Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsberechtigter bei Schadenersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss gegen Gebäudeversicherung nach Zwangsversteigerung. Hypothekenhaftung bei Schadenersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss gegen Gebäudeversicherung
Leitsatz (amtlich)
Anders als der Erfüllungsanspruch auf die Versicherungsleistung fällt ein an seine Stelle tretender Schadensersatzanspruch gegen den Gebäudeversicherer wegen eines Brandes aus Verschulden bei Vertragsschluss nicht unter die Hypothekenhaftung; er geht daher auch nicht gem. §§ 90 Abs. 2, 55 Abs. 1, 20 Abs. 2 ZVG auf den Ersteher in der Zwangsversteigerung über.
Normenkette
BGB § 1127 Abs. 1; ZVG § 90 Abs. 2, § 55 Abs. 1, § 20 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Hamm v. 27.8.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist eine prozessfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die sich mit der Vermietung eigener und fremder Wohnungen befasst; sie wird in diesem Rechtsstreit von einem der beiden Gesellschafter mit Zustimmung des anderen vertreten. Nach einem Brandschaden verlangt die Klägerin Ersatz vom beklagten Versicherer.
Da zwischen den Parteien bereits eine größere Anzahl von Gebäude- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherungen abgeschlossen worden waren, verhandelten sie über einen Rahmenvertrag zur Wohngebäude-Versicherung. Dabei war für die Klägerin wesentlich, dass vor Abschluss von Einzelversicherungsverträgen für neu hinzukommende Gebäude eine vorläufige Deckung vorgesehen wurde, wie sie in einem den Verhandlungen zu Grunde gelegten Mustervertrag enthalten war. Der am 27.8.1998 unterzeichnete Rahmenvertrag enthielt eine solche Klausel jedoch nicht. Darauf wurden die Vertreter der Klägerin bei Unterzeichnung des Rahmenvertrages auch nicht hingewiesen.
Am 29.10.1998 ersteigerte der Gesellschafter L. der Klägerin einen im Umbau zu einer Wohnanlage befindlichen Gebäudekomplex. Wegen Finanzierungsschwierigkeiten konnte er das Bargebot nicht berichtigen. Deshalb wurde am 1.4.1999 die Wiederversteigerung des Grundbesitzes angeordnet. Am 31.5.1999 wurde L. als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Am 12.8.1999 zerstörte ein Brand das gesamte sechste Obergeschoss des Hauptgebäudes. In der Annahme, das Gebäude sei auf Grund des Rahmenvertrages v. 27.8.1998 bei der Beklagten versichert, nahm die Klägerin die Beklagte auf Versicherungsleistungen in Anspruch. Diese verweigerte jegliche Entschädigung. Am 2.5.2001 wurde das Objekt von der Stadt, in der es belegen war, ersteigert und später abgerissen. Mit ihrer Klage macht die Klägerin einen Teilbetrag des entstandenen Brandschadens geltend.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin das Objekt nach Erwerb durch den Gesellschafter L. in ihre Verwaltung genommen und dass es sich trotz des noch nicht abgeschlossenen Umbaus in einem versicherbaren Zustand befunden habe. Jedenfalls sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert, weil eventuelle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auf die Stadt übergegangen seien, die es auf Grund der Wiederversteigerung erworben habe. Im Hinblick auf die Abtretung von Ansprüchen der Stadt beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin aus dem Rahmenvertrag mit der Beklagten v. 27.8.1998 zwar kein Anspruch auf vorläufige Deckung zu. Die Beklagte sei aber wegen Verschuldens bei Vertragsschluss verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als sei der Rahmenvertrag mit der in den Vertragsverhandlungen in Aussicht genommenen Klausel über die vorläufige Deckung abgeschlossen worden. Ob das Objekt, für das die Klägerin Brandentschädigung fordert, unter die mit dem Rahmenvertrag beabsichtigte vorläufige Deckung gefallen wäre, hat das Berufungsgericht offen gelassen.
Denn die Klage aus eigenem Recht sei unbegründet, weil die Klägerin den hier in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte jedenfalls dadurch verloren habe, dass das Objekt durch Weiterversteigerung auf die Stadt übergegangen sei. Damit sei auch die Forderung aus einer für die versteigerte Sache genommenen Versicherung auf den Ersteher übergegangen (§§ 90 Abs. 2, 55 Abs. 1, 20 Abs. 2 ZVG, 1127 Abs. 1 BGB). Dass der Gesellschafter L. vor der Ersteigerung durch die Stadt Eigentümer des Objekts war, stehe einer Anwendbarkeit dieser Regeln nicht entgegen, weil L. als Versicherter unter den Schutz der von der Klägerin bei der Beklagten beabsichtigten Versicherung falle. Dass der Klägerin hier kein Anspruch aus einem Versicherungsvertrag über vorläufige Deckung zustehe, sondern ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss, ändere ebenfalls nichts am Übergang dieses Anspruchs auf die Stadt. Denn dieser Schadensersatzanspruch sei auf das Erfüllungsinteresse gerichtet und solle seinem Sinn und Zweck nach den Gläubiger so stellen, wie er bei vertragsgerechtem Verhalten des Schuldners stehen würde. Dann aber dürfe die Klägerin als Gläubigerin nicht nur nicht schlechter, sondern auch nicht besser gestellt sein, als wenn ein Versicherungsvertrag über vorläufige Deckung zu Stande gekommen wäre.
Auch soweit die Stadt Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten habe, bleibe die Klage ohne Erfolg, weil sich die Beklagte mit Recht auf die Einrede der Verjährung berufe. Die Beklagte habe mit Schreiben v. 14.2.2000 endgültig Leistungen verweigert. Deshalb sei Ende des Jahres 2002 Verjährung eingetreten (§ 12 Abs. 1 VVG). Die Klage sei zwar schon im Dezember 2001 erhoben worden. Die Klägerin habe die Aktivlegitimation, die auf Grund der Weiterversteigerung an die Stadt am 2.5.2001 verloren gegangen war, jedoch erst auf Grund der Abtretungsvereinbarung v. 27.2.2003 wiedererlangt.
II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten jedenfalls in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Dass die Klägerin mit dem hier in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss das gleiche Ergebnis ggü. der Beklagten erzielen könnte wie mit einen Erfüllungsanspruch aus einem Versicherungsvertrag über vorläufige Deckung, besagt noch nicht, dass dieser Schadensersatzanspruch auch hinsichtlich des in § 1127 Abs. 1 BGB geregelten Umfangs der Hypothekenhaftung einem versicherungsvertraglichen Erfüllungsanspruch gleichzustellen ist, wie die Revision mit Recht geltend macht.
a) Gemäß § 1127 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Hypothek auch auf die Forderung gegen den Versicherer, wenn das Grundstück und die mithaftenden Gegenstände versichert sind. In der Literatur wird vertreten, hier gehe es um einen gesetzlich geregelten Fall dinglicher Surrogation; die Vorschrift sei analog auch auf Schadensersatzansprüche anzuwenden, die ebenso wie die im Gesetz angesprochenen Versicherungsforderungen dem Zweck der Wiederherstellung des der Hypothekenhaftung unterliegenden Gegenstands dienten (vgl. insb. Wolf, JuS 1976, 32 [34 f.]). Dieser Sicht hat der BGH bereits in seinem Urteil (BGH, Urt. v. 11.5.1989 - IX ZR 278/88, BGHZ 107, 255 [256 f.] = MDR 1989, 809) eine Absage erteilt. Die Vorschrift des § 1127 BGB ist vielmehr vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Haftung der Gegenstände, auf die sich ein Grundpfandrecht erstreckt, im Allgemeinen mit dem Untergang dieser Gegenstände erlischt und sich nicht an einem Ersatzanspruch fortsetzt, auch wenn es sich um einen Ersatzanspruch wegen Beschädigung des haftenden Gegenstands handelt. Von diesem Grundsatz weicht § 1127 Abs. 1 BGB nicht ab, sondern trifft allein für Versicherungsforderungen eine auf die besonderen Bedürfnisse des Grundstücksverkehrs zugeschnittene Ausnahmeregelung (RG HRR 1934, Nr. 1677). Der Gesetzgeber hat die Erstreckung der Hypothek auf die Versicherungsforderung auch bei Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht aus einem allgemeinen Prinzip der dinglichen Surrogation hergeleitet, sondern einem schwer wiegenden praktischen Bedürfnis Rechnung tragen wollen in Kenntnis des Umstands, dass die so geschaffene Ausnahmeregelung rechtlich nicht konsequent war (Mot. III, 659 f.). Soweit der Umfang der Hypothekenhaftung gem. §§ 90 Abs. 2, 55 Abs. 1, 20 Abs. 2 ZVG, 1127 Abs. 1 BGB für den Umfang des Erwerbs durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung maßgebend ist, besteht für eine Ausdehnung des § 1127 Abs. 1 BGB auch auf Schadensersatzansprüche kein praktisches Bedürfnis, wenn der Schaden - wie im vorliegenden Fall - bereits vor der Versteigerung entstanden ist und der Ersteher den geringeren Wert der Sache bei der Abgabe seines Gebots berücksichtigen konnte. Diese in (BGH, Urt. v. 11.5.1989 - IX ZR 278/88, BGHZ 107, 255 [256 f.] = MDR 1989, 809) vertretene Auffassung hat Zustimmung gefunden (Eickmann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1127 Rz. 2; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, [2002], § 1127 Rz. 2; Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 17. Aufl., § 20 Anm. 3.7). Dem schließt sich auch der Senat an.
b) Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht wie in der Entscheidung (BGH, Urt. v. 11.5.1989 - IX ZR 278/88, BGHZ 107, 255 [256 f.] = MDR 1989, 809) um einen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung eines der Hypothekenhaftung unterliegenden Gegenstandes, sondern wegen treuwidriger Vereitelung der bei den Vertragsverhandlungen zugesagten, im abgeschlossenen Vertrag v. 27.8.1998 aber nicht mehr enthaltenen vorläufigen Deckung. Dieser Schadensersatzanspruch steht dem in § 1127 Abs. 1 BGB geregelten Deckungsanspruch auch im Hinblick auf das hier realisierbare Erfüllungsinteresse näher als ein Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung eines haftenden Gegenstands. Darauf kommt es indessen nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck des § 1127 Abs. 1 BGB nicht an: Die Erweiterung der Hypothekenhaftung über die ihr zu Grunde liegenden Gegenstände hinaus beschränkt sich vielmehr allein auf den Deckungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag. Ein Schadensersatzanspruch, der wie hier darauf gerichtet ist, den Versicherungsnehmer so zu stellen, wie er bei redlichem Verhalten des Versicherers stünde, kann zu demselben Ergebnis wie der Erfüllungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag führen; notwendig ist ein solches Ergebnis - etwa bei Mitverschulden des Versicherungsnehmers (§ 254 BGB) - keineswegs. Wenn man mit dem Berufungsgericht einen solchen Schadensersatzanspruch, soweit er das Erfüllungsinteresse ebenso wie der vertragliche Anspruch auf die Versicherungsleistung befriedigt, unter § 1127 Abs. 1 BGB fallen lassen wollte, wäre nicht mehr einzusehen, warum dies nicht auch für Ersatzansprüche wegen Beschädigung der haftenden Sache gelten sollte. Deshalb kann auch für den hier in Betracht kommenden Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nichts anderes gelten: Auf einen solchen Anspruch erstreckt sich die Hypothekenhaftung und damit der Erwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung nicht.
c) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat den Anspruch auf eine Versicherungsleistung auf Grund einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss in anderer Hinsicht einem vertraglichen Anspruch auf die Versicherungsleistung gleichgestellt hat, etwa wenn es um die Verjährungsfrist geht (BGH, Urt. v. 21.1.2004 - IV ZR 44/03, MDR 2004, 629 = BGHReport 2004, 654 = VersR 2004, 361 unter II 1b). Den Gesichtspunkten, die für die Auslegung der Vorschriften über die Verjährung maßgebend sind, kommt keine Bedeutung für die Auslegung von § 1127 Abs. 1 BGB zu.
d) Danach kommt es hier auf die Frage nicht mehr an, ob die in § 1127 Abs. 1 BGB vorgesehene Erstreckung der Hypothekenhaftung auf eine Versicherungsforderung auch dann Platz greift, wenn der Eigentümer des der Hypothekenhaftung unterliegenden Gegenstands nicht selbst Versicherungsnehmer, sondern wie hier lediglich Versicherter ist.
2. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht vielmehr ungeachtet des Grundstückserwerbs der Stadt durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren am 2.5.2001 nach wie vor der Klägerin zu. Dies gilt auch im Hinblick auf § 73 VVG; was durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben wird, hängt allein von § 1127 Abs. 1 BGB ab. Da die Klägerin den Anspruch vor Ablauf der Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht und nicht wieder verloren hat, kommt es auf die Abtretung der Stadt nicht an. Damit greift auch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch.
Fundstellen
Haufe-Index 1464598 |
NJW 2006, 771 |
BGHR 2006, 406 |
InVo 2006, 168 |
JuS 2006, 559 |
MDR 2006, 654 |
VersR 2006, 112 |
GuT 2006, 88 |
NJW-Spezial 2006, 147 |
r+s 2006, 111 |
r+s 2006, 154 |