Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkung. Widerruf wegen groben Undanks. Beweiswürdigung
Leitsatz (redaktionell)
Zur Beweiswürdigung beim Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks.
Normenkette
BGB § 530 a. F.; ZPO § 286
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 04.12.2002; Aktenzeichen 1 U 267/01) |
LG Heidelberg (Entscheidung vom 13.11.2001; Aktenzeichen 2 O 104/01) |
Tatbestand
Die Klägerin ist die Mutter des Beklagten. Sie macht mit ihrer Klage Rückforderungsansprüche nach dem Widerruf von Schenkungen geltend. Der Beklagte war im Jahre 1977 von seinen Eltern unter Entziehung des Pflichtteils enterbt worden, nachdem er wegen einer gegen seine Eltern gerichteten Körperverletzung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war.
Nach dem Tod des Vaters übertrug die Klägerin im Jahre 2002 dem Beklagten das Eigentum an zwei Grundstücken und ihren Miteigentumsanteil an einem Wohnungseigentum. Sie behielt sich daran lebenslangen Nießbrauch vor. Außerdem gab die Klägerin dem Beklagten in den Jahren 1999 und 2000 insgesamt 20.000,-- DM; 3.000,-- DM hat der Beklagte an die Klägerin zurückgezahlt.
Seit dem Jahre 2000 kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten einerseits und seinen Schwestern und deren Familien andererseits. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Dezember 2000 erklärte die Klägerin den Widerruf der Schenkung des Grundbesitzes sowie die "Kündigung der Darlehen" in Höhe von restlichen 17.000,-- DM. Als Grund für den Widerruf der Schenkung führte sie einen Vorfall an, der sich im November 2000 ereignet hatte. Der Beklagte öffnete an diesem Tag die Garage des Anwesens, in dem sich die von seiner Mutter bewohnte Eigentumswohnung befindet. Er hatte zu der Garage keinen Schlüssel. Es befanden sich dort Geräte, die nach einer von der Klägerin unterschriebenen Liste zusammen mit den Grundstücken dem Beklagten übertragen werden sollten.
In der mündlichen Verhandlung erster Instanz sprach die Klägerin erneut den Widerruf der Schenkungen aus und stützte diesen nunmehr auf zwei weitere Vorfälle im Gerichtsgebäude und im Café "J. ".
Nach Darstellung der Klägerin sollen sich diese wie folgt zugetragen haben:
Vor dem Termin am 25. Juli 2001 habe der Beklagte auf dem Gerichtsflur geäußert: "Da drüben steht sie, die verlogene Saubrut. Da steht sie, die alte Hexe." Außerdem habe der Beklagte seinen kleinen Sohn aufgefordert, der Klägerin ein Spielzeugauto an den Kopf zu werfen.
Vor dem Gerichtstermin am 27. August 2001 habe der Beklagte im Café "J." die Klägerin als Lügnerin bezeichnet und ihr Prügel angedroht.
Der Beklagte ist dem Klagebegehren entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Übergabe des Grundbesitzes nicht unentgeltlich erfolgt sei, da er Grundpfandrechte übernommen und sich die Übergabe auf den künftigen Pflichtteilsanspruch habe anrechnen lassen. Außerdem habe er jahrelang Arbeitsleistungen in Haus und Garten erbracht. Die Beträge von jeweils 10.000,-- DM, insgesamt 20.000,-- DM, seien ihm geschenkt worden. Zu den Vorfällen, auf die die Klägerin den Schenkungswiderruf gestützt hat, hat der Beklagte behauptet, es habe sich um Auseinandersetzungen mit der Familie seiner Schwester gehandelt; er sei von seinem Schwager provoziert worden und habe sich gegen Schwester und Schwager zur Wehr gesetzt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe dem Beklagten sowohl die Grundstücke als auch den Geldbetrag geschenkt. Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Ein Widerruf der Schenkungen wegen groben Undanks nach § 530 BGB a.F. durch die Klägerin sei berechtigt gewesen. Eine schwere Verfehlung im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB a.F. setze objektiv ein gewisses Maß an Schwere der Verfehlung voraus und subjektiv eine tadelnswerte Gesinnung, die einen Mangel an Dankbarkeit gegenüber dem Schenker erkennen lasse. Dieser rechtliche Ausgangspunkt trifft zu. Er entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 145, 35, 38 m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die nachgewiesenen Vorfälle, nämlich die Handlungsweise des Beklagten im November 2000 in der Garage sowie das fortgesetzte schwer beleidigende Verhalten im Verlaufe des Prozesses, auf das sich die Klägerin als Widerrufsgrund berufen könne, nachdem sie eine entsprechende Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2001 abgegeben habe, rechtfertigten einen Widerruf der Schenkungen wegen groben Undanks. Der grobe Undank müsse sich nicht in nur einer einzigen Verfehlung äußern, sondern könne sich auch aus mehreren - für sich allein eventuell nicht ausreichenden - Teilakten ergeben, die in ihrer Gesamtheit von einer grob undankbaren Gesinnung zeugten. Damit hat das Berufungsgericht die beiden Vorfälle am 25. Juli 2001 und am 27. August 2001 in seine Würdigung einbezogen.
Ob ein Verhalten einen erkennbaren Mangel an Dankbarkeit zum Ausdruck bringt, der als grober Undank gegenüber dem Schenker anzusehen ist, unterliegt der tatrichterlichen Bewertung. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob dem angefochtenen Urteil ein Irrtum über den Rechtsbegriff des groben Undanks zu entnehmen ist und ob das Berufungsgericht von der Revision aufgezeigten erheblichen Prozessstoff übergangen hat (Sen.Urt. v. 19.01.1999 - X ZR 60/97, NJW 1999, 1623). Die Feststellung, ob grober Undank des Beschenkten gegenüber dem Schenker gegeben ist, verlangt eine Prüfung aller Umstände des Falls (Sen., aaO., 1624; BGHZ 91, 273, 278, st. Rspr.). Dies setzt voraus, dass das Berufungsgericht den Prozessstoff erschöpfend gewürdigt hat und allen zulässigen Beweisanträgen nachgegangen ist. Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht nicht nachgekommen.
Zu dem Verhalten vor dem ersten Termin beim Landgericht H. am 25. Juli 2001 hat das Berufungsgericht ausgeführt, die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Beklagte auf dem Flur des Landgerichts H. die Klägerin - neben seiner Schwester und deren Ehemann - als "Saubrut" bezeichnet habe und dass er seinen kleinen Sohn aufgefordert habe, der "alten Hexe" ein Spielzeugauto an den Kopf zu werfen. In dieser unbeherrschten Handlungsweise sei das "schwerwiegendste und deutlichste" Fehlverhalten des Beklagten gegenüber der Klägerin zu sehen, mit dem er seine undankbare Gesinnung und Missachtung gezeigt habe und auch objektiv in unerträglicher Weise seinen Undank zum Ausdruck gebracht habe. Es komme dabei nicht darauf an, ob die Klägerin die Beleidigung selbst unmittelbar vernommen habe oder ob sie den Sachverhalt lediglich durch die in Hörweite befindlichen Zeugen erfahren habe. Mit der Bezeichnung "alte Hexe" sei, jedenfalls nach dem Empfängerhorizont der Klägerin, diese gemeint gewesen. Der Beklagte habe gewusst, dass er seine Mutter mit der Aufforderung an seinen Sohn, der "alten Hexe" ein Spielzeugauto an den Kopf zu werfen, besonders tief und nachhaltig treffen werde, gleichgültig ob sie diese Worte selbst habe hören können oder nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten müsse sich die Klägerin nicht bereits deswegen, weil sie in Begleitung ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes zum Gericht gegangen sei, deren eventuelle Beleidigungen zurechnen lassen.
Zu dem Vorfall am 27. August 2001 im Café "J." hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Beklagte in dem öffentlichen Lokal gegenüber seinem Schwager, an dessen Tisch auch die Klägerin gesessen habe, verbal so aggressiv und laut geworden sei, dass Außenstehende darauf aufmerksam geworden seien. Zwar könne allein eine - auch heftige - Auseinandersetzung zwischen Familienangehörigen, in die der Schenker miteinbezogen werde, nicht als eine schwere Verfehlung gegenüber dem Schenker angesehen werden. Allerdings sei der Vorfall im Café "J." weit über eine Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten und seinem Schwager bzw. seiner Schwester hinausgegangen. Selbst wenn man unterstelle, dass der Beklagte von seinem Schwager provoziert worden sei, verbleibe es bei der Aussage der Zeugin M., dass der Beklagte am Tisch der Klägerin laut geschrieen habe. Der Beklagte habe gesagt, dass er sie "bis an die E. runterprügeln" würde. Für einen unbeteiligten Außenstehenden habe sich zwar nicht ergeben, wer damit gemeint gewesen sei. Selbst wenn der Beklagte jedoch damit seine Schwester oder seinen Schwager gemeint haben sollte, habe er durch seine Verhaltensweise in beleidigender Weise zumindest auch seiner Mutter gegenüber Nicht- und Missachtung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er im Verlaufe dieser Auseinandersetzung öffentlich an einem Tisch, der mit mehreren Personen besetzt gewesen sei, einer der Klägerin nahestehenden Person Prügel angedroht habe.
Zu beiden Vorfällen hat das Berufungsgericht die Zeugin ... L. nicht gehört. Es hat offen gelassen, ob der entsprechende Beweisantrag des Beklagten rechtzeitig gestellt worden ist. Auf das vorliegende Verfahren ist gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO das vor dem 1. Januar 2002 geltende Zivilprozessrecht anzuwenden. Danach ist jedenfalls für die Revisionsinstanz ohne weitere Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass der Vortrag des Beklagten zu den beiden Vorfällen am 25. Juli 2001 und 27. August 2001 nicht verspätet gewesen ist.
Das Berufungsgericht hätte dem Beweisantritt dann aber entsprechen müssen. Wie dargelegt und vom Berufungsgericht auch im rechtlichen Ansatz zutreffend angenommen, ist die Frage, ob der Schenker aufgrund des Verhaltens des Beschenkten berechtigt ist, eine Schenkung zu widerrufen, anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Um sich ein Bild von dem zu würdigenden Sachverhalt zu machen, musste das Berufungsgericht dazu alle angebotenen Zeugen hören. An die Zurückweisung eines Beweisantrags sind strenge Anforderungen zu stellen. Es muss jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass der übergangene Beweisantrag die Überzeugung des Gerichts hätte erschüttern können (BVerfG NJW 1993, 254, 255). Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme gewürdigt und sich im Einzelnen beispielsweise mit der Aussage der Zeugen S. und M. auseinandergesetzt. Hätte es auch die Zeugin ... L.
vernommen, so ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass ihre Schilderung geeignet gewesen wäre, die der übrigen Zeugen in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, und damit die hier allein maßgebliche tatrichterliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls hätte beeinflussen können. Das Beweisangebot des Beklagten beschränkte sich nicht auf die vom Berufungsgericht als wahr unterstellten Behauptungen, sondern bezog sich auf den gesamten Vortrag des Beklagten zu den beiden Vorfällen. Wenn das Berufungsgericht diesen gestützt auf eine Würdigung von Zeugenaussagen bewertet hat, so bedurfte es als Grundlage für diese Bewertung einer Erhebung aller zulässigen Beweismittel. Bei der Bewertung, ob grober Undank des Beschenkten vorliegt, ist der Tatrichter weitgehend frei und das Ergebnis seiner Würdigung ist der revisionsrechtlichen Überprüfung weitgehend entzogen. Dies setzt aber voraus, dass der Tatrichter sich durch Erhebung aller zulässigen Beweismittel ein vollständiges Bild von dem zu beurteilenden Sachverhalt gemacht hat.
Das Berufungsgericht wird daher die Vernehmung der Zeugin ... L. nachzuholen haben und sodann erneut in tatrichterlicher Würdigung zu prüfen haben, ob der ausgesprochene Schenkungswiderruf berechtigt war.
Fundstellen