Entscheidungsstichwort (Thema)
Formell unwirksame Betriebskostenabrechnung. Beginn der Einwendungsfrist. Einwendungsausschluss. Abtrennbare Kostenpositionen
Leitsatz (amtlich)
Der Zugang einer den formellen Anforderungen nicht genügenden Betriebskostenabrechnung setzt die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB nicht in Gang. Dies hat zur Folge, dass der Einwendungsausschluss des § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB hinsichtlich der Kostenpositionen nicht greift, bei denen es an einer in formeller Hinsicht ordnungsgemäßen Abrechnung fehlt.
Normenkette
BGB § 556 Abs. 3 Sätze 5-6
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 14.01.2010; Aktenzeichen 6 S 171/09) |
AG Bergheim (Urteil vom 22.04.2009; Aktenzeichen 24 C 489/08) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Köln vom 14.1.2010 aufgehoben, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die Klägerin mehr als 396,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2008 zu zahlen. Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG Bergheim vom 22.4.2009 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagten waren ab 1.7.1996 Mieter einer nicht preisgebundenen Wohnung der Klägerin in B. . Das Mietverhältnis ist zwischenzeitlich beendet. Die Klägerin macht restliche Mietansprüche für den Zeitraum von August 2005 bis Januar 2006i.H.v. zuletzt 2.030,60 EUR und Nebenkostennachforderungen für die drei Abrechnungsperioden 2005/2006, 2006/2007 und 2007/2008 geltend, wobei sich die jeweilige Abrechnungsperiode auf die Zeitspanne von 1. Juli eines Jahres bis einschließlich 30. Juni des Folgejahres erstreckt. Die Abrechnungen für die genannten Zeiträume weisen Nachforderungen der Klägerin i.H.v. 671,37 EUR (Schreiben vom 12.6.2007), von 592,60 EUR und von 671,33 EUR, insgesamt also von 1.935,30 EUR aus. Hiervon bringt die Klägerin ein aus dem Abrechnungsjahr 2004/2005 resultierendes Guthaben der Beklagten von 99,90 EUR in Abzug, so dass eine Restforderung von 1.835,40 EUR verbleibt. Nach Verrechnung der Gesamtforderung i.H.v. 3.866 EUR (2.030,60 EUR + 1.835,40 EUR) mit dem Kautionsguthaben der Beklagten von 1.533,88 EUR beziffert die Klägerin ihre Restforderung zuletzt auf 2.332,12 EUR. Die Beklagten beanstanden, die Abrechnungen wiesen formelle Mängel auf, weil in ihnen ein Umlageschlüssel für die Gesamtkosten weder angegeben noch erläutert worden sei. Die im Revisionsverfahren allein noch im Streit stehende Abrechnung für den Zeitraum 2005/2006 lautet wie folgt:
NEBENKOSTENABRECHNUNG |
für den Zeitraum 1.7.2005-30.6.2006 H. Str. in B. |
Mieter: |
C. |
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Ld-Nr.: |
Einheit Nr. |
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Kostenbezeichnung |
Gesamt Abrechnungsart Nachzahlung |
Anteile |
Guthaben + |
Aufzug |
961,15 EUR |
: 100 % x 70 % : 1069 m²x 120 m² |
75,53 EUR |
Strom allgemein |
470,91 EUR |
: 1353 m² x 120 m² |
41,77 EUR |
Wasser |
3.206,17 EUR |
: 2020 m³ x 95,06 m³ |
150,89 EUR |
Kaminfeger |
31,42 EUR |
: 1587 m² x 120 m² |
2,38 EUR |
Wohngebäudevers. |
2.676,15 EUR |
: 2240 m² x 120 m² |
143,37 EUR |
Haus- u. Grundbesitzerhaftp |
160,65 EUR |
: 16 Wohnungen |
10,04 EUR |
Gewässer-Vers. |
173,53 EUR |
: 2240 m² x 120 m² |
9,30 EUR |
Grundsteuer |
7.765,70 EUR |
nach Einheiten |
313,97 EUR |
Müllabfuhr |
2.652,23 EUR |
: 1536 m² x 120 m² |
207,21 EUR |
Straßenreinigung |
145,47 EUR |
: 2240 m² x 120 m² |
7,79 EUR |
Kanalgebühren |
5.615,60 EUR |
: 2020 m³ x 95,06 m³ |
264,28 EUR |
Hausmeister |
2.603,62 EUR |
: 100 % x 50 % : 1163 m² x 120 m² |
134,32 EUR |
Regenwassergebühr |
2.284,49 EUR |
: 1691,50 m² x 139,81 m² |
188,82 EUR |
Allgemeine Kosten |
48,04 EUR |
: 2240 m² x 120 m² |
2,57 EUR |
Nebenkosten |
1.552,22EUR |
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+ Heizkosten Brunata |
(Netto: 1.027,30 + 16 % MwSt. = 164,37) |
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1.191,67 EUR |
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2.743,89 EUR |
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./. Vorauszahlungen 2005-2006 |
2.072,52 EUR |
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NACHZAHLUNG |
671,37 EUR |
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Rz. 2
Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1.068,19 EUR (2.030,60 EUR Miete + 671,37 EUR Nebenkostennachzahlung für 2005/2006 - 99,90 EUR Nebenkostenguthaben - 1.533,88 EUR Kaution) nebst Verzugszinsen verurteilt; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten eine Ermäßigung der ausgesprochenen Verurteilung um 671,37 EUR auf 396,82 EUR.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
Rz. 5
Die Klägerin könne nach § 556 BGB für die Abrechnungsperiode 2005/2006 eine Nebenkostennachzahlung von 671,37 EUR verlangen. Die im ersten Rechtszug und im Berufungsverfahren gegen die Abrechnung vom 12.6.2007 erhobenen Einwendungen seien nicht innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB vorgebracht worden. Von der Rügepflicht nach § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB seien auch Einwendungen gegen die formelle Richtigkeit einer Abrechnung - hier die Wahl des Umlageschlüssels - erfasst. Dass die Fälligkeit einer Nebenkostennachforderung eine formell ordnungsgemäße Abrechnung voraussetze, besage noch nicht, dass der Einwendungsausschluss nach § 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB nicht auch bei mit formellen Mängeln behafteten Abrechnungen eingreife. Der Sinn und Zweck des Einwendungsausschlusses liege darin, möglichst schnell Klarheit über die wechselseitigen Ansprüche zu erhalten und zu einer "Befriedigung" zu gelangen. Dieses Ziel könne nur durch eine umfassende Rügepflicht erreicht werden. Daher seien die Beklagten mit ihren Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung für 2005/2006 ausgeschlossen und infolgedessen trotz deren auf formellen Mängeln beruhenden Unwirksamkeit zur Zahlung des dort ausgewiesenen Betrags von 671,37 EUR verpflichtet. Hinsichtlich der späteren Abrechnungen sei die Rüge des unzureichend dargelegten Umlageschlüssels rechtzeitig erhoben worden, so dass die Klage insoweit abzuweisen sei.
II.
Rz. 6
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 7
1. Die für den Zeitraum 2005/2006 erteilte Abrechnung vom 12.6.2007 ist - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - wegen formeller Mängel unwirksam.
Rz. 8
a) Eine Betriebskostenabrechnung ist nach der Rechtsprechung des Senats dann formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Soweit - wie hier - keine besonderen Abreden getroffen sind, sind in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der geleisteten Vorauszahlungen (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 11.8.2010 - VIII ZR 45/10, WuM 2010, 627 Rz. 10; v. 19.11.2008 - VIII ZR 295/07, NZM 2009, 78 Rz. 21; v. 28.5.2008 - VIII ZR 261/07, NJW 2008, 2260 Rz. 10; v. 9.4.2008 - VIII ZR 84/07, NJW 2008, 2258 Rz. 15; jeweils m.w.N.). Dabei ist eine Erläuterung des angewandten Verteilungsmaßstabs nur dann geboten, wenn dies zum Verständnis der Abrechnung erforderlich ist (BGH, Urt. v. 11.8.2010 - VIII ZR 45/10, a.a.O.; v. 19.11.2008 - VIII ZR 295/07, a.a.O.). Diesen - an sich geringen - Anforderungen an die Erteilung einer formell ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung wird das Abrechnungsschreiben der Klägerin vom 12.6.2007 nicht gerecht.
Rz. 9
b) Der genannten Abrechnung lässt sich der ihr zugrunde gelegte Verteilerschlüssel nicht hinreichend entnehmen. Sie enthält zwar Angaben zu den auf die einzelnen Betriebskostenarten entfallenden Gesamtkosten und weist neben den geleisteten Vorauszahlungen auch den jeweils auf die Beklagten entfallenden Kostenanteil aus. Dagegen bezeichnet die Abrechnung den oder die verwendeten Umlageschlüssel nicht näher, sondern verwendet lediglich die nicht aussagekräftige Rubriküberschrift "Abrechnungsart". Aus dieser Bezeichnung wird nicht deutlich, ob eine Umlage nach Verbrauch, Personenbelegung, Anzahl der Wohnungen, Wohnfläche, Nutzfläche, Grundstücksfläche oder sonstigen Flächen vorgenommen wurde.
Rz. 10
Auch aus den in dieser Rubrik zu den jeweiligen Kostenpositionen aufgeführten Daten erschließt sich für einen durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter (vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 20.7.2005 - VIII ZR 371/04, NJW 2005, 3135 unter II 2 m.w.N.) bei der überwiegenden Anzahl der Betriebskostenpositionen nicht, welche Flächenmaße verwendet worden sind. Die Abrechnung enthält neben den - durch die beigefügte Abrechnung der Brunata Metrona vom 20.10.2006 erfassten - Heizkosten insgesamt vierzehn Kostenpositionen. Dabei werden bei zehn Positionen verschiedene in Quadratmetern ausgewiesene Flächen in ein Verhältnis zueinander gesetzt. Um welche Flächen es sich hierbei handelt, erschließt sich jedoch überwiegend nicht. Zwar liegt nahe, dass es sich bei der in neun Fällen als Anteil des Mieters angesetzten Fläche von 120 m2 um die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche handelt. Die bei der Position "Regenwasser" angesetzte Fläche von 139,81 m2 entzieht sich allerdings jeder näheren Einordnung. Vollständig im Dunkeln bleibt aber, welche Gesamtflächen zu den 120 m2 (bzw. in einem Fall zu den 139,81 m2) in Bezug gesetzt wurden. Es werden sieben verschiedene Flächenmaße zugrunde gelegt, die von 1069 m2 bis 2240 m2 reichen. Anders als in dem der Senatsentscheidung vom 23.6.2010 (VIII ZR 227/09, NJW 2010, 3228 Rz. 14) zugrunde liegenden Fall lassen sich die Unterschiede in den angesetzten Gesamtflächen nicht dadurch erklären, dass mehrere Gebäude in wechselnder Zusammensetzung zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden. Vorliegend betrifft die Abrechnung ein einzelnes Objekt. Zu den beschriebenen Unklarheiten kommt hinzu, dass bei den Kostenpositionen "Aufzug" und "Hauswart" eine weitere, nicht nachvollziehbare Größe Verwendung findet, da hierbei von der angegebenen Fläche (nur) ein bestimmter Vomhundertsatz (70 % bzw. 50 %) Berücksichtigung finden soll. Schon wegen dieser Mängel ist die erteilte Abrechnung hinsichtlich der genannten zehn Kostenpositionen wegen fehlender Nachvollziehbarkeit unwirksam.
Rz. 11
Dahin gestellt bleiben kann auch, ob der Verteilerschlüssel bei den weiteren nach Verbrauch ("m3") abgerechneten Kostenpositionen "Wasser" und "Kanalgebühren" sowie bei der nach "Einheiten" umgelegten "Grundsteuer" nachvollziehbar angegeben ist. Denn selbst wenn diese drei Positionen - ebenso wie die weitere nach "Wohneinheiten" umgelegte Kostenposition "Haftpflichtversicherung" - den formellen Anforderungen an eine Abrechnung genügten, bliebe dies im Streitfall ohne Auswirkungen. Erstreckt sich ein formeller Fehler nicht auf alle Abrechnungspositionen, verbleibt einem Vermieter eine sich aus der Abrechnung ergebende Nebenkostennachforderung zwar insoweit, als unwirksame Einzelpositionen unschwer herausgerechnet werden können und die Nachforderung auch ohne Berücksichtigung dieser Einzelpositionen gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2007 - VIII ZR 1/06, NJW 2007, 1059 Rz. 11; v. 10.8.2010 - VIII ZR 45/10, a.a.O., Rz. 14). Ausgehend von diesen Grundsätzen ergäbe sich aber selbst dann keine Nachforderung der Klägerin, wenn man die Nachvollziehbarkeit der Abrechnung bei den vier zuletzt genannten Einzelpositionen und den Heizkosten bejahte und (nur) die von formellen Mängeln betroffenen, weiteren zehn Kostenpositionen aus der Abrechung herausrechnete. Auf die Beklagten entfiele dann lediglich ein - durch die geleisteten Vorauszahlungen (2.072,52 EUR) bereits beglichener - Betrag von 1.930,85 EUR.
Rz. 12
2. Da die geltend gemachte Nachforderung nicht auf die oben genannten fünf Positionen gestützt werden kann und sie, soweit sie auf den übrigen zehn Positionen beruht, im Hinblick auf die der Abrechnung insoweit anhaftenden Mängel nicht fällig geworden ist (vgl. BGH vom 19.12.1990 - VIII ARZ 5/90, BGHZ 113, 188, 194, und BGH, Urt. v. 14.2.2007 - VIII ZR 1/06, a.a.O., Rz. 8), hat die Klägerin nach § 556 Abs. 1, 3 BGB keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Betriebskosten (671,37 EUR) für die Abrechnungsperiode 2005/2006. Eine - ohnehin nicht erfolgte - Nachholung der unterlassenen Angaben kommt nicht in Betracht, weil die in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB für die Übermittlung einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung eingeräumte Jahresfrist längst verstrichen und die Klägerin daher mit ihrer Nachforderung nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.2.2007 - VIII ZR 1/06, a.a.O., Rz. 7, 8 m.w.N.).
Rz. 13
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, die geltend gemachte Nachforderung sei gleichwohl geschuldet, weil die Beklagten Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung der Klägerin vom 12.6.2007 erst mehr als zwölf Monate nach deren Zugang erhoben hätten. Die Rügefrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB gelte auch für die Beanstandung formeller Mängel der Betriebskostenabrechnung. Der Mieter sei daher mit derartigen Einwendungen nach Ablauf von zwölf Monaten ab Zugang der Abrechnung gem. § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB ausgeschlossen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.
Rz. 14
a) Die Frage, ob die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB unabhängig davon mit dem Zugang einer Nebenkostenabrechnung zu laufen beginnt, ob die Abrechnung den an ihre Wirksamkeit zu stellenden formellen Mindestanforderungen genügt, ist umstritten. Einige Stimmen im Schrifttum lassen für den Lauf der Einwendungsfrist und damit auch für das Eingreifen des in § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB geregelten Einwendungsausschlusses bereits den Zugang einer formell nicht ordnungsgemäßen Abrechnung genügen (vgl. etwa MünchKomm/BGB/Schmid, 5. Aufl., § 556 Rz. 91; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearb. 2006, § 556 Rz. 128, 129; Streyl, WuM 2005, 505, 506). Dabei wird zur Begründung auf die in den Gesetzesmaterialien angesprochene Zielsetzung verwiesen, nach Ablauf einer bestimmten Zeit Klarheit über die wechselseitigen Ansprüche zu schaffen (MünchKomm/BGB/Schmid, a.a.O.; Streyl, a.a.O., S. 505) und durch einen Einwendungsausschluss umfangreiche Beweisaufnahmen über länger zurückliegende Abrechnungen zu vermeiden (vgl. Staudinger/Weitemeyer, a.a.O., Rz. 128; Streyl, a.a.O.). Nach anderer Auffassung soll die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB nur durch den Zugang einer formell ordnungsgemäßen und damit wirksamen Abrechnung in Lauf gesetzt werden (vgl. etwa Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556 BGB Rz. 499; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 556 Rz. 156; Lützenkirchen, NZM 2002, 512; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rz. V 460; ders., ZMR 2001, 937, 939; Ehlert in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 556 Rz. 71; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., § 556 Rz. 29; Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl., § 556 Rz. 13; vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 15.2.2008 - 63 S 263/07, juris, und vom 21.7.2009, GE 2009, 1127). Zur Begründung wird überwiegend angeführt, ein Einwendungsausschluss führe in diesen Fällen zu widersprüchlichen Ergebnissen, weil dann ein Vermieter trotz mangelnder Fälligkeit der Nebenkostennachforderung den Mieter infolge Fristablaufs auf Zahlung in Anspruch nehmen könne (vgl. Lützenkirchen, a.a.O., S. 512 f.), der Mieter aber umgekehrt einen - wegen der Unwirksamkeit der formell fehlerhaften Abrechnung bislang nicht erfüllten - Abrechnungsanspruch geltend machen könne (vgl. etwa Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O.; LG Berlin, GE 2009, 1127).
Rz. 15
b) Der Senat hat die vorliegend aufgeworfene Frage bislang offen gelassen (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2005 - VIII ZR 371/04, NJW 2005, 3135 unter II 1). Er beantwortet sie nun dahin, dass der Zugang einer wegen formeller Mängel unwirksamen Abrechnung die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB nicht in Lauf setzt. Dies hat zur Folge, dass in den Fällen, in denen die Abrechnung hinsichtlich aller darin aufgeführten Kostenpositionen nicht den formellen Mindestanforderungen genügt, der Einwendungsausschluss des § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB insgesamt nicht greift. Sind dagegen nur einzelne, abtrennbare Kostenpositionen formell nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden, greift der Einwendungsausschluss nur hinsichtlich dieser Positionen nicht (so auch LG Berlin, a.a.O., Rz. 7, 8).
Rz. 16
aa) Dass ein Mieter mit Einwendungen gegen unwirksam abgerechnete Betriebskosten nicht nach § 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB ausgeschlossen ist, ergibt sich bereits aus dem Zusammenspiel der einzelnen Regelungen in § 556 Abs. 3 BGB und der mit ihnen verfolgten gesetzgeberischen Zielsetzung. Der Gesetzgeber hat dem Vermieter in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB die Verpflichtung auferlegt, binnen einer Frist von zwölf Monaten nach dem Ende des Abrechnungszeitraums eine Abrechnung zu übermitteln. Um den Vermieter zur Erfüllung dieser Pflicht anzuhalten, hat der Gesetzgeber eine verspätete Abrechnung mit dem Ausschluss von Nebenkostennachforderungen sanktioniert (§ 556 Abs. 3 Satz 3 BGB). Spiegelbildlich zu dieser Pflicht ist im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf den vom Rechtsausschuss des Bundestages aufgegriffenen Vorschlag des Bundesrates eine Ausschlussfrist für Einwendungen des Mieters gegen die ihm zugegangene Abrechnung eingeführt worden (§ 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB). Der Bundesrat hielt die Aufnahme eines solchen Einwendungsausschlusses zur Vermeidung von aufwendigen und letztlich unergiebigen Beweisaufnahmen über lange zurückliegende Nebenkostenabrechnungen und aus Zumutbarkeitserwägungen für geboten (BT-Drucks. 14/4553, 87). Es sei dem Mieter zuzumuten, eine Abrechnung innerhalb einer angemessenen Frist zu prüfen und Beanstandungen zu erheben (BT-Drucks. 14/4553, a.a.O.). Der Rechtsausschuss des Bundestages befürwortete die Einführung einer Ausschlussfrist für Einwendungen im Interesse der Ausgewogenheit und aus Gründen der Rechtssicherheit (BT-Drucks. 14/5663, 79). Hierdurch werde gewährleistet, dass absehbare Zeit nach einer Betriebskostenabrechnung Klarheit über die wechselseitig geltend gemachten Ansprüche bestehe (BT-Drucks. 14/5663, a.a.O.).
Rz. 17
bb) Maßgebend für die Einführung einer Ausschlussfrist für die Erhebung von Einwendungen war damit nicht allein der Beschleunigungsgedanke, vielmehr sollte ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern gefunden werden. Beiden Seiten sollte jeweils eine Frist von zwölf Monaten zur Erstellung beziehungsweise zur Prüfung einer Abrechnung zur Verfügung stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Rechte und Pflichten bei der Nebenkostenabrechnung zeitlich gestaffelt sind. Ausgangspunkt des Regelungssystems in § 556 Abs. 3 Satz 2 bis 6 BGB ist die Erteilung einer den formellen Anforderungen genügenden Abrechnung. Nach allgemeiner Meinung wird - auch wenn dies im Wortlaut des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht hinreichend zum Ausdruck kommt - die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nur durch den Zugang einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung gewahrt (vgl. etwa BGH, Urt. v. 17.11.2004 - VIII ZR 115/04, NJW 2005, 219 unter II 1a m.w.N.; v. 14.2.2007 - VIII ZR 1/06, a.a.O.). Mit einer wegen formeller Mängel unwirksamen Abrechnung genügt der Vermieter seiner Abrechnungspflicht nicht; vielmehr kann der Mieter in diesem Fall eine erneute Abrechnung verlangen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 29.3.2006 - VIII ZR 191/05, NJW 2006, 2552 Rz. 13 i.V.m. Rz. 8 m.w.N.). Solange nur eine formell fehlerhafte Abrechnung vorliegt, fehlt es an einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage für eine zuverlässige inhaltliche Überprüfung der in ihr angestellten Berechnungen. Damit ist der Mieter regelmäßig daran gehindert, die Richtigkeit einer solchen Abrechnung innerhalb der zwölfmonatigen Einwendungsfrist hinreichend zu prüfen (ebenso Soergel/Heintzmann, a.a.O.). Würde also die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB bereits mit dem Zugang einer wegen formeller Mängel unwirksamen Abrechnung in Gang gesetzt, würde letztlich die Ausgewogenheit der beiderseitigen fristgebundenen Pflichten in Frage gestellt: Obwohl der Vermieter seine Abrechnungspflicht noch nicht erfüllt hätte, würden die der Abrechnung anhaftenden Mängel nach Ablauf der Einwendungsfrist "geheilt". Dies würde zu einer unangemessenen Verlagerung der den Vermieter treffenden Pflichten auf den Mieter führen.
Rz. 18
cc) Diese Überlegungen werden nicht durch die weitere Zielsetzung des Gesetzgebers in Frage gestellt, eine möglichst rasche Abwicklung von Abrechnungsprozessen zu gewährleisten. Dem Gesetzgeber war offenkundig nicht daran gelegen, dem Mieter auch dann Einwendungen abzuschneiden, wenn dieser über keine ausreichende Prüfungsgrundlage verfügt. Er wollte lediglich im Interesse der Rechtssicherheit sicherstellen, dass in absehbarer Zeit Klarheit über die wechselseitigen Ansprüche geschaffen wird. Dieses Ziel wird aber im Falle einer mit formellen Mängeln behafteten und damit unwirksamen Abrechnung schon dadurch erreicht, dass die darin ausgewiesene Nachforderung des Vermieters nicht fällig wird und nach Ablauf der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB auch nicht mehr nachträglich fällig gestellt werden kann (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.2.2007 - VIII ZR 1/06, a.a.O., Rz. 12 m.w.N.).
Rz. 19
dd) Danach ist im Streitfall die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB hinsichtlich der formell nicht ordnungsgemäß abgerechneten (zehn) Kostenpositionen nicht in Gang gesetzt worden. Da es insoweit an der Fälligkeit der geltend gemachten Nachforderung fehlt und die weiteren fünf Positionen - wie oben (II 1b) aufgezeigt - keine Nachforderung der Klägerin begründen, steht ihr der vom Berufungsgericht zuerkannte Betrag von 671,37 EUR nicht zu.
III.
Rz. 20
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, soweit es die Beklagten zur Nachzahlung von 671,37 EUR Nebenkosten zzgl. Verzugszinsen für den Abrechnungszeitraum 2005/2006 verurteilt hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache entscheidungsreif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsurteil ist dahin abzuändern, dass die Verurteilung der Beklagten auf 396,82 EUR nebst Verzugszinsen ermäßigt wird.
Fundstellen