Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 14. April 1999 verkündete Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht aus abgetretenem wie aus eigenem Recht gegen die Beklagte Ansprüche aus Vertrag und wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen („culpa in contrahendo”) im Zusammenhang mit der Demontage der Betriebsanlagen der ehemaligen K. in L. geltend. Die K. war von der „B. GmbH i. A.” (B.) betrieben worden, als deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin die Beklagte ansieht. B. hatte mit den Abbrucharbeiten mit Vertrag vom 29. Juli 1991 das „I. … e.V.” (I.) beauftragt, dessen Vorsitzender der damalige Betriebsleiter der K. war und die den Abbruch im Rahmen einer vom Arbeitsamt C. geförderten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme unter Einsatz von freigestellten Beschäftigten der B. durchführen sollte. Eine Vergütung in Geld war für I. nicht vorgesehen, es war jedoch vereinbart, daß diese verwertbares, bei der Demontage anfallendes Material (Bausschutt und Metallschrott) zu Eigentum erhalten und verwerten sollte. Mit Vertrag vom 30. August 1991 beauftragte I. die Klägerin mit der technischen und organisatorischen Leitung der Abbrucharbeiten sowie mit der Aufbereitung und Vermarktung des bei der Demontage anfallenden Materials. Im Rahmen der getroffenen Vergütungsregelung sollte das bei der Demontage anfallende Material in das Eigentum der Klägerin übergehen und von dieser verwertet werden. Nach der Vereinbarung war Kalkulationsgrundlage der Anfall von ca. 100.000 t Stahl- und Eisenschrott. Für jede Tonne hiervon stand I. vereinbarungsgemäß eine Rückvergütung von 45,– DM zu. Bei Unterschreitung der Kalkulationsgröße um mehr als 10% war eine Verringerung der Vergütung um 5,– DM/t vorgesehen. Der Klägerin stand weiter vereinbarungsgemäß eine Vergütung von 7 Millionen DM zu.
Die Abbrucharbeiten wurden bis 30. Juni 1993 durchgeführt; dabei blieb bei jeder der beiden Ofenstraßen ein Ofen stehen.
Die Klägerin hat behauptet, B. habe I. im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine verwertbare Schrottmenge von 130.000 t zugesagt, tatsächlich seien jedoch nur 42.000 t angefallen. Hierdurch sei der I. bei einem Durchschnittserlös je Tonne Schrott von 120,– DM ein Schaden von 10.560.000,– DM entstanden; den entsprechenden Anspruch habe I. ihr abgetreten. Die Klägerin hat wegen einer Mindermenge von 10.000 t zunächst aus abgetretenem, in zweiter Instanz auch aus eigenem Recht einen Schadensersatzanspruch von 1.200.000,– DM gerichtlich geltend gemacht. Die Beklagte hat Widerklage mit dem Antrag erhoben festzustellen, daß der Klägerin auch darüber hinaus keine Ansprüche zustehen. Sie hat sich insbesondere darauf berufen, daß die Erlöse aus der Schrottverwertung an das Arbeitsamt abzuführen gewesen seien. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
A. I. Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerin unterstellt, daß die Beklagte Rechtsnachfolgerin der B. ist. Es hat weiter als zutreffend unterstellt, daß bei der Abbruchmaßnahme nicht mehr als 42.000 t verwertbaren Schrotts angefallen sind. Zu der Abtretung der Forderungen von I. an die Klägerin hat es keine Feststellungen getroffen. Für das Revisionsverfahren ist daher zugunsten der Klägerin davon auszugehen, daß die Abtretung an sie wirksam erfolgt ist.
II. Weiter ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß das im Vertrag zwischen B. und I. vorgesehene Recht zur Verwertung des Schrotts keine Vergütungsansprüche für I. begründe und daß die Klägerin einen Vertrauensschaden, den I. wegen unrichtiger Angaben über die Schrottmenge erlitten haben könne, nicht dargelegt habe.
Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis mit Erfolg.
1. Allerdings greift der Angriff der Revision gegen die Auslegung des zwischen B. und I. geschlossenen Vertrags nicht durch.
Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe den Vertrag zwischen der B. und I. nicht vollständig gewürdigt. Das in § 6 des Vertrags vorgesehene Vermarktungsrecht stelle eine I. zustehende Vergütung im Sinn des § 632 BGB dar.
Dieser Angriff bleibt erfolglos. Auch wenn die Ansicht der Revision als zutreffend unterstellt wird, folgte aus der vertraglichen Regelung nur ein Anspruch von I. auf Überlassung alles anfallenden Schrotts. Die Klägerin hat sich indessen nicht darauf gestützt, daß ihr solcher nicht überlassen worden wäre, sondern darauf, daß die anfallende Schrottmenge falsch eingeschätzt worden sei. Daß der Vertrag zwischen B. und I. eine Vereinbarung über eine Mindestmenge des anfallenden Schrotts enthalten hätte, hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Vertragsauslegung rechtsfehlerfrei verneint. Insbesondere führt die – für das Revisionsverfahren ebenfalls als zutreffend zu unterstellende – Auffassung der Revision, Grundlage der Bemessung des Vergütungsanspruchs sei die Zusage einer Schrottmenge von 130.000 t gewesen, nicht notwendigerweise schon zu einem entsprechenden Vertragsinhalt.
2. Demgegenüber sind die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche von I. aus Verschulden bei Vertragsschluß verneint, nicht tragfähig.
a) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob Mitarbeiter der B. bei den Vertragsverhandlungen mit I. schuldhaft falsche Angaben über die zu erwartende Schrottmenge gemacht haben und ob I. hierdurch zum Vertragsschluß veranlaßt wurde. Für das Revisionsverfahren ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, daß dies der Fall war.
b) aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die insoweit darlegungsbelastete Klägerin habe einen bei I. eingetretenen Vertrauensschaden nicht dargelegt.
bb) Die Revision greift dies mit der Begründung an, I. habe bei Vertragsabschluß mit der B. davon ausgehen können, daß ihm eine Schrottmenge von 130.000 t zufalle und daß es daraus einen Gesamterlös von 15.600.000,– DM erzielen könne. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, daß I. den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, falls dort bekannt gewesen wäre, daß bei der Vertragsdurchführung lediglich 42.000 t verwertbarer Schrott anfielen und nur ein entsprechend niedrigerer Erlös erzielt werden könne. Zudem sei zu berücksichtigen, daß I. der Klägerin eine Festvergütung von 7 Millionen DM sowie die Überlassung des gesamten verwertbaren Demontagematerials geschuldet habe. Damit seien I. Unkosten entstanden, die nicht angefallen wären, wenn ihm die tatsächlich anfallenden Schrottmengen bei Vertragsschluß bekannt gewesen wären.
cc) Dem Angriff kann auf der Grundlage des für das Revisionsverfahren maßgeblichen Streitstands der Erfolg nicht versagt bleiben.
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin gegen I. der von der Klägerin mit 6.537.094,78 DM bezifferte Zahlungsanspruch zusteht, dessen sich die Klägerin, wie im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgehalten ist, berühmt hat. Für das Revisionsverfahren ist daher zu unterstellen, daß dieser Anspruch in der behaupteten Höhe besteht. Besteht aber dieser Anspruch, kann er bei der Prüfung der Frage, ob I. durch das revisionsrechtlich ebenfalls zu unterstellende Fehlverhalten der B. eine Belastung erwachsen ist, die bei Nichtabschluß des Vertrags zwischen I. und B. nicht entstanden wäre, nicht außer Betracht gelassen werden. Daß auch diese zu unterstellende Mehrbelastung auf andere Art und Weise, etwa durch Inanspruchnahme öffentlicher Mittel oder sonstige Einnahmen, ausgeglichen worden wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; hiervon kann deshalb im Revisionsverfahren nicht ausgegangen werden. Bei seiner Feststellung, daß die von I. aufgewendeten Kosten durch Fördermittel und Leistungen des Arbeitsamts in voller Höhe gedeckt gewesen seien, hat das Berufungsgericht nämlich die behauptete Forderung der Klägerin von 6.537.094,78 DM außer Betracht gelassen. Demnach kann auf der Grundlage des nicht geprüften Vorbringens der Klägerin und der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, daß die I. zugeflossenen Mittel nicht ausreichten, deren Verbindlichkeiten abzudecken. War dies aber der Fall, kann ein Vertrauensschaden bei I. nicht verneint werden.
c) Auf der für das Revisionsverfahren maßgeblichen tatsächlichen Grundlage kann weiter jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß I. als Verein ohne ersichtliches Eigenvermögen den Vertrag mit B. unabhängig von der Erwartung abgeschlossen hätte, die anfallende Schrottmenge liege jedenfalls erheblich über der tatsächlich verwerteten. Gesichtspunkte, die ein solches Verhalten gleichwohl als denkbar erscheinen lassen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
B. Auf die Frage, ob der Klägerin Ansprüche gegen die Beklagte aus eigenem Recht zustehen, wie sie dies im Berufungsverfahren ersichtlich hilfsweise geltend gemacht hat, kommt es für die Entscheidung in der Revisionsinstanz nicht an. Das Berufungsgericht wird dies erforderlichenfalls erneut zu prüfen haben; dabei wird es auch den von ihm unberücksichtigt gelassenen Sachvortrag der Klägerin und gegebenenfalls ergänzenden weiteren Vortrag der Parteien berücksichtigen können.
Unterschriften
Rogge, Melullis, Keukenschrijver, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen
Haufe-Index 651905 |
BGHR 2002, 96 |