Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Rückübertragung verpachteter Milchreferenzmenge nach Beendigung des Pachtverhältnisses. Aktive Milcherzeugereigenschaft
Leitsatz (amtlich)
Dem Verpächter darf eine - flächengebundene oder flächenlose - Milchreferenzmenge nach Beendigung des Pachtverhältnisses nur dann zurückübertragen werden, wenn er aktiver Milcherzeuger ist oder dies unmittelbar nach der Rückübertragung wird.
Normenkette
EWGV 3950/92 Art. 7 Abs. 2; MGVO § 7 Abs. 2 a
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 04.07.2002) |
LG Oldenburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Oldenburg v. 4.7.2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag v. 29.10.1990 verpachtete der Kläger dem Beklagten Ackerland und Weideflächen befristet bis zum 31.3.2001. Außerdem vereinbarten die Parteien die Übernahme einer Milchquote von 164.980 kg durch den Beklagten gegen Zahlung eines jährlichen Pachtzinses i. H. v. 32.900 DM. Die Milchquote (Referenzmenge) wurde später auf 157.160 kg gekürzt.
Mit gerichtlich protokolliertem Vergleich v. 8.12.1995 kamen die Parteien dahin überein, dass die Pachtflächen zum 31.3.1996 an den Kläger zurückgegeben werden sollten. Hinsichtlich der Referenzmenge vereinbarten die Parteien die unveränderte Fortsetzung des Pachtvertrags.
Nach Vertragsablauf am 31.3.2001 erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben v. 25.4.2001 die Übernahme der Referenzmenge gem. § 12 Abs. 3 Zusatzabgabenverordnung (ZAbgVO v. 12.1.2000, BGBl. I, 27). Am 7.5.2001 zahlte der Beklagte an den Kläger 184.020,40 DM.
Der Kläger meint, der Beklagte sei auf Grund des Pachtvertrags zur Rückgabe der Referenzmenge verpflichtet. Mit seiner Klage hat er den Beklagten auf Abgabe der Erklärung in Anspruch genommen, dass ihm die Referenzmenge nicht mehr zustehe; weiterhin hat er von dem Beklagten den Widerruf der Übernahmeerklärung verlangt und hilfsweise die Feststellung beantragt, dass diese Erklärung unwirksam ist; schließlich möchte der Kläger festgestellt wissen, dass ihm der Beklagte den wegen verspäteter Rückgabe der Referenzmenge entstehenden Schaden zu ersetzen hat. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint Ansprüche des Klägers auf Rückübertragung der Referenzmenge und auf Schadenersatz. Es meint, der Beklagte habe seine aus dem Pachtvertrag folgende Verpflichtung zur Rückgabe der Referenzmenge nicht schuldhaft verletzt. Vielmehr habe er in wirksamer Weise von seinem Übernahmerecht gem. § 12 Abs. 3 S. 1 ZAbgVO Gebrauch gemacht. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bestünden nicht. Die Ausübung des Übernahmerechts sei auch nicht missbräuchlich erfolgt, denn der Beklagte habe das Ziel des Verordnungsgebers, die dauerhafte Verfügbarkeit der Referenzmengen in der Hand der aktiven Milcherzeuger sicherzustellen, verwirklicht. Darüber hinaus habe der Kläger gem. § 12 Abs. 4 Nr. 3 ZAbgVO die Möglichkeit gehabt, die Übernahme der Referenzmenge durch den Beklagten zu verhindern, wenn er seine Stellung als Geschäftsführer eines landwirtschaftlichen Unternehmens in Polen aufgegeben hätte und selbst aktiver Milchproduzent geworden wäre.
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
II.
1. Mit seiner auf die Abgabe verschiedener Willenserklärungen, hilfsweise auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Übernahmeerklärung gerichteten Klage verfolgt der Kläger das Ziel, die dem Beklagten überlassene Referenzmenge zurückzuerhalten. Hierauf hat der Kläger jedoch unabhängig von der Geltendmachung des in § 12 Abs. 3 ZAbgVO geregelten Übernahmerechts durch den Beklagten keinen Anspruch. Zwar war der Beklagte auf Grund des zwischen den Parteien geschlossenen Pachtvertrags v. 29.10.1990 i. V. m. dem gerichtlichen Vergleich v. 8.12.1995 an sich verpflichtet, die Referenzmenge nach Beendigung des Pachtverhältnisses am 31.3.2001 zurückzugewähren (§§ 581 Abs. 2, 556 Abs. 1 BGB a. F.). Die Erfüllung dieser privatrechtlichen Verpflichtung war dem Beklagten jedoch aus Gründen, die im öffentlichen Recht, insbesondere im europäischen Gemeinschaftsrecht liegen, unmöglich, so dass er von seiner Leistungspflicht frei geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB a. F.). Da der Beklagte das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat, ist er dem Kläger auch nicht zum Schadenersatz verpflichtet (§§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB a. F.).
2. Die rechtliche Zuordnung einer verpachteten Referenzmenge bei Beendigung des Pachtvertrags ist in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates v. 28.12.1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405 v. 31.12.1992, 1) geregelt. Danach werden in den Fällen, in denen bei der Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge eine Verlängerung zu gleichartigen Bedingungen nicht möglich ist oder ein rechtlich gleich gelagerter Fall vorliegt und zwischen den Beteiligten keine Vereinbarung getroffen wurde, die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten oder festzulegenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise auf die Erzeuger übertragen, die sie übernehmen. Diese nach Art. 249 Abs. 2 S. 2 des EG-Vertrages (EG i. d. F. des Vertrages von Amsterdam, BGBl. 1998 II S. 386, vormals Art. 189 Abs. 2 S. 2 EG) in jedem Mitgliedstaat unmittelbar geltende Bestimmung, die durch die Verordnung (EG) Nr. 1256/99 des Rates v. 17.5.1999 (ABl. L 160 v. 26.6. 1999, 73) keine Änderung erfahren hat, ist nach dem Urteil des EuGH v. 20.6.2002 in der Rechtssache Thomsen so auszulegen, dass bei der Beendigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrags über einen Milchwirtschaftsbetrieb die vollständige oder teilweise Übertragung der daran gebundenen Referenzmenge auf den Verpächter nur dann möglich ist, wenn dieser die Eigenschaft eines Erzeugers i. S. d. Art. 9 lit. c der Verordnung Nr. 3950/92 (ABl. L 405 v. 31.12.1992, 1) hat oder im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrags die verfügbare Referenzmenge auf einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt; dabei reicht es für die Zuteilung der relevanten Referenzmengen an die Verpächter aus, dass sie bei Pachtvertragsende nachweisen, konkrete Vorbereitungen dafür zu treffen, in kürzester Zeit die Tätigkeit eines Erzeugers auszuüben (EuGH, Urt. v. 20.6.2002 - Rs. C-401/99, Thomsen, Slg. 2002, I-5775; ebenso OVG Schleswig RdL 2002, 330 [331]; VG Oldenburg, RdL 2003, 80 [81]). Zwar ist der Europäische Gerichtshof in der vorgenannten Entscheidung von dem in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3950/92 (ABl. L 405 v. 31.12.1992, 1) enthaltenen Grundsatz der Flächenbindung der Referenzmengen ausgegangen, der auch nach In-Kraft-Treten der Verordnung Nr. 1256/99 (ABl. L 160 v. 26.6.1999, 73) vorbehaltlich einer abweichenden Regelung durch die Mitgliedstaaten (Art. 8a lit. b der Verordnung Nr. 3950/92 (ABl. L 405 v. 31.12.1992, 1) weiter gilt. Wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, kann jedoch für die nach Art. 8, 4. Spiegelstrich der Verordnung Nr. 3950/92 (ABl. L 405 v. 31.12.1992, 1) alter Fassung i. V. m. § 7 Abs. 2a der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO i. d. F. der Bekanntmachung v. 21.3.1994, BGBl. I, 586) zulässige flächenlose Überlassung von Referenzmengen nichts Anderes gelten (Günther, AgrarR 2002, 305 [307]). Denn aus dem allgemeinen Sinn und Zweck der Regelung über die Zusatzabgabe für Milch folgt, dass einem Landwirt eine Referenzmenge nur dann eingeräumt werden kann, wenn er die Eigenschaft eines Milcherzeugers hat (EuGH, Urt. v. 20.6.2002 - Rs. C-401/99, Thomsen, Slg. 2002, I-5775 Rz. 32; ebenso EuGH, Urt. v. 15.1.1991 - Rs. C-341/89, Ballmann, Slg. 1991, I-25 Rz. 9; EuGH, Urt. v. 20.6.2002 - Rs. C-313/99, Mulligan, Slg. 2002, I-5719 Rz. 30). Dies schließt die Rückübertragung einer verpachteten Referenzmenge auf einen Verpächter ohne Erzeugereigenschaft in den Fällen der flächengebundenen und auch der flächenlosen Verpachtung aus. Gerade wenn die Referenzmenge zum alleinigen Gegenstand des Pachtvertrags gemacht worden ist, besteht die Gefahr, dass sie der Verpächter nach erfolgter Rückübertragung nicht zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet, aus ihr - sei es durch erneute Verpachtung, sei es durch Veräußerung - einen finanziellen Vorteil zu ziehen. Dies zu verhindern, ist Hauptziel des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3950/92 (EuGH, Urt. v. 20.6.2002 - Rs. C-401/99, Thomsen, Slg. 2002, I-5775 Rz. 45; vgl. auch EuGH, Urt. v. 13.4.2000 - Rs. C-292/97, Karlsson, Slg. 2000, I-2737 Rz. 57; EuGH, Urt. v. 20.6.2002 - Rs. C-313/99, Mulligan, Slg. 2002, I-5719 Rz. 30). Es kann in jedem Fall nur dann erreicht werden, wenn der die Referenzmenge zurücknehmende Verpächter selbst aktiver Milcherzeuger ist, dies unmittelbar nach der Rückübertragung wird oder die zurückgewährte Referenzmenge unverzüglich einem aktiven Milcherzeuger überläßt.
3. Auch aus den zur Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über das System der zusätzlichen Abgabe für Milch erlassenen nationalen Rechtsvorschriften ergibt sich, dass eine flächenlos verpachtete Referenzmenge nur dann auf den Verpächter zurückübertragen werden kann, wenn dieser aktiver Milcherzeuger ist.
Die Anforderungen an eine flächenlose Übertragung von Referenzmengen sind in § 7 Abs. 2a MGVO geregelt. Danach kann der Milcherzeuger einem anderen Referenzmengen ohne Übergang des entsprechenden Betriebes oder der entsprechenden Fläche mit Wirkung für mindestens zwei Zwölfmonatszeiträume durch schriftliche Vereinbarung übertragen oder überlassen, wenn der Erwerber der Referenzmenge Milch oder Milcherzeugnisse an einen Käufer liefert. Diese Vorschrift ist trotz der Ersetzung der Milch-Garantiemengen-Verordnung durch die Zusatzabgabenverordnung mit Wirkung v. 1.4.2000 weiter einschlägig, weil § 12 Abs. 2 ZAbgVO für die Abwicklung laufender Pachtverträge u. a. auf sie verweist. Sollte die Zusatzabgabenverordnung, wie die Revision meint, insgesamt wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nichtig sein (verneinend BVerwG, Urt. v. 20.3.2003 - 3 C 10/02, bislang nicht veröffentlicht), beträfe dies auch die in § 30 ZAbgVO angeordnete Aufhebung der Milch-Garantiemengen-Verordnung, die dann weiterhin anwendbar wäre. Es bliebe somit auch in diesem Fall dabei, dass die Rückübertragung der flächenlosen Referenzmenge nur an einen Milcherzeuger erfolgen kann. Insoweit kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit der Zusatzabgabenverordnung nicht an.
4. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger bei Beendigung des mit dem Beklagten geschlossenen Pachtvertrags kein Milcherzeuger i. S. v. Art. 9 lit. c der Verordnung Nr. 3950/92 (ABl. L 405 v. 31.12.1992, 1), da er weder einen Betrieb im geographischen Gebiet der Gemeinschaft bewirtschaftete noch Milch oder Milcherzeugnisse direkt an Verbraucher verkaufte bzw. an Abnehmer lieferte. Der Kläger beabsichtigte - selbst unter Berücksichtigung seines Vortrags in der Berufungsinstanz in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz v. 26.6.2002 - auch nicht, seine Tätigkeit als Geschäftsführer eines landwirtschaftlichen Betriebs in Polen alsbald aufzugeben und in kürzester Zeit die Tätigkeit eines Milcherzeugers aufzunehmen; konkrete Vorbereitungen hierfür hatte er nicht getroffen. Ob die Rückübertragung der Referenzmenge auf den Verpächter möglich ist, wenn dieser sie zum nächsten Übertragungstermin über die Verkaufsstelle an einen aktiven Milcherzeuger veräußern will (§§ 8 ff. ZAbgVO), ist zweifelhaft, weil es sich hierbei um eine rein kommerzielle Verwertung der Referenzmenge handelte, die verhindert werden soll (Günther, AgrarR 2002, 305 [308]). Da der Kläger jedoch eine entsprechende Absicht nicht behauptet hat, bedarf diese Frage im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
5. Damit kam eine Rückübertragung der Referenzmenge auf den Kläger nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3950/92 (ABl. L 405 v. 31.12.1992, 1) und nach § 7 Abs. 2a Satz 3 Nr. 1 MGVO (i. V. m. § 12 Abs. 2 ZAbgVO) nicht in Betracht, weil er die hierfür erforderlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrags nicht erfüllte. Eine dem entgegenstehende vertragliche Vereinbarung, wie sie die Revision dem gerichtlichen Vergleich v. 8.12.1995 - ggf. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - entnimmt, ist nichtig. Denn beide Vorschriften sind Verbotsgesetze i. S. v. § 134 BGB, weil es mit ihrem Sinn und Zweck unvereinbar wäre, die entgegenstehende rechtsgeschäftliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (vgl. BGH v. 17.1.1985 - III ZR 135/83, BGHZ 93, 264 [267] = MDR 1999, 1218; zu einem gesetzlichen Verbot aus dem Recht der Europäischen Union vgl. BGH, Urt. v. 4.4.2003 - V ZR 314/02, VIZ 2003, 340 [341 f.]). Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der Beklagte von dem in § 12 Abs. 3 ZAbgVO geregelten Übernahmerecht wirksam Gebrauch gemacht hat oder ob diese Vorschrift verfassungswidrig ist, kommt es somit nicht an.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 969389 |
BGHR 2003, 1227 |
NJW-RR 2004, 210 |
MDR 2004, 28 |
AuUR 2004, 61 |