Entscheidungsstichwort (Thema)

Umwandlung Erfüllungsanspruch in Schadensersatzanspruch. Rückgabe renovierten Mietobjekts. Vertragsverhandlungen. Hemmung der Verjährung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Umwandlung des Erfüllungsanspruchs auf Rückgabe der Mietsache in renoviertem Zustand in einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung.

b) Zur Hemmung der Verjährung nach § 558 a.F. BGB durch Vertragsverhandlungen in analoger Anwendung des § 852 Abs. 2 a.F. BGB.

 

Normenkette

BGB § 326 Abs. 1, §§ 558, 852 Abs. 2 a.F.

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Urteil vom 02.07.2001; Aktenzeichen 4 U 126/97)

LG Würzburg

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Bamberg v. 2.7.2001 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen unterbliebener Renovierung und Reparaturen nach Beendigung eines Mietvertrages sowie Entschädigung für entgangene Miete. Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf Verjährung.

Am 21.11.1984 schloss die "Fa. S. B. " mit der Beklagten einen Mietvertrag über eine neu errichtete Lagerhalle. Unterzeichnet wurde der Vertrag durch R. B., den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin. Die Beklagte verpflichtete sich in einer Zusatzvereinbarung, das Objekt bei Beendigung des Mietvertrages gleichwertig renoviert zurückzugeben. Der Mietvertrag endete am 31.5.1994, nachdem die Beklagte einer weiteren Verlängerung vertragsgemäß rechtzeitig widersprochen hatte.

Auf die am 26.1.1995 eingegangene und am 2.2.1995 zugestellte Klage hat das LG, das eine Hemmung der Verjährung wegen Verhandlungen der Parteien angenommen hat, die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz wegen der geltend gemachten Renovierungskosten verurteilt und die Klage im Übrigen (hinsichtlich des Mietausfalls) abgewiesen. Nachdem der Senat das die Berufung der Beklagten als unzulässig verwerfende Urteil des Berufungsgerichts auf die Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat, hat das Berufungsgericht die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die angenommene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert der Klaganspruch nicht bereits an der Aktivlegitimation. Vielmehr ist das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin aktivlegitimiert sei, weil der Mietvertrag sich als unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft nicht auf eine - nicht existente - Einzelfirma des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH der Klägerin, sondern auf die Klägerin bezogen habe. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 565a ZPO a.F).

2. Das Berufungsgericht vertritt jedoch abweichend vom LG die Ansicht, der Erfüllungsanspruch der Klägerin auf Rückgabe des Mietobjekts in gleichwertig renoviertem Zustand sei zum Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung (§ 326 Abs. 1 BGB) am 22.12.1994 bereits verjährt gewesen. Die am 1.6.1994, dem Tag nach Rückgabe des Mietobjekts, in Lauf gesetzte Sechsmonatsfrist des § 558 Abs. 1 BGB (a.F.) sei allenfalls in der Zeit v. 26.8. bis 12.9.1994 (= 18 Tage) durch Verhandlungen der Parteien gem. § 852 Abs. 2 BGB gehemmt gewesen. Die normalerweise am 30.11.1994 endende Verjährungsfrist sei deshalb am 18.12.1994 und damit vor Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in den Schadensersatzanspruch abgelaufen. Entgegen der Auffassung des LG sei der Lauf der Verjährung v. 1.6.1994 bis 10.6.1994 nicht gehemmt gewesen, weil Verhandlungen in dieser Zeit nicht stattgefunden hätten. Die Verjährung habe überhaupt erst ab dem Beginn ihres Laufs, nämlich dem 1.6.1994, gehemmt werden können. Soweit im Schreiben der Beklagten v. 26.5.1994 davon die Rede sei, die Angelegenheit der Renovierung und Schönheitsreparaturen werde zurzeit geprüft, habe dies für die Zeit ab 1.6.1994 keine Bedeutung. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der Klägervertreter an die Beklagte v. 1.6.1994, wonach der Justiziar der Beklagten beim Übergabetermin am 31.5.1994 erklärt habe, zu Verhandlungen - noch - nicht bevollmächtigt zu sein.

Insoweit hält die Entscheidung des Berufungsgerichts einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung (§ 326 Abs. 1 BGB a.F.) sich nach § 558 BGB a.F. richtet und erst mit dessen Entstehung beginnt (BGH v. 12.4.1989 - VIII ZR 52/88, BGHZ 107, 179 [182, 184] = MDR 1989, 808; v. 9.2.2000 - XII ZR 202/97, NZM 2000, 547). In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Schadensersatzanspruch erst am 22.12.1994 entstehen konnte, nachdem die gem. § 326 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung durch die endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten mit Schreiben v. 9.9.1994 entbehrlich geworden war und die Klägerin ihr Wahlrecht mit Schreiben v. 21.12.1994, das der Beklagten am 22.12.1994 zugegangen ist, ausgeübt hatte. In diesem Schreiben hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, die zur Beseitigung der vom Gutachter festgestellten Schäden erforderlichen Kosten von 79.490 DM zu zahlen.

b) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass Voraussetzung für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gem. § 326 Abs. 1 BGB a.F. ist, dass der Erfüllungsanspruch zum Zeitpunkt der Umwandlung in den Schadensersatzanspruch noch nicht verjährt war. Denn mit der Verjährung des Erfüllungsanspruchs endet der Verzug der Beklagten, weil sie danach berechtigt ist, die Leistung gem. § 222 Abs. 1 BGB a.F. zu verweigern (BGH v. 16.3.1988 - VIII ZR 184/87, BGHZ 104, 6 [11] = MDR 1988, 668; v. 9.6.1999 - VIII ZR 149/98, BGHZ 142, 36 [41] = MDR 1999, 1126).

c) Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass sich die Verjährung des Erfüllungsanspruchs auf Renovierung des Mietobjekts nach § 558 BGB a.F. (§ 548 BGB n.F.) richtet und mit der Rückgabe des Mietobjekts am 1.6.1994 (§§ 558 Abs. 2 i.V.m. 187 BGB a.F.) begonnen hat. Es hat auch nicht verkannt, dass die Verjährung dieses Anspruchs in entsprechender Anwendung von § 852 Abs. 2 BGB a.F. durch Verhandlungen gehemmt wird. § 852 Abs. 2 BGB a.F. ist eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsgedankens, der zum Schadensersatz Verpflichtete dürfe nicht dadurch einen Vorteil erlangen, dass der Berechtigte sich auf Verhandlungen eingelassen hat. Die Rechtsklarheit erfordert für alle Ansprüche, die der kurzen Verjährung des § 558 BGB a.F. unterliegen, somit auch für ausschließlich vertraglich begründete Ansprüche, eine entsprechende Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB a.F. (BGH v. 28.11.1984 - VIII ZR 240/83, BGHZ 93, 64 [68-70] = MDR 1985, 573; Urt. v. 4.2.1987 - VIII ZR 355/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 2072 [2073]).

d) Als rechtsfehlerhaft erweist sich jedoch die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, die regulär am 30.11.1994 abgelaufene Verjährung sei durch Verhandlungen der Parteien allenfalls für einen Zeitraum von 18 Tagen in der Zeit v. 26.8.1994 bis 12.9.1994 gem. § 852 Abs. 2 BGB a.F. gehemmt gewesen, weshalb der Erfüllungsanspruch am 19.12.1994 verjährt sei.

aa) Der Begriff der Verhandlung i.S.d. § 852 Abs. 2 BGB a.F. ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH weit zu verstehen. Es genügt dafür jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben daher schon dann, wenn der Inanspruchgenommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (BGH Urt. v. 4.2.1987 - VIII ZR 355/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 2072 [2073]; v. 20.2.2001 - VI ZR 179/00, MDR 2001, 688 = BGHReport 2001, 414 = NJW 2001, 1723; v. 8.5.2001 - VI ZR 208/00, MDR 2001, 936 = BGHReport 2001, 594 = NJW-RR 2001, 1168 [1169]; v. 31.10.2000 - VI ZR 198/99, MDR 2001, 164 = BGHReport 2001, 54 = VersR 2001,108 [110]). Ein Abbruch von Verhandlungen muss - abgesehen von dem Fall des "Einschlafenlassens" der Verhandlungen - wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (BGH v. 28.11.1984 - VIII ZR 240/83, BGHZ 93, 64 [67] = MDR 1985, 573; Urt. v. 30.6.1998 - VI ZR 260/97, MDR 1998, 1101 = NJW 1998, 2819 [2820]).

bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet, soweit es abweichend vom LG davon ausgeht, die Verjährung sei in der Zeit v. 1.6. bis 10.6.1994 nicht durch Verhandlungen gehemmt gewesen.

Die Parteien hatten vor Verjährungsbeginn über die von der Klägerin geforderten Renovierungsarbeiten korrespondiert. Die Beklagte hatte zuletzt mit Schreiben v. 26.5.1994 der Klägerin mitgeteilt, dass sie die Berechtigung der geforderten Renovierungsarbeiten zurzeit prüfe. Damit hat die Beklagte, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, sich auf eine Erörterung über die Ansprüche einzulassen. Die begonnenen Verhandlungen sieht das Berufungsgericht dadurch als beendet an, dass der Justiziar der Beklagten im Übergabetermin am 31.5.1994 erklärt habe, er sei noch nicht zu Verhandlungen über eine gütliche Einigung bevollmächtigt. Diese Äußerung kann schon vom Wortlaut her nicht als endgültiger und klarer Abbruch der Verhandlungen verstanden werden. Die Worte "noch nicht" bringen vielmehr zum Ausdruck, dass zwar nicht jetzt, wohl aber später weiterverhandelt werden solle. Darin liegt gerade keine endgültige Beendigung der Verhandlungen. Aber auch die vom Berufungsgericht versäumte Gesamtschau der Äußerung des Justiziars und des kurz zuvor verfassten Schreibens der Beklagten v. 26.5.1994 zeigen, dass die Beklagte sich am Tag der Übergabe, dem 31.5.1994, im Stadium der Prüfung der Ansprüche befand und noch keine verbindlichen Erklärungen abgeben wollte.

Die Klägerin war deshalb auf Grund des Schreibens der Beklagten v. 26.5.1994 zumindest bis zum Ablauf der von ihr selbst mit Schreiben v. 1.6.1994 der Beklagten bis zum 7.6.1994 gesetzten Äußerungsfrist zu der Annahme berechtigt, die Beklagte lasse sich jedenfalls auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Der Lauf der Verjährung war somit ab deren Beginn, dem 1.6.1994, bis zum 7.6.1994, gehemmt (§ 205 BGB a.F.).

Die Verjährung war darüber hinaus, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, in der Zeit v. 26.8.1994 bis 12.9.1994 gehemmt. Die Beweiswürdigung des LG, die das Berufungsgericht nicht infrage stellt, ist nicht zu beanstanden. Danach hat der Justiziar der Beklagten beim Ortstermin mit dem Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren am 26.8.1994 die Verhandlungsbereitschaft der Beklagten zum Ausdruck gebracht. Diese Bereitschaft ist erst durch die endgültige Ablehnung sämtlicher Ansprüche durch das Schreiben der Beklagten v. 9.9.1994, das der Klägerin am 12.9.1994 zugegangen ist, beendet worden.

Die sechsmonatige Verjährungsfrist des Erfüllungsanspruchs, die am 1.6.1994 begonnen hat, war somit in der Zeit v. 1.6.1994 bis 7.6.1994 und v. 26.8.1994 bis 12.9.1994 gehemmt und ist deshalb erst am 25.12.1994, drei Tage nach Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, abgelaufen. Die für den Schadensersatzanspruch mit seiner Entstehung am 22.12.1994 in Lauf gesetzte neue Verjährungsfrist von sechs Monaten ist durch die Klageerhebung am 26.1.1995 rechtzeitig unterbrochen worden.

3. Da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zur Berechtigung der einzelnen Schadensersatzposten keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1170160

BGHR 2004, 1210

DWW 2004, 223

NZM 2004, 583

ZMR 2004, 800

MDR 2004, 1050

GuT 2004, 176

MietRB 2004, 321

RdW 2005, 93

AIM 2004, 156

IWR 2004, 73

JWO-MietR 2004, 225

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge