Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsanspruch bei Nichtantritt der Reise wegen Überbuchung
Leitsatz (amtlich)
a) Kann der Reiseveranstalter infolge einer Überbuchung den Kunden nicht an dem gebuchten Urlaubsort unterbringen und tritt der Kunde deshalb die Reise nicht an, so steht dem Kunden wegen Vereitelung der Reise ein Entschädigungsanspruch nach § 651 f Abs. 2 BGB zu.
b) Wenn der Kunde ein Ersatzangebot des Reiseveranstalters ablehnt, das, gemessen an den subjektiven Urlaubswünschen des Kunden, der gebuchten Reise nicht gleichwertig ist, kann der Veranstalter dem Entschädigungsanspruch des Kunden nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten.
c) Arbeitet ein erwerbstätiger Kunde während der Urlaubszeit weiter oder führt er eine ihm nicht vom Reiseveranstalter angebotene Ersatzreise durch, so steht dies seinem Entschädigungsanspruch nicht entgegen.
d) Für die Höhe der Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit darf das Arbeitseinkommen nicht zum Maßstab genommen werden, wohl aber der Reisepreis (Aufgabe von BGHZ 63, 101 ff.; BGH, Urt. v.12.5.1980 - VII ZR 158/79, BGHZ 77, 120 f.).
Normenkette
BGB § 651 f Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 07.07.2003; Aktenzeichen 20 S 21/03) |
AG Hannover |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des LG Hannover v. 7.7.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.
Sie buchten und bezahlten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Flugreise auf die Malediven-Insel N. F. für die Zeit v. 13. bis zum 27.4.2002 zu einem Gesamtpreis von 4.976 EUR. Eine Woche vor dem vereinbarten Reisebeginn teilte die Beklagte den Klägern mit, dass das von ihnen gewählte Hotel überbucht sei, und bot ihnen ein Ausweichquartier auf einer anderen Malediven-Insel an. Die Kläger nahmen dieses Ersatzangebot nicht an, sondern kündigten mit Schreiben v. 10.4.2002 den Reisevertrag. Die Beklagte erstattete ihnen den gezahlten Reisepreis. Die Kläger verlangen darüber hinaus eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit i.H.v. 75 EUR pro Tag und Person für 14 Urlaubstage, insgesamt also 2.100 EUR.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das LG der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie begehrt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat der Klage mit folgender Begründung stattgegeben:
Der Entschädigungsanspruch der Kläger sei unabhängig von der Kündigung allein deshalb, weil die Beklagte die Reise durch zu vertretende Überbuchung vereitelt habe, nach § 651 f Abs. 2 1. Alt. BGB begründet. Die Kläger seien nicht verpflichtet gewesen, das Ersatzangebot der Beklagten anzunehmen. Ob den Reisenden eine Pflicht zur Annahme des Ersatzangebots treffe, sei lediglich unter den Gesichtspunkten des Mitverschuldens und eines Verstoßes gegen Treu und Glauben zu prüfen, die aber beide dem Anspruch der Kläger nicht entgegenstünden. Es könne im vorliegenden Fall offen bleiben, ob der Reisende ein Ersatzangebot aus gefühlsmäßigen oder nur aus sachlichen Gründen ablehnen dürfe. Denn die Kläger hätten ihre Ablehnung sachlich begründet. Dies ergebe sich bereits aus der nicht zu beanstandenden Feststellung des AG, dass das Ersatzangebot der vertraglich vereinbarten Reise nicht gleichwertig gewesen sei, vielmehr eine Minderung des Reisepreises um 30 % gerechtfertigt hätte. Der strenge Maßstab des § 651e Abs. 1 BGB, der eine Kündigung des Reisevertrages erst bei Mängeln erlaube, die eine Minderung um mehr als 50 % geböten, sei bei der Prüfung eines Mitverschuldens oder eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht anzulegen.
Auch die Höhe der von den Klägern begehrten Entschädigung sei nicht zu beanstanden, da sie in einem angemessenen Verhältnis zum Reisepreis stehe und der Anspruch auch nicht im Hinblick auf den zu Hause verbrachten Urlaub zu kürzen sei, weil ein Urlaub in B. im April dem geplanten Urlaub auf den Malediven nicht nahe komme.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Keinen Erfolg hat die Verfahrensrüge der Revision, dass das Berufungsurteil die Berufungsanträge nicht wiedergebe.
Die die Abfassung von Berufungsurteilen erleichternde Vorschrift des § 540 Abs. 1 ZPO, wonach das Urteil anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen nur die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit einer Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung zu enthalten braucht, bezieht sich nicht auf die Berufungsanträge. Diese muss das Berufungsgericht in sein Urteil aufnehmen. Sie brauchen allerdings nicht wörtlich wiedergegeben zu werden, sondern es kann genügen, dass aus den Ausführungen des Berufungsgerichts deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel und was der Berufungsbeklagte im Berufungsverfahren erstrebt hat (BGH, Urt. v. 10.2.2004 - VI ZR 94/03, MDR 2004, 826 = BGHReport 2004, 759 = NJW 2004, 1389, unter II 2).
Hier lässt das Berufungsurteil den Inhalt der Berufungsanträge - noch - erkennen. Aus der im Tenor ausgesprochenen nicht nur teilweisen, sondern gänzlichen Änderung des erstinstanzlichen Urteils i.V.m. der in den Gründen enthaltenen Aussage, das Rechtsmittel der Kläger habe in vollem Umfang Erfolg, ist ersichtlich, dass der Berufungsantrag der Kläger dem Tenor des Berufungsurteils entsprochen haben muss. Dass die Beklagte die Zurückweisung der klägerischen Berufung beantragt hat, geht daraus hervor, dass das Berufungsgericht ein streitiges Urteil, also kein Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, erlassen hat.
2. Soweit die Revision sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch der Kläger nach § 651 f Abs. 2 BGB dem Grunde nach bejaht hat, bleibt sie ebenfalls erfolglos.
a) Nach § 651 f Abs. 2 BGB kann der Reisende, wenn die Reise vereitelt oder beeinträchtigt wird, auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Diese Vorschrift erweitert hinsichtlich des Anspruchsumfangs die Regelung des § 651 f Abs. 1 BGB, dass der Reisende unbeschadet der Minderung (§ 651d BGB) oder der Kündigung (§ 651e BGB) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat. Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach Abs. 2 der Vorschrift hat daher zunächst einmal dieselben Voraussetzungen wie der Schadensersatzanspruch nach Abs. 1. Zusätzliche haftungsbegründende Voraussetzung ist die Vereitelung oder eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise. Hier liegen alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen des geltendgemachten Entschädigungsanspruchs vor.
b) Nicht nur ein Mangel der Reise im werkvertraglichen Sinne, sondern auch die vollständige Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung kann einen Anspruch nach § 651 f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB begründen. Umstände, die die gesamte Reise oder Einzelleistungen wie Beförderung, Unterbringung, Verpflegung und sonstige Betreuung ganz oder teilweise unmöglich machen, oder eine Leistungsverweigerung des Reiseveranstalters verhindern oder mindern den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen der Reise und werden daher vom reisevertraglichen Gewährleistungsrecht der §§ 651c ff. BGB einschließlich des § 651 f BGB erfasst (BGH, Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 22/82, MDR 1983, 123 = NJW 1983, 35, unter I 3a).
Wenn hier die Beklagte den Klägern erklärte, dass sie sie nicht auf der Insel N. F. unterbringen könne, weil die dortigen Quartiere überbucht seien, so lag dem entweder die Unmöglichkeit der vertraglich geschuldeten Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) oder eine Leistungsverweigerung zu Grunde. Die Kläger hatten unter den ihnen angebotenen verschiedenen Malediven-Inseln eine Wahl getroffen und nach dem Inhalt des Reisevertrages einen Urlaub auf der von ihnen ausgesuchten Insel gebucht. Bei der gebuchten Reise handelte es sich deshalb nicht etwa um eine Gattungs- oder Wahlschuld der Beklagten des Inhalts, dass sie für die Kläger einen Urlaub auf irgendeiner, erst nach Vertragsschluss von ihr zu bestimmenden Insel der Malediven bewerkstelligen musste. Die Leistungspflicht der Beklagten war vielmehr auf die gebuchte Insel N. F. konkretisiert; nur durch die Verschaffung eines Urlaubs auf gerade dieser Insel konnte die Beklagte ihrer Leistungspflicht genügen. Ebenso wenig hatten die Parteien eine Ersetzungsbefugnis der Beklagten vereinbart. Der BGH hat auch bereits entschieden, dass der Reiseveranstalter nicht berechtigt ist, den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen Urlaubsort unterzubringen (BGH, Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 22/82, MDR 1983, 123 = NJW 1983, 35, unter I 3a). Das Angebot der Beklagten, die Kläger auf einer anderen als der gebuchten Malediven-Insel einzuquartieren, änderte daher nichts daran, dass sie die Vertragserfüllung ablehnte.
c) Das Verschulden des Reiseveranstalters - oder seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) - wird nach § 651 f Abs. 1 BGB vermutet. Die Beklagte hat nichts zu ihrer Entlastung vorgetragen.
d) Die Reise ist auch vereitelt worden. Kann oder will der Reiseveranstalter den Reisevertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen, z.B. infolge einer Überbuchung, und führt dies dazu, dass der Kunde die Reise nicht antritt, so wird die Reise vereitelt. Der BGH hat bereits entschieden, dass eine Vereitelung der Reise anzunehmen ist, wenn der gegen seinen Willen an einem anderen Urlaubsort untergebrachte Reisende die Reise alsbald abbricht (BGH, Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 22/82, MDR 1983, 123 = NJW 1983, 35, unter I 2; OLG Düsseldorf v. 29.6.1989 - 18 U 72/89, NJW-RR 1989, 1078; OLG Düsseldorf v. 17.2.1994 - 18 U 138/93, OLGReport Düsseldorf 1995, 96 = NJW-RR 1994, 950). Dies gilt genauso, wenn der Kunde aus dem gleichen Grund schon den Antritt der Reise ablehnt.
e) Damit sind alle Anspruchsvoraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs der Kläger nach § 651 f Abs. 2 BGB erfüllt. Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, bedurfte es einer zusätzlichen Kündigung des Reisevertrages nach § 651e Abs. 1 BGB nicht. Für den Anspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB brauchen auch nicht die Voraussetzungen einer Kündigung vorzuliegen. Denn der Wortlaut des Abs. 1, wonach der Anspruch "unbeschadet der Minderung oder Kündigung" gegeben ist, besagt, dass die verschiedenen Gewährleistungsansprüche unabhängig nebeneinander bestehen (so auch Erman/Seiler, BGB, 11. Aufl., § 651 f Rz. 1; Staudinger/J. Eckert, BGB, 2004, § 651 f Rz. 9). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Reise, falls die Kläger das Ersatzangebot angenommen hätten, infolge der Unterschiede zwischen dem ursprünglich gebuchten und dem ersatzweise angenommenen Urlaubsort erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Diese Voraussetzung gilt nur für eine Kündigung, nicht aber für einen Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise (so zutreffend OLG Düsseldorf v. 29.6.1989 - 18 U 72/89, NJW-RR 1989, 1078; v. 17.2.1994 - 18 U 138/93, OLGReport Düsseldorf 1995, 96 = NJW-RR 1994, 950; OLG Frankfurt RRa 1995, 224).
f) Die Beklagte kann dem Entschädigungsanspruch der Kläger auch nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) mit der Begründung entgegensetzen, die Kläger hätten ein gleichwertiges Ersatzangebot nicht angenommen.
(1) Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung muss der Einwendende darlegen. Grundsätzlich obliegt es deshalb nicht dem Reisenden, Rechtfertigungsgründe für seine Nichtannahme des Ersatzangebotes vorzutragen (so richtig OLG Celle v. 19.9.2002 - 11 U 1/02, MDR 2003, 258 = OLGReport Celle 2002, 293 = NJW-RR 2002, 1711), sondern ist es Sache des Reiseveranstalters, besondere Umstände darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen, deretwegen die Ablehnung des Reisenden ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstieß. Diese Umstände müssen letztlich den Schluss rechtfertigen, dass nicht die Unterschiede zwischen den beiden Reiseleistungen der hauptsächliche Beweggrund des Reisenden für seine Ablehnung waren, sondern dass ihn andere, im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht schutzwürdige Motive antrieben, etwa schlichte Vertragsreue.
(2) Gründe, die die Ablehnung des Ersatzangebots der Beklagten durch die Kläger als treuwidrig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Frage, ob ein Rechtsmissbrauch schon anzunehmen ist, wenn das Ersatzangebot unter Berücksichtigung der subjektiven Wünsche des Reisenden der gebuchten Reise gleichwertig war, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn das Ersatzangebot der Beklagten war nicht gleichwertig. Das Berufungsgericht hat diesbezüglich in rechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung darauf abgestellt, dass die Kläger schnorcheln und tauchen wollten und dass für diese Zwecke die ersatzweise angebotene Insel, so ähnlich sie ansonsten der gebuchten gewesen sein mag, weniger geeignet war, weil ihr ein Hausriff fehlt, das für Urlauber, die schnorcheln und tauchen wollen, eine erstrebenswerte Bequemlichkeit darstellt. Auf die von der Revision angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts, das AG habe wegen der Unterschiede zwischen den beiden Inseln zutreffend eine Minderung des Reisepreises um 30 % für gerechtfertigt gehalten, kommt es dabei nicht an. Es geht allein darum, ob die Ablehnung einer anderen als der gebuchten Reise gegen Treu und Glauben verstieß. Dies ist aus den bereits genannten Gründen nicht schon dann der Fall, wenn die Annahme des Ersatzangebotes zu keiner größeren Beeinträchtigung des Reisenden geführt hätte.
3. Auch hinsichtlich der Höhe des Anspruchs hat die Revision keinen Erfolg. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Festsetzung der Entschädigung auf etwa die Hälfte des Reisepreises lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Unbegründet ist die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, die Kläger müssten erst noch beweisen, dass sie in der geplanten Reisezeit zuhause geblieben seien. Der Senat tritt nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung bei, dass der Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise auch davon abhängt, wie der Kunde die für die Reise vorgesehene Zeitspanne verbracht hat (z.B. Erman/Seiler, BGB, 11. Aufl., § 651 f Rz. 7, 8; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rz. 345; Tonner in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 651 f Rz. 29, 32; Staudinger/J. Eckert, BGB, 2004, § 651 f Rz. 67; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 651 f BGB Rz. 4). Vielmehr steht mit der Vereitelung der Reise zugleich der haftungsausfüllende Tatbestand der vertanen Urlaubszeit fest.
(1) Der Wortlaut des § 651 f Abs. 2 BGB, wonach der Reisende bei Vereitelung oder erheblicher Beeinträchtigung der Reise "auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit" eine Entschädigung verlangen kann, besagt nicht, dass er einen Entschädigungsanspruch (nur) für den Fall haben soll, dass er seine Urlaubszeit infolge der Vereitelung nutzlos aufgewendet hat. Bereits dies legt die Auslegung nahe, dass in der Formulierung "wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit" lediglich das gesetzgeberische Motiv für die Regelung zum Ausdruck kommt und deshalb bei einer Vereitelung der Reise nur noch in Frage steht, ob im Einzelfall eine Entschädigung ausnahmsweise nicht erforderlich und welcher Geldbetrag ansonsten zu zahlen ist. Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber der Vereitelung eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zur Seite gestellt und beide Tatbestände gleichermaßen als ausreichende Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch angesehen hat, lässt i.V.m. der Tatsache, dass bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise die aufgewendete Urlaubszeit mit Sicherheit - ganz oder teilweise - vertan ist (Begründung des RegE zum Entwurf eines Gesetzes über den Reiseveranstaltervertrag, BT-Drucks. 8/786, 30), die gesetzgeberische Wertung erkennen, dass auch bei Vereitelung der Reise von einer so schwer wiegenden Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Leistungserfolges auszugehen ist, dass eine Entschädigung dafür geboten ist, dass der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte, wie vom Veranstalter geschuldet. Über die Höhe der Entschädigung ist damit noch nichts gesagt. Insbesondere liegt es im Ermessen des Tatrichters, in Bagatellfällen von der Zuerkennung einer Entschädigung abzusehen (BGH, Urt. v. 14.1.1991 - VI ZR 120/91, MDR 1992, 349 = NJW 1992, 1043).
(2) Aber nicht nur der Wortlaut des Gesetzes, sondern auch der Sinn und Zweck der Entschädigung, dem Kunden einen Ausgleich für die entgangene Urlaubsfreude zu verschaffen, sprechen dafür, dass bei Vereitelung der Reise ohne weiteres eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geboten ist. Mit der Vereitelung der Reise steht fest, dass der Kunde den von ihm geplanten konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit, nämlich den Erfolg der von ihm beim Reiseveranstalter gebuchten Reise, nicht erreichen kann. In diesem Zusammenhang sind die Streitfragen zu beantworten, ob die Entstehung eines immateriellen Schadens verhindert wird, wenn ein berufstätiger Reisekunde den ihm vom Arbeitgeber bewilligten oder selbst organisierten Urlaub widerruft, stattdessen weiterarbeitet und seinen Urlaub auf später verschiebt oder wenn er in der geplanten Reisezeit eine andere Reise durchführt, die ihm nicht der Reiseveranstalter angeboten hat (Ersatzurlaub). Diese Fragen sind in Rechtsprechung und Schrifttum streitig (gegen einen Entschädigungsanspruch bei Weiterarbeit BGH v. 19.11.1981 - VII ZR 238/80, BGHZ 82, 219 [227] = MDR 1982, 312; OLG Düsseldorf v. 15.2.1990 - 18 U 225/89, NJW-RR 1990, 573; Erman/Seiler, BGB, 11. Aufl., § 651 f Rz. 8; dafür LG Frankfurt/M. v. 3.12.1990 - 2/24 S 466/89, NJW-RR 1991, 315; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rz. 353; Staudinger/J. Eckert, BGB, 2004, § 651 f Rz. 69; gegen einen Entschädigungsanspruch bei Ersatzurlaub: Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rz. 351; Soergel/H.W. Eckert, BGB, 12. Aufl., § 651 f Rz. 15; Staudinger/J. Eckert, BGB, 2004, § 651 f Rz. 70; dafür Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 651 f Rz. 6; Bartl, NJW 1979, 1385 [1388]). Nach Ansicht des erkennenden Senats beeinträchtigen Weiterarbeit und Ersatzurlaub den Entschädigungsanspruch nicht. Weder sind diese Umstände bei der Schadensberechnung einzusetzen - was zur Folge hätte, dass ein möglicher Schaden letztlich doch nicht entstanden wäre -, noch findet insoweit eine Vorteilsanrechnung statt. Denn in beiden Fällen hat der Kunde auf Grund eigener Initiative, um die Zeit seiner geplanten, aber vereitelten Reise doch noch nutzbringend zu gestalten, Anstrengungen entfaltet, zu denen er dem Reiseveranstalter ggü. nicht verpflichtet war. Ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht auf Grund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, darf aber wegen des Grundsatzes, dass überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (BGHZ 55, 329 [332 ff.]; Palandt/Heinrichs, BGB, vor § 249 Rz. 125).
b) Gegen die vom Berufungsgericht festgesetzte Höhe der Entschädigung ist rechtlich nichts einzuwenden. Die Bemessung der Entschädigung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Die Würdigung des Tatrichters kann vom Revisionsgericht nur in engen Grenzen nachgeprüft werden, insb. darauf, ob er die für die Bemessung maßgeblichen Kriterien nicht verkannt, alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt und sich um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zum Umfang der Beeinträchtigung bemüht hat (BGH v. 21.10.1982 - VII ZR 61/82, BGHZ 85, 168 [170] = MDR 1983, 303; v. 20.9.1984 - VII ZR 325/83, BGHZ 92, 177 [183] = MDR 1985, 221; v. 12.5.1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388 [391] = MDR 1998, 1029 zum Schmerzensgeld; Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 287 Rz. 4). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit lässt die Festsetzung des Berufungsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen.
(1) Zu Unrecht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht die Entschädigung anhand des von den Klägern geltend gemachten durchschnittlichen täglichen Nettoverdienstes berechnet habe.
aa) Es ist zwar richtig, dass das Einkommen des Reisenden kein geeigneter Maßstab für die Höhe der Entschädigung ist. Die frühere Rechtsprechung des BGH, dass vertane Urlaubszeit ein Vermögensschaden und dessen Richtgröße der Aufwand sei, den die Beschaffung zusätzlichen Urlaubs erfordern würde, also das Arbeitseinkommen (BGHZ 63, 98 [101 ff.]; BGH v. 12.5.1980 - VII ZR 158/79, BGHZ 77, 116 [120 f., 123] = MDR 1980, 837), war dadurch begründet, dass nach § 253 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung wegen eines immateriellen Schadens Entschädigung in Geld nur in den vom Gesetz geregelten Fällen gefordert werden konnte und damals eine gesetzliche Ersatzpflicht des Reiseveranstalters für den immateriellen Schaden des Reisenden noch fehlte. Diese Rechtsprechung ist durch die zum 1.10.1979 erfolgte Einführung des § 651 f Abs. 2 BGB hinfällig geworden. Denn für die dort geregelte Entschädigung sind nach dem Willen des Gesetzgebers immaterielle Momente, insb. die entgangene Urlaubsfreude, von Bedeutung (Begründung des RegE zum Entwurf eines Gesetzes über den Reiseveranstaltervertrag, BT-Drucks. 8/786, 30; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/2343, 11; BGH v. 21.10.1982 - VII ZR 61/82, BGHZ 85, 168 [171 f.] = MDR 1983, 303). Auch die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 13.6.1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG) ist dahin auszulegen, dass sie dem Verbraucher einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, einschließlich des Schadens wegen entgangener Urlaubsfreude, verleiht, der auf der Nichterfüllung oder mangelhaften Erfüllung des Reisevertrages beruht (EuGH Slg. I 2002, 2631 Gründe Nr. 22-24). Der immaterielle Charakter des durch die vertane Urlaubszeit entstandenen Schadens führt dazu, dass nicht nur im Erwerbsleben stehenden Reisenden, sondern auch nicht oder nicht mehr berufstätigen Personen wie etwa Schülern oder Rentnern eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zuzubilligen ist (Begründung des RegE zum Entwurf eines Gesetzes über den Reiseveranstaltervertrag, BT-Drucks. 8/786, 30; BGH v. 21.10.1982 - VII ZR 61/82, BGHZ 85, 168 [171 f.] = MDR 1983, 303). Deshalb verbietet es sich, das Arbeitseinkommen zum Maßstab zu machen (so auch Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rz. 352b; Staudinger/J. Eckert, BGB, 2004, § 651 f Rz. 72, 74; Tonner, Der Reisevertrag, 4. Aufl., § 651 f BGB Rz. 46). An der früheren, bereits zu § 651 f Abs. 2 BGB ergangenen Rechtsprechung, dass sowohl das Nettoeinkommen als auch der Reisepreis berücksichtigt werden können (BGH, Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 22/82, MDR 1983, 123 = NJW 1983, 35, unter II 1, 2a; Urt. v. 21.10.1982 - VII ZR 61/82, MDR 1983, 303 = NJW 1983, 218, unter I 1b), hält der Senat deshalb nicht mehr fest.
bb) Es bedarf keiner Erörterung, ob die Kläger, die nicht auf ihr individuelles Einkommen, sondern auf den Durchschnittsverdienst der Bevölkerung abgestellt haben, überhaupt i.S.d. früheren Kommerzialisierungsrechtsprechung das Einkommen zum Maßstab genommen haben. Denn jedenfalls ist ihnen das Berufungsgericht insoweit nicht gefolgt, das vielmehr allein auf das angemessene Verhältnis der Entschädigungssumme zum Reisepreis abgestellt hat. Wenn der Reisepreis als Bemessungskriterium genommen wird, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (BGH, Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 22/82, MDR 1983, 123 = NJW 1983, 35, unter II 1, 2a; Urt. v. 21.10.1982 - VII ZR 61/82, MDR 1983, 303 = NJW 1983, 218, unter I 1b). Denn dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers, der keinen starren Maßstab für die Bemessung der Entschädigung festlegen wollte, aber dem Reisepreis und dem Ausmaß der Beeinträchtigung Bedeutung beimaß (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/2343, 11). Die Berücksichtigung des Reisepreises rechtfertigt sich durch die Erwägung, dass der Reisepreis zeigt, wie viel Geld der mit der geplanten Reise verbundene immaterielle Gewinn dem Kunden wert war (OLG Düsseldorf RRa 1994, 177; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rz. 352b; Staudinger/J. Eckert, BGB, 2004, § 651 f Rz. 36). Dies gilt jedenfalls für Pauschalreisen, die, wie hier, An- und Abreise und Unterkunft abdecken. Ob der an den Reiseveranstalter zu zahlende Preis als Bemessungsgrundlage auch dann ausreicht, wenn der Veranstalter nur eine Einzelleistung erbringt, oder ob dann der Gesamtaufwand berücksichtigt werden muss, den der Kunde für die geplante Reise aufbringen wollte (BGH, Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 22/82, MDR 1983, 123 = NJW 1983, 35, unter II 2a), kann im vorliegenden Fall offen bleiben.
Da die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Reisepreis zum Maßstab zu nehmen, rechtlich nicht zu beanstanden ist, bedarf es im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob daneben andere Maßstäbe zulässig sind und insb. feste, sowohl vom Einkommen als auch vom Reisepreis unabhängige Tagessätze verwendet werden dürfen, wie sie z.B. das LG Frankfurt/M. (LG Frankfurt/M. RRa 2003, 26) und das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf RRa 2003, 14) ihrer Bemessung der Entschädigung als Ausgangspunkt zu Grunde legen.
(2) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, etwa die Hälfte des Reisepreises als Entschädigungssumme anzusetzen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Tatrichter hat die Höhe der Entschädigung bei einer Vereitelung der Reise nach den Umständen des jeweiligen Falles zu bemessen. Der Vorschlag von Führich (Führich, Reiserecht, 4. Aufl. Rz. 352b), für jeden gänzlich vertanen Urlaubstag die zeitanteilige Quote des vollen Reisepreises anzusetzen, der dazu führt, dass der Reisende nicht nur auf Grund der Befreiung von seiner Pflicht zur Gegenleistung (§§ 326 Abs. 1 S. 1, 812 BGB) den gezahlten Reisepreis zurückverlangen, sondern den gleichen Betrag als Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB noch einmal fordern kann, mag ein angemessenes Ergebnis erbringen, wenn die Reise durchgeführt wurde, aber so schwer beeinträchtigt war, dass, verglichen mit dem Ausbleiben der vertraglich geschuldeten Leistung, die mit der Beeinträchtigung verbundenen Belastungen des Reisenden einen zusätzlichen Ausgleich erfordern. Bei Vereitelung der Reise hingegen ist die tatrichterliche Bemessung der Entschädigung mit der Hälfte des Reisepreises revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(3) Unbegründet ist auch die Revisionsrüge, dass das Berufungsgericht den Resterholungswert unberücksichtigt gelassen habe, der einem zuhause verbrachten Urlaub zukomme.
Der Senat hält nicht an der bisherigen Rechtsprechung fest, wonach der Resterholungswert eines zuhause verbrachten Urlaubs einen Schadensminderungsposten darstellt, den der Tatrichter bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigen muss (dafür früher BGH v. 12.5.1980 - VII ZR 158/79, BGHZ 77, 116 [122] = MDR 1980, 837; Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 22/82, MDR 1983, 123 = NJW 1983, 35, unter I 4b; so auch Tonner in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 651 f Rz. 32 ff.; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 651 f Rz. 6; Staudinger/J. Eckert, BGB, 2004, § 651 f Rz. 68; dagegen Führich, Reiserecht, 4. Aufl. Rz. 350). Der Erholungswert eines häuslichen Urlaubs beruht auf der zuhause genossenen Freizeit. Freizeitwert hat ein Urlaub aber mit oder ohne Reise. Er ist mithin nicht Gegenstand der vom Reiseveranstalter geschuldeten Leistung. Ihn will der Kunde nicht mit dem Reisepreis erkaufen; er hat nichts mit dem Gewinn zu tun, den der Kunde sich gerade von der Reise, d.h. von dem Ortswechsel, verspricht. Deshalb ist der reine Freizeitwert des vereitelten Urlaubs vom Reiseveranstalter nicht zu entschädigen. Dann darf aber auch kein Abzug von der Entschädigung erfolgen, wenn dieser Freizeitwert dem Kunden erhalten bleibt, wie es bei einem zuhause verbrachten Urlaub der Fall ist.
Fundstellen
BGHZ 2005, 389 |
DB 2005, 1517 |
NJW 2005, 1047 |
NWB 2005, 317 |
BGHR 2005, 547 |
EBE/BGH 2005, 66 |
ZAP 2005, 496 |
DAR 2005, 213 |
JZ 2005, 731 |
MDR 2005, 1038 |
RRa 2005, 57 |
VuR 2005, 182 |
RdW 2005, 400 |
SBT 2005, 17 |
ZGS 2005, 43 |
JT 2005, 116 |
LL 2005, 296 |
LMK 2005, 66 |
TranspR 2005, 164 |