Leitsatz (amtlich)
a) Zu Fragen einer Sachwalterhaftung im Rahmen des Abschlusses eines Franchisevertrages.
b) Zur Überprüfung der auf die Entscheidung des Rechtsstreits anzuwendenden Rechtsordnung durch das Revisionsgericht.
Normenkette
BGB § 276 a.F.; ZPO § 545
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.09.2002) |
LG Duisburg |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 6.9.2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die U. GmbH (nachfolgend: U GmbH), die mehrere Kinocenter in Deutschland betreibt, plante Mitte der Neunzigerjahre ein weiteres Objekt mit verschiedenen Kinos und drei Restaurants auf der Rückseite des Hauptbahnhofs in D. Die Einzelheiten waren dem Zeugen W. bekannt, der damals als "Operations-Director" der U. GmbH die neu eröffneten Kinocenter zu betreuen hatte. Zusammen mit mehreren hinter ihm stehenden Investoren wollte er zumindest eines der drei Restaurants in dem neuen Kinocenter betreiben und sich dabei eines bewährten Franchisekonzepts bedienen. Zu diesem Zweck wandte er sich im März 1996 an die damals als T. Restaurants International Ltd. & Co. KG firmierende Beklagte, die als Vertreterin der in den USA ansässigen P. Inc. deren Franchisekonzept in Deutschland vermarktet. Es kam zu längeren, zeitweise unterbrochenen Vertragsverhandlungen. Im Mai 1997 gründete der Zeuge W. die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, und ihre Komplementär-GmbH, deren Geschäftsführer er zunächst war. Im Oktober 1997 schloss die Klägerin einen Mietvertrag für das Ladenlokal, in dem das Restaurant betrieben werden sollte. Im Verlauf der weiteren Vertragsverhandlungen mit der Beklagten erstellte diese im November 1997 eine Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung, in die auch Angaben des Zeugen W. über die von der U. GmbH erwarteten Zahlen der Kinobesucher einflossen. Über der Überschrift der Wirtschaftlichkeitsberechnung steht "DATENMATERIAL OHNE GEWÄHR!"; in einer Fußnote zur Überschrift heißt es:
"Die vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung wurde auf Grundlage uns vorgelegter Daten und unter Hinzunahme von Erfahrungswerten aus vergleichbaren companyeigenen Restaurants erstellt. T. = Beklagte kann keine Garantie für die Richtigkeit der uns zur Verfügung gestellten Daten übernehmen ..."
Darüber hinaus erklärte die Beklagte dem Zeugen ausdrücklich, dass sie die zu Grunde gelegten Zahlen von dritter Seite erhalten habe und für deren Richtigkeit nicht einstehen könne. Nach weiteren Verhandlungen kam es am 1.12.1997/20.1.1998 zum Abschluss eines Franchisevertrages zwischen der Klägerin und der P. Inc., der die Anwendung des englischen und walisischen Rechts vorsieht. Anfang 1998 eröffnete die Klägerin das Restaurant. Sie erzielte nicht die in der Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung erwarteten Umsätze und Gewinne, sondern machte nach ihrer Behauptung stattdessen Verluste. Anfang Februar 1999 schloss die Klägerin das Restaurant wieder.
In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagte u. a. auf Zahlung von Schadensersatz i. H. v. 1.148.073,33 DM sowie weiterer 327.825,71 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen (Anträge zu 1 und 2) und die Feststellung begehrt, dass ihr die Beklagte zur Erstattung des weiteren Schadens verpflichtet sei, der ihr durch die Schließung des Restaurants Anfang Februar 1999 entstanden sei und noch entstehen werde (Antrag zu 4). Sie hat geltend gemacht, obwohl die Beklagte nicht selbst Partei des Franchisevertrages geworden sei, sei sie ihr, der Klägerin, aus dem Gesichtspunkt der so genannten Sachwalterhaftung und aus einem stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrag zum Schadensersatz verpflichtet, weil die von der Beklagten erstellte Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung unzutreffend gewesen sei. Dem ist die Beklagte entgegengetreten, die zudem die Auffassung geäußert hat, auch in ihrem Verhältnis zur Klägerin gelte gemäß der in dem Franchisevertrag getroffenen Rechtswahlvereinbarung das englische und walisische Recht. Das LG hat die Klage in Anwendung des englischen und walisischen Rechts abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Klägerin, mit der diese ihre oben bezeichneten Anträge zu 1, 2 und 4 weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, ausgeführt:
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien finde entgegen der Ansicht des LG deutsches Recht Anwendung. In Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachte Sachwalterhaftung der Beklagten sei das anzuwendende Recht nicht durch eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut des angebahnten Vertrages, sondern durch gesonderte Anknüpfung zu bestimmen, weil die Haftung des Sachwalters auf einem von dem angebahnten Vertrag unabhängigen Schuldverhältnis beruhe. Offenbleiben könne, ob das Vertragsstatut dieses Schuldverhältnisses oder das Deliktsstatut maßgebend sei. Denn beides führe hier analog Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB bzw. nach den seinerzeit vor dem In-Kraft-Treten des Art. 40 EGBGB geltenden Rechtsregeln zur Anwendung deutschen Rechts. Auch auf den nach der Behauptung der Klägerin konkludent geschlossenen Beratungsvertrag der Parteien sei gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB deutsches Recht anzuwenden.
Unter Zugrundelegung deutschen Rechts könne die Klägerin von der Beklagten keinen Schadensersatz beanspruchen.
Die Beklagte hafte nicht wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen. Da sie die Vertragsverhandlungen lediglich als Vertreterin der P. Inc. geführt habe, hafte sie nur unter den besonderen Voraussetzungen der so genannten Sachwalterhaftung. Ob diese Voraussetzungen hier gegeben seien, namentlich die Beklagte besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe, könne trotz Bedenken offen bleiben. Denn eine Haftung der Beklagten scheide jedenfalls deswegen aus, weil sie keine vorvertraglichen Pflichten verletzt habe. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten nicht deshalb mangelhaft, weil diese keine eigenen Erhebungen über die Zahl der zu erwartenden Restaurantbesucher durchgeführt habe. Hierzu sei die Beklagte nach den Umständen nicht verpflichtet gewesen. Der geschäftliche Kontakt zu der Klägerin sei von dem Zeugen W. ausgegangen, der auf seine einschlägigen Erfahrungen mit "P. "-Restaurants in zwei anderen Kinocentern der U. GmbH verwiesen habe. Der von dem Zeugen selbst vorgeschlagene Standort für das von ihm geplante Restaurant in dem neuen Kinocenter hinter dem Hauptbahnhof in D. habe nicht zur Disposition gestanden. Anders sei nicht zu erklären, dass die Klägerin den Mietvertrag für das Lokal geschlossen habe, als noch über den Franchisevertrag verhandelt worden sei. Danach sei es bei der von der Beklagten erstellten Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung allein darum gegangen, ob das "P. "-Franchisekonzept zu dem feststehenden Standort passe. Unter diesen Umständen habe die Beklagte auf die von dem einschlägig erfahrenen Zeugen W. eingebrachten Daten über die zu erwartenden Kinobesucher vertrauen dürfen. Die von der Deutschen Bahn AG zur Verfügung gestellte Zahl der Bahnreisenden im Hauptbahnhof D. sei ebenfalls eine einigermaßen sichere Information gewesen, die eigene Erhebungen der Beklagten entbehrlich gemacht habe. Die Beklagte habe zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die zu Grunde gelegten Zahlen von dritter Seite erhalten habe und dafür keine Gewähr übernehmen könne. In diesem Hinweis sei zwar keine Haftungsfreizeichnung zu sehen. Damit habe die Beklagte jedoch auf die eingeschränkte Aussagekraft und Verbindlichkeit der Daten aufmerksam gemacht und deutlich zu erkennen gegeben, dass die Zahlen der Kinobesucher und Passanten nicht unerhebliche Schätzungenauigkeiten aufweisen könnten. Auch im Übrigen sei die Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten nach dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten weitgehend nicht zu beanstanden und jedenfalls im Ergebnis haltbar. Sie weise lediglich in einem Detailbereich, nämlich bei der Schätzung der Zahl der Passanten aus der Zahl der Bahnreisenden und der sonstigen Bahnhofsbesucher, Unsicherheiten und methodische Schwächen auf, die jedoch keine wesentlichen Auswirkungen auf das Gesamtergebnis gehabt hätten. Der Misserfolg des Restaurants sei nach der eigenen Darstellung der Klägerin vor allem darauf zurückzuführen, dass sich ihre eigenen Erwartungen bezüglich der Zahl der Kinobesucher nicht erfüllt hätten.
Aus denselben Gründen hafte die Beklagte der Klägerin auch nicht wegen positiver Vertragsverletzung. Ob stillschweigend ein Beratungsvertrag zwischen den Parteien geschlossen worden sei, erscheine insbesondere im Hinblick darauf zweifelhaft, dass die Beklagte bei den Verhandlungen über den Franchisevertrag immer nur als Vertreterin der P. Inc. aufgetreten sei und kein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt habe. Das könne aber letztlich dahingestellt bleiben, weil sich ein Beratungsvertrag ggf. mangels ausdrücklicher Abreden auf die Erstellung der Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung beschränkt habe und die Beklagte dabei, wie dargelegt, keine Pflichten verletzt habe.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten keinen Schadensersatz beanspruchen kann.
1. a) Keiner Entscheidung bedarf allerdings, ob in Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachte Sachwalterhaftung der Beklagten an das Vertragsstatut des angebahnten Vertrages (BGH, Urt. v. 9.10.1986 - II ZR 241/85, AG 1987, 124 = MDR 1987, 386 = NJW 1987, 1141, ohne Begründung; ferner z. B. Ahrens, IPRax 1986, 355 [359 f.]; Spellenberg in MünchKomm/BGB/EGBGB, 3. Aufl., Art. 32 Rz. 45), an das Vertragsstatut eines davon unabhängigen Schuldverhältnisses (Dörner, JR 1987, 201 [202 f.]; Palandt/Heldrich, BGB, EGBGB, 62. Aufl., Art. 32 Rz. 8; differenzierend Staudinger/v. Hoffmann, BGB, 13. Bearb., Vorb. zu Art. 40 Rz. 14; Soergel/Lüderitz, BGB, EGBGB, 12. Aufl., Art. 38 Rz. 85) oder an das Deliktsstatut (OLG Frankfurt v. 11.7.1985 - 1 U 134/84, IPRax 1986, 373 [378]; Erman/Hohloch, BGB, EGBGB, 10. Aufl., Art. 32 Rz. 21; Kreuzer, IPRax 1988, 16 [20]) anzuknüpfen ist und ob demgemäß insoweit englisches und walisisches oder, der Ansicht des Berufungsgerichts folgend, deutsches Recht Anwendung findet. Allerdings hat das Revisionsgericht über die Frage, welche Rechtsordnung für die Entscheidung des Rechtsstreits heranzuziehen ist, grundsätzlich auch dann zu befinden, wenn - wie im gegebenen Fall - die Revision die Beurteilung durch das Berufungsgericht ausdrücklich unbeanstandet lässt und der Revisionsgegner insoweit keine Gegenrüge erhebt. Führt die Anwendung deutschen oder fremden Rechts nicht zu verschiedenen Ergebnissen, kann es aber in der Revisionsinstanz offen bleiben, welches sachliche Recht auf das streitige Rechtsverhältnis anzuwenden ist (BGH, Urt. v. 25.1.1991 - V ZR 258/89, MDR 1991, 794 = WM 1991, 837, unter 2a; Urt. v. 21.9.1995 - VII ZR 248/94, MDR 1996, 105 = WM 1995, 2113, unter I 2c (2), jew. m. w. N.). So ist es hier. Unabhängig davon, ob deutsches oder englisches und walisisches Recht zur Anwendung kommt, ist für die von der Klägerin geltend gemachte Sachwalterhaftung der Beklagten eine vorvertragliche Pflichtverletzung erforderlich, an der es auf Seiten der Beklagten fehlt.
aa) Nach deutschem Recht kann unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch ein Dritter, der selbst nicht Vertragspartei werden soll, an den Vertragsverhandlungen aber als Vertreter, Vermittler oder Sachwalter einer Partei beteiligt ist, wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) haften (BGH, Urt. v. 29.1.1997 - VIII ZR 356/95, MDR 1997, 455 = WM 1997, 1431, unter II 1 m. w. N.). Ob die besonderen Voraussetzungen dieser so genannten Sachwalterhaftung auf Seiten der Beklagten als Vertreterin der P. Inc. vorliegen, hat das Berufungsgericht trotz Bedenken letztlich offen gelassen; in der Revisionsinstanz kann es zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden. Im vorliegenden Zusammenhang ist allein von Bedeutung, dass die Sachwalterhaftung als besonderer Anwendungsfall der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht des Vertreters, Vermittlers oder Sachwalters voraussetzt.
bb) Das englische und walisische Recht darf der Senat selbst ermitteln. Gemäß § 560 ZPO i. V. m. § 545 Abs. 1 ZPO ist zwar die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt des ausländischen Rechts für das Revisionsgericht maßgebend. Hat jedoch das Berufungsgericht - wie hier - das nicht revisible ausländische Recht außer Betracht gelassen und infolgedessen nicht gewürdigt, ist das Revisionsgericht nicht gehindert, es selbst zu ermitteln und seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, da es sich hierbei nicht um die unzulässige Nachprüfung einer Entscheidung des Berufungsgerichts handelt (BGH, Urt. v. 11.7.1996 - III ZR 133/95, MDR 1996, 1241 = WM 1996, 2063 = NJW 1996, 3151, unter II 1; Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl., § 293 Rz. 28, jew. m. w. N.; vgl. ferner BGH BGHZ 24, 159 [164]; BGHZ 36, 348 [350 ff.]; BGHZ 40, 197 [200 f.]).
Im vorliegenden Fall kann der Senat nach eigener Prüfung an die Feststellungen anknüpfen, die das LG auf der Grundlage des Vortrags der Parteien und der von ihnen benannten Rechtsquellen zur Eigenhaftung des Vertreters einer Vertragspartei nach dem englischen und walisischen Recht getroffen hat. Danach besteht zwar keine vertragliche Haftung des Vertreters einer Vertragspartei gegenüber der anderen Vertragspartei für die hier in Rede stehende fahrlässig falsche Beratung ("negligent misrepresentation") bei Vertragsverhandlungen; vielmehr trifft die vertragliche Haftung nach dem von der Klägerin angeführten Misrepresentation Act allein den Vertretenen. Der Vertreter selbst haftet insoweit jedoch deliktsrechtlich gemäß dem Law of Torts ("tort of negligence"; Kreuzer, IPRax 1988, 16 [20] m. w. N.; vgl. Adams/Jones, Franchising, Third Edition, S. 61 f., Salmond and Heuston, Law of Torts, Twentieth Edition, S. 214 f., Müller, Vorvertragliche und vertragliche Informationspflichten nach englischem und deutschem Recht, 1994, S. 49 f.,Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl., S. 615 f., sämtlich auf Grund der obiter zu der Frage Stellung nehmenden Entscheidung des House of Lords in Sachen Hedley Byrne & Co. Ltd. v. Heller & Partners Ltd. [1964] A.C., S. 465). Demgegenüber hat die Klägerin in der Berufungsschrift unter Hinweis auf ein von ihr vorgelegtes Rechtsgutachten (dort S. 16 f.) geltend gemacht, der Vertreter hafte insbesondere bei der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens nach neuerer Tendenz auch vertraglich. Das kann indessen im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, weil auch die von der Klägerin behauptete vertragliche Haftung des Vertreters ggf. eine Pflichtverletzung in Form einer falschen Beratung voraussetzt.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung der Beklagten als Vertreterin der P. Inc. bei den Vertragsverhandlungen mit der Klägerin verneint. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin lediglich beanstandet, dass die Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten insbesondere deswegen mangelhaft sei, weil diese keine eigenen Erhebungen über die Zahl der zu erwartenden Restaurantbesucher durchgeführt habe. Diese Beanstandung ist nicht berechtigt.
aa) Zu den von der Klägerin vermissten Erhebungen über die Zahl der zu erwartenden Restaurantbesucher war die Beklagte gemäß der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts nach den Umständen nicht verpflichtet.
Wie die Revision selbst einräumt, durfte sich die Beklagte auf die von dem Zeugen W. in die Verhandlungen eingebrachte Zahl der zu erwartenden Kinobesucher verlassen, da der Zeuge als "Operations-Director" der U. GmbH einschlägige Erfahrungen besaß, er den Standort für das von ihm geplante Restaurant in dem neuen Kinocenter hinter dem Hauptbahnhof in D. selbst vorgeschlagen hatte und dieser Standort für ihn nicht zur Disposition stand. Daraus ergab sich bereits ein für den Umsatz wesentlicher Teil der potenziellen Restaurantbesucher, ohne dass es hierzu weiterer Erhebungen der Beklagten bedurfte.
Danach beschränkt sich die Beanstandung, die Beklagte habe keine eigenen Erhebungen zu der Zahl der zu erwartenden Restaurantbesucher durchgeführt, auf die Laufkundschaft, die sich aus den Straßenpassanten rekrutiert. Die Zahl der Straßenpassanten hat die Beklagte anhand der - von der Revision nicht angegriffenen - Zahl der Bahnreisenden und der sonstigen Passanten des Hauptbahnhofs D. geschätzt. Das ist nicht zu beanstanden. Zutreffend weist die Revisionserwiderung auf die erstinstanzliche Aussage des Zeugen Dr. B., seinerzeit leitender Mitarbeiter der Beklagten, hin, dass die Ermittlung der Straßenpassanten wegen der laufenden Bauarbeiten an dem Kinocenter schwierig und deswegen eine Schätzung erforderlich gewesen sei. Zudem hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten dargelegt, dass Passantenzählungen bei einer Standortanalyse für Geschäftsobjekte in der Größenordnung des hier in Rede stehenden Restaurants nicht allgemein üblich sind und letztlich auch keine absolute Gewähr für die Richtigkeit einer hierauf gegründeten Standortanalyse bieten. Dem hat die Revision nichts entgegen zu setzen.
In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht auch zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte die Klägerin nicht über die Herkunft der ihrer Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung zu Grunde gelegten Daten getäuscht hat. Sie hat vielmehr in der Wirtschaftlichkeitsberechnung darauf hingewiesen und darüber hinaus dem Zeugen W. ausdrücklich erklärt, dass sie die Zahlen von dritter Seite erhalten habe und keine Gewähr dafür übernehmen könne. Daraus ergibt sich nach der von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Auslegung des Berufungsgerichts zwar keine Haftungsfreizeichnung, jedoch ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Daten nur eine eingeschränkte Aussagekraft und Verbindlichkeit haben und nicht unerhebliche Schätzungenauigkeiten aufweisen können. Angesichts dessen hätte die Klägerin auf eigenen Erhebungen der Beklagten bestehen müssen, wenn sie darauf Wert gelegt hätte. Der Umstand, dass sie dies nicht getan hat, spricht dafür, dass sie mit der Schätzung der Straßenpassanten durch die Beklagte einverstanden war.
bb) Auch im Übrigen begegnet die Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten gemäß der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts keinen durchgreifenden Bedenken.
Die Revision erhebt keine Einwendungen dagegen, dass die Beklagte den Angaben der Deutschen Bahn AG über die Zahl der Bahnreisenden gefolgt ist und die Zahl der sonstigen Bahnhofsbesucher selbst geschätzt hat. Die hierauf beruhende Schätzung der Straßenpassanten ist nach der auf das gerichtliche Sachverständigengutachten gestützten tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts zwar methodisch mangelhaft, im Ergebnis jedoch noch vertretbar. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Ihr Vorwurf, das gerichtliche Sachverständigengutachten weise ähnliche Schwachpunkte auf wie die Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten, ist nicht berechtigt. Während die Beklagte die Zahl der Straßenpassanten ohne jede Begründung festgesetzt hat, hat der Sachverständige sie - mit einem nur unwesentlich niedrigeren Ergebnis - in mehreren Schritten aus der Zahl der Bahnreisenden und der sonstigen Bahnhofsbesucher abgeleitet und dabei jeweils ganz erhebliche Sicherheitsabschläge vorgenommen. Die Verfahrensrügen, die die Revision in diesem Zusammenhang weiter erhebt, hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gem. § 564 ZPO abgesehen.
Vergeblich wendet sich die Revision ferner dagegen, dass das Berufungsgericht die der Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten zu Grunde gelegten so genannten Fangraten ("capture rates") gebilligt hat. Die Beklagte hat diese Fangraten, die den Prozentsatz des aus Kinobesuchern und Straßenpassanten bestehenden Kundenpotenzials darstellen, der erfahrungsgemäß das Restaurant für ein Umsatzgeschäft aufsucht, nach ihrem detaillierten Vortrag bei den Straßenpassanten am unteren Ende und bei den Kinobesuchern sogar noch unterhalb der Bandbreite ihrer Erfahrungswerte angesetzt. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Klägerin diesen Vortrag substanziiert bestritten hat. Daher ist weder zu beanstanden, dass das Berufungsgericht über die Richtigkeit der Fangraten keinen Beweis erhoben hat, noch, dass der gerichtliche Sachverständige die Fangraten in seinem Gutachten ungeprüft übernommen hat.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung eines angeblich stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrages verneint. Auf einen solchen Vertrag findet ggf. gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB deutsches Recht Anwendung, da beide Parteien zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Vertragsverhandlungen ihren Sitz in Deutschland hatten. Ob ein Beratungsvertrag stillschweigend geschlossen worden ist, hat das Berufungsgericht trotz erheblicher Bedenken offen gelassen; in der Revisionsinstanz kann es zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden. Jedenfalls fehlt es aus den oben (unter II 1 b) angeführten Gründen an der Verletzung einer Beratungspflicht der Beklagten.
Fundstellen
BGHR 2004, 350 |
NJW-RR 2004, 308 |
WM 2004, 1183 |
MDR 2004, 448 |
GuT 2004, 50 |
ProzRB 2004, 193 |