Leitsatz (amtlich)
Wird die Berufung eines zur Zahlung verurteilten Beklagten auf die von diesem erklärte Aufrechnung beschränkt, ist vom Berufungsgericht nicht mehr das Bestehen der Klageforderung, sondern nur noch der Aufrechnungseinwand zu prüfen.
Normenkette
ZPO §§ 511, 519 Abs. 3 Nr. 1, § 559 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Gießen |
OLG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von den Beklagten, einer Rechtsanwaltssozietät, Herausgabe eines von der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Hameln an die Beklagten ausgezahlten Geldbetrages.
In einem Vorprozeß nahmen die Klägerin und deren damaliger Handelsvertreter P. sich gegenseitig mit Klage und Widerklage auf Zustimmung zur Auszahlung eines von der B. Bank AG im Juni 1993 beim Amtsgericht Hameln hinterlegten Geldbetrages in Höhe von 84.839,40 DM in Anspruch. Die in den Vorinstanzen unterlegene Klägerin legte Revision ein, erklärte dann aber auf eine im Namen P. ausgesprochene Androhung der Zwangsvollstreckung durch die Beklagten als dessen damalige Prozeßbevollmächtigte hin am 22. August 1995 die Freigabe des hinterlegten Betrages zugunsten P.. Die Beklagten beantragten daraufhin – unter Vorlage einer Auszahlungsbewilligung P. zu ihren Gunsten und einer auf den 30. Dezember 1994 lautenden Abtretungsvereinbarung zwischen P. und ihnen – die Auszahlung an sich. Dem entsprach die Hinterlegungsstelle. Im Revisionsverfahren stellte der Senat nach Erledigungserklärung seitens der Klägerin durch Urteil vom 13. November 1996 (VIII ZR 210/95, WM 1997, 513) hinsichtlich des Zustimmungsbegehrens der Klägerin die Erledigung der Hauptsache fest, weil die Klägerin Gläubigern des Provisionsanspruchs gegenüber der B. Bank AG gewesen sei.
Die Klägerin nimmt im vorliegenden Rechtsstreit die Beklagten auf Zahlung des ihnen zugeflossenen Hinterlegungsbetrages in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Klägerin ein Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB zustehe. Die von den Beklagten mit Schreiben vom 30. April 1997 erklärte Aufrechnung mit den gemäß der Vereinbarung vom 30. Dezember 1994 an sie abgetretenen Ansprüchen P. hat das Landgericht nicht für durchgreifend erachtet.
Die Beklagten haben ihre Berufung gegen dieses Urteil damit begründet, daß der Klägerin kein Bereicherungsanspruch mehr zustehe, weil dieser durch Aufrechnung der Beklagten mit den an sie abgetretenen Gegenansprüchen P. erloschen sei; die übrigen Ausführungen der angefochtenen Entscheidung haben die Beklagten nicht angegriffen. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB nicht zu, weil die Beklagten bei Auszahlung des Betrages durch die Hinterlegungsstelle Berechtigte gewesen seien. Die Klägerin habe ihre materielle Berechtigung an dem hinterlegten Betrag durch die Freigabeerklärung vom 22. August 1995 verloren. Dadurch sei P. Berechtigter geworden, der seine Berechtigung auf die Beklagten übertragen habe. Es könne deshalb dahinstehen, ob aufrechenbare Gegenansprüche der Beklagten aus abgetretenem Recht bestünden.
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung schon in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht stand.
Das Berufungsgericht hat unter Verstoß gegen §§ 536, 537 ZPO in Verbindung mit § 519 Abs. 3 ZPO – anders als das Landgericht – bereits das Bestehen der Klageforderung verneint, obwohl die Entscheidung des Landgerichts insoweit der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts entzogen war, weil die Beklagten ihr Rechtsmittel in zulässiger Weise auf die Aufrechnung mit an sie abgetretenen Gegenforderungen P. beschränkt hatten.
1. Die Beklagten haben ihre Berufung auf den vom Landgericht nicht für durchgreifend erachteten Aufrechnungseinwand beschränkt. Dies ergibt sich aus der im Tatbestand des Berufungsurteils zutreffend referierten Berufungsbegründung, in der die Beklagten unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 13. November 1996 im Vorprozeß die materielle Berechtigung der Klägerin an dem Hinterlegungsbetrag und den vom Landgericht daraus hergeleiteten Bereicherungsanspruch der Klägerin ausdrücklich „nicht in Frage” gestellt haben; sie haben allein geltend gemacht, daß die Klägerin aufgrund der Aufrechnung seitens der Beklagten keinen Bereicherungsanspruch „mehr” habe. Folgerichtig haben die Beklagten den Ausführungen der Klägerin in der Berufungserwiderung, die Beklagten hätten in der Berufungsbegründung den Anspruch der Klägerin auf Erstattung des an die Beklagten ausgezahlten Hinterlegungsbetrages (vorbehaltlich ihrer Aufrechnung) „anerkannt”, nicht widersprochen.
2. Diese Beschränkung der Berufung der Beklagten auf den Aufrechnungseinwand war zulässig.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist seit langem anerkannt, daß ein Rechtsmittel auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden kann (BGHZ 53, 152, 155). Dies gilt nicht nur für verschiedene selbständige Klageansprüche oder quantitativ abgrenzbare Teile von Ansprüchen, sondern auch für Verteidigungsmittel, sofern es sich hierbei um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs handelt (BGH, aaO; BGHZ 45, 287, 289). Unzulässig ist dagegen eine Beschränkung auf bloße Urteilselemente, bei denen diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.
Die Zulässigkeit einer Beschränkung des Rechtsmittels eines zur Zahlung verurteilten Beklagten auf eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bejaht (BGHZ 53, 152/155; BGHZ 109, 179, 189; BGH, Urteil vom 21. Juni 1999 – II ZR 47/98, NJW 1999, 2817 unter II.1; BGH, Urteil vom 30. November 1995 – III ZR 240/94, NJW 1996, 527 unter I.2). Der Senat teilt diesen Standpunkt.
3. Die wirksame Beschränkung eines Rechtsmittels auf einen Aufrechnungseinwand hat zur Folge, daß das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil gemäß §§ 308, 536 bzw. 559 ZPO nur aufheben oder abändern kann, soweit es angefochten ist, also nur hinsichtlich der Entscheidung der Vorinstanz über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung (vgl. BGHZ 45, 287, 289). Soweit der Streitstoff von dem zulässig beschränkten Rechtsmittel nicht erfaßt wird, unterliegt er dagegen nicht der Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts (BGH, Urteil vom 30. November 1995, aaO unter II; BGH, Urteil vom 21. Juni 1999, aaO).
Für den hier vorliegenden Fall, in dem vom Landgericht die Klageforderung bejaht und der Aufrechnungseinwand verneint worden ist, bedeutet die Beschränkung der Berufung der Beklagten auf den Aufrechnungseinwand, daß vom Berufungsgericht nicht mehr das Bestehen der Klageforderung, sondern nur noch der Aufrechnungseinwand zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 21. Juni 1999, aaO; ebenso – für den vergleichbaren Fall einer beschränkten Revision – BGH, Urteil vom 30. November 1995, aaO unter II.1).
4. Überschreitet das Berufungsgericht seine durch eine zulässige Berufungsbeschränkung eingegrenzte Prüfungskompetenz, so liegt darin ein Verfahrensfehler, der in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist, so daß es einer entsprechenden Verfahrensrüge nicht bedarf (§ 559 Abs. 2 ZPO; BGH, Urteil vom 21. Juni 1999, aaO).
III. Die Bindung durch die zulässige Beschränkung der Berufung der Beklagten auf die geltend gemachte Aufrechnung hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit über den streitigen Aufrechnungseinwand, zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, entschieden werden kann.
IV. Für die weitere Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Die Auffassung des Landgerichts, Gegenstand der Abtretungsvereinbarung vom 30. Dezember 1994 seien allein Provisionsansprüche P. gegen die B. Bank AG, nicht aber solche gegen die Klägerin, so daß die von den Beklagten erklärte Aufrechnung mit den abgetretenen Ansprüchen ins Leere gegangen sei, begegnet Bedenken. In der Vereinbarung ist zwar der Schuldner der Provisionsansprüche nicht genannt. Dies ist bei einer Forderungsabtretung aber auch nicht erforderlich, wenn der Schuldner aus den Gesamtumständen bestimmbar ist (vgl. Soergel-Zeiss, BGB, 12. Aufl., § 398 Rdnr. 5 m.w.Nachw.). Es bedarf daher nicht immer der namentlichen Bezeichnung des Schuldners (RG, Recht 1909, Nr. 3321). Da als Schuldner hier nur die B. Bank AG oder die Klägerin in Betracht kamen, wird zu prüfen sein, ob die Vereinbarung dahin zu verstehen ist, daß die Provisionsansprüche gegen den wahren Schuldner – sei es die B. Bank AG oder die Klägerin – abgetreten werden sollten.
Unterschriften
Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Dr. Wolst, Dr. Frellesen
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.06.2001 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 625215 |
BB 2001, 1764 |
BGHR 2001, 896 |
NJW-RR 2001, 1572 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 2023 |
ZAP 2001, 1316 |
MDR 2001, 1184 |