Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 10. November 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte nach einem Brandschaden aus einer Wohngebäudeversicherung in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten, mit dem ein auf dem Grundstück des Klägers in R., D.straße 24 befindliches Gebäude zum gleitenden Neuwert unter anderem gegen Feuer versichert worden ist, liegen die Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 94) zugrunde.
Vom Gebäude des Klägers wurde am 13. November 1996 durch einen Brand der Saalanbau weitgehend zerstört und ein Teil des Hauptgebäudes beschädigt. Nachdem der Kläger auf Aufforderung der Beklagten eine Noteindeckung des Daches und die Entleerung der Wasserleitungen veranlaßt hatte, forderte er von der Beklagten eine Vorauszahlung auf die ihm nach seiner Auffassung zustehende Brandentschädigung. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 27. Januar 1997 ab, weil sie ihre Ermittlungen zum Schadensfall wegen noch ausstehender Einsichtnahme in die strafrechtlichen Ermittlungsakten nicht abgeschlossen habe.
Das Grundstück des Klägers ist mit Grundpfandrechten belastet, die zu einem Gesamtbetrag von 125.000 DM an die W.-Bank AG abgetreten sind. Die Bank teilte der Beklagten mit Schreiben vom 20. Dezember 1996 mit, daß eine vorbehaltslose Freigabe der Versicherungsleistungen nicht erfolgen könne, da das Schadensobjekt als Sicherheit diene. Sie kündigte schließlich am 6. November 1997 das dem Kläger gewährte Darlehen und widersprach gegenüber der Beklagten einer Auszahlung von Versicherungsleistungen an den Kläger.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei durch den Brand ein Schaden in Höhe von 370.000 DM entstanden. Mit seiner Klage hat er zunächst einen Teilbetrag von 70.000 DM gegen die Beklagte geltend gemacht. Diese verweigert Versicherungsleistungen. Sie hat die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt und sich zur Begründung darauf berufen, der Kläger habe im Versicherungsantrag bewußt falsche Angaben zur Wohnfläche des Gebäudes gemacht. Sie hat sich überdies auf Leistungsfreiheit nach § 61 VVG berufen, weil der Kläger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger geltend gemacht, der Wiederherstellungsaufwand für das Gebäude belaufe sich auf 239.800 DM, und hat schließlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm Zug um Zug gegen Nachweis entstandener Kosten für die Wiederherstellung des Gebäudes 239.800 DM zu zahlen. Das Berufungsgericht hat durch Grundurteil den Anspruch des Klägers für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten, die ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe
Da der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, war durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund umfassender Sachprüfung zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81 f.).
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen Annahme, der Anspruch des Klägers sei dem Grunde nach gerechtfertigt, erweist sich als rechtsfehlerhaft.
I.
1. Das Berufungsgericht führt aus: Der Kläger verlange von der Beklagten den Ersatz der Wiederherstellungskosten für das Gebäude. Diesem Anspruch stünden die Vorschriften der §§ 1128, 1192 BGB nicht entgegen. Zwar habe die Grundschuldgläubigerin der Auszahlung von Versicherungsleistungen an den Kläger widersprochen, der Kläger begehre jedoch nicht den Ersatz des Zeitwertes, sondern die Wiederherstellungskosten. Deren Auszahlung an den Kläger sei der Grundschuldgläubigerin gegenüber wirksam, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes gesichert sei (§§ 1130, 1192 BGB i.V. mit § 97 VVG). Letzteres sei dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer Bauverträge über die zu erbringenden Reparaturleistungen verbindlich abgeschlossen habe. Diese Voraussetzungen könne der Kläger aber erst nach Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach erfüllen. Ohne diese Feststellung sei es dem Kläger nicht zuzumuten, Bauverträge abzuschließen, für deren Erfüllung er im Hinblick auf Leistungen der Beklagten nicht sicher einstehen könne. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen gemäß § 15 Nr. 1 b VGB 94 dem Grunde nach zu.
Diese Erwägungen tragen den Erlaß des angefochtenen Grundurteils nicht.
2. a) Das Berufungsgericht hält einen Anspruch des Klägers auf „Ersatz der Wiederherstellungskosten” für dem Grunde nach gerechtfertigt, den es auf § 15 Nr. 1 b VGB 94 stützt. Es geht demnach von einem vom Kläger verfolgten Anspruch auf Ersatz der notwendigen Reparaturkosten, also von einem Anspruch auf Entschädigungsleistungen wegen eines Teilschadens aus. Der durch § 15 Nr. 1 b VGB 94 gewährte Anspruch wird allerdings in der hier genommenen Versicherung zum gleitenden Neuwert – auch soweit es um den Ersatz von Reparaturkosten geht – durch die in § 15 Nr. 4 VGB 94 getroffene Regelung eingeschränkt (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. zu R IV Rdn. 38). Danach erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden (§ 14 Nr. 1 b VGB 94) übersteigt, nur soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, daß er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. Es handelt sich bei § 15 Nr. 4 VGB 94 mithin um eine sogenannte strenge Wiederherstellungsklausel (zum Begriff vgl. Langheid in Römer/Langheid, VVG § 97 Rdn. 7, 8; Martin, aaO R IV Rdn. 6 ff.), nach der die Sicherstellung der Verwendung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens ist, der über den Zeitwertschaden hinausgeht (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1988 – IVa ZR 100/87 – VersR 1988, 925 unter II 1 a). Unterläßt der Versicherungsnehmer die Sicherstellung dieses Teils der Ersatzleistung zur Wiederherstellung oder die Wiederherstellung selbst, so beschränkt sich der Anspruch – auch aus § 15 Nr. 1 b VGB 94 – auf den Ersatz des Zeitwertschadens (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 1984 – IVa ZR 149/82 – VersR 1984, 843 unter III).
b) Vor diesem Hintergrund erweist es sich als zumindest mißverständlich, wenn das Berufungsgericht zwar einerseits von einem Anspruch auf Ersatz der Wiederherstellungskosten ausgeht, andererseits aber meint, der Kläger begehre den Ersatz des Zeitwertschadens nicht. Denn der Anspruch auf Ersatz der Wiederherstellungskosten ist – gehen diese über den Zeitwertschaden hinaus – auf den Zeitwertschaden und die – ergänzende – Neuwertspanne gerichtet. Jedenfalls aber erkennt das Berufungsgericht letztlich zutreffend, daß dem Kläger der begehrte Ersatz der Wiederherstellungskosten unter Einschluß der Neuwertspanne nur dann zusteht, wenn er die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung der versicherten Sachen sichergestellt hat (§ 15 Nr. 4 VGB 94). Daß der Kläger aber auch nur im Ansatz für eine solche Sicherstellung (vgl. dazu Langheid, aaO § 97 Rdn. 20; BerlKomm/Dörner/Staudinger, VVG § 97 Rdn. 16) Sorge getragen hat, behauptet er selbst nicht; auch das Berufungsgericht geht davon nicht aus. Deshalb fehlt es – wie das Berufungsgericht verkennt – bereits an einer Anspruchsvoraussetzung für den Ersatz der Neuwertspanne; der darauf gerichtete Anspruch ist noch nicht entstanden. Der Erlaß eines Grundurteils über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Wiederherstellungskosten, der den Anspruch auf die Neuwertspanne einschließt, kam deshalb im vorliegenden Falle von vornherein nicht in Betracht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Kläger Zahlung nur Zug um Zug gegen den Nachweis entstandener Kosten begehrt hat. Denn dem Kläger steht hinsichtlich der Neuwertspanne gegen die Beklagte mangels der von § 15 Nr. 4 VGB 94 geforderten Verwendungssicherstellung noch kein Anspruch auf die Neuwertspanne zu.
c) Was einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der Reparaturkosten auf der Basis des Zeitwertschadens anlangt, fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts zu dessen Höhe. Der Zeitwertschaden müßte – da der Kläger Zahlung an sich verlangt – jedenfalls höher sein als die durch Grundpfandrechte gesicherte Forderung der W.-Bank AG über 99.000 DM. Wenngleich die vereinbarten Versicherungsbedingungen für die Entschädigung des Zeitwertschadens keine Zweckbindung schaffen, bleibt auch insoweit zu beachten, daß sich Hypotheken und Grundschulden auf die Forderung gegen den Versicherer erstrecken (§§ 1127, 1192 BGB); wegen der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen verweist § 1128 Abs. 3 BGB auf die §§ 1281, 1282 BGB (vgl. Senatsurteil vom 9. Januar 1991 – IV ZR 97/89 – VersR 1991, 331 unter I). Danach kann der Versicherungsnehmer selbst bei noch fehlender Pfandreife insoweit Leistungen nur an den Grundpfandgläubiger und sich selbst gemeinsam fordern. Erhebt der Versicherungsnehmer insoweit Klage auf Leistung an sich, ist die Klage unbegründet (MünchKomm/Damrau, BGB 3. Aufl. § 1281 Rdn. 8). Daß es einen von diesen Beschränkungen freien Zeitwertschaden über 99.000 DM gibt, hat das Berufungsgericht aber bislang – seiner Auffassung folgend – nicht festgestellt. Deshalb fehlt es auch, was die Entschädigung des Zeitwertschadens anlangt, an den Voraussetzungen für den Erlaß eines Grundurteils.
II.
Dagegen hält das Berufungsurteil den von der Revision weiterhin erhobenen Rügen stand.
1. Die Revision meint, der Erlaß eines Grundurteils stelle sich insbesondere als verfahrensfehlerhaft dar, weil sich das Berufungsgericht nicht damit auseinandergesetzt habe, daß die Beklagte – wie sie meint – gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG leistungsfrei sei. Diese Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil der Kläger den Anspruch fristgerecht gerichtlich geltend gemacht hat, Leistungsfreiheit der Beklagten also nicht in Betracht kommt.
Eine Leistungsablehnung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG hat die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 9. September 1997 erklärt. Da zu dieser Zeit der Rechtsstreit zwischen den Parteien über eine vom Kläger geforderte Abschlagszahlung auf die vom Versicherer zu leistende Entschädigung bereits rechtshängig war, könnte die Rechtsfolge des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG – wie die Revision auch nicht verkennt – ohnehin nur hinsichtlich eines 70.000 DM übersteigenden Anspruchs auf Versicherungsleistungen eingreifen. Aber auch dem steht entgegen, daß der Kläger mit der bereits erhobenen Teilklage die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG für den gesamten Anspruch gewahrt hat. Denn der Kläger hat noch innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG klargestellt, daß er nicht mehr Abschlag verlange, sondern mit der Klage einen Teil der Versicherungssumme fordere (Sitzungsprotokoll vom 7. Oktober 1997); er hatte zudem bereits mit der Klage vorgetragen, daß sich der Gesamtschaden auf etwa 370.000 DM belaufe. Der Kläger hat demgemäß noch innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG ausdrücklich einen Teilbetrag seiner Gesamtforderung gegen den Versicherer geltend gemacht. Das genügte, um die Frist für den gesamten Anspruch zu wahren (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 1968 – IV ZR 529/68 – VersR 1969, 171, 172; vom 27. Februar 1991 – IV ZR 66/90 – VersR 1991, 450 unter 1 b). Denn die Beklagte konnte mit der ausdrücklichen Kennzeichnung der eingeklagten Forderung als „Teil der Versicherungssumme” erkennen, daß der Kläger auf dem Gesamtanspruch aus dem Schadensereignis beharrte.
2. Dem Erlaß eines Grundurteils stand nach Auffassung der Revision schließlich entgegen, daß nach dem Vortrag der Beklagten eine Unterversicherung vorgelegen habe; die angefochtene Entscheidung stelle nicht fest, daß auch unter Berücksichtigung dieser Einwendung noch ein Anspruch in irgendeiner Höhe bestehen bleibe. Mit diesem Einwand mußte sich das Berufungsgericht jedoch nicht auseinandersetzen.
Nach Maßgabe des Versicherungsscheins vom 17. Juni 1996 ist die Versicherungssumme aufgrund der Antragsfragen nach Größe und Bauart des Gebäudes gemäß § 16 Nr. 3 c VGB 94 vom Versicherer ermittelt worden. Bei einer auf diesem Wege erfolgten Ermittlung der Versicherungssumme nimmt der Versicherer aber gemäß § 16 Nr. 4 VGB 94 keinen Abzug wegen Unterversicherung vor. Der damit vereinbarte Unterversicherungsverzicht gilt gemäß § 16 Nr. 5 VGB 94 nur dann nicht, wenn die Beschreibung des Gebäudes und seiner Ausstattung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht und diese Abweichung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht; das ist vom Versicherer zu beweisen (vgl. Martin, aaO zu S IV Rdn. 38). Daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle aber nicht gegeben waren, hat das Berufungsgericht bereits im Rahmen seiner Erwägungen zu der von der Beklagten erklärten Anfechtung festgestellt. Verfahrensrügen hat die Revision hierzu nicht erhoben.
3. Soweit sich die Revision schließlich mit einer Verfahrensrüge gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, mit dem Versicherungsvertrag sei das gesamte Anwesen des Klägers gegen Feuer versichert worden, hat der Senat diese geprüft; sie greift nicht durch (§ 565a ZPO).
III.
Die aus den zu I. dargelegten Gründen gebotene Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Sie gibt den Parteien Gelegenheit, zur Frage des Zeitwertschadens und der Neuwertspanne unter Beachtung der aufgezeigten rechtlichen Differenzierungen ergänzend vorzutragen.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Prof. Römer, Dr. Schlichting, Terno, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.12.2000 durch Heinekamp Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BauR 2001, 1002 |
NJW-RR 2001, 525 |
NVersZ 2001, 179 |
VersR 2001, 326 |