Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeines Zurücknahmeangebot von mit „Pfand” gekennzeichneten, individualisierten Getränkeflaschen duch Getränkehersteller
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff "Pfand" auf einer individualisierten - dauerhaft von den Produkten anderer Hersteller/Vertreiber unterscheidbaren - Getränkeflasche beinhaltet das Angebot des dort namentlich genannten Getränkeherstellers/Vertreibers an jedermann, die Flasche gegen Zahlung des Pfandbetrages zurückzunehmen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.07.2005; Aktenzeichen 10 U 274/04) |
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 15.11.2004; Aktenzeichen 11 O 84/03) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 8.7.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin, die einen Flaschengroßhandel betreibt, befasst sich mit der Sortierung von Getränkeflaschen. Sie bietet diese Dienstleistung Getränkeherstellern an und sortiert aus den mit Leergut bestückten Getränkekästen ihrer Vertragspartner die Flaschen anderer Hersteller aus. Als Entgelt darf sie in dem jeweils vereinbarten Verhältnis die aussortierten Fremdflaschen behalten. Auf diese Weise haben sich bei der Klägerin erhebliche Bestände an Flaschen der französischen Mineralwassermarken V. und E. angesammelt. Die Beklagte vertreibt diese Wassersorten in Deutschland und verwendet hierzu 1,5 Liter PET-Einwegpfandflaschen, die sie beim Verkauf des Wassers mit einem Pfandbetrag von 0,25 EUR belegt; dieser Betrag wird auch auf den nachfolgenden Handelsstufen vom jeweiligen Käufer erhoben. Der Name des jeweiligen Wassers ist in die Flaschen eingestanzt, das Wort "Pfand" bzw. "Pfandflasche" ist aufgedruckt. Die Flaschen sind mit Banderolen versehen. Die Banderolen enthalten neben den Angaben zu dem Mineralwasser und zu seiner Herkunft u.a. den Aufdruck "Pfand 0,25 EUR" bzw. "0,25 EUR Pfand" und den Hinweis, dass das Wasser in Deutschland von der Beklagten vertrieben wird. Die Klägerin nimmt die Beklagte mit der Behauptung, sie sei im Besitz von jeweils 60.000 leeren Flaschen der Marken V. und E., die von der Beklagten gegen Pfandzahlung in den Verkehr gebracht worden seien, auf Auszahlung des Pfandgeldes (30.000 EUR) Zug um Zug gegen Herausgabe dieser 120.000 Flaschen in Anspruch. Das LG hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - von dem Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
[2] Die Revision bleibt erfolglos.
[3] I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt v. 8.7.2005 - 10 U 274/04, NJW 2005, 3148) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
[4] Das Flaschenetikett erwecke bei dem Endverbraucher den Eindruck, dass die Beklagte als Vertreiberin des Wassers eine Rückgabe des Leerguts wünsche und bereit sei, neben dem Abfüller des Mineralwassers für den Einsatzbetrag aufzukommen. Hieraus ergebe sich eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten, dem Endkunden den Pfandbetrag zu erstatten. Dieser Anspruch des Endkunden gehe nach § 426 BGB auf einen Händler über, der bei der Rücknahme der Flasche das Pfand einlöse; einem Dritten, der den Besitz an der Flasche erwerbe, werde der Anspruch stillschweigend abgetreten.
[5] II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur im Ergebnis stand.
[6] 1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Frage, ob die Beklagte nicht nur gegenüber ihren unmittelbaren Vertragspartnern, sondern auch ggü. der außerhalb ihrer Vertriebskette stehenden Klägerin zur Erstattung des Pfandbetrages und zur Rücknahme der von ihr in den Handel gebrachten Pfandflaschen verpflichtet ist, nur mit Blick auf den Erklärungsinhalt der Flaschenbanderole beantwortet werden kann. Ebenso wenig zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die in der Banderole enthaltenen Erklärungen - jedenfalls - der Beklagten als dem dort genannten Vertriebsunternehmen zuzurechnen sind.
[7] 2. Verfehlt ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, aus der Banderole ergebe sich lediglich die Verpflichtung der Beklagten, die von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen von dem Endverbraucher zurückzunehmen und diesem das Pfandgeld zu erstatten. Nach dem objektiven Erklärungsinhalt der Banderole ist die Beklagte verpflichtet, die von ihr vertriebenen Flaschen von jedem beliebigen Besitzer einer solchen Flasche zurückzunehmen und ihm den Pfandbetrag auszuzahlen.
[8] a) Der Senat kann den in den Flaschenbanderolen verkörperten Erklärungsinhalt nach objektiven Kriterien selbst feststellen, weil die Beklagte eine Vielzahl von Flaschen mit derartigen Banderolen in den Verkehr gebracht hat, die für einen zahlenmäßig nicht eingegrenzten Personenkreis bestimmt sind (vgl. Senat, Urt. v. 16.5.1994 - II ZR 223/92, BGH v. 16.5.1994 - II ZR 223/92, NJW-RR 1994, 1185 f.; Senat, Urt. v. 27.11.2000 - II ZR 218/00, BGH v. 27.11.2000 - II ZR 218/00, MDR 2001, 761 = BGHReport 2001, 168 = ZIP 2001, 243, 244).
[9] b) Der auf der Flaschenbanderole aufgedruckte Begriff "Pfand" beinhaltet die verbindliche Zusage, diese Flasche gegen Erstattung des angegebenen Betrages zurück zu nehmen. Diese Willenserklärung wird von der Beklagten abgegeben, weil die Beklagte die für den Vertrieb des Mineralwassers verwendeten Flaschen mit dieser Banderole versehen in den Verkehr gebracht hat. Sie richtet sich nicht nur an die Vertragspartner der Beklagten und ist auch nicht auf deren Abnehmer begrenzt. Die Auslegung der in der Banderole enthaltenen Erklärung ergibt vielmehr, dass die Beklagte den Vertrag mit jedem abzuschließen bereit ist, der im Besitz ihrer Flaschen ist und ihr diese zurückbringt. Das Wort "Pfand" in Verbindung mit der Angabe eines bestimmten Geldbetrages vermittelt dem Erklärungsadressaten die Vorstellung, dass die Beklagte, die ihr Wasser in so etikettierten und durch den eingestanzten Namen des Wassers dauerhaft von den Produkten anderer Hersteller/Vertreiber unterscheidbaren Flaschen in den Verkehr gebracht hat, ein Interesse daran hat, diese Flaschen zurück zu bekommen und deshalb bereit ist, jedem beliebigen Dritten für die Rückgabe einer solchen Flasche den angegebenen Betrag zu zahlen. Dieses - auf dem Inhalt der Banderole beruhende - Verständnis des Rechtsverkehrs wird zudem durch den auch auf den Flaschen selbst befindlichen Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" bestätigt.
[10] c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass die Beklagte eine derartige Verpflichtungserklärung gegenüber jedermann nicht abgeben will, weil sie an der Rückführung der von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen kein wirtschaftliches Interesse hat. Hierauf kommt es nicht an. Aus dem objektiven Inhalt der Banderole, insb. aus dem dort verwendeten Begriff "Pfand", verbunden mit der Angabe eines Zahlungsbetrages, ergibt sich eindeutig das Gegenteil. Hieran muss sich die Beklagte festhalten lassen. Bei der Auslegung von Willenserklärungen, die für eine Vielzahl von Personen Bedeutung erlangen können, ist ausschließlich der objektive Inhalt der Erklärung maßgeblich. Hingegen dürfen subjektive Vorstellungen der Beklagten, die den potentiellen Erklärungsadressaten nicht bekannt und auch nicht erkennbar sind, weil sie im Inhalt der Erklärung keinen Ausdruck gefunden haben, nicht berücksichtigt werden (vgl. Senat, Urt. v. 30.4.1979 - II ZR 57/78, BGH v. 30.4.1979 - II ZR 57/78, NJW 1979, 2102).
[11] d) Entgegen der Auffassung der Revision steht der Annahme eines - an jedermann gerichteten - Angebotes der Beklagten, die Flasche gegen Zahlung des Pfandbetrages zurückzunehmen, nicht entgegen, dass der Banderole nur eine Postfachanschrift der Beklagten zu entnehmen ist. Die unmissverständliche Bedeutung des auf der Banderole aufgedruckten Wortes "Pfand" lässt keine andere Auslegung der in der Banderole verkörperten Erklärung zu.
[12] Durch dieses Verständnis der Banderole wird die Beklagte nicht unzumutbar belastet. Anders als die Revision offenbar befürchtet, führt das Versprechen der Beklagten, die von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen gegen Auszahlung des auf der Banderole angegebenen Betrages von jedermann zurückzunehmen, nicht dazu, dass der Rücklauf der leeren Getränkeflaschen nicht mehr regelmäßig auf dem durch das Vertriebssystem vorgegebenen Weg stattfindet, sondern dass die Flaschen von jeder Vertriebsstufe einschließlich des Endverbrauchers unmittelbar an die Beklagte zurückgeliefert werden. Es gewährleistet jedoch dem Abnehmer ihres Produktes - ungeachtet etwa bestehender öffentlich-rechtlicher Rücknahmeverpflichtungen - einen großzügigen und bequemen Rücklauf des Leergutes, weil sich jeder zur Rücknahme des Leergutes bereite Händler darauf verlassen kann, seine Pfanderstattungsansprüche jedenfalls gegen die Beklagte durchsetzen zu können.
[13] e) Ob die Beklagte nicht nur durch das in der Flaschenbanderole erklärte und von der Klägerin - mit der Aufforderung, ihr die Pfandbeträge gegen Rückgabe der Flaschen zu erstatten - angenommene Angebot, sondern auch nach den Vorschriften der Verpackungsverordnung zur Rücknahme der Flaschen und Auszahlung des Pfandgeldes verpflichtet ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
[14] 3. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, aufgrund der Aussagen der Zeugen Z. und M. stehe fest, dass sich im Besitz der Klägerin jeweils 60.000 1,5 Liter Pfandflaschen der Marken V. und E. befinden, die von der Beklagten in Deutschland vertrieben wurden. Die gegen Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen sind nicht begründet. Die tatrichterliche Würdigung der Zeugenaussagen ist möglich und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf. Darauf, ob für sämtliche bei der Klägerin lagernden Flaschen der Pfandbetrag von einem Endverbraucher geleistet wurde, kommt es nach dem vom Senat festgestellten Erklärungsinhalt der Flaschenbanderole nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 1784617 |
DB 2007, 2481 |