Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die eine Befristung von Telefonkarten festlegen, ohne zumindest die Anrechnung unverbrauchter Guthaben beim Kauf einer neuen Telefonkarte vorzusehen.
Normenkette
AGBG §§ 8-9
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. August 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahrnimmt und der in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 22a AGBG eingetragen ist. Das beklagte Telekommunikationsunternehmen vertreibt Telefonkarten zum Preise von 12 DM und 50 DM, mit denen der Nutzer an öffentlichen Fernsprechern der Beklagten Telefonate in entsprechendem Umfang führen kann. Während die zuvor ausgegebenen Telefonkarten keinen Hinweis auf eine begrenzte Gültigkeitsdauer enthielten, bringt die Beklagte seit Oktober 1998 auf den Karten den Zusatz „Gültig bis … (Monat/Jahr)” an. Nach Ablauf dieser Frist, die einen Zeitraum von drei Jahren und drei Monaten ab Herstellung der jeweiligen Karte umfaßt, ist die Benutzung öffentlicher Fernsprecher mit Hilfe der Karte nicht mehr möglich; zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbrauchte Guthabenbeträge werden nicht erstattet.
Gegen die Befristung der Gültigkeitsdauer der Telefonkarten wendet sich die Klägerin mit der Unterlassungsklage aus § 13 AGBG. Das Landgericht (VuR 2000, 73) hat der Klage stattgegeben und der Beklagten untersagt, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Verträgen über Telefonkarten die Klausel „Gültig bis … (Datum)” zu verwenden und sich auf diese Klausel zu berufen. Das Berufungsgericht (ZIP 2000, 1836) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die beanstandete Klausel gemäß § 9 Abs. 1 AGBG für unwirksam gehalten und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Bei der in Rede stehenden Gültigkeitsbeschränkung handele es sich um eine dem Anwendungsbereich der §§ 9 bis 11 AGBG unterfallende Regelung und nicht um eine gemäß § 8 AGBG der Inhaltskontrolle entzogene bloße Beschreibung der Leistungspflicht der Beklagten. Deren Einwand, mit Blick auf die Rechtsnatur der Telefonkarten als sogenannte kleine Inhaberpapiere (§ 807 BGB) und die bei diesen mögliche Befristung der Leistungspflicht des Ausstellers entstehe ihre Hauptleistungspflicht von vornherein nur mit der betreffenden inhaltlichen Beschränkung, rechtfertige keine abweichende Würdigung. Zwar spreche alles für die von der Beklagten verfochtene rechtliche Einordnung der von ihr ausgegebenen Telefonkarten. Anknüpfungspunkt der Prüfung nach § 8 AGBG sei aber nicht die Karte selbst, sondern der ihrer Ausgabe zugrunde liegende stillschweigend abgeschlossene Begebungsvertrag, dessen für eine Vielzahl von Fällen vordefinierter Inhalt durch die auf den Telefonkarten jeweils angebrachte Gültigkeitsbefristung bestimmt werde. Die fehlende schriftliche Fixierung dieses Vertrags stehe der Einstufung als vorformulierte Vertragsbedingung nicht entgegen.
Die infolgedessen inhaltlich überprüfbare Klausel „Gültig bis … (Datum)” führe zu einer mit § 9 Abs. 1 AGBG nicht zu vereinbarenden unangemessenen Benachteiligung der Kunden. Sie lasse die zu deren Lasten beabsichtigte Folge des Verfalls eines bei Ablauf der Gültigkeitsdauer noch vorhandenen Guthabens unter Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen. Ob eine eindeutige Regelung des Verfalls der Inhaltskontrolle standhalten würde, könne daher offen bleiben.
Der auf der Telefonkarte angebrachte Gültigkeitsvermerk betreffe allein die Dauer der technischen Verwendbarkeit des Papiers. Davon unabhängig sei die Rechtsfrage zu beantworten, ob ein bei Fristablauf noch nicht „abtelefoniertes” Guthaben verfalle oder der Kunde den ihm mangels gegenteiliger Regelung zustehenden Anspruch auf Erstattung des nicht verbrauchten Betrages behalte. Daß die Beklagte bei Vertragsschluß auf den Verfall des Restguthabens hinweise, lasse sich weder ihrem Vortrag noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen.
Den Verstoß gegen das Transparenzgebot belege auch die Überlegung, daß der Kunde individualvertraglich den ihm nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln zustehenden Anspruch auf Erstattung des Guthabens behalte, weil das Gegenteil durch die insoweit zumindest unklare Klausel nicht wirksam vereinbart sei (§ 5 AGBG). Die Formulierung der Gültigkeitsdauer auf der Telefonkarte werde den Kunden aber in vielen Fällen verleiten, wegen der für ihn unklaren Rechtslage auf die Geltendmachung seiner Rechte zu verzichten.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der vom Berufungsgerichts gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der beanstandeten Klausel nicht verneint werden.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings in der streitigen Gültigkeitsbeschränkung eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG gesehen und hierbei zutreffend nicht auf die Telefonkarte als solche, sondern auf den ihrer Ausgabe zugrunde liegenden Vertrag abgestellt. Bei dieser – von der Revision nicht angegriffenen – Bewertung kann die Rechtsnatur der Telefonkarte ebenso dahingestellt bleiben wie die rechtliche Einordnung des Kartenvertrags. Unter die Definition des § 1 Abs. 1 AGBG fallen sämtliche einseitig für eine mehrfache Verwendung vorgefertigte Erklärungen des Verwenders, die den Vertragsinhalt regeln sollen (BGHZ 101, 271, 274); Art und Rechtscharakter der vertraglichen Regelung sind demgegenüber unerheblich (vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 9. Aufl. § 1 Rdn. 14; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 1 Rdn. 8).
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner der fehlenden schriftlichen Fixierung des Telefonkartenvertrags keine Bedeutung beigemessen. Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingung erfordert nicht die Schriftform (BGHZ 141, 108, 110); es genügen vielmehr auch vom Kunden beim Vertragsschluß mündlich akzeptierte Formulierungen (BGH, Urteil vom 30. September 1987 – IVa ZR 6/86, WM 1988, 28, 29). Daher reicht eine mit dem Abschluß des Telefonkartenvertrags regelmäßig verbundene stillschweigende Abrede, daß die Nutzung des Kartenguthabens nach Maßgabe des jeweils aufgedruckten Datums befristet ist, für die Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung aus. Dabei kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob eine derartige Abrede im Einzelfall wirksam ist oder an den Einbeziehungsvoraussetzungen der §§ 2, 3, 23 Abs. 2 Nr. 1 a AGBG scheitert; mögliche Verstöße gegen diese Vorschriften können mit der auf abstrakt feststellbare Verletzungen der §§ 9 bis 11 AGBG beschränkten Verbandsklage nach § 13 AGBG nicht geltend gemacht werden (BGHZ 116, 1, 3; 137, 27, 32).
3. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, daß die beanstandete Klausel der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG unterliegt. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich bei dieser Klausel nicht um eine gemäß § 8 AGBG kontrollfreie Leistungsbeschreibung.
a) Zwar gibt es kein gesetzlich geregeltes Leitbild des Telefonkartenvertrags als eines erst durch die technische Entwicklung der letzten Jahre möglich gewordenen Vertragstyps. Es obliegt daher grundsätzlich dem kartenausgebenden Unternehmen, in eigener Verantwortung Art und Umfang der von ihm angebotenen Leistungen sowie die Bemessung des vom Kunden dafür zu entrichtenden Entgelts zu bestimmen (vgl. Senatsurteil BGHZ 137, 27, 30 zum Kreditkartenvertrag). Daraus folgt aber nicht zwangsläufig die Kontrollfreiheit der beanstandeten Regelung. Auch Vertragstypen, die im Gesetz ungeregelt geblieben sind, können am Maßstab der §§ 9 bis 11 AGBG gemessen werden (BGHZ 104, 82, 90).
b) Allerdings unterliegen gemäß § 8 AGBG bloße Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (sogenannte Leistungsbeschreibungen) ebensowenig der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz wie Vereinbarungen über das vom anderen Teil zu erbringende Entgelt (st.Rspr., vgl. BGHZ 137, 27, 29; 141, 137, 141; 141, 380, 382 f.; Senatsurteil vom 12. Dezember 2000 – XI ZR 138/00, WM 2001, 196, 197, für BGHZ vorgesehen). Dabei fallen unter den Begriff der Leistungsbeschreibung solche Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGHZ 123, 83, 84; 127, 35, 41; 141, 137, 141). In diesen engen Bereich fällt die streitige Beschränkung der Gültigkeitsdauer von Telefonkarten nicht.
Aufgrund des Telefonkartenvertrags ist die Beklagte verpflichtet, für die Kartennutzer ein funktionierendes Netz öffentlicher Fernsprecher vorzuhalten und ihnen die Führung von Telefongesprächen im Rahmen des jeweiligen Guthabens zu ermöglichen. Dieses Hauptleistungsversprechen wird durch die beanstandete Befristung näher ausgestaltet. Auch ohne die Festlegung eines Geltungszeitraums könnte der wesentliche Vertragsinhalt, nämlich das vom Kunden zu zahlende Entgelt und die dafür gewährte Gegenleistung, bestimmt werden. Die Beschränkung der Gültigkeitsdauer gehört daher nicht zu dem kontrollfreien Minimum, ohne das dem Vertrag ein so wesentlicher Bestandteil fehlte, daß ihm die Wirksamkeit zu versagen wäre. Die gegenteilige Auffassung der Revision, durch die zeitliche Begrenzung der Nutzungsmöglichkeit werde die Hauptleistungspflicht der Beklagten überhaupt erst inhaltlich fixiert, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die bis Oktober 1998 herausgegebenen Telefonkarten nicht mit einer solchen Befristung versehen waren, ohne daß deshalb Zweifel an der Wirksamkeit der damals abgeschlossenen Verträge bestünden.
Die beanstandete Befristung stellt auch keine – kontrollfreie – Preisabrede dar. Der Anspruch des Kunden an die vollständige Inanspruchnahme der vorausbezahlten Gesprächsleistungen wird durch die Klausel einer Beschränkung unterworfen, die in das schuldrechtliche Verträge kennzeichnende Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eingreift. Darin liegt eine Abweichung von Rechtsvorschriften im Sinne von § 8 AGBG (vgl. BGHZ 93, 358, 362 ff.). Auch die Instanzgerichte haben Gültigkeitsbefristungen der vorliegenden Art – etwa in bezug auf sogenannte Handy-Karten (vgl. OLG Brandenburg VuR 2000, 147, 148; OLG Köln OLGR 2001, 103; LG Köln VuR 2000, 223, 224) oder bei Geschenk- und Kinogutscheinen (vgl. OLG Hamburg VuR 2000, 451, 452; LG München VuR 1996, 65) – stets als nach §§ 9 bis 11 AGBG kontrollfähige Nebenabreden behandelt.
4. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es in der angegriffenen Gültigkeitsbeschränkung einen zur Unwirksamkeit der Klausel führenden Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 9 Abs. 1 AGBG) gesehen hat.
a) Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Das bedeutet nicht nur, daß eine Klausel – aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners – in ihrer Formulierung verständlich sein muß. Sie hat vielmehr auch die wirtschaftlichen Nachteile so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Ist der Verwender diesem Gebot nicht gefolgt, kann schon darin eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG liegen (BGHZ 106, 42, 49; 112, 115, 117 ff.; 136, 394, 401 f.; Senatsurteil vom 19. Oktober 1999 – XI ZR 8/99, WM 1999, 2545, 2547).
b) Die beanstandete Gültigkeitsbeschränkung verstößt nicht gegen diese Grundsätze. Sie verschleiert die kundenbelastende Folge der Nichterstattung eines bei Ablauf der Gültigkeitsdauer noch vorhandenen Guthabens nicht. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, die der erkennende Senat aufgrund der bundesweiten Verbreitung der streitgegenständlichen Telefonkarten in vollem Umfang nachprüfen kann, ist rechtsfehlerhaft.
aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, der auf der Telefonkarte angebrachte Gültigkeitsvermerk betreffe allein die Dauer der technischen Verwendbarkeit des Papiers, kann nicht überzeugen, denn damit wird der Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle außer Acht gelassen. Gegenstand der Prüfung nach dem AGB-Gesetz ist, wie das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend gesehen hat, nicht die Telefonkarte als solche, sondern die Gültigkeitsbeschränkung als – stillschweigende – Abrede im Rahmen des Telefonkartenvertrags. Stellt man richtigerweise auf diesen Vertrag ab, so ist nicht ersichtlich, inwiefern ein durchschnittlicher Kunde meinen könnte, der Vermerk auf der Telefonkarte begrenze lediglich die Dauer der Kartennutzung, nicht jedoch zugleich den vertraglichen Leistungsanspruch.
bb) Der fehlende ausdrückliche Hinweis auf den Verfall eines Restguthabens führt nicht zu einer anderen Bewertung. Für den Kunden besteht deshalb kein Anlaß anzunehmen, mit Ablauf der angegebenen Gültigkeitsdauer trete an die Stelle des kartenvertraglichen Leistungsanspruchs ein Anspruch auf Rückzahlung des unverbrauchten Restguthabens. Der Telefonkartenvertrag ist, unbeschadet seiner näheren rechtlichen Einordnung im übrigen, kein Darlehen im Rechtssinne (§ 607 BGB). Der in Höhe des Kartenpreises vorausbezahlte Gesamtbetrag künftiger Gesprächsentgelte soll im Laufe der Zeit mit den jeweils anfallenden Verbindungsentgelten verrechnet und hierdurch bestimmungsgemäß aufgebraucht werden. Damit sind – ungeachtet der wirtschaftlich mit der Vorauszahlung verbundenen Kreditierung der Beklagten sowie der Bargeldersatz-Funktion der Telefonkarte – die Merkmale eines Darlehensvertrages nicht erfüllt. Ein Darlehensvertrag begründet nach § 607 BGB die Verpflichtung, das Empfangene in Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten.
cc) Die konkrete Formulierung der Gültigkeitsbeschränkung begründet aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auch deshalb nicht die Erwartung, bei Fristablauf entstehe ein Erstattungsanspruch, weil derartige Regelungen sich auch in anderen Bereichen des Wirtschafts- und Geschäftslebens finden, ohne daß damit entsprechende Erstattungsansprüche verbunden sind. Das gilt beispielsweise für die verbreiteten Kino- oder sonstigen Geschenkgutscheine, die häufig mit einem „Verfalldatum” versehen sind (vgl. Ahrens BB 1996, 2477, 2479). Die jeweiligen Fristen müssen zwar angemessen lang sein (vgl. OLG Hamburg VuR 2000, 451, 452; LG München VuR 1996, 65). Es wird aber – soweit ersichtlich – weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur die Ansicht vertreten, daß bei Fristablauf ein Anspruch des Gutscheininhabers auf Rücknahme des Papiers und Erstattung des Gutscheinbetrags gegeben sei (ablehnend etwa AG Northeim NJW-RR 1989, 54). Weshalb der durchschnittlich verständige und informierte Verbraucher demgegenüber bei der Telefonkarte davon ausgehen sollte, ihm stehe nach Ablauf von maximal 39 Monaten Gültigkeitsdauer ein Anspruch auf Erstattung eines Restbetrages zu, ist nicht erkennbar (ebenso Heinrichs EWiR 2001, 49, 50).
dd) Eine Verletzung des Transparenzgebots liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht darin, daß der Kunde durch die beanstandete Klausel davon abgehalten werde, nach Ablauf der Gültigkeit der Telefonkarte seinen Anspruch auf Erstattung des Restguthabens geltend zu machen. Ein solcher Anspruch steht dem Kunden, wie dargelegt, nicht zu. § 5 AGBG ändert daran nichts. Die Annahme, bei Fristablauf entstehe ein Erstattungsanspruch, liegt so fern, daß sie auch im Rahmen des § 5 AGBG keine Berücksichtigung finden kann.
III.
Die Revision war jedoch gemäß § 563 ZPO zurückzuweisen, weil das Berufungsurteil ungeachtet des Fehlers in den Entscheidungsgründen sich aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die in der beanstandeten Klausel enthaltene Regelung verstößt ihrem Inhalt nach gegen das Benachteiligungsverbot des § 9 AGBG.
1. Gemäß § 9 Abs. 1 AGBG sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche unangemessene Benachteiligung ist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
2. a) Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlußfristen. Auch für den in einer Telefonkarte verkörperten Anspruch gegen die Beklagte ist, ohne daß es auf die Einzelheiten der rechtlichen Einordnung des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses ankäme, keine gesetzlich vorgesehene Ausschlußfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefristung der Telefonkarten der Beklagten enthält daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
b) Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (BGHZ 96, 103, 109 m.w.Nachw.). Die streitige Gültigkeitsbefristung greift in das Äquivalenzverhältnis des Telefonkartenvertrags insoweit ein, als der Kunde die beim Erwerb der Karte vorausbezahlten Gesprächseinheiten nur im Rahmen der Geltungsdauer in Anspruch nehmen kann.
3. In ihrer konkreten Ausgestaltung enthält die Gültigkeitsbefristung der Telefonkarten einen so weitgehenden Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis, daß sie als unvereinbar mit dem Äquivalenzprinzip und als unangemessene Benachteiligung der Karteninhaber angesehen werden muß.
a) Bei Berechtigungskarten und Gutscheinen, die dem jeweiligen Inhaber die Möglichkeit verschaffen, eine bestimmte Ware oder Leistung zu verlangen, kann zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Solche Ausschlußfristen sind, obwohl im Gesetz in aller Regel nicht vorgesehen, in weiten Bereichen üblich und werden unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig als nicht unangemessen anzusehen sein (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 21. März 1991 – III ZR 94/89, NJW 1991, 1745). Die Besonderheiten des vorliegenden Falles führen jedoch dazu, daß die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung der Gültigkeitsbefristung ihrer Telefonkarten bei einer Abwägung ihrer Interessen und derjenigen der Kartenbenutzer als unvereinbare Abweichung vom Äquivalenzprinzip, die die Kartennutzer unangemessen benachteiligt, angesehen werden muß.
b) Dabei ist auf der Seite der Erwerber der Telefonkarten zu berücksichtigen, daß sich ungeachtet der zunehmenden Verbreitung transportabler Fernsprechgeräte (sogenannter Handys) nach wie vor für zahlreiche Menschen gelegentlich oder auch häufiger das Bedürfnis ergeben kann, einen öffentlichen Fernsprecher zu benutzen. Zur Befriedigung dieses Kommunikationsbedürfnisses sind die Betroffenen in der Regel auf die Beklagte angewiesen, weil sie die einzige Anbieterin ist, die in Deutschland ein flächendeckendes Netz von öffentlichen Fernsprechern unterhält. Da die Beklagte ihre öffentlichen Fernsprecher im Laufe der Jahre ganz überwiegend vom Münzbetrieb auf den Kartenbetrieb umgestellt hat, sind auch diejenigen Interessenten, die nur verhältnismäßig selten in die Verlegenheit kommen, einen öffentlichen Fernsprecher benutzen zu müssen, gezwungen, eine Telefonkarte der Beklagten zu erwerben. Sie müssen, da die Beklagte keine Telefonkarten im Gegenwert von weniger als 12 DM anbietet, auch dann, wenn sie zunächst nur ein einzelnes Ortsgespräch führen wollen, mit dem Erwerb einer Telefonkarte den Gegenwert einer größeren Anzahl von Telefongesprächen, von denen noch ungewiß ist, ob und wann sie sie führen werden, vorab bezahlen. Bei solchen Telefonteilnehmern kann die Gültigkeitsbefristung der Telefonkarten ungeachtet dessen, daß sie verhältnismäßig geräumig bemessen ist, dazu führen, daß ein Teil der vorab bezahlten Gesprächseinheiten ersatzlos verfällt.
c) Demgegenüber beruft die Beklagte sich darauf, schon wegen der ständigen Fortentwicklung der Informationstechnologie immer wieder gezwungen zu sein, Veränderungen an ihren öffentlichen Fernsprechern und Telefonkarten vorzunehmen, was die unbegrenzte Weiterbenutzung vor Jahren ausgegebener Telefonkarten ausschlösse. Außerdem macht sie geltend, nur mit Hilfe der Befristung der Telefonkarten sei sie in der Lage, den um sich greifenden Fällen des Mißbrauchs durch Manipulationen an den Karten, die ihr in der Vergangenheit hohe Verluste verursacht hätten, wirksam zu begegnen.
Diese Gesichtspunkte enthalten grundsätzlich anerkennungswerte Interessen der Beklagten, wobei es weder auf die zwischen den Parteien streitige Frage nach der genauen Höhe der in der Vergangenheit durch Telefonkarten-Manipulationen entstandenen Verluste noch auf die weitere Frage, in welchem Umfang solchen Manipulationen durch eine verhältnismäßig geräumige Gültigkeitsbefristung vorgebeugt werden kann, entscheidend ankommt. Beide Gesichtspunkte lassen aber nur ein Interesse der Beklagten deutlich werden, die Verwendbarkeit der Telefonkarten in ihren öffentlichen Fernsprechern zeitlich zu begrenzen. Ein darüber hinausgehendes Interesse daran, mit dem Ende der Verwendbarkeit einer Telefonkarte auch den im voraus für noch nicht verbrauchte Gesprächseinheiten erhaltenen Betrag ersatzlos verfallen zu lassen, hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht. Das Interesse der Kartennutzer, nicht auf den Wert der im voraus bezahlten Gesprächseinheiten verzichten zu müssen, wiegt demgegenüber umso schwerer, weil die Beklagte es war, die ihnen mit der Umstellung des überwiegenden Teils ihrer öffentlichen Fernsprecher vom Münzbetrieb auf den Kartenbetrieb die früher gegebene Möglichkeit verbaut hat, immer nur die jeweils in Anspruch genommenen Gesprächseinheiten zu bezahlen.
d) Die Befristung der von der Beklagten ausgegebenen Telefonkarten wäre daher unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen und derjenigen ihrer Kunden nur dann zu rechtfertigen, wenn die Beklagte zugleich eine Regelung getroffen hätte, nach der die Kunden den Gegenwert der noch nicht verbrauchten Gesprächseinheiten erstattet erhalten oder zumindest beim Kauf einer neuen Telefonkarte angerechnet bekommen. Da die Beklagte eine solche Regelung nicht getroffen hat, enthält die Befristung der von ihr ausgegebenen Telefonkarten eine unangemessene Benachteiligung der Kunden und ist daher nach § 9 AGBG unwirksam.
Unterschriften
Nobbe, Siol, Bungeroth, Müller, Wassermann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.06.2001 durch Weber Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 625218 |
BGHZ |
BGHZ, 74 |
BB 2001, 1543 |
DB 2001, 1879 |
NJW 2001, 2635 |
NWB 2001, 2174 |
NWB 2001, 2984 |
CR 2001, 596 |
CR 2001, 832 |
EWiR 2001, 843 |
JurBüro 2001, 554 |
JurBüro 2001, 609 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1466 |
WuB 2001, 1197 |
ZAP 2001, 1011 |
ZIP 2001, 1418 |
MDR 2001, 1226 |
VuR 2001, 266 |
VuR 2001, 411 |
WRP 2001, 976 |
K&R 2001, 465 |
MMR 2001, 806 |
RdW 2001, 498 |
InJur 2001, 4 |
RTkom 2001, 160 |