Leitsatz (amtlich)
a) Die mittelbare Patentverletzung nach dem Patentgesetz 1981 setzt im Gegensatz zur früheren Rechtslage keine unmittelbare Verletzung des Patents durch den Dritten voraus.
b) Die Eignung und Bestimmung des Mittels, vom Abnehmer für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, ist aufgrund der Umstände offensichtlich, wenn sich dies für den unbefangenen Betrachter der Umstände von selbst ergibt und vernünftige Zweifel an der Eignung und Bestimmung des Mittels zur patentverletzenden Benutzung nicht bestehen. Der Nachweis der Offensichtlichkeit setzt die Feststellung von Tatsachen (Umständen) voraus.
Normenkette
PatG 1981 § 10
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.08.1998; Aktenzeichen 2 U 33/97) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 28.01.1997; Aktenzeichen 4 O 49/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das am 27. August 1998 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin des u.a. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 267 485 (Klagepatents), das eine Vorrichtung zum Leiten eines Luftstroms betrifft. Patentanspruch 1 lautet:
„Vorrichtung zum Leiten eines Luftstromes durch Lamellen, die am Auslaß einer den Luftstrom führenden, insbesondere erzeugenden Einrichtung angeordnet sind, wobei je zwei Lamellen mit ihren der Luftstromquelle zugewandten seitlichen Längskanten an einer an einem Luftauslaß der Einrichtung angeordneten Achse oder an zwei nahe beieinanderliegenden Achsen drehbeweglich angelenkt sind, um ein Lamellenpaar zu bilden, das mit benachbarten Lamellenpaaren Luftkanäle, insbesondere schlitzförmige Düsen bildet, deren Breite durch Verschwenken der Lamellen veränderbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die seitlichen Stirnseiten des Zwischenraumes (7) jeden Lamellenpaares (2) offen sind, um Sekundärluft eintreten zu lassen, wobei die Lamellenpaare selbst Nachströmkanäle für Sekundärluft dadurch bilden, daß sie vor dem Luftauslaß angeordnet sind.”
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Klagepatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel der geschützten Erfindung:
Die Beklagte stellt her und vertreibt Vorrichtungen zur Leitung von Luftströmen entsprechend folgender Ablichtung:
Die Klägerin hat die Beklagte wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensfeststellung in Anspruch genommen.
Sie hat geltend gemacht: Die bei der jetzt angegriffenen Ausführungsform im Bereich der Stirnseiten jedes Lamellenpaares eingesteckten Bleche ließen sich ohne Mühe entfernen, so daß dann die Stirnseiten der Zwischenräume der Lamellenpaare gemäß der Lehre des Klagepatents offen seien. Da den Fachleuten, welche Vorrichtungen der in Rede stehenden Art einzubauen pflegten, die patentgemäße Lehre nicht nur aufgrund der Berichterstattung über ihre – der Klägerin – Geräte, sondern auch aus der früheren Werbung der Beklagten bekannt sei, würden diese die eingesteckten Bleche entfernen, womit die angegriffenen Vorrichtungen die Lehre des Klagepatents verwirklichten; daß die mit dem Einbau der angegriffenen Vorrichtungen betrauten Fachleute so verführen, sei für die Beklagte offensichtlich, weil sie dadurch, daß sie die Bleche nur einstecke, ohne sie durch Löten oder dergleichen fest mit den Lamellen verbinden, ihre Abnehmer zu einem derartigen Verhalten geradezu einlade.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und erwidert: Die angegriffene Vorrichtung verletze das Klagepatent schon deshalb nicht, weil sie keine einzeln verstellbare Lamellen im Sinne des Klagepatents aufweise, sondern rinnenförmig gestaltete Luftleitelemente; auch spreche nichts dafür, daß ihre Abnehmer die an den Stirnseiten der Luftleitelemente befindlichen Bleche entfernten, so daß diese Stirnseiten nicht offen seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf unmittelbare Patentverletzung gestützt war; im übrigen hat es die Beklagte wegen mittelbarer Patentverletzung verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision erstrebt die Beklagte Klageabweisung in vollem Umfang. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Zur Beheizung von Großräumen wie Hallen werden Luftheizgeräte eingesetzt, mit denen erhitzte Luft in den Hallenraum geblasen wird. Diese Geräte sind an ihrem Luftauslaß in der Regel mit Ausblasjalousien in Form von verstellbaren Luftleitblechen ausgerüstet. Das Klagepatent betrifft eine solche Vorrichtung zum Leiten eines Luftstroms durch Lamellen, die am Auslaß einer den Luftstrom führenden, insbesondere erzeugenden Einrichtung angeordnet sind. Dabei sind je zwei Lamellen mit ihren der Luftstromquelle zugewandten seitlichen Längskanten an einer an einem Luftauslaß der Einrichtung angeordneten Achse oder an zwei nahe beieinanderliegenden Achsen drehbeweglich angelenkt, um ein Lamellenpaar zu bilden, das mit benachbarten Lamellenpaaren Luftkanäle bildet; deren Breite ist durch Verschwenken der Lamellen veränderbar.
Die Klagepatentschrift führt einleitend aus (Sp. 1 Z. 15-34), solche V-förmig angeordneten Lamellen am Auslaß einer einen Luftstrom führenden Einrichtung seien aus der US-Patentschrift 2 224 312 bekannt. Bei dieser Luftleiteinrichtung werde durch das einzelne Verstellen der Lamellen erreicht, daß die zwischen den Lamellenpaaren austretenden Luftströme in Stärke und Richtung zueinander unterschiedlich seien. Insbesondere solle hierdurch bei einer Abzweigung eines Luftstroms ein gleichmäßiger Luftstrom erreicht werden. Nach einem anfänglichen Einstellen solle diese Einstellung permanent erhalten bleiben. Bei diesen und auch bei üblichen anderen Luftleiteinrichtungen habe es sich gezeigt, daß die Eindringtiefe des Luftstroms in den Raum oft nicht genüge. Dies zeige sich besonders dann, wenn ein solches Luftheizgerät an der Decke einer Halle befestigt sei und vertikal nach unten blase.
Durch die Erfindung soll demgegenüber eine Luftleitvorrichtung der genannten Art so verbessert werden, daß eine hohe Induktionswirkung hinsichtlich der umgebenden Raumluft (darunter versteht man die Durchmischung der von der Vorrichtung zugeführten Luft mit der im Raum befindlichen Luft) und damit ein schnellerer Abbau der Luftstrahlertemperatur und eine erhöhte Raumdurchspülung erreicht wird.
Dieses technische Problem soll nach den Ausführungen der Klagepatentschrift (Sp. 1 Z. 41-46) erfindungsgemäß durch zwei Maßnahmen gelöst werden, nämlich dadurch, daß die seitlichen Stirnseiten des Zwischenraums jedes Lamellenpaares offen sind, so daß Sekundärluft (= Raumluft im Gegensatz zu der von der Vorrichtung zugeführten sog. Primärluft) in die Zwischenräume eindringen könne, und daß die Lamellenpaare vor dem Luftauslaß angeordnet sind.
Das Berufungsgericht hat die unter Schutz gestellte Vorrichtung zum Leiten eines Luftstroms durch Lamellen in folgende Merkmale gegliedert:
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1.1 |
Die Lamellen (1a, 1b) sind am Auslaß einer den Luftstrom führenden (insbesondere erzeugenden) Einrichtung angeordnet; |
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1.2 |
je zwei Lamellen (1a, 1b) sind mit ihren der Luftstromquelle zugewandten seitlichen Längskanten an einer Achse (3) der zwei nahe beieinanderliegenden Achsen an einem Luftauslaß der Einrichtung drehbeweglich angelenkt, |
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1.2.1 |
um ein Lamellenpaar (2) zu bilden; |
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1.3 |
jedes Lamellenpaar (2) bildet mit benachbarten Lamellenpaaren (2) Luftkanäle (5) (insbesondere schlitzförmige Düsen); |
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1.3.1 |
die Breite der Luftkanäle (5) ist durch Verschwenken der Lamellen (1a, 1b) veränderlich. |
2. |
Die seitlichen Stirnseiten des Zwischenraums (7) jeden Lamellenpaares (2) sind offen, |
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2.1 |
um Sekundärluft eintreten zu lassen; |
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2.2 |
die Lamellenpaare (2) sind vor dem Luftauslaß angeordnet; |
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2.2.1 |
so daß sie Nachströmkanäle für Sekundärluft bilden. |
Gegen diese Aufgliederung der Merkmale des Hauptanspruchs erhebt die Revision keine Bedenken; sie ist auch nicht zu beanstanden.
II. 1. Das Berufungsgericht hat zu den zwischen den Parteien streitigen Merkmalen 1.2 und 1.3.1 im wesentlichen ausgeführt: Der Durchschnittsfachmann werde den Wortsinn der Merkmale in Verbindung mit der besonderen Ausführungsform des Anspruchs 3 sowie der Beschreibung dahin verstehen, daß die Lamellen, von denen je zwei ein Lamellenpaar bilden, einzeln drehbeweglich angelenkt sein sollen. Das sei bei der Alternative einer Anlenkung an zwei nahe beieinanderliegenden Achsen notwendigerweise der Fall. Die Beschreibung des Klagepatents (insbesondere Sp. 1 Z. 15 ff.), vor allem die Kritik an der aus der US-Patentschrift 2 224 312 bekannten Vorrichtung, spreche dafür, daß eine Einzelverstellbarkeit der Lamellen auch dann gegeben sein solle, wenn diese an einer gemeinsamen Achse angelenkt seien. Aus der genannten Beschreibungsstelle gehe hervor, daß die US-Patentschrift 2 224 312 eine Luftleitvorrichtung der mit den Merkmalen des Oberbegriffs beschriebenen Art zeige, bei der durch das einzelne Verstellen der Lamellen erreicht werde, daß die zwischen den Lamellenpaaren austretenden Luftströme in Stärke und Richtung zueinander unterschiedlich seien. An dieser Verstellbarkeit der Lamellen übe die Klagepatentschrift keine Kritik, so daß der Durchschnittsfachmann davon ausgehen werde, insoweit solle eine Veränderung nicht vorgenommen werden, zumal auch das Ausführungsbeispiel des Klagepatents Lamellenanordnungen zeige und beschreibe, bei denen die Lamellen eines jeden Paares gegeneinander verschwenkt werden könnten, wenn die Breite der Luftkanäle entsprechend dem Merkmal 1.3.1 verändert werden solle. Dem stehe Unteranspruch 3 des Klagepatents nicht entgegen, weil dieser nicht erstmals eine Einzelverstellbarkeit der Lamellen beschreibe, sondern eine solche voraussetze.
Allerdings sei die Einzelverstellbarkeit der Lamellen für den Durchschnittsfachmann ersichtlich kein Selbstzweck. Es gehe darum, durch Veränderung der Breite der Luftkanäle (vgl. Merkmale 1.3 und 1.3.1) unterschiedlich starke Luftströmungen und Eindringtiefen zu erzielen. Das Klagepatent begnüge sich, wie der Fachmann dem Ausführungsbeispiel und dem Anspruch 3 entnehme, mit einer jeweils einheitlichen Breite aller Luftkanäle der Vorrichtung, und zwar in Abhängigkeit von einer Winkelstellung der Luftkanäle zur Richtung der anströmenden Luft. Dabei lasse Anspruch 1 offen, in welcher Stellung die Luftkanäle in ihrer Gesamtheit die größte Breite aufwiesen. Das Merkmal 1.3.1 verlange nur, die Breite der Luftkanäle solle durch Verschwenken der Lamellen veränderlich sein. Der Fachmann, der diese Bedeutung der Merkmale 1.2 und 1.3.1 erkannt habe, werde sich die Frage stellen, ob nicht die Breite der Luftkanäle auch dann veränderlich sei, wenn der von den Einzellamellen eines Lamellenpaares eingeschlossene Zwischenraum unveränderbar sei, die V-förmig angeordneten Lamellen eines Paares also einen festen Winkel zwischen sich einschließen. Der Fachmann werde dies bejahen und feststellen, daß eine Lösung, bei der die Lamellenpaare aus jeweils zwei einstückig V-förmig zueinander angeordneten Lamellen bestehe, gegenüber einer dem Wortsinn der Merkmale 1.2 und 1.3.1 entsprechenden Konfiguration gleichwirkend sei, bei welcher die Einzellamellen z.B. über ein Gestänge miteinander verbunden seien. Wichtig sei nur, daß die durch die Merkmale 1.2 und 1.3.1 vorgegebenen Parameter eingehalten würden, was auch durch Schrägstellung der Lamellenpaare bewirkt werden könne.
2. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe in einem denkgesetzlichen Widerspruch (§ 286 ZPO) zu seinen zutreffenden Feststellungen zu Merkmal 1.2 (Einzelverstellbarkeit der Lamellen) Merkmal 1.3.1 in einer Weise interpretiert, welche die durch das Merkmal 1.2 gewährleistete individuelle Verstellbarkeit jeder einzelnen Lamelle wieder völlig aufgebe. Das nämlich sei die Konsequenz der Annahme, es komme dem Klagepatent im Grunde auf die Einzelverstellbarkeit der Lamellen überhaupt nicht an. Vielmehr begnüge sich das Klagepatent damit, die aus je einem Lamellenpaar gebildeten Luftkanäle so einstellen zu können, daß sie insgesamt jeweils eine einheitliche Breite hätten.
3. Diese Rüge greift nicht. Die Auslegung des Patentanspruchs 1 des Klagepatents durch das Berufungsgericht entspricht den Grundsätzen, die der Senat in ständiger Rechtsprechung zur Auslegung eines Patents gemäß § 14 PatG entwickelt hat (vgl. u.a. Sen.Urt. v. 2.3.1999 – X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube); sie ist unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
III. Eine Verletzung des Klagepatents kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die beanstandeten Luftheizgeräte, welche die Beklagte herstellt und an Kunden liefert, nach Entfernen der an den Stirnseiten der Lamellenpaare eingeschobenen Bleche patentverletzende Gegenstände bildeten und wenn weiterhin die Lieferung eines solchen Gerätes mit eingeschobenen Blechen als Benutzungshandlung im Sinne des § 10 PatG gewertet werden kann; diese Bestimmung entspricht der Regelung des Gemeinschaftspatent-Übereinkommens gemäß Art. 26 GPÜ 1989 (Art. 30 GPÜ 1988) und findet nach Art. 64 EPÜ auch auf europäische Patente Anwendung.
1. Das Berufungsgericht hat dazu angenommen, die Luftheizgeräte der Beklagten in der Gestaltung, in der sie von deren Abnehmern durch Entfernen der stirnseitigen Bleche umgestaltet werden können, machten von den Merkmalen des Klagepatents Gebrauch, und zwar wortsinngemäß mit Ausnahme der Merkmale 1.2 und 1.3.1, die in äquivalenter Form verwirklicht seien. Es hat ausgeführt, bei der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um eine Vorrichtung zum Leiten eines Luftstromes durch Lamellen (Merkmal 1), bei der die Lamellen am Auslaß einer den Luftstrom führenden Einrichtung angeordnet seien (Merkmal 1.1.1) und bei der je zwei Lamellen ein Lamellenpaar bilden (Merkmal 1.2.1), das mit dem benachbarten Lamellenpaar jeweils eine schlitzförmige Düse bilde (Merkmal 1.3). Nach Entfernen der stirnseitigen Bleche sei der Zwischenraum jedes Lamellenpaares offen (Merkmal 2), um Sekundärluft eintreten zu lassen (Merkmal 2.1). Die Lamellenpaare seien vor dem Luftauslaß angeordnet (Merkmal 2.2), so daß sie Nachströmkanäle für Sekundärluft darstellten (Merkmal 2.2.1). Die Lamellenpaare der angegriffenen Luftheizgeräte, die aus jeweils zwei einstückig V-förmig zueinander angeordneten Lamellen bestünden, welche jeweils um eine Achse verstellt werden könnten, stimmten mit den im Patentanspruch 1 gelehrten Merkmalen 1.2 und 1.3.1 in ihrer technischen Funktion überein und erzielten im wesentlichen gleiche Wirkungen. Der vom Klagepatent angesprochene Fachmann, ausgerüstet mit dem allgemeinen Fachwissen, habe sie ausgehend vom Stand der Technik ohne eigenes erfinderisches Bemühen am Prioritätstage aufgrund von Überlegungen auffinden können, die an den Sinngehalt der im Patentanspruch 1 beschriebenen Erfindung anknüpften.
a) Die Revision greift diese Beurteilung des Berufungsgerichts an. Sie hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Fachmann, der sich an der Gesamtheit der Klagepatentschrift orientiere, entnehme dieser Anweisung, die Lamellen einzelbeweglich zu gestalten. Er erkenne, daß gerade die Einzelbeweglichkeit der Lamellen im Hinblick auf die erstrebte Lösung des technischen Problems, die Induktionswirkung der Luftströme zu verbessern, einen Sinn habe. Der Fachmann ziehe deshalb als Ersatzmittel keine Lamellen in Betracht, die wie die V-förmigen einstückigen Lamellen der angegriffenen Ausführungsform gerade auf die Einzelbeweglichkeit verzichteten. Eine solche Gestaltung sei deshalb aus der Klagepatentschrift gerade nicht zu entnehmen.
b) Auch hiermit hat die Revision keinen Erfolg. Nach der Gesamtheit der Offenbarung des Klagepatents geht es bei der Verstellbarkeit der Lamellen darum, die Zwischenräume der Lamellenpaare zu verändern, um die aus dem Luftheizgerät ausströmende Primärluft regulieren zu können. Dies kann durch einzelbewegliche Lamellen geschehen, wobei Einzelbeweglichkeit bei einer Konfiguration mit zwei nahe beieinanderliegenden Achsen sogar notwendig ist; möglich sind aber auch miteinander verbundene einstückige V-förmige Lamellen, die an einer Achse drehbeweglich angelenkt sind. Die Einzelbeweglichkeit einer jeden Lamelle ist nur eine Möglichkeit, die aus der in der Klagepatentschrift genannten US-Patentschrift 2 224 312 bekannt war, sie ist kein Merkmal des Klagepatents.
2. Verletzt die angegriffene Ausführungsform nach den insoweit zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts teils wortsinngemäß, teils äquivalent das Klagepatent, wenn die stirnseitigen Bleche durch die Abnehmer der Beklagten entfernt werden, so kommt eine mittelbare Patentverletzung (§ 10 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ) in Betracht, wenn die Lieferung der beanstandeten Luftheizgeräte (mit eingeschobenen Blechen) an deren Abnehmer eine Benutzungshandlung im Sinne des § 10 PatG darstellte und die Beklagte wußte oder es aufgrund der Umstände offensichtlich war, daß die Geräte dazu geeignet und bestimmt waren, für eine Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Weitere Anforderungen verlangt das Patentgesetz 1981 im Falle einer mittelbaren Patentverletzung nicht.
a) Das Berufungsgericht hat mittelbare Patentverletzung angenommen und dazu im wesentlichen ausgeführt: Da die angegriffene Vorrichtung durch bloßes Entfernen der nur verhältnismäßig lose eingesteckten Bleche in einen Zustand versetzt werden könne, in welchem sie von den Merkmalen des Klagepatents Gebrauch mache, bilde sie ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der nach dem Klagepatent geschützten Erfindung beziehe. Angesichts ihrer Beschaffenheit sei die angegriffene Vorrichtung nicht nur geeignet, sondern auch i.S. des § 10 Abs. 1 PatG dazu bestimmt, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Der Fachmann, der die Erfindung kenne, sei veranlaßt, diese Vorrichtung zu benutzen, weil sie ihm zur Ausübung der Erfindung zweckmäßig erscheine, und weil sich das Gerät augenfällig zur Benutzung der Erfindung anbiete. Anhand des von der Beklagten vorgelegten Exemplars dieses Geräts ergebe sich, daß sich die an den Stirnseiten der Luftleitelemente eingesteckten Bleche mühelos entfernen ließen, wenn man die beiden Lamellen an den Außenkanten etwas auseinanderdrücke. Bereits der Umstand, daß die Bleche nur eingesteckt, nicht aber durch Schweißen oder Löten mit den Lamellen fest verbunden seien, lege ihre Entfernung nahe. Vorrichtungen dieser Art würden zudem so gut wie ausschließlich von Fachleuten eingebaut, die aufgrund von Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sowie der umfangreichen Werbung der Klägerin, aber auch aufgrund der früheren Werbung der Beklagten wüßten, daß es zweckmäßig sei, die Stirnseiten der Zwischenräume jedes Lamellenpaares offen zu lassen, um die Sekundärluft eintreten zu lassen. Diese Personen würden durch die Gestaltung der angegriffenen Vorrichtung geradezu eingeladen, die Bleche zu entfernen, die den seitlichen Eintritt von Sekundärluft in die Zwischenräume zwischen den Lamellen behinderten. Daran ändere nichts, daß die Klägerin inzwischen ihre Sekundärjalousien mit seitlichen Blechen versehe, die etwa 50 % der seitlichen Fläche abdeckten. Der unbefangene sachkundige Betrachter erkenne Eignung und Bestimmung der angegriffenen Vorrichtung, für die Benutzung der durch das Klagepatent geschützten Erfindung eingesetzt zu werden. Für die Beklagte sei es offensichtlich, daß jedenfalls ein erheblicher Teil ihrer Abnehmer die gelieferten Vorrichtungen für die Benutzung der durch das Klagepatent geschützten Erfindung verwendeten.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
b) Mit Recht hat allerdings das Berufungsgericht angenommen, daß die angegriffene Vorrichtung als ein Mittel i.S. des § 10 Abs. 1 PatG anzusehen ist, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht und dazu geeignet ist, durch Entfernen der eingesteckten Abdeckbleche in eine Gestaltung gebracht zu werden, die von allen Merkmalen des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch macht. Denn unter „Mittel” sind körperliche Gegenstände zu verstehen, mit denen eine Benutzungshandlung i.S. des § 9 PatG verwirklicht werden kann (Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz/Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 10 PatG Rdn. 13; Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 10 PatG Rdn. 18 f.). Dies greift die Revision nicht an.
c) Mit Erfolg rügt die Revision hingegen, die Feststellungen des Berufungsgerichts trügen dessen Annahme nicht, das angegriffene Luftheizgerät sei auch dazu bestimmt, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden (§ 286 ZPO).
aa) Die mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG setzt neben der objektiven Eignung des Mittels als subjektives Tatbestandsmerkmal voraus, daß das Mittel durch den Dritten dazu bestimmt ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, und daß der Lieferant weiß oder aufgrund der Umstände offensichtlich ist, daß dieses Mittel dazu geeignet und auch dazu bestimmt ist, für die patentierte Erfindung benutzt zu werden. Es wird demnach ein positives Wissen von der Eignung und Bestimmung des Mittels seitens des Lieferanten verlangt, wobei aber eine Beweiserleichterung in der Weise vorgesehen ist, daß dieses schwer zu beweisende Wissen durch den Nachweis der aufgrund der Umstände offensichtlichen Eignung und Bestimmung der Mittel ersetzt werden kann (Denkschrift zum Übereinkommen über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt – Gemeinschaftspatentübereinkommen – BT-Drucks. 216/78, 113, 125 zu Art. 30; vgl. dazu auch Benkard/Bruchhausen, aaO, § 10 PatG Rdn. 20; Busse, aaO, § 10 PatG Rdn. 20 f.). Die Bestimmung zur Benutzung der Erfindung setzt damit einen Handlungswillen des Belieferten voraus. Der Abnehmer muß die Benutzung des Gegenstandes wollen, d.h. er muß die ihm gelieferte Vorrichtung so zusammenfügen und herrichten wollen, daß sie patentverletzend verwendet werden kann. Über die Bestimmung zur patentverletzenden Benutzung entscheidet demnach der Angebotsempfänger oder Abnehmer; er besitzt die alleinige Verfügungsmacht über den gelieferten Gegenstand. Sein erkennbarer Handlungswille ist entscheidend (Benkard/Bruchhausen, aaO, § 10 Rdn. 17; König, Mitt. 2000, 10, 20). Dabei kommt es auf die tatsächliche spätere Verwendung des angebotenen oder gelieferten Gegenstandes nicht an. § 10 PatG 1981 setzt im Gegensatz zur früheren Rechtslage (dazu BGHZ 82, 254, 257 f.) keine unmittelbare Verletzung des Patents durch den Dritten voraus (Denkschrift, aaO, S. 124). Der Lieferant muß die Bestimmung durch den Abnehmer im Inland kennen und wollen. Sein Wissen und Wollen bezieht sich auf dessen Handlungswillen (Busse, aaO, § 10 PatG Rdn. 21) und enthält damit eine Zweckrichtung; er muß vorsätzlich handeln. Diese von dem Lieferanten gewollte Zweckbestimmung der Verwendung des gelieferten Gegenstandes und die Bestimmung des Abnehmers zu dessen patentverletzenden Benutzung bedeutet eine erhebliche Gefährdung der Rechte des Patentinhabers, weil ein Zusammenwirken zwischen Lieferant und Abnehmer stattfindet, ohne daß dieses mit den herkömmlichen Kategorien von (Mit-)Täterschaft und Teilnahme erfaßt werden kann. Dieses rechtfertigt letztendlich das Verbot der mittelbaren Benutzung (Denkschrift aaO, S. 124).
Zum Nachweis des Handlungswillens des Abnehmers und der Kenntnis und des Wollens des Lieferanten können Erfahrungen des täglichen Lebens verwertet werden (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.1957 – I ZR 152/56, GRUR 1958, 179, 182 – Resin). Wenn der Lieferant dem Belieferten eine bestimmte Verwendung einer Vorrichtung empfiehlt, spricht die Erfahrung dafür, daß sich der Belieferte nach der Anleitung oder Empfehlung richten wird und die Vorrichtung zu einer entsprechenden Verwendung bestimmt und daß der Lieferant das weiß. Ist ein Gerät infolge seiner technischen Eigenart und Zweckbestimmung auf eine zu einem Patenteingriff führenden Benutzung zugeschnitten und wird es zu einem entsprechenden Gebrauch angeboten, so kann auch dies für die Annahme sprechen, es sei für eine patentverletzende Benutzung bestimmt. Statt des Nachweises der Kenntnis des Anbieters oder Lieferanten genügt nach § 10 Abs. 1 PatG Offensichtlichkeit aufgrund der Umstände. Die gesetzliche Beweisalternative verlangt allerdings hinsichtlich der Eignung und Bestimmung des angebotenen oder gelieferten Gegenstandes ein hohes Maß an Voraussehbarkeit der Eignung und der Zweckbestimmung (Benkard/Bruchhausen, aaO, § 10 PatG Rdn. 21; König, Mitt. 2000, 10, 21). An die Beweisführung sind vor allem dann strenge Anforderungen zu stellen, wenn, wie im Streitfall, die beanstandeten Luftheizgeräte in der gelieferten Gestaltung patentfrei und nur dann patentverletzend verwendet werden können, wenn die Seitenbleche entfernt werden.
bb) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von der Beklagten vertriebenen Geräte von deren Abnehmer dazu bestimmt sind, durch Entfernen der Seitenbleche als Luftheizgeräte verwendet zu werden. Es mag sein, daß ein Fachmann, der die Erfindung kennt, auf den Gedanken kommen könnte, ein ihm geliefertes Heizgerät der Beklagten durch Entfernen der Bleche so zu verändern, daß er die Vorteile der Erfindung nutzen kann. Auch mag es sein, daß der Umstand, daß die Bleche nur eingesteckt sind, nicht aber durch Schweißen oder Löten mit den Lamellen fest verbunden sind, Fachleuten eine Entfernung der Bleche nahelegt und Heizgeräte der in Rede stehenden Art so gut wie ausschließlich von Fachleuten eingebaut werden, die wissen, daß es zweckmäßig ist, die Stirnseite der Zwischenräume jedes Lamellenpaares offenzulassen, um so Sekundärluft eintreten zu lassen. Die Werbung der Klägerin und die Veröffentlichungen in Fachzeitschriften (Anlagen K 3 und K 17) könnten auch dafür sprechen, daß die mit dem Einbau von Luftheizgeräten befaßte Fachwelt die mit der patentgemäßen Vorrichtung verbundenen Vorteile für die Beheizung von Räumen kannte. Dies allein rechtfertigt jedoch nicht die Annahme des Berufungsgerichts, Abnehmer entfernten die Seitenbleche an den gelieferten Luftheizgeräten der Beklagten, wenn sie die Geräte zweckmäßig montieren wollten. Denkbar und ebenso naheliegend könnte es sein, daß die Abnehmer die Geräte in der gelieferten Gestaltung (d.h. mit Seitenblechen) für bestimmte Zwecke für technisch sinnvoll halten oder sich über die Vorteile einer Entfernung der Bleche überhaupt keine Gedanken machen und deshalb von einer Veränderung absehen. Ohne konkrete Feststellungen hinsichtlich des tatsächlichen Verhaltens der Abnehmer der Beklagten rechtfertigen diese Indizien nicht die Annahme des Berufungsgerichts, die gelieferten Geräte seien von Abnehmern dazu bestimmt, in patentverletzender Weise verändert und verwendet zu werden.
Das Berufungsgericht hat auch weder Anhaltspunkte dafür festgestellt noch sind solche ersichtlich, daß die Beklagte in irgendeiner Weise auf ihre Abnehmer dahin Einfluß nimmt, die von ihr gelieferten Geräte vor Inbetriebnahme durch Herausziehen der Abdeckbleche zu verändern. Zwar könnten Hinweise oder Empfehlungen an Abnehmer, die nahelegen, die Seitenbleche vor Inbetriebnahme der Geräte zu entfernen, ein gewichtiges Indiz hierfür sein. Unstreitig enthalten aber weder die jetzt gültigen Betriebsanleitungen noch die Werbeprospekte der Beklagten solche Hinweise oder Empfehlungen. Die Werbeprospekte für die früher von der Beklagten vertriebene „Induktionsjalousie” (Anlagen K 8 und K 15), bei der die Stirnseiten der Zwischenräume jedes Lamellenpaares offen waren, können ohne weitere Anhaltspunkte nicht als Empfehlung an die Abnehmer verstanden werden, Luftheizgeräte mit Seitenblechen entsprechend dem Vorgängermodell zu verändern. Abgesehen davon, daß sich die Beklagte insoweit zur Unterlassung verpflichtet hat und daß sie dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ob die Beklagte in ihrer Werbung für die von ihr vertriebenen Luftheizgeräte überhaupt in relevanter Weise auf ihre frühere Werbung zurückgegriffen hat oder ob es für die Abnehmer, selbst wenn sie als Fachleute die Vorteile der „Induktionsjalousie” erkannt haben sollten, nahegelegen hat, das gelieferte Nachfolgemodell als technisch schlechter einzustufen als das frühere.
cc) Schließlich rechtfertigen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht dessen Annahme, die Bestimmung durch die Abnehmer bedürfe nicht des konkreten Nachweises, weil es für die Beklagte aufgrund der Umstände offensichtlich sei, daß jedenfalls ein erheblicher Teil ihrer Abnehmer die gelieferte Vorrichtung für die Benutzung der durch das Klagepatent geschützten Erfindung verwenden werde. Das Berufungsgericht hat nicht dargelegt, was es unter einem „erheblichen Teil” der Abnehmer versteht. Wenn es damit gemeint haben sollte, daß jedenfalls nicht alle Abnehmer die gelieferten Geräte zu einer patentverletzenden Verwendung bestimmen, so widerspricht dies der uneingeschränkten Verurteilung beider Vorinstanzen, die der Beklagten untersagt haben, Luftheizgeräte herzustellen, anzubieten oder zu liefern, „bei denen die seitlichen Stirnseiten des Zwischenraumes jedes Lamellenpaares durch Abziehen von Steckwänden zu öffnen sind”. Ein solches Verbot setzt voraus, daß die Abnehmer der Beklagten das beanstandete Luftheizgerät stets und uneingeschränkt dazu bestimmen, patentverletzend benutzt zu werden, was nach den Ausführungen des Berufungsgerichts (BU 19) gerade nicht der Fall sein soll. Soweit das Berufungsgericht der Auffassung gewesen sein sollte, daß zur Annahme der Offensichtlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG das Verhalten eines „erheblichen Teils” der Abnehmer ausreicht, verkennt es die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Beweiserleichterung. Die Eignung und Bestimmung des Mittels, vom Abnehmer für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, ist dann aufgrund der Umstände offensichtlich, wenn sich dies für den unbefangenen Betrachter der Umstände von selbst ergibt und vernünftige Zweifel an der Eignung und Bestimmung des Mittels zur patentverletzenden Benutzung nicht bestehen. Die Kraft der Tatsachen (Umstände) ersetzen dann das Erfordernis der Kenntnis der Eignung und Bestimmung. Der Anbieter oder Lieferant, der sich den von jedermann zugänglichen und in die Augen springenden Erkenntnissen über die Eignung und Bestimmung des Mittels verschließt und trotzdem das Mittel anbietet oder liefert, wird vom Gesetz so behandelt, als ob er die Eignung und Bestimmung des Mittels, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, kennt, auch wenn er diese Kenntnis tatsächlich nicht hat, weil er sich ihr bewußt oder fahrlässig verschließt (Benkard/Bruchhausen, aaO, § 10 PatG Rdn. 21; König, Mitt. 2000, 10, 21). Der Nachweis der Offensichtlichkeit setzt deshalb die Feststellung von Tatsachen (Umstände) voraus, die das Berufungsgericht bislang nicht getroffen hat.
IV. Daher kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Die Sache ist zur weiteren Aufklärung unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Grundsätze an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten obliegt.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Mühlens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.10.2000 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512704 |
BGHR 2001, 88 |
GRUR 2001, 228 |
Nachschlagewerk BGH |
Mitt. 2001, 21 |