Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschlossener Immobilienfonds. Kreditfinanzierter Beitritt. Haustürwiderrufsgesetz. Zurechenbare Haustürsituation. Abtretung des Fondsanteils. Anspruch auf Zins- und Tilgungsratenrückzahlung
Leitsatz (amtlich)
a) Auf einen kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds kommen die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes auch dann zur Anwendung, wenn das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder erloschen ist.
b) Die Haustürsituation ist der den Beitritt finanzierenden Bank jedenfalls dann zurechenbar, wenn sie dem von dem Fonds eingeschalteten Vermittler die Anbahnung auch des Kreditvertrages überlässt und wenn auf Grund des Inhalts der Kreditunterlagen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger in einer Haustürsituation geworben worden ist.
c) Nach einem Widerruf gem. § 1 HaustürWG ist der Anleger nicht verpflichtet, der Bank die Darlehensvaluta zurückzuzahlen. Er hat lediglich seinen Fondsanteil an die Bank abzutreten. Umgekehrt schuldet ihm die Bank Rückzahlung der geleisteten Zins- und Tilgungsraten abzgl. der vereinnahmten Erträgnisse.
Normenkette
HaustürWG §§ 1, 3 in der bis 30.9.2000 geltenden Fassung
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 27.11.2001; Aktenzeichen 30 U 276/01) |
LG Augsburg |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 30. Zivilsenats des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 27.11.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger unterzeichneten am 30.6.1997 eine "Beitrittserklärung" zu der E. KG ER. Beteiligungs GmbH & Co, einem geschlossenen Immobilienfonds (im Folgenden: Fonds). Danach beteiligten sie sich an dem Fonds über die ER. Verwaltungs GmbH als Treuhandkommanditistin mit einer Einlage i.H.v. 70.000 DM. Die Vertragsverhandlungen fanden in der Wohnung der Kläger statt auf Initiative und unter Beteiligung einer Frau T. - jetzt: B. -, Mitarbeiterin des Vermittlungsunternehmens I. GmbH, das von dem Fonds mit der Anwerbung von Anlegern beauftragt worden war. Die Beteiligung der Kläger sollte in vollem Umfang durch einen Kredit der beklagten Bank finanziert werden. Nachdem die Kläger dazu ebenfalls am 30.6.1997 eine Selbstauskunft abgegeben hatten, unterschrieben sie am 28.7.1997 ein ihnen von Frau B. vorgelegtes und bereits gegengezeichnetes Darlehensvertragsformular der Beklagten über ein Darlehen i.H.v. - einschließlich Disagio und Bearbeitungsgebühr - 83.522 DM. Die Netto-Darlehenssumme i.H.v. 73.500 DM - davon 3.500 DM als Agio - wurde von der Beklagten an den in der Beitrittserklärung bezeichneten Mittelverwendungstreuhänder gezahlt.
Mit Anwaltsschreiben v. 10.3.2000 an den Vertreter des Fonds widerriefen die Kläger ihren Beitritt und erklärten zugleich die Kündigung ihrer Beteiligung und die Anfechtung der Beitrittserklärung. Mit Schreiben vom selben Tage an die Beklagte verweigerten sie die weiteren Zins- und Tilgungszahlungen und verlangten Rückzahlung der bereits geleisteten Raten, Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Beteiligung an dem Fonds. Sowohl der Fonds als auch die Beklagte wiesen das Begehren der Kläger mit der Begründung zurück, eine Kündigung sei frühestens zum 31.12.2011 möglich.
Die Kläger haben behauptet, die Vermittlerin B. habe ihnen erklärt, die Beteiligung an dem Fonds und der Darlehensvertrag könnten jederzeit mit sofortiger Wirkung gekündigt werden, wenn sich ihre finanziellen Verhältnisse nachteilig ändern würden.
Mit der Klage verlangen sie Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten 17.061 DM und Feststellung, dass zwischen ihnen und der Beklagten kein wirksamer Darlehensvertrag bestehe und sie insb. nicht verpflichtet seien, an die Beklagte aus dem Darlehensvertrag Zins- und Tilgungsbeträge zu entrichten.
Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt ist die Klage schon deshalb begründet, weil der Darlehensvertrag der Parteien unwirksam ist. Die Kläger waren berechtigt, ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung, jetzt § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) zu widerrufen.
1. Das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen, weil es gemeint hat, dass ein Widerruf des Fondsbeitritts zu keinen anderen Rechtsfolgen führen könne als eine fristlose Kündigung wegen arglistiger Täuschung. Daraus ergebe sich aber nur ein Abfindungsanspruch gegen die Fondsgesellschaft, der auch über § 9 Abs. 3 VerbrKrG der Bank nicht entgegengesetzt werden könne. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.
2. Wie der Senat in der Entscheidung vom heutigen Tage in der Parallelsache - II ZR 395/01, ausgesprochen und begründet hat, finden auf eine Darlehensvertragserklärung, die ein Verbraucher in einer Haustürsituation abgibt oder zu der er in einer solchen Situation veranlasst wird, auch dann die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes Anwendung, wenn der Darlehensvertrag zugleich die Voraussetzungen eines Vertrags nach dem Verbraucherkreditgesetz erfüllt. So liegt der Fall hier. Die Kläger sind von der Vermittlerin B. - wie der Senat auf Grund des Sachvortrags der Parteien und mangels entgegenstehender, zu weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts Anlass gebender Umstände selbst feststellen kann - in ihrer Wohnung aufgesucht worden und haben dort den Darlehensvertrag unterschrieben. Der Vertrag erfüllt damit auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VerbrKrG. Aus den soeben genannten Gründen ist der Umstand, dass das damit zugleich begründete Widerrufsrecht nach § 7 Abs. 1 VerbrKrG (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung) auf Grund der von den Klägern gesondert unterzeichneten Belehrung über das Widerrufsrecht, jedenfalls aber wegen Ablaufs der Jahresfrist aus § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG mittlerweile erloschen ist, für das Recht zum Widerruf nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG ohne Bedeutung.
3. Die von der Vertriebsorganisation des Fonds geschaffene Haustürsituation ist der Beklagten zurechenbar.
Dafür ist auf die Grundsätze abzustellen, die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelt worden sind (BGH, Urt. v. 12.11.2002 - XI ZR 3/01, MDR 2003, 225 = BGHReport 2003, 235 = NJW 2003, 424 [425] = ZIP 2003, 22 [24 f.]; v. 15.7.2003 - XI ZR 162/00, BGHReport 2003, 1340 = ZIP 2003, 1741 [1743]; v. 20.1.2004 - XI ZR 460/02, BGHReport 2004, 595 = MDR 2004, 582 = DB 2004, 647 [648]). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen musste. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügt, dass die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mussten, sich zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9.4.1992 - IX ZR 145/91, MDR 1992, 961 = NJW-RR 1992, 1005 [1006] = ZIP 1992, 755 [756]).
Auch wenn die Beklagte nicht schon gewusst haben sollte, dass die Fondsbeteiligungen einschließlich der Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen doch jedenfalls verpflichtet, sich bei den Initiatoren des Fonds oder dem Vermittlungsunternehmen I. GmbH oder dessen Mitarbeiterin B. über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen. Sie hatte der I. GmbH nicht nur ihre Vertragsformulare überlassen, sondern das für die Kläger bestimmte Formular sogar schon gegengezeichnet. Die I. GmbH hatte ihren Sitz in G. Die Kläger wohnen dagegen in A. Ausweislich des Inhalts des Darlehensvertrags haben sie das Schriftstück auch dort unterschrieben. Damit war aus der Sicht der Beklagten von einer Haustürsituation auszugehen, musste sich ihr dieser Eindruck jedenfalls aufdrängen.
4. Das Widerrufsrecht der Kläger nach dem Haustürwiderrufsgesetz ist nicht durch Fristablauf erloschen.
Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 S. 2 und 3 HaustürWG (in der bis zum 30.9.2000 gültigen Fassung) nicht zu laufen begonnen. Die mit dem Darlehensvertragsformular verbundene Widerrufsbelehrung genügt nämlich nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 HaustürWG.
Die von den Klägern unterzeichnete Erklärung enthält den Zusatz, dass im Falle des Widerrufs des Darlehensvertrags auch der Beitrittsvertrag nicht wirksam zustande komme. Eine derartige Widerrufsbelehrung erfüllt nicht die Anforderungen des § 2 HaustürWG. Danach darf die Belehrung über das Widerrufsrecht keine "anderen" Erklärungen als die in § 2 HaustürWG genannten enthalten. Das aber ist hier mit dem Hinweis auf den Beitrittsvertrag der Fall.
5. Als Rechtsfolge des Widerrufs sind die Vertragspartner gem. § 3 Abs. 1 S. 1 HaustürWG (§§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1 S. 1 BGB in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung) verpflichtet, dem jeweils anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
Danach hat die Beklagte den Klägern die von ihnen gezahlten Zins- und Tilgungsraten zurückzuzahlen (vgl. BGH v. 12.11.2002 - XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331 [336] = MDR 2003, 224 = BGHReport 2003, 186). Dabei sind allerdings die Zahlungen zu verrechnen, die von dem Fonds an die Kläger ausgekehrt worden sind, weil die Kläger sonst im Rahmen der Rückabwicklung besser gestellt würden, als sie ohne den Fondsbeitritt gestanden hätten. Dazu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Das ist im Rahmen der erneuten Verhandlung nachzuholen. Der Einwand der Beklagten, auch die Steuervorteile der Kläger seien unberücksichtigt geblieben, ist dagegen unbegründet. Etwaige bleibende Steuervorteile der Kläger sind nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs nur im Rahmen von Schadensersatzansprüchen zu berücksichtigen, nicht dagegen auch bei der Rückabwicklung nach § 3 HaustürWG. Insoweit spielen nur die Leistungen eine Rolle, die im Verhältnis der an dem Verbundgeschäft Beteiligten geflossen sind. Dazu gehören etwaige Steuervorteile des Anlegers nicht.
Die Kläger sind dagegen nicht verpflichtet, der Beklagten die Darlehensvaluta zurückzugewähren. Sie haben der Beklagten vielmehr nur den mit dem Darlehen finanzierten Gesellschaftsanteil - in Form der Rechte ggü. dem Treuhänder - zu übertragen. Dem stehen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Grundsätze über den fehlerhaften Gesellschaftsbeitritt nicht entgegen.
Wie der Senat in der Entscheidung vom heutigen Tage in der Parallelsache - II ZR 395/01, dargelegt hat, besteht die empfangene und damit nach § 3 HaustürWG zurückzugewährende Leistung der Bank jedenfalls dann nicht in der Darlehensvaluta, sondern in der mit dem Darlehen finanzierten - unmittelbaren oder durch einen Treuhänder vermittelten - Gesellschaftsbeteiligung, wenn der Darlehens- und der Beitrittsvertrag ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG darstellen. Weiter hat der Senat ausgeführt, dass auch bei einem kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds ein verbundenes Geschäft vorliegen kann und dass die dafür erforderliche wirtschaftliche Einheit zwischen dem Darlehens- und dem Beitrittsvertrag dann unwiderruflich vermutet wird, wenn sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung der Initiatoren des Fonds bedient. Das hat die Beklagte hier getan, indem sie dem von den Initiatoren des Fonds eingeschalteten Vermittlungsunternehmen ihre Vertragsformulare überlassen hat.
II. Damit kommt es für die Entscheidung nicht mehr darauf an, ob die Klage auch auf Grund eines Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriffs nach § 9 VerbrKrG begründet ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 395/01).
Fundstellen
Haufe-Index 1193366 |
DStR 2004, 1358 |
NJW 2004, 2735 |
EWiR 2004, 857 |
IBR 2004, 656 |
NZM 2004, 669 |
WM 2004, 1527 |
ZfIR 2004, 654 |
VuR 2004, 385 |
BKR 2004, 367 |
Info M 2004, 23 |
ZBB 2004, 412 |
JWO-VerbrR 2004, 250 |