen Jahresüberschusses und lässt einen - höheren - Verlustvortrag außer Betracht. Die Beklagte ist dagegen der Auffassung, Jahresüberschuss und Verlustvortrag müssten verrechnet werden mit der Folge, dass dem Kläger kein Anspruch zustehe. Außerdem meint die Beklagte, einer Gewinnausschüttung an den Kläger stünden jedenfalls die Kapitalerhaltungsregeln entgegen, weil die in die Einlage umgewandelten Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hätten.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die auf die Beschwerde der Beklagten zugelassene Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Ohne Erfolg bleibt allerdings der Angriff der Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, unter dem für die Beteiligung des Klägers maßgeblichen Gewinn i.S.v. § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages sei der Jahresüberschuss - ohne Berücksichtigung eines Verlustvortrags - zu verstehen.
Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: Unter Gewinn i.S.d. § 231 Abs. 1 HGB sei der nach Rücklagenbildung von den Gesellschaftern als Überschuss erklärte und damit gleichzeitig freigegebene Anteil am Gesellschaftsvermögen zu verstehen. Hier hätten die Parteien aber vereinbart, dass eine Beteiligung des stillen Gesellschafters am Verlust ausgeschlossen sein solle. Diese Regelung würde unterlaufen, wenn der Begriff Gewinn i.S.d. Jahresüberschusses abzgl. eines Verlustvortrags verstanden werde. Daher falle darunter nur der Jahresüberschuss. Dass die Parteien bei Abschluss des Vertrages etwas Anderes vereinbart hätten, sei durch die Aussagen der vernommenen Zeugen nicht bewiesen.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Auslegung eines Vertrages ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (st.Rspr., BGH, Urt. v. 3.4.2000 - II ZR 194/98, NJW 2000, 2099). Das ist hier nicht der Fall.
Die Parteien haben den Gewinnbegriff in dem Gesellschaftsvertrag nicht näher umschrieben. Was darunter zu verstehen ist, muss daher auf Grund einer Auslegung des Vertrages ermittelt werden. Dabei hat das Berufungsgericht zu Recht dem vereinbarten Verlustausschluss eine wichtige Bedeutung beigemessen. Die Regelung in § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages, dass der stille Gesellschafter am Verlust nicht beteiligt sein soll, kann zwar allein auf den Auseinandersetzungsanspruch bei Beendigung der stillen Gesellschaft bezogen sein und dann eine Ausnahme von der Regel des § 232 Abs. 2 HGB darstellen. Ebenso gut kann damit aber auch - wie das Berufungsgericht angenommen hat - ein Ausschluss des Verlustvortrags bei der Bemessung des jährlichen Gewinnanspruchs gemeint sein. Dafür spricht hier sogar, dass die stille Einlage nach § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages zu verzinsen ist, auch wenn das Privatkonto des stillen Gesellschafters im Soll geführt wird. Durch diese Verzinsung könnte sich ein Verlustvortrag in das nächste Geschäftsjahr ergeben. Die Verzinsung würde dann dort - bei Berücksichtigung des Verlustvortrags - zu einer Verringerung des möglichen Gewinnanspruchs führen. Das aber würde der Regelung einer verlustunabhängigen Verzinsung widersprechen.
II. Die Revision hat dennoch Erfolg, weil nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden kann, dass dem Zahlungsanspruch des Klägers die Rechtsprechungsgrundsätze zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen entgegenstehen.
Das Berufungsgericht hat dies verneint. Eine Insolvenzreife der Beklagten sei nicht dargelegt. Sie ergebe sich nicht schon aus dem Vorliegen einer Unterbilanz. Auch fehle es an einer Kreditunwürdigkeit. Dabei könne offen bleiben, ob die Beklagte im Jahre 1994 kreditunwürdig gewesen sei. Sie habe nämlich nicht substantiiert vorgetragen, dass diese Kreditunwürdigkeit auch noch im Jahre 1997, für das der Kläger seinen Gewinnanspruch geltend mache, bestanden habe. Dagegen spreche, dass die kreditgewährende Bank den Kläger im Jahre 1996 aus einer von ihm übernommenen Bürgschaft entlassen habe.
Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Zutreffend ist lediglich die Annahme, dass die Rechtsprechungsgrundsätze zum Eigenkapitalersatz in der vorliegenden Fallgestaltung zur Anwendung kommen können. Danach sind Darlehen und ähnliche Leistungen, die ein Gesellschafter der sonst nicht mehr lebensfähigen GmbH an Stelle von Eigenkapital zuführt oder belässt, wie gebundenes Stammkapital zu behandeln, soweit diese Kredithilfen verlorenes Stammkapital oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdecken (st.Rspr. d. BGH, BGHZ 31, 258 [268 ff.]; BGH v. 24.3.1980 - II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 [328 ff.] = GmbHR 1980, 179 = MDR 1980, 649; v. 26.3.1984 - II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 [376 ff.] = GmbHR 1984, 313 = MDR 1984, 737). Dieser Bindung kann sich der Gesellschafter nicht dadurch entziehen, dass er - wie hier der Kläger - aus der Gesellschaft ausscheidet (BGHZ 69, 274 [280 f.]; BGH, Urt. v. 15.2.1996 - IX ZR 245/94, GmbHR 1996, 285 = MDR 1996, 1022 = ZIP 1996, 538 [539]). War das Darlehen zu diesem Zeitpunkt eigenkapitalersetzend, bleibt es der Bindung auch nach dem Ausscheiden des Gesellschafters unterworfen. Wird es im Rahmen der Gründung einer stillen Gesellschaft in eine Einlage des stillen Gesellschafters umgewandelt, ändert sich auch dadurch an der Bindung nichts.
Danach durften das Darlehen des Klägers i.H.v. 100.000 DM und das Darlehen des Mitgesellschafters Dr. Z. i.H.v. 50.000 DM nicht zurückgezahlt werden, wenn die Beklagte bei Hingabe der Darlehen - oder bei einem "Stehenlassen" (BGH v. 26.11.1979 - II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 [337 f.] = GmbHR 1980, 28 = MDR 1980, 287) in der Zeit bis zu dem Ausscheiden des Klägers als GmbH-Gesellschafter - insolvenzreif oder kreditunwürdig war. Ebenso durften unter diesen Voraussetzungen keine Zinsen auf die Darlehen gezahlt werden (BGHZ 67, 171 [179 f.]; BGH v. 16.10.1989 - II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 [66] = GmbHR 1990, 118 = MDR 1990, 224), was nach der Umwandlung der Darlehen in die Einlage des Klägers als stiller Gesellschafter auch für die darauf entfallenden Gewinnanteile gilt. Das Darlehen des damaligen Geschäftsführers der Beklagten, M., war dagegen im Zweifel nicht nach den oben dargestellten Grundsätzen gebunden, weil M. bis zu dem Erwerb des (Teil-) Geschäftsanteils des Klägers noch nicht Gesellschafter der Beklagten war. Sein Darlehen wäre nur dann nach den Regeln des Eigenkapitalersatzes zu beurteilen, wenn in seiner Person ausnahmsweise die Voraussetzungen für die Einbeziehung gesellschaftsfremder Dritter erfüllt waren (BGHZ 31, 258 [264 ff.]; BGH v. 26.11.1979 - II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 [335 f.] = GmbHR 1980, 28 = MDR 1980, 287; Urt. v. 15.2.1996 - IX ZR 245/94, GmbHR 1996, 285 = MDR 1996, 1022 = ZIP 1996, 538 [539]). Dazu fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts.
2. Unzutreffend ist aber die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Eigenkapitalersatzregeln seien schon deshalb nicht anwendbar, weil bezüglich des Jahres 1997 weder eine Insolvenzreife noch eine Kreditunwürdigkeit der Beklagten dargelegt sei, ohne dass es darauf ankomme, ob eine Unterbilanz bestehe.
Ist ein Darlehen oder eine sonstige Gesellschafterleistung eigenkapitalersetzend, darf eine Rückzahlung oder eine Zinsleistung erst dann erfolgen, wenn wieder so viel Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, dass die Stammkapitalziffer nicht angegriffen wird (BGHZ 67, 171 [174 ff.]; BGHZ 69, 274 [280 f.]; BGH v. 24.3.1980 - II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 [332 ff.] = GmbHR 1980, 179 = MDR 1980, 649; v. 28.9.1981 - II ZR 223/80, BGHZ 81, 365 [367] = AG 1982, 109 = GmbHR 1982, 181 = MDR 1982, 120; v. 16.10.1989 - II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 [66] = GmbHR 1990, 118 = MDR 1990, 224; Urt. v. 6.4.1995 - II ZR 108/94, GmbHR 1995, 515 = MDR 1995, 701 = NJW 1995, 1962 [1964]). Das Gleiche gilt für Gewinnanteile auf eine aus der Umwandlung einer solchen Darlehensforderung entstandene Einlage eines stillen Gesellschafters. Die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz beruhen, anders als die Novellenregeln der §§ 32a, b GmbHG, jedenfalls ursprünglich auf einer analogen Anwendung der §§ 30 f. GmbHG. Dafür ist aber gerade das Stammkapital die entscheidende Messgröße. Damit stünde im Widerspruch, die Eigenkapitalbindung schon vor Auffüllung des Stammkapitals entfallen zu lassen. Danach hätte das Berufungsgericht nicht offen lassen dürfen, ob die Darlehen zunächst eigenkapitalersetzend waren und ob das Stammkapital der Beklagten mittlerweile wieder aufgefüllt ist.
III. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können.
Dabei ist auf Grund einer den Anforderungen des § 42 GmbHG entsprechenden Bilanz zu fortgeführten Buchwerten festzustellen, ob eine Unterbilanz besteht (vgl. Sen.Urt. v. 11.5.1987 - II ZR 226/86, ZIP 1987, 1113, 1114; BGHZ 106, 7, 12). Sollte sich herausstellen, dass die Beklagte mittlerweile wieder über ein die Stammkapitalziffer entsprechend übersteigendes Vermögen verfügt, ist die Klage in vollem Umfang begründet. Der Eigenkapitalersatzcharakter der Darlehen führt lediglich dazu, dass die Zinsen und damit - nach Umwandlung in die Einlage - die Gewinnansprüche während der Bindung nicht durchgesetzt werden können. Entfällt die Bindung, können auch die Rückstände geltend gemacht werden (Sen.Urt. v. 15.2.1996 - II ZR 245/94, ZIP 1996, 538, 540; BGHZ 140, 147, 153; 146, 264, 272).
Die mittlerweile eingetretene Beendigung der stillen Gesellschaft schließt die Durchsetzbarkeit der Gewinnansprüche nicht aus. Zwar muss bei Beendigung einer Gesellschaft zunächst eine Auseinandersetzung stattfinden, bei der die Einzelansprüche unselbständige Rechnungsposten werden. Eine Zahlungsklage ist aber ausnahmsweise schon vor Abschluss der Auseinandersetzung begründet, wenn der stille Gesellschafter - wie hier der Kläger - am Verlust der Gesellschaft nicht beteiligt ist und daher auch ohne Auseinandersetzung feststeht, dass er einen Betrag in Höhe des Gewinnanspruchs verlangen kann (BGH, Urt. v. 29.6.1992 - II ZR 284/91, GmbHR 1992, 747 = MDR 1992, 948 = ZIP 1992, 1552 [1553]).
Fundstellen
BB 2005, 176 |
DB 2005, 97 |
DStR 2005, 117 |
DStZ 2005, 207 |
WPg 2005, 90 |
Inf 2005, 92 |
BBK 2005, 250 |
BGHR 2005, 511 |
EBE/BGH 2005, 2 |
GmbH-StB 2005, 39 |
NZG 2005, 137 |
StuB 2005, 380 |
WM 2005, 78 |
WuB 2005, 291 |
ZIP 2005, 82 |
KÖSDI 2005, 14502 |
MDR 2005, 284 |
NZI 2005, 283 |
GmbHR 2005, 232 |
NJW-Spezial 2005, 76 |
NotBZ 2005, 110 |
ZNotP 2005, 115 |
BBV 2005, 39 |
SJ 2005, 39 |