Leitsatz (amtlich)
Zuteilungsfähig ist, wer bei Ablauf des 15. März Mitglied einer LPG war. Ob er aufgrund einer Delegation an einen Betrieb außerhalb der Landwirtschaft arbeitstätig war oder ob seine Mitgliedschaft im Hinblick auf die Wahl in ein hauptberuflich auszuübendes Amt ruhte, ist insoweit ohne Bedeutung.
Normenkette
EGBGB 1986 Art. 233 § 12 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. September 2002 aufgehoben und das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 2. August 2001 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um landwirtschaftlich genutzte Grundstücke aus der Bodenreform.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war G. W. als Eigentümer der im Grundbuch als aus der Bodenreform stammend gekennzeichneten Grundstücke eingetragen. Er verstarb am 6. Juni 1987 und wurde von seinen Kindern, den Beklagten, beerbt. Das klagende Land (Kläger) verlangt die Auflassung der Grundstücke. Die Beklagten wenden die bessere Berechtigung der Beklagten zu 2 (Beklagte) ein, die seit 1947 auf dem Hof ihrer Eltern landwirtschaftlich tätig war. 1968 wurde sie Mitglied der LPG „G.” in D., als deren Hauptbuchhalterin sie arbeitete. 1974 wurde sie von der LPG in den Rat des Kreises Brandenburg delegiert und anschließend zur Bürgermeisterin der Gemeinde R. gewählt, in deren Gebiet sich ein Teil der von der LPG bewirtschafteten Flächen befindet. Ihr Amt übte die Beklagte auch am 15. März 1990 noch aus.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der in dem Berufungsurteil zugelassenen Revision erstreben sie die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB für begründet. Es meint, eine bessere Berechtigung der Beklagten nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Buchst. b EGBGB bestehe nicht. Die Beklagte sei nicht zuteilungsfähig. Zuteilungsfähig im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB sei nur, wer am 15. März 1990 in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft tätig gewesen sei. Daran fehle es bei einer Tätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses zu einem Dritten außerhalb der
Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft. Die bloße Mitgliedschaft in einer LPG könne die Tätigkeit in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft als Merkmal der Zuteilungsfähigkeit nicht ersetzen.
II.
Die Revison hat Erfolg. Ein Auflassungsanspruch des Klägers besteht nicht. Der geltend gemachte Anspruch scheitert an der besseren Berechtigung der Beklagten aus Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB. Die Mitgliedschaft der Beklagten in der LPG „G.” läßt sie im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB zuteilungsfähig sein.
1. Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2, 3 EGBGB zeichnen die Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung in pauschalierter Form nach. Ziel der Regelungen ist es, die Grundstücke aus der Bodenreform demjenigen zu übertragen bzw. zu belassen, der bei Beachtung der Übertragungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung durch die Behörden der DDR im Zeitpunkt der Aufhebung der Beschränkungen, die für die Grundstücke aus der Bodenreform galten, ihr Eigentümer gewesen wäre (st. Rechtspr., vgl. Senat, BGHZ 132, 71, 72; Urt. v. 21. Juni 1996, V ZR 284/95, VIZ 1996, 523, 524; Urt. v. 13. Dezember 1996, V ZR 42/96, WM 1997, 783, 784; Urt. v. 4. Mai 2001, V ZR 21/00, WM 2001, 618, 619). Mit diesem Ziel steht es nicht in Einklang, die Zuteilungsfähigkeit eines Erben im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB zu verneinen, obwohl die Übertragung eines landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücks auf ihn nach der Besitzwechselverordnung möglich war.
Die Besitzwechselverordnung regelte die Übertragung der Grundstücke aus der Bodenreform unter Lebenden und die Folgen ihres Erwerbs im Wege der Erbfolge im Hinblick auf die mit dem Eigentum an Grundstücken aus der Bodenreform verbundenen Rechte und Pflichten. Zu den Pflichten der Eigentümer gehörte es insbesondere, die landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücke eigenhändig zu bewirtschaften. Durch die Kollektivierung der Landwirtschaft erfuhr die Verpflichtung zur eigenhändigen Bewirtschaftung der Grundstücke aus der Bodenreform insofern eine Einschränkung, als die Kollektivierung die Arbeitsteilung innerhalb der Landwirtschaft ermöglichte und dies auch für die Grundstücke aus der Bodenreform zu gelten hatte. Eine eigenhändige Bewirtschaftung im Sinne der Bodenreformverordnungen bzw. der Besitzwechselverordnung war auch dann gegeben, wenn der Begünstigte die ihm übertragenen Grundstücke in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft einbrachte, deren Mitglied er war. Ob er innerhalb der LPG an der Feldarbeit mitwirkte oder andere Tätigkeiten für die Genossenschaft ausübte, war ohne Bedeutung. Die Bewirtschaftung der in die LPG eingebrachten Grundstücke gewährleistete ihre zweckentsprechende Nutzung und bedeutete aufgrund der Arbeitstätigkeit der Mitglieder für die LPG die eigenhändige Bewirtschaftung der Grundstücke im Sinne der Bodenreformvorschriften (vgl. Krüger, AgrarR 1999, 332, 334).
Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer von der LPG, deren Mitglied er war, an einen anderen Betrieb delegiert wurde, weil die Arbeitstätigkeit eines delegierten Mitglieds in diesem Betrieb die Erfüllung der Arbeitspflicht aus der Mitgliedschaft in der delegierenden Genossenschaft bedeutete (BGHZ 129, 267, 271; Autorenkollektiv, LPG-Recht, Lehrbuch, S. 271). Allein für die Rechte und Pflichten des Delegierten zu dem Delegationsbetrieb galten die Regelungen, die für die Mitarbeiter des Delegationsbetriebs allgemein galten (Richter, Gestaltung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der LPG-Mitglieder, S. 50 f).
Daran ändert sich auch nicht dadurch etwas, daß die Delegierung in einen Bereich außerhalb der Landwirtschaft erfolgte. Derartige Delegierungen waren möglich. Sie brauchten nicht befristet zu sein (Kommentar zum Musterstatut LPG (P) S. 85; Arlt, Agrarrecht für Staats- und Wirtschaftsfunktionäre, 2. Aufl., S. 172 f; Richter, aaO., S. 48) und konnten auch in den Staatsapparat erfolgen (Arlt, Rechte und Pflichten der Genossenschaftsbauern, S. 35). Für die von dem Mitglied des Erben eingebrachten Bodenreformgrundstücke bedeutete dies, daß sie von ihrem Eigentümer zweckentsprechend bewirtschaftet wurden. Eine Rückführung in den Bodenfonds kam daher nicht Betracht (§ 9 BesitzwechselVO).
Hieran änderte sich auch dann nichts, wenn das Mitglied in ein staatliches Amt gewählt wurde. Die Genossenschaften waren gehalten, ihren Mitgliedern die Ausübung von Tätigkeiten in der staatlichen Verwaltung zu ermöglichen (vgl. Kommentar zum Musterstatut LPG (P), S. 36). Eine hauptberufliche Tätigkeit in einem Wahlamt konnte allerdings nicht auf der Grundlage einer Delegierungsvereinbarung ausgeübt werden. Die Mitgliedschaft in der Genossenschaft mußte vielmehr für die Dauer der Ausübung des Amtes, in das der Betroffene gewählt worden war, zum Ruhen gebracht werden (Autorenkollektiv, LPG-Recht, Lehrbuch, S. 125; Arlt, Rechte und Pflichten der Genossenschaftsbauern, S. 35). Die Vereinbarung des Ruhens der Mitgliedschaft suspendierte die Arbeitsverpflichtung gegenüber der Genossenschaft auf Zeit. Der Bestand der Mitgliedschaft wurde hiervon nicht berührt. Das Nutzungsrecht der LPG an den von dem Betroffenen eingebrachten Grundstücke blieb erhalten, die LPG bewirtschaftete die Grundstücke weiter. Umgekehrt ließ das Ruhen der Mitgliedschaft das Recht des Betroffenen auf die Auszahlung von Bodenanteilen unberührt (Art, aaO., S. 35). Die zweckentsprechende Bewirtschaftung der eingebrachten Grundstücke war gewährleistet, so daß eine Rückführung in den Bodenfonds ausschied. Dasselbe galt in dem – hier vorliegenden – Fall, daß das LPG-Mitglied Bodenreformland erbte. Da es dieses auch bei einem Ruhen der Mitgliedschaft einzubringen hatte, war die zweckentsprechende Bewirtschaftung der Grundstücke ebenfalls gewährleistet (§ 4 Abs. 1 BesitzwechselVO).
2. Daß die Beklagte nach ihrer Wahl zur Bürgermeisterin oder später aus der LPG ausgetreten wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen. Seine Berechtigung als Fiskus aus Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB ist nachrangig. Damit obliegt es dem Kläger, zur Begründung des geltend gemachten Auflassungsanspruchs darzulegen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, daß ihm kein Besserberechtigter vorgeht (Senatsurt. v. 4. Mai 2001, V ZR 21/00, WM 2001, 1902, 1903). Daran fehlt es.
Unterschriften
Wenzel, RiBGH Tropf ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Karlsruhe, den 14. April 2003 Wenzel, Klein, Lemke, Schmidt-Räntsch
Fundstellen
Haufe-Index 936525 |
BGHR 2003, 927 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2003, 441 |
ZfIR 2003, 531 |
MDR 2003, 924 |
NJ 2003, 482 |
AuUR 2003, 308 |