Tenor
Die Berufung gegen das am 9. Oktober 1997 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer schweizerischen Priorität angemeldeten, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 152 964 (Streitpatents). Das Streitpatent betrifft eine Küvettenanordnung. Der einzige Patentanspruch lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
„Küvettenanordnung zur Verwendung in einem chemischen Analysensystem, welches eine in einem Stück ausgeführte Einheit umfaßt, durch eine Mehrzahl von Zwischenwänden separate Kammern zur Aufnahme von Proben-Reagenz-Gemischen definiert, wobei jede Kammer folgende Elemente besitzt:
Die Klägerin macht mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Sie hat beantragt,
das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise hat sie das Patent in der Weise verteidigt, daß der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs die folgende Fassung erhalten soll:
„dadurch gekennzeichnet,
daß die Küvettenanordnung einen Küvettenringsektor (11) bildet und Mittel für ihre Positionierung im Analysensystem besitzt, die folgende Teile enthalten:
- eine Lippe (16), die mit den inneren Seitenwänden (42) integriert ist und sich von deren Außenseite in Richtung zum Kreismittelpunkt erstreckt, wobei durch die Lippe (16) und eine dazu passende Verriegelung in einem Küvettenträger des Analysensystems sichergestellt ist, daß, wenn die Küvettenanordnung in das Analysensystem eingesetzt ist, sich die Fenster aller Kammern in einer vorgegebenen Höhen-Position befinden, und
- jeweils einen Vorsprung (14, 15) an mindestens zwei Kammern (12-4, 12-9), der sich jeweils von der Außenseite der Bodenwand (36) entlang der Längsachse der Kammer nach außen erstreckt, wobei durch die Vorsprünge (14, 15) sichergestellt ist, daß, wenn die Küvettenanordnung in das Analysensystem eingesetzt ist, die Längsachse Z-Z jeder Kammer senkrecht zur Achse Y-Y der durch die Kammer übertragenen Strahlungsenergie liegt.”
Das Bundespatentgericht hat der Nichtigkeitsklage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Nichtigkeitsklage erreichen will, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrages.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. K. G. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Streitpatent war für nichtig zu erklären, weil sich sein Gegenstand sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung des Hilfsantrages für den Durchschnittsfachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ i.V.m. Art. 54 Abs. 1, 2 u. Art. 56 EPÜ).
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Küvettenanordnung zur Verwendung in einem chemischen automatisierten Analysensystem. Die Anordnung umfaßt eine Einheit, die in einem Stück ausgeführt ist und durch Zwischenwände separate Kammern zur Aufnahme von Proben-Reagenz-Gemischen definiert. Diese Kammern (Küvetten) besitzen Fenster, die eine verlustarme und verzerrungsfreie Übertragung von Strahlungsenergie durch die Kammer ermöglichen.
Die Streitpatentschrift weist darauf hin, daß derartige Küvettenanordnungen beispielsweise aus der US-Patentschrift 3 811 780 bekannt sind. Beschrieben werde dort ein Einwegküvettenring, der z.B. 100 Küvetten umfasse. Als bei dieser bekannten Anordnung nachteilig kritisiert die Streitpatentschrift (Sp. 1 Z. 54 – Sp. 2 Z. 18) zunächst die zu geringe Ausnutzungsrate der Küvettenringe, wenn der Benutzer in einem Arbeitszyklus nicht alle Küvetten benutze, gleichwohl aber den Küvettenring fortwerfen müsse, weil dieser Flüssigkeiten oder Reste davon enthalte, die ihn für die weitere Verwendung unbrauchbar machten. Weiter neigten die bekannten Küvettenringe, insbesondere wenn sie eine hohe Zahl von Küvetten enthielten und deshalb einen relativ großen Durchmesser hätten, dazu, sich zu verziehen. Dies beeinträchtige die Durchführung von optischen Messungen der Küvetteninhalte, weil dafür eine sehr genaue Positionierung jeder Küvette des Küvettenrings erforderlich sei. Um das Ausmaß solcher Deformationen kleinzuhalten, sei eine relativ komplexe Formgebung der Küvettenringe sowie eine spezielle Verpackung derselben erforderlich. Dies erhöhe die Herstellungskosten der Küvettenringe und ihren Verkaufspreis.
Das Streitpatentschrift setzt sich zum Ziel, die so beschriebenen Nachteile zu vermeiden, und bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die für die Durchführung von optischen Messungen der Küvetteninhalte erforderliche genaue Positionierung der Küvettenanordnungen im Analysensystem sicherzustellen (Streitpatentschrift Sp. 2 Z. 19-24).
Zur Lösung schlägt das Streitpatent in der erteilten Fassung eine Küvettenanordnung zur Verwendung in einem chemischen Analysensystem vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
- Die Küvettenanordnung umfaßt eine in einem Stück ausgeführte Einheit, die durch eine Mehrzahl von Zwischenwänden separate Kammern zur Aufnahme von Proben-Reagenz-Gemischen definiert.
Jede Kammer besitzt folgende Elemente:
- ein offenes und ein geschlossenes Ende,
- eine radial äußere Seitenwand, die eine Außenfläche hat, die in einen ersten Kreisbogen eingepaßt ist,
- eine radial innere Seitenwand, die eine innere Außenfläche hat, die in einen zweiten Kreisbogen eingepaßt ist, der mit dem ersten Kreisbogen konzentrisch ist,
- eine Bodenwand, die sich zwischen der äußeren und der inneren Seitenwand erstreckt und dabei das geschlossene Ende der Kammer bildet, und
- Fenster, die eine verlustarme und verzerrungsfreie Übertragung von Strahlungsenergie durch die Kammer ermöglichen und die ein Paar flache zueinander parallele Teile umfassen, die voneinander durch eine bestimmte Strecke getrennt sind, wobei der eine der flachen Teile jedes Paares mit der äußeren Seitenwand und der andere der flachen Teile mit der inneren Seitenwand integriert ist.
Die Zwischenwände sind mit den äußeren Seitenwänden, den inneren Seitenwänden und den Bodenwänden der Kammer integriert.
- Jede Zwischenwand hat eine obere Sektion, deren oberster Teil bei dem offenen Ende einer Kammer angeordnet ist, eine erste untere Sektion, die mit der Bodenwand einer ersten Kammer integriert ist, und eine zweite untere Sektion, die mit der Bodenwand einer zweiten, benachbarten Kammer integriert ist,
- wobei die erste und zweite untere Sektion unterhalb ihres gemeinsamen Überganges in die obere Sektion durch einen Luftraum voneinander getrennt sind.
- Die Küvettenanordnung bildet einen Küvettenringsektor.
Sie besitzt Mittel für ihre Positionierung im Analysensystem, die folgende Teile enthalten:
- eine Lippe, die mit den inneren Seitenwänden integriert ist und sich von deren Außenseiten in Richtung zum Kreismittelpunkt erstreckt,
- einen Vorsprung an mindestens einer der Kammern, die sich von der Außenseite der Bodenwand entlang der Längsachse der Kammer nach außen erstreckt.
2. Die Parteien streiten nicht darüber, daß der Gegenstand des Streitpatents neu ist. Er ist in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften vollständig mit sämtlichen im Patentanspruch des Streitpatents angegebenen Merkmalen beschrieben.
a) Bei der Küvettenanordnung nach der US-Patentschrift 3 811 780 (E1) sind die Merkmale 1. bis 2.6.b) vorhanden. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die Merkmale 2.7. und 2.8.a) und 2.8.b) sind dagegen in der US-Patentschrift nicht beschrieben. Im Unterschied zu der Küvettenanordnung nach der Streitpatentschrift sind die Küvetten dort in einem geschlossenen Ring, und nicht, wie es das Streitpatent lehrt (Merkmal 2.7.), in einem Kreissegment angeordnet. Eine Lippe an den inneren Seitenwänden in Richtung zum Kreismittelpunkt (Merkmal 2.8.a) und ein Vorsprung an der Bodenwand der Kammer nach außen (Merkmal 2.8.b), die nach dem Streitpatent als Mittel für die Positionierung im Analyseverfahren vorgesehen sind, sind bei der Küvettenanordnung nach der US-Patentschrift nicht vorhanden. Die Positionierung des Küvettenrings wird in der US-Patentschrift durch eine radial nach außen weisende Lippe an der äußeren Seitenwand (92) erreicht (Sp. 2 Z. 52 und 53, deutsche Übersetzung S. 3 Z. 24 und 25).
b) Die deutsche Patentschrift 32 46 592 (E2) beschreibt im Unterschied zum Gegenstand des Streitpatents keinen Küvettenring oder Küvettenringsegmente, sondern einzelne Küvetten. Die Formgebung dieser Küvetten soll eine bessere Durchmischung der zu analysierenden Flüssigkeit gewährleisten. Die Küvette hat einen schmalen, im Querschnitt lang gestreckten Oberteil, welcher einen ringsherum laufenden flanschartigen Ansatz (2) besitzt (Sp. 6 Z. 62-64 u. Fig. 1-4). Das Küvettengefäß ist unten durch einen wannenförmigen bzw. nach unten konvex heraustretenden Boden geschlossen, an dem mittig ein Zentrierungsansatz (17) angeordnet ist, um das Gefäß ausgerichtet in eine Mischeinrichtung einzubringen (Sp. 7 Z. 8-13, Fig. 1-4), in der die Durchmischung durch Translations- und Rotationsbewegungen der Küvette erfolgt. Das ist nach der Erläuterung des gerichtlichen Sachverständigen so zu verstehen, daß die durch den Zentrierungsansatz gehende Längsachse zugleich Rotationsachse des Gefäßes ist.
c) Die europäische Patentanmeldung EP 0 100 663 A2 (E3) betrifft eine Spektrophotometer-Analysevorrichtung für klinisch-chemische Analysen und insbesondere die in einer derartigen Vorrichtung verwendeten Verdünnungsbecher. Die Analysevorrichtung umfaßt eine Drehteller-Transportvorrichtung mit einem äußeren Kreis von Reaktionsbechern und einem konzentrisch angeordneten inneren Kreis von Probenbechern. Zwischen dem innerren und dem äußeren Kreis ist ein Zwischenkreis von Verdünnungsbechern angeordnet, die aus mehreren einheitlichen mehrbecherigen einstückigen Bogeneinheiten gebildet sind (S. 1 Z. 24-30, deutsche Übersetzung S. 1 Z. 23-29). In einer bevorzugten Ausführungsform sind die einheitlichen einstückigen Verdünnungsbecher dergestalt ausgebildet, daß sie nach Benutzung weggeworfen werden. Diese Becher sind zusammen nebeneinander in einem Kreisbogen, vorzugsweise fünf Becher pro Bogen, in einer einstückigen mehrbecherigen Einheit gegossen. Jede einstückige Bogeneinheit aus fünf Bechern kann lösbar an der radial äußeren Reihe von Reaktionsbechern an der Transportvorrichtung befestigt werden (S. 2 Z. 16-20, deutsche Übersetzung S. 2 Z. 10-16 u. Fig. 2). Die Reaktionsbecher haben einen kreisförmigen Querschnitt und einen horizontalen Flansch (20), auf dem sich die Verdünnungsbecher abstützen können. Die Reaktionsbecher sind in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 2 und 4 in Form eines eine Mehrzahl von Bechern umfassenden Kreisringsegments mit angehängten Verdünnungsbechern dargestellt. Der die Reaktionsbecher umgebende Flansch ist zwischen zwei Bechern in der zeichnerischen Darstellung jeweils mit einem Teilungsstrich und nach je fünf Bechern mit einer deutlichen Einkerbung versehen. In der Beschreibung (S. 6 Abs. 1) ist ausgeführt, daß der Zwischenkreis von Verdünnungsbechern und der äußere Kreis von Reaktionsbechern als einzelne einstückige Einheit ausgebildet oder ausgeformt sein können.
Die Reaktionsbecher können nach der – von der Beklagten beanstandeten – Beurteilung durch den gerichtlichen Sachverständigen zwar als Küvetten im Sinne des Streitpatents angesehen werden, unterscheiden sich in ihrer konkreten Ausgestaltung aber wesentlich von diesen.
3. Der Gegenstand des Streitpatents beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er ergab sich für den Durchschnittsfachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
a) Als Durchschnittsfachmann ist entgegen der Ansicht der Beklagten ein Hochschul- oder Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von automatisierten chemischen Analysensystemen anzusehen, der zudem Kenntnisse in Feinwerktechniken und Werkstoffwissenschaft besitzt. Dies hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt. Es handelt sich bei dem Gegenstand des Streitpatents nicht, wie die Beklagte meint, um eher nach- und untergeordnete Konstruktionsarbeit, die von einem Techniker erledigt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, daß der Durchschnittsfachmann zunächst den über bloße einem Techniker zu überlassende Konstruktionsarbeit hinausgehenden komplexeren Systemgedanken entwickeln und die Aufgabenstellung definieren mußte. Bei der Entwicklung der Aufgabenstellung hatte er Fragen der allgemeinen Herstellbarkeit sowie der zu erwartenden Produktionskosten insbesondere im Hinblick auf optische, chemische und fertigungstechnische Anforderungen abzuwägen. Dazu mußte er den funktionsgerechten Einsatz der Küvetten im Analysegerät und, um die Funktionstüchtigkeit insgesamt sicherzustellen, das optische Meßprinzip beherrschen und das Gesamtsystem spezifizieren können.
b) Ausgehend von der US-Patentschrift 3 811 780 (E1) bot es sich – wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend und in Übereinstimmung mit dem fachkundig besetzten Bundespatentgericht ausgeführt hat – diesem Durchschnittsfachmann, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die zu geringe Ausnutzungsrate der Küvettenringe und zugleich das bei den bekannten Küvettenringen auftretende Verziehen zu vermeiden, als erster Schritt ohne weiteres an, die Anzahl der Küvetten zu reduzieren und zu diesem Zweck nicht den vollen Kreisumfang mit Küvetten auszufüllen, sondern nur ein Kreissegment.
Eine Anregung dazu fand der Durchschnittsfachmann auch in der europäischen Patentanmeldung 0 100 663 A2 (E3). Diese Schrift gehört entgegen der Ansicht der Beklagten zum einschlägigen Stand der Technik. Sie betrifft eine Analyseneinrichtung für spektrophotometrische Untersuchungen und damit das Fachgebiet, zu dem auch der Gegenstand des Streitpatents gehört.
Der Senat geht davon aus, daß die Segmentierung bei der europäischen Patentanmeldung (E 3) dazu dient, Wegwerfeinheiten für kleinere Probenzahlen zur Verfügung zu stellen. Das ist auf S. 2 Z. 16 ff. der Beschreibung für die Verdünnungsbecher ausdrücklich beschrieben und kann für die Reaktionsbecher nicht anders gesehen werden, wenn diese ebenfalls segmentiert werden, wie es in Fig. 2 und 4 als alternative Möglichkeit dargestellt ist. Der Sachverständige hat dazu überzeugend ausgeführt, daß nicht nur der mittlere Ring (B) der Verdünnungsbecher eine Aufteilung in Segmente aufweise, sondern auch im äußeren Ring (C) der Reaktionsbecher Sollbruchstellen hinter jedem Behälter vorhanden seien. Der Vorteil dieser Sollbruchstellen werde in der Schrift zwar nicht genannt, der Durchschnittsfachmann entnehme dieser Ausgestaltung jedoch ohne weiteres, nach Bedarf kleinere Einheiten in Form von Kreissegmenten zu schaffen, wenn dies – aus welchem Grund auch immer – zweckmäßig sei. Der Durchschnittsfachmann sehe dabei die Ringe A, B und C als Einheit. Er finde dafür auch eine Bestätigung in der Schrift insofern, als dort (S. 6 Z. 1- 4, deutsche Übersetzung S. 5, Z. 17-19, in Verbindung mit Fig. 4) klargestellt werde, daß der Zwischenkreis von Verdünnungsbechern (B) und der äußere Kreis von Reaktionsbechern (C) als einheitliche einstückige Einheit ausgebildet oder ausgeformt sein könnten. Die Schrift gebe zwar nicht an, wann – vor oder nach dem Befüllen der Becher – eine Dimensionierung in kleinere Einheiten erfolgen solle, es biete sich aber das Dimensionieren vor dem Befüllen an, schon damit der Inhalt nach dem Befüllen nicht beeinträchtigt werde. Eine nachträgliche Segmentierung wäre zudem Vorbereitung des erneuten Einsatzes der zunächst unbenutzt gebliebenen Teilsegmente.
Der Fachmann wurde damit deutlich auf die alternative Möglichkeit hingewiesen, die Einzelbehälter (Röhrchen) in Vorrichtungen zur optischen Untersuchung von Flüssigkeitsproben wahlweise in geschlossenen Kreisringen oder in Kreissegmente anzuordnen. Es bot sich ohne weiteres an, diesen Gedanken auch auf zum gleichen Fachgebiet gehörende andere Vorrichtungen zur optischen Untersuchung zu übertragen, wie sie insbesondere aus der US-Patentschrift 3 811 780 (E 1) bekannt waren. Das gilt in verstärktem Maße deswegen, weil es sich aus der Sicht des Fachmanns bei den Reaktionsbechern nach der europäischen Patentanmeldung (E 3) ebenfalls um Küvetten im Sinne des Streitpatents und der US-Patentschrift (E 1) handelt, in denen die optische Messung einer Flüssigkeit erfolgt. Der Senat folgt insoweit den letztlich überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der sich dabei auf allgemeines fachmännisches Verständnis, fehlende gegenteilige Anhaltspunkte in der Entgegenhaltung und insbesondere auf die dort enthaltene Aussage berufen hat, die Behälter würden einer nach dem anderen vor der Auslesestation (R) für eine spektrophotometrische Analyse positioniert (S.4 Z. 6-9). Aus der Darstellung in Fig. 1 der Entgegenhaltung hat der Sachverständige nichts anderes entnehmen können. Er hat weiterhin kein Hindernis darin gesehen, daß die Behälter rund ausgebildet sind; es sei allein eine Frage der Anwendung und der geforderten Meßgenauigkeit, ob optische Messungen auch in runden Behältern möglich seien.
c) Gelangte der Durchschnittsfachmann ohne erfinderische Tätigkeit zu einer Aufteilung des Kreisrings in Segmente, so mußte er anschließend nach geeigneten Positionierelementen suchen.
aa) Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, es sei für einen Fachmann naheliegend, daß ein Kreissegment entweder so gelagert oder so konstruktiv verändert werden müsse, daß die erforderliche Verwindungssteifigkeit gegeben sei. Die Maßnahmen, die im vorliegenden Fall hierzu ergriffen worden seien (innere Lippe, Haltezapfen am Boden – Merkmale 2.8.a) und 2.8.b) gehörten zum Fachwissen eines Durchschnittsfachmannes; es handele sich um Standardkonstruktionen, die nicht als Erfindung anzusehen seien. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem fachkundig besetzten Bundespatentgericht. Für den Fachmann, der von einer Vollkreisanordnung zu einem Kreissegment gelangt ist, ergibt sich zwangsläufig, daß für das Kreissegment eine entsprechende Halterung erforderlich ist, für die insbesondere die Form eines Drehtisches in Betracht kommt, auf dem die einzelnen Küvetten eines Sektors nacheinander in Meßposition gebracht werden können. Selbst wenn man der Beklagten darin folgt, daß dieser Drehtisch, den der Fachmann allerdings als notwendige Ergänzung erkenne, außerhalb der Erfindung liegt, so sind die in der Streitpatentschrift vorgeschlagenen Positioniermittel, Lippe und Vorsprung, als solche dem Techniker geläufig. Ihre konkrete Ausgestaltung im Zusammenwirken mit den entsprechenden Bauteilen des Trägers, auf die es für die beabsichtigte Wirkung ankommt, wird aber – weil der Drehtisch außerhalb der Erfindung liegt – vom Streitpatent nicht weiter angesprochen, sondern der fachlichen Routine überlassen.
bb) Auch die deutsche Patentschrift 32 46 592 (E2) und die europäische Patentschrift 0 100 663 (E3) sehen Positioniermittel vor. In E2 sind dies der umlaufende Flansch (2) und der mittig im Boden der Küvette angeordnete Zentrierungsansatz (17). In E3 erfüllt, worauf der Sachverständige hingewiesen hat, der die Küvetten umgebende Flansch eine solche Funktion, auch wenn diese neben der weiteren Funktion zur Abstützung der Verdünnungsbehälter nicht besonders erwähnt wird.
Für die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit genügt es nicht, daß das Streitpatent eine Lippe zur Höhenpositionierung der Küvettenanordnung vorsieht, die innenseitig zum Kreismittelpunkt zeigt, im Unterschied etwa zu der in der Streitpatentschrift genannten US-Patentschrift (E1), bei der die umlaufende Lippe (lip) (92) vom Kreismittelpunkt nach außen weist. Denn diese einfache konstruktive Abweichung wird der Fachmann so wählen, wie es ihm unter den gegebenen Umständen, insbesondere in Abstimmung auf die entsprechenden gegenüberstehenden Bauteile der Halterung, als am zweckmäßigsten erscheint.
Gleiches gilt für den Vorsprung am Boden der Küvette. Aus der deutschen Patentschrift 32 46 592 (E2) entnimmt der Fachmann, daß zum senkrechten Ausrichten der Küvette ein vom Boden sich nach außen erstreckender Zentrieransatz angeordnet ist, um das Gefäß ausgerichtet in eine Mischeinrichtung einzubringen. Ob die Ausrichtung hier der Positionierung der Küvetten im optischen Meßsystem dient oder der Rotation der Küvette um ihre Mittelachse, ist nicht entscheidend. Der Durchschnittsfachmann, der nach einer Lösung für die möglichst genaue Positionierung der Küvette sucht, wird sich nicht daran orientieren, wozu im einzelnen die Positionierung erforderlich ist, wenn die vorgeschlagenen Positioniermittel ihm geeignet erscheinen.
II. Das Streitpatent war auch nicht in der Fassung aufrechtzuerhalten, die es nach dem Hilfsantrag erhalten soll. Mit dem Hilfsantrag sollen dem Patentanspruch des Streitpatents zwei Merkmale hinzugefügt werden, nämlich daß
- durch die Lippe und eine dazu passende Verriegelung in einem Küvettenträger sichergestellt ist, daß, wenn die Küvettenanordnung in das Analysensystem eingesetzt ist, sich die Fenster aller Kammern in einer vorgegebenen Höhen-Position befinden,
- durch zwei Vorsprünge sichergestellt ist, daß, wenn die Küvettenanordnung in das Analysensystem eingesetzt ist, sich die Längsachse Z-Z jeder Kammer senkrecht zur Achse Y-Y der durch die Kammer übertragenen Strahlungsenergie liegt.
Das in Nr. 1 genannte Merkmal der Verriegelung wird dort, worauf der Sachverständige hingewiesen hat, hinsichtlich der Andruckflächen nicht beschrieben. Die Verwendung von Arretierungssystemen als solche ist aber aus zahlreichen anderen Bereichen bekannt und wird beispielsweise auch beiläufig in der US-Patentschrift (E1) beschrieben (Sp. 4 Z. 33-36, deutsche Übersetzung S. 5 Z. 40- S. 6 Z. 2, vgl. Fig. 5 Bezugsz. 149).
Die Verwendung zweier Vorsprünge hat der Sachverständige überzeugend als Selbstverständlichkeit bezeichnet, da anders bei einer Anordnung der Küvetten in einem Kreissegment Verdrehungen nicht zu vermeiden sind. Die in den hinzugefügten Merkmalen weiterhin bezeichneten Wirkungen stellen sich bei sachgerechter Ausführung der Merkmale 2.8.a) und b) von selbst ein und können daher die Patentfähigkeit gleichfalls nicht begründen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 PatG in der nach Art. 29 PatGÄndG übergangsweise weiterhin anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Melullis, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.06.2001 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen