Entscheidungsstichwort (Thema)
Unangemessene Verfahrensdauer. Entschädigungsklage. Massenverfahren. Musterverfahren. Pilotverfahren. Fühlbarer immaterieller Nachteil. Verfahrensverzögerung. Entschädigungsregelung. Überlanger Verfahrensdauer. Weiter Gestaltungsspielraum. Gesamtabwägung. Widerlegbare gesetzliche Tatsachenvermutung. Nichtvermögensschaden
Leitsatz (amtlich)
a) Zur unangemessenen Verfahrensdauer i. S. v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn das der Entschädigungsklage zugrunde liegende Ausgangsverfahren zu einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten ("Massen-")Verfahren gehört (hier: mehr als 4.000 Kläger), das deshalb einstweilen zurückgestellt wird, weil das Ausgangsgericht "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren", die die ganze "Fallbreite" ausschöpfen, auswählt und vorrangig betreibt. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es dabei nicht an.
b) Zur Frage, inwieweit einer Partei, gegen die eine Vielzahl von Verfahren betrieben wird, ein fühlbarer immaterieller Nachteil dadurch entsteht, dass einzelne dieser Verfahren nicht in angemessener Zeit erledigt werden (Widerlegung der Vermutung gem. § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG).
Normenkette
GVG § 198 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; ZPO § 148
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 11.04.2014; Aktenzeichen 6 SchH 1/13) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Braunschweig vom 11.4.2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem LG G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
Rz. 2
Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant") des Unternehmensverbundes der sog. "G. Gruppe" persönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim LG G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des LG G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
Rz. 3
Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18.1.2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 EUR rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen i. H. v. mehr als 10 Mio. EUR ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
Rz. 4
Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S., richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7.8.2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (u. a.) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
Rz. 5
Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8.8.2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21.8.2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
Rz. 6
Nachdem das OLG B. in einem der Berufungsverfahren am 20.8.2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte, nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des LG G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11.11.2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des OLG zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
Rz. 7
Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20.12.2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.
Rz. 8
Mit Beschlüssen vom 2. und 9.2.2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des LG G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das OLG B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21.5.2012 sowie am 8. und 11.6.2012 ergingen.
Rz. 9
Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29.2.2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11.7.2012 bzw. 15.8.2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
Rz. 10
Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8.12.2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff. GVG für unzulässig erklärte.
Rz. 11
Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1.9.2008 bis 1.8.2012) und im Übrigen um 48 Monate (1.1.2009 bis 31.12.2012) verzögert. Die Verzögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1.1.2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 EUR. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdauer auszusprechen.
Rz. 12
Das OLG hat die Klage abgewiesen.
Rz. 13
Mit seiner vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 14
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Rz. 15
Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 16
Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen, weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.
Rz. 17
Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen, um der in den Jahren 2007 und 2008 beim LG G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des LG G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das LG G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11.11.2009 habe dem LG wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
Rz. 18
In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und ggf. welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hätten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
Rz. 19
Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das OLG im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des OLG über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11.7.2012 und 15.8.2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
Rz. 20
Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen i. S. v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt, weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderungen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 EUR und Steuerforderungen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.
II.
Rz. 21
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das OLG hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
Rz. 22
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff. GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24.11.2011 (BGBl. I, 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3.12.2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
Rz. 23
2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des OLG, dass insoweit keine i. S. v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
Rz. 24
a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insb. nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (BGH, Urt. v. 14.11.2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rz. 25, 32).
Rz. 25
Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insb. die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
Rz. 26
Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend BGH vom 14.11.2013, a. a. O., Rz. 32 f.; v. 5.12.2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rz. 43 ff.; v. 23.1.2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rz. 39).
Rz. 27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen i. S. v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insb. an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14.11.2013, a. a. O., Rz. 28 ff.; vom 5.12.2013, a. a. O., Rz. 36 ff. und vom 23.1.2014, a. a. O., Rz. 35 ff. jeweils m. w. N.). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BGH vom 14.11.2013, a. a. O., Rz. 31; vom 5.12.2013, a. a. O., Rz. 42; v. 13.2.2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rz. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14.11.2013, a. a. O., Rz. 30; vom 5.12.2013, a. a. O., Rz. 41 und vom 23.1.2014, a. a. O., Rz. 37).
Rz. 28
c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das OLG den rechtlichen Rahmen verkannt bzw. Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senat, Urt. v. 14.11.2013, a. a. O., Rz. 34).
Rz. 29
d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des OLG, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
Rz. 30
September 2008 bis Februar 2010
Rz. 31
Nach den Feststellungen des OLG war das LG ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
Rz. 32
Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insb. die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (s. auch Senatsbeschluss v. 21.11.2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rz. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Darauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des LG aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
Rz. 33
Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sog. Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen, auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senat, Urt. v. 23.1.2014, a. a. O., Rz. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschl. v. 30.3.2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f; v. 28.2.2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rz. 8).
Rz. 34
Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Länder müssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rz. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rz. 1243 m. w. N.). Davon abgesehen, dass das LG die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das LG hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall bzw. einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
Rz. 35
September 2011 bis Dezember 2012
Rz. 36
Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das OLG es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5.12.2013, a. a. O., Rz. 46 und vom 13.2.2014, a. a. O., Rz. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
Rz. 37
3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das OLG meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das LG in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
Rz. 38
Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das OLG habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
Rz. 39
a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802, 19; s. auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rz. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rz. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rz. 143).
Rz. 40
Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung i. S. v. § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802, 19, 41; s. auch BeckOGK/Dörr, a. a. O., § 839 Rz. 1273; Ott, a. a. O., § 198 GVG Rz. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rz. 204).
Rz. 41
Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rz. 93 und § 292 Rz. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rz. 34 und § 292 Rz. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger ggf. geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rz. 26 ff.).
Rz. 42
b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das OLG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
Rz. 43
Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtschadensersatzforderung von 10.777.752,53 EUR ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt aufgrund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rz. 19 f.).
Rz. 44
Wie das OLG ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Fundstellen
Haufe-Index 7676851 |
BGHZ 2015, 184 |