Entscheidungsstichwort (Thema)
Schutzbereich eines Patents. Anforderungen an Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln
Leitsatz (amtlich)
Hat das Berufungsgericht eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln nicht geprüft, weil sie vom Kläger nicht geltend gemacht worden ist und nach seiner vom Berufungsgericht geteilten Rechtsauffassung zu ihrer Geltendmachung auch kein Anlass bestand, so ist die Sache zur Prüfung einer äquivalenten Verletzung gleichwohl nur dann an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wenn der Kläger in der Revisionsinstanz aufzeigt, inwiefern im wiedereröffneten Berufungsrechtszug tatsächliche Feststellungen zu erwarten sind, aus denen sich ergibt, dass die angegriffene Ausführungsform nach ihrer ggf. durch ergänzenden Tatsachenvortrag zu erläuternden tatsächlichen Ausgestaltung die Voraussetzungen der Äquivalenz erfüllt.
Normenkette
EPÜ Art. 69; PatG § 14; ZPO § 563 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 26.11.2003; Aktenzeichen 6 U 153/00) |
LG Mannheim (Urteil vom 28.07.2000; Aktenzeichen 7 O 483/99) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 26.11.2003 aufgehoben und das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Mannheim vom 28.7.2000 abgeändert, soweit auf die Widerklage erkannt worden ist. Die Widerklage wird abgewiesen.
Die erst- und zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben zu 1/10 die Kläger und zu 9/10 die Beklagte zu tragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte war Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 542 144 (Klagepatents). Das Klagepatent wurde am 6.11.1992 angemeldet, der Hinweis auf die Patenterteilung am 21.5.1997 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents ist auf die nunmehrige Patentinhaberin umgeschrieben worden. In einem von dritter Seite angestrengten Nichtigkeitsverfahren hat die nunmehrige Patentinhaberin das Klagepatent beschränkt verteidigt. Durch Urteil vom 29.7.2007 hat das BPatG das Klagepatent dementsprechend und unter Abweisung der weitergehenden Nichtigkeitsklage teilweise für nichtig erklärt. Die dagegen eingelegte Berufung der Nichtigkeitsklägerin hat der BGH durch Urteil vom 12.3.2009 zurückgewiesen (Xa ZR 158/04, GRUR 2009, 835 - Crimpwerkzeug II). Patentanspruch 1 hat danach folgende Fassung erhalten (in den Hauptanspruch zusätzlich aufgenommene Merkmale kursiv):
"Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) od. dgl. durch Verformen von Klemmorganen (90, 90a) des Kontaktelements (88) mittels Druckelementen eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs (84), bei der eine um die Achse (A) eines in Druckrichtung weisenden Arretierbolzens (16) od. dgl. Halteorgans drehbar und druckorganseitig vorgesehene Verstellscheibe (13) des Crimpwerkzeuges (84) einer klemmorganseitigen weiteren Verstellscheibe (14) des Crimpwerkzeuges (84) koaxial drehbar zugeordnet ist, wobei beide Verstellscheiben jeweils mit zumindest einer in Druckrichtung (x) spiralartig ansteigenden Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass die erste druckorganseitige Verstellscheibe (13) zur Bestimmung der Presstiefe mit Auflagepunkten (97d, 98d) einer Druckplatte (15) zusammenwirkt und die weitere Verstellscheibe (14) sich zum Verstellen eines Isolations-Crimpers (76) an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt, dass sich zwei Ringflächen (65, 68) der ersten druckorganseitigen Verstellscheibe (13) in Umfangsrichtung über etwa 360° erstrecken, gegeneinander um 180° versetzt und in radialer Richtung aufeinanderfolgend angeordnet sind, und dass die Druckplatte (15) an ihrer Oberfläche (96) mit zwei teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97d, 98d) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte für die druckorganseitige Verstellscheibe (13) versehen ist."
Rz. 2
Die Klägerin zu 1), deren Geschäftsführer der Kläger zu 2) ist, stellt unter der Herstellerbezeichnung 95.1.27.200000 ein Crimpwerkzeug zum Verbinden eines Drahtes mit einem Stecker, Kontaktelement oder dgl. her, das in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben werden soll und in der als Anlage K1 überreichten Werbeschrift dargestellt ist (angegriffene Ausführungsform).
Rz. 3
Das LG hat der im Revisionsverfahren noch allein interessierenden Widerklage auf Unterlassung von Angebot und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsform stattgegeben. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstreben die Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Abweisung der Widerklage.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Abweisung der Widerklage.
Rz. 5
I. Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes mit einem Kontaktelement oder dergleichen durch Verformen von Klemmorganen des Kontaktelements mittels Druckorganen eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs.
Rz. 6
Wie die Klagepatentschrift ausführt, bestehen Vorrichtungen für die Kabelkonfektionierung - beispielsweise für das feste Verbinden von Drahtenden mit Steckern und Kabelschuhen - üblicherweise aus einer Anschlagpresse mit vertikal bewegtem Pressstempel, der auf einen Druckkopf des darunter angeordneten Crimpwerkzeuges einwirkt. In dem Crimpwerkzeug sind Crimpstempel vorgesehen, die nach unten geführt werden und ein horizontal eingeschobenes Steckerorgan oder dgl. Kontaktelement an einem Kabel- oder Drahtende festlegen (vgl. Klagepatentschrift Sp. 1 Z. 10 bis 20). An dem Kontaktelement befinden sich hierzu zwei Klemmfahnen, von denen die eine um das abisolierte Drahtende gebogen und dort festgepresst wird, um durch Kaltverschweißen eine dauerhafte elektrisch leitende Verbindung zwischen Kontaktelement und Draht herzustellen. Die zweite Klemmfahne wird auf dem isolierten Ende des Leitungsdrahtes festgepresst, um Kontaktelement und Leitungsdraht zugfest miteinander zu verbinden. Um beide Klemmfahnen in einem Arbeitsgang umbiegen zu können, weisen die Crimpwerkzeuge zwei nebeneinander angeordnete Crimpstempel auf, die auf unterschiedliche Crimphöhen eingestellt werden. Die Crimphöhe der einwirkenden Stempelkanten wird hierbei in Abhängigkeit von den Drahtquerschnitten bzw. der Form des Kontaktelements von Hand eingestellt (vgl. Klagepatentschrift Sp. 1 Z. 22 bis 26).
Rz. 7
Nach den Ausführungen in der Klagepatentschrift war es im Stand der Technik bekannt, zur Einstellung der Crimphöhen gemäß der deutschen Auslegeschrift 1 515 395 Drehköpfe mit Flächen unterschiedlicher Höhe einzusetzen. Daran wird jedoch als nachteilig aufgezeigt, dass die verschiedenen Höhenniveaus in ihrer Zahl vorgegeben seien. Dies habe zur Folge, dass der Verstellbereich bei Übernahme des Werkzeugs auf eine andere Presse mit einem anderen Maß und anderen Totpunkten oder für Kontakte mit einem großen Bereich des an ihnen anzuschlagenden Kabels ggf. nicht mehr ausreiche (vgl. Klagepatentschrift Sp. 1 Z. 26 bis 37). An den ebenfalls bekannten Keilverstellungen, die ein stufenloses Verstellen des Isolations- bzw. Drahtcrimpers gestatten würden, wird in der Klagepatentschrift kritisiert, dass man ein Werkzeug zum Lösen von Gewindestiften benötige, kein kontrolliertes Einstellen möglich sei und der Druckpunkt der Presse außerhalb des Mittelpunktes des Werkzeuges liege oder einseitig orientiert sei (vgl. Klagepatentschrift Sp. 1 Z. 41 bis 51). Die aus der internationalen Patentanmeldung WO 88/09576 bekannte Einstellung der Schließhöhe mit Hilfe von zwei einander zugeordneten, relativ zueinander drehbaren Verstellscheiben erlaube nur einen radial vergleichsweise geringen Verstellbereich und erfordere ein Einschrauben des zentralen Bolzens in die Presse, um das Werkzeug einzusetzen, weshalb ein schneller Werkzeugwechsel nicht erreichbar sei (vgl. Klagepatentschrift Sp. 1 Z. 53 bis Sp. 2 Z. 8).
Rz. 8
Vor diesem Hintergrund betrifft das Klagepatent das technische Problem, eine Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes mit einem Kontaktelement oder dgl. zu schaffen, die im Hinblick auf die Höheneinstellung und den Höheneinstellbereich verfeinert bzw. erweitert ist und darüber hinaus zu vorhandenen Pressen nachrüstbar und mit diesen automatisch steuerbar sein soll (vgl. Klagepatentschrift Sp. 2 Z. 9 bis 16).
Rz. 9
Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 des Klagepatents in seiner maßgeblichen Fassung, die er im Nichtigkeitsverfahren gefunden hat, eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1. Die Vorrichtung dient dem Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) oder dergleichen durch Verformen von Klemmorganen (90, 90a) des Kontaktelements mittels Druckelementen und verfügt über a) eine Presse, b) ein Crimpwerkzeug (84), das auswechselbar in der Presse angeordnet ist, c) einen Arretierbolzen (16) oder dergleichen Halteorgan, d) eine Druckplatte (15) und e) zwei Verstellscheiben (13, 14) des Crimpwerkzeugs (84), die jeweils mit zumindest einer Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind, die in Druckrichtung spiralartig ansteigt. 2. Die erste Verstellscheibe (13) ist a) druckorganseitig um die Achse (A) des Arretierbolzens drehbar angeordnet und b) wirkt zur Bestimmung der Presstiefe mit Auflagepunkten (97d, 98d) der Druckplatte (15) zusammen. 3. Dazu sind an der ersten Verstellscheibe (13) zwei Ringflächen (65, 68) vorgesehen, die a) sich in Umfangsrichtung über etwa 360° erstrecken, b) gegeneinander um 180° versetzt sind und c) in radialer Richtung aufeinander folgend angeordnet sind. 4. Die Auflagepunkte (97d, 98d) für die erste Verstellscheibe (13) werden durch zwei an der Oberfläche (96) der Druckplatte (15) angeordnete Druckflächen gebildet, die a) teilkreisförmig sind, b) um 180° Grad versetzt sind und c) eine ansteigende Oberfläche aufweisen. 5. Die zweite Verstellscheibe (14) a) ist klemmorganseitig vorgesehen und der ersten Verstellscheibe (13) koaxial drehbar zugeordnet und b) verstellt einen Isolationscrimper (76), indem sie sich an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt.
Rz. 10
Ein Ausführungsbeispiel für eine patentgemäße Vorrichtung ist in der nachfolgenden Explosionszeichnung (Figur 14 der Klagepatentschrift) wiedergegeben:
Rz. 11
II. Das Berufungsgericht hat die Kläger zur Unterlassung mit der Begründung verurteilt, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche wortsinngemäß ("unmittelbar") neben den übrigen Merkmalen auch die zwischen den Parteien streitigen Merkmale 1e, 2b, 4 und 5b des Klagepatents (entsprechend Merkmalen f, g, j und h nach der Merkmalsgliederung des Berufungsurteils).
Rz. 12
Merkmal 1e (f) sei so zu verstehen, dass bei vorgegebener Drehrichtung der Verstellscheibe im Uhrzeigersinn, gesehen in Richtung positiver x-Achse (in Druckrichtung [x]), die spiralige Ringfläche der Verstellscheibe in Richtung positiver x-Achse gedreht werde. In dieser Sicht werde der Durchschnittsfachmann von der Patentbeschreibung bestätigt, die mehrfach davon spreche, dass die Ringfläche bzw. die komplementäre Druckfläche eine "im Uhrzeigersinn ansteigende Steigung" aufweise. Über die Lage und Anordnung der Ringflächen mache das Klagepatent dagegen keine Aussagen. Für das Merkmal sei allein die Druckrichtung (der Drehsinn) der Verstellscheibe in Richtung Druckkraft maßgeblich. In diesem Sinne erfolge bei der angegriffenen Ausführungsform sowohl die Verstellung des Drahtcrimpwerkzeuges als auch die Verstellung der Presstiefe für den Isolationscrimpstempel durch Drehen der Verstellscheibe im Uhrzeigersinn in Richtung positiver x-Achse. Auch bei der angegriffenen Ausführungsform wirke zur Bestimmung der Presstiefe die Verstellscheibe mit Auflagepunkten einer Druckplatte zusammen (Merkmal 2b [g]). Diese seien bei der angegriffenen Ausführungsform in Gestalt korrespondierender Ringflächen verwirklicht (Merkmal 4 [j]). Schließlich stütze sich bei der angegriffenen Ausführungsform die untere Verstellscheibe an der oberen im Sinne von Merkmal 5b (h) ab.
Rz. 13
III. Auf das Unterlassungsbegehren der Beklagten hat die nach Erlass des Berufungsurteils erfolgte Übertragung und Umschreibung des deutschen Teils des Klagepatents gem. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO keine Auswirkungen (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.1978 - X ZR 42/76, BGHZ 72, 236 - Aufwärmevorrichtung).
Rz. 14
Jedoch hält die Beurteilung des Berufungsgerichts der Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht in vollem Umfang stand. Die Annahme einer wortsinngemäßen Verletzung von Patentanspruch 1 des Klagepatents in der nun maßgeblichen Fassung beruht in einem entscheidenden Punkt auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Patentanspruchs.
Rz. 15
1. Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent geschützt ist, ist gem. Art. 69 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche. Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGH, Urt. v. 17.4.2007 - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88 Rz. 14 - Ziehmaschinenzugeinheit, m.w.N.). Dafür ist entscheidend, wie der Patentanspruch nach objektiven Kriterien aus fachlicher Sicht zu bewerten ist. Es ist also durch Bewertung seines Wortlauts aus der Sicht des Fachmanns zu bestimmen, was sich aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als Lehre zum technischen Handeln ergibt, die unter Schutz gestellt ist (BGH, Beschl. v. 29.6.2010 - X ZR 193/03, GRUR 2010, 858 Rz. 13 - Crimpwerkzeug III). Die in diesem Sinne gebotene Auslegung des Patentanspruchs hat unter Berücksichtigung der Beschreibung und Zeichnungen zu erfolgen, die dazu dienen, die durch den Patentanspruch geschützte technische Lehre zu erläutern und typischerweise anhand eines oder mehrerer Ausführungsbeispiele zu verdeutlichen (BGH, Urt. v. 4.2.2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rz. 20 - Gelenkanordnung, m.w.N.). Als Rechtsfrage kann die Frage, wie ein Patentanspruch auszulegen ist, vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden (BGH, Urt. v. 20.5.2008 - X ZR 180/05, BGHZ 176, 311 Rz. 17 - Tintenpatrone).
Rz. 16
2. Entgegen der Revision ist allerdings das vom Berufungsgericht entwickelte Verständnis insoweit nicht zu beanstanden, als die Anweisung betroffen ist, die Ringflächen der beiden Verstellscheiben in Druckrichtung spiralig ansteigend zu gestalten (Merkmal 1e), ein Zusammenwirken zwischen der ersten Verstellscheibe (13) und der Druckplatte (15) (Merkmal 2b) sowie ein Abstützen der weiteren Verstellscheibe an der ersten Verstellscheibe zum Verstellen eines Isolationscrimpers (Merkmal 5b) vorzusehen.
Rz. 17
a) Aus dem Wortlaut von Patentanspruch 1 in Verbindung mit der Beschreibung und den Zeichnungen (vgl. Klagepatentschrift Sp. 8 Z. 42 bis 56, Figuren 14 bis 19) folgt, dass beide Verstellscheiben mit zumindest einer in Druckrichtung spiralig ansteigenden Ringfläche (schraubenförmige Fläche mit positiver Steigung) ausgebildet sowie koaxial um ein Halteorgan, beispielsweise einen Arretierbolzen, drehbar sind. Die erste Verstellscheibe (13) wirkt über zwei solcher, sich über etwa 360° erstreckende Ringflächen mit teilkreisförmigen Druckflächen der Druckplatte (15) so zusammen, dass sich die Gesamthöhe zwischen Verstellscheibe (13) und Druckplatte (15) und damit die Zustellung des Drahtcrimpstempels bei einer Drehung der Verstellscheibe (13) um das Halteorgan infolge der schraubenförmigen Ringflächen stufenlos ändert. Durch die Abstützung der zweiten Verstellscheibe (14) an der ersten Verstellscheibe (13) bewirkt die in Druckrichtung der zweiten Verstellscheibe (14) angebrachte Schraubenfläche bei ihrer Verdrehung eine stufenlose Bewegung des auf das Werkstück einwirkenden Isolationscrimpstempels. Auf diese Weise wird es ermöglicht, die für das Verbinden von Draht und Kontaktelement erforderliche Einstellung der Crimphöhen der Crimpstempel durch Verdrehen der beiden Verstellscheiben stufenlos und fein einzustellen. Dieses Verständnis der patentgemäßen Lehre entspricht der vom BGH im Nichtigkeitsverfahren vorgenommenen Auslegung von Patentanspruch 1 (vgl. Urt. v. 12.3.2009 - Xa ZR 158/04, GRUR 2009, 835 Rz. 18 - Crimpwerkzeug II).
Rz. 18
b) Für die Bestimmung, ob die Ringflächen über eine (positive) Steigung in Druckrichtung verfügen, verweist die Klagepatentschrift wiederholt auf einen Verlauf entlang der Ringflächen im Uhrzeigersinn (vgl. Klagepatentschrift Sp. 2 Z. 47 und Sp. 7 Z. 16). Danach ist die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts zutreffend, wonach das Klagepatent lehrt, die Ringflächen in Abhängigkeit der Gewindeart (Rechts- oder Linksgewinde) derart zu gestalten, dass sie unter Zugrundelegung einer Drehrichtung im Uhrzeigersinn, gesehen in Richtung positiver x-Achse (in Druckrichtung [x]), ansteigend verlaufen.
Rz. 19
Anders als die Revision annimmt, ist der Anweisung "in Druckrichtung (x) spiralig ansteigend" mithin keine Beschränkung hinsichtlich der räumlichen Anordnung der Ringflächen zu entnehmen. Das Klagepatent ist insb. nicht in dem von der Revision dargelegten Sinne zu verstehen, dass von den Oberflächen der Verstellscheiben aus gesehen die "Spirale" in Druckrichtung ansteigen soll, und zwar für beide auf der gleichen Seite. Denn dies würde bedeuten, dass etwa bei Druckrichtung von oben - entsprechendes gilt für Druck in entgegen gesetzter Richtung - die Ringflächen zwangsläufig an der dem Druckorgan abgewandten unteren Seite der beiden Verstellscheiben angebracht werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass auch die Druckplatte (15) an der unteren Seite der ersten Verstellscheibe (13) angeordnet werden müsste, damit sie mit deren Ringflächen zusammenwirken kann. Eine solche Anordnung der Druckplatte (15) unterhalb der ersten Verstellscheibe (13) ist zwar Gegenstand der im Patent zeichnerisch dargestellten Ausführungsform in Figur 14. Daraus folgt indes nicht, dass sich der Patentanspruch auf eine solche Ausgestaltung zu beschränken hätte (BGH, Urt. v. 12.3.2009 - Xa ZR 158/04, GRUR 2009, 835 Rz. 21 - Crimpwerkzeug II). Der Wortlaut des Klagepatents gibt eine derartige Lage der Ringflächen und der Druckplatte auch nicht vor, sondern vermittelt lediglich die Steigungsrichtung ("in Druckrichtung [x]") der an den Verstellscheiben angebrachten Ringflächen. Den technisch-funktionalen Bedingungen, denen der Anstieg der Ringflächen zu genügen hat, nämlich durch Drehung der ersten Verstellscheibe (13) im Zusammenwirken mit der Druckplatte (15) die Presstiefe zu bestimmen und durch Drehung der weiteren Verstellscheibe (14) durch Abstützen an der ersten Verstellscheibe (13) den Isolationscrimper zu verstellen, wird jede Gestaltung gerecht, die diese Einstellungen bewirken kann, auch wenn sich die Ringflächen nicht an den jeweiligen (Unter-)Seiten der Verstellscheiben befinden.
Rz. 20
Zu keiner anderen Beurteilung führt der von der Revision dargelegte Umstand, dass Unteranspruch 4 in der erteilten Fassung eine Vorrichtung beansprucht hat, bei der die druckorganseitige (erste) Verstellscheibe (13) über der Druckplatte (15) angeordnet ist und Merkmale aus dem Unteranspruch in den Hauptanspruch aufgenommen worden sind. Zur Auslegung von Patentanspruch 1 in der jetzt maßgeblichen Fassung kann diese Aussage schon deshalb nicht herangezogen werden, weil nicht die Lage von Druckplatte (15) und erster Verstellscheibe (13), sondern lediglich davon unabhängige Gestaltungsmerkmale der Druckplatte (15), nämlich die beiden teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97d, 98d) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte für die druckorganseitige Verstellscheibe (13), in den Patentanspruch 1 übernommen worden sind. Die im ursprünglichen Unteranspruch 4 beanspruchte räumliche Lage der ersten Verstellscheibe (13) oberhalb der Druckplatte (15) ist indes nicht in den Hauptanspruch übernommen worden, sondern Gegenstand von Unteranspruch 4 in der jetzt maßgeblichen Fassung geblieben. Dass die hinsichtlich der Lage einschränkende Formulierung aus Unteranspruch 4 nicht in den Hauptanspruch übernommen wurde, führt entgegen der Revision im Übrigen auch nicht dazu, dass das Klagepatent unzulässig erweitert wäre (BGH, Urt. v. 12.3.2009 - Xa ZR 158/04, GRUR 2009, 835 Rz. 20 ff. - Crimpwerkzeug II).
Rz. 21
c) Demnach ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht Merkmal 2b in dem Sinne verstanden hat, dass es für das Zusammenwirken von Druckplatte (15) und erster Verstellscheibe (13) auf eine bestimmte Ausgestaltung des Crimpwerkzeugs hinsichtlich Lage und Anordnung der Druckplatte (15) nicht ankommt. Der Sinngehalt dessen, was Merkmal 2b zum Ausdruck bringt, erstreckt sich darauf, über die erste Verstellscheibe (13) mittels der darauf angeordneten Ringflächen eine Höhenänderung des Crimpwerkzeuges zu erreichen, um die Presstiefe zu bestimmen. Hierzu bedarf es allein des unmittelbaren Eingriffs mit der Druckplatte (15) über deren Auflagepunkte, ohne dass ansonsten eine bestimmte räumliche Lage der Druckplatte (15) vorgegeben ist.
Rz. 22
d) Soweit das Klagepatent zum Verstellen des Isolationscrimpers ein Abstützen der weiteren Verstellscheibe (14) an der ersten Verstellscheibe (13) lehrt (Merkmal 5b), kommt dem die Bedeutung zu, dass die weitere Verstellscheibe (14) derart an der ersten Verstellscheibe (13) kraftschlüssig anliegt, dass bei einer Drehung der weiteren Verstellscheibe (14) die erste Verstellscheibe (13) in ihrer Höhenlage nicht nachgibt, damit über die ansteigend verlaufende Ringfläche der weiteren Verstellscheibe (14) eine Höhenänderung des Isolationscrimpers erreicht werden kann.
Rz. 23
3. Hiernach verwirklicht die angegriffene Ausführungsform, zu deren Verdeutlichung auf die nachfolgende Zeichnung verwiesen wird, die als "Bild 3.b: Bauform 'M. '' (Explosionszeichnung)" dem vom Berufungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten beigefügt ist, abgesehen von der später zu erörternden punktförmigen (Merkmal 2b) Ausgestaltung der Auflageflächen die Merkmale 1e, 2b und 5b des Klagepatents.
Rz. 24
a) Das Berufungsgericht hat zum einen eine identische Benutzung des Merkmals 1e in Gestalt der klemmorganseitigen (weiteren) Verstellscheibe der angegriffenen Ausführungsform festgestellt, was zwischen den Parteien nicht im Streit steht und rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Rz. 25
Ohne Rechtsfehler ist zum anderen die Annahme des Berufungsgerichts, eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 1e liege ebenso bei der druckorganseitigen (ersten) Verstellscheibe vor, weil auch dort die Verstellung durch Drehung der Verstellscheibe im Uhrzeigersinn, gesehen in Richtung positiver x-Achse, erfolge. Dies folgt zutreffend aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach die obere Verstellscheibe der angegriffenen Ausführungsform - ebenso wie die untere - über eine positive Gewindesteigung in Druckrichtung verfügt, weil sie mit einem Rechtsgewinde versehen ist (vgl. Gerichtsgutachten vom 29.4.2003 S. 11). Bei Drehung im Uhrzeigersinn erfährt sie zwar selbst keine Höhenänderung. Die Drehung führt aber zu einer Anhebung der im Eingriff stehenden verschieblichen Druckplatte (15) entgegen der Druckrichtung (x). Diese Anhebung führt weg von der oberen Verstellscheibe, wodurch sich die obere Verstellscheibe relativ zur Druckplatte gesehen in Druckrichtung (x) bewegt.
Rz. 26
b) Richtigerweise erachtet es das Berufungsgericht hierbei als unbeachtlich, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die erste Verstellscheibe unterhalb der Platte liegt, mit der sie in Verwirklichung vom Merkmal 2b zur Verstellung der Presstiefe in Eingriff steht. Die von der Revision aufgezeigte unterschiedliche Anordnung hinsichtlich der Ringfläche der ersten Verstellscheibe und der Druckplatte ergibt sich nur hinsichtlich einer patentgemäßen Ausführungsform, wie sie in den Zeichnungen (vgl. Figur 14) zum Ausdruck kommt und etwa von Unteranspruch 4 gelehrt wird. Demgegenüber ist das Klagepatent in Hauptanspruch 1 gerade nicht auf eine solche räumliche Anordnung beschränkt. Es erfasst ebenso eine Anordnung, bei der das mit der ersten Verstellscheibe zusammenwirkende Element oberhalb von dieser gelegen ist, damit in direkter Einwirkung mit dem Presskopf steht und auch - wie es die Revision ausdrückt - als "Druckeinleitungsplatte" dient. Eine von der patentgemäßen Lehre abweichende räumliche Anordnung von erster Verstellscheibe und Druckplatte weist die angegriffene Ausführungsform mithin nicht auf. Auch zeigen sich keine Unterschiede in Funktion und Wirkung. Wie das Berufungsgericht von der Revision unbeanstandet festgestellt hat, wirkt nämlich auch bei der angegriffenen Ausführungsform die (erste) Verstellscheibe mit Auflageflächen einer Druckplatte zur Bestimmung der Presstiefe zusammen.
Rz. 27
Entgegen der Rüge der Revision ignoriert das Berufungsgericht hierbei nicht die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen, sondern schöpft das Beweisergebnis vollständig aus. Anders als die Revision misst es lediglich der sachverständigen Ausführung, die Anordnung von Druckplatte und Schraubenfläche entspreche bei der angegriffenen Ausführungsform einer Lage entgegengesetzt zur Druckkraftrichtung (x) (Gerichtsgutachten vom 29.4.2003 S. 14), keine entscheidende Bedeutung bei. Dies ist nicht zu beanstanden, weil es zur Verwirklichung des Merkmals 1e gerade nicht auf die räumliche Lage der Druckplatte und der Schraubenflächen, sondern nur auf deren Steigung ankommt. Zu Recht hat sich das Berufungsgericht auch nicht auf den Befund des Sachverständigen bezogen, wonach die Bewegungsrichtung der Druckplatte nicht mit der Druckkraftrichtung (x) übereinstimme (Gerichtsgutachten vom 29.4.2003 S. 11). Denn für die vom Klagepatent vorgegebene Steigung der Ringflächen kommt es auf die Bewegungsrichtung der Druckplatte nicht an.
Rz. 28
c) Das Berufungsgericht hat auch die Verwirklichung von Merkmal 5b zutreffend bejaht. Ausreichend hierfür ist die vom Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen getroffene Feststellung, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die weitere Verstellscheibe an der ersten Verstellscheibe unter gegenseitiger Krafteinwirkung flächig anliegt. Dass die dahin gehende Feststellung entgegen § 286 ZPO in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise getroffen sein könnte, legt die Revision nicht dar und ist auch nicht zu erkennen.
Rz. 29
4. Hingegen ist das vom Berufungsgericht entwickelte Verständnis des Patentanspruchs im Hinblick auf die Anforderungen, die das Berufungsgericht an die an der Druckplatte (15) angeordneten Auflagepunkte (97d, 98d) stellt (Merkmale 2b und 4), nicht frei von Rechtsfehlern.
Rz. 30
a) Das Berufungsgericht hat die Gefahr einer Patentverletzung bejaht, weil es Merkmal 4 dahin ausgelegt hat, dass die Auflagepunkte (97d, 98d) Druckflächen beliebiger Ausdehnung darstellen könnten.
Rz. 31
b) Dieses Verständnis beachtet zwar, dass der Fachmann das Merkmal "Auflagepunkt" nicht als Punkt im geometrischen Sinn, sondern als Fläche versteht, wie dies auch in Patentanspruch 1 ausdrücklich formuliert ist. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Ausdehnung der durch die Auflagepunkte (97d, 98d) gebildeten Druckflächen in das freie Belieben des Fachmanns gestellt ist, vernachlässigt hingegen das technische Problem, dessen Lösung die patentgemäße Lehre dient. Das technische Problem besteht zum einen darin, eine Vorrichtung bereitzustellen, die leicht nachrüstbar und automatisch steuerbar ist sowie über einen erweiterten Höheneinstellbereich verfügt. Zum anderen will die Erfindung aber auch eine Vorrichtung bereitstellen, die im Hinblick auf die Höheneinstellung ggü. dem Stand der Technik verfeinert ist (vgl. Klagepatentschrift Sp. 2 Z. 12/13). Für letzteres wird aber, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 12.3.2009 herausgestellt hat, eine zentrierte und stabile Ausgestaltung der Verstelleinrichtung und eine sichere und genaue, mithin verfeinerte Höheneinstellung nur durch die Abstützung der Druckplatte (15) an den Ringflächen der Verstellscheibe mittels relativ kleiner Druckflächen erreicht, die das Klagepatent deshalb als Auflagepunkte bezeichnet. Denn wie auch von den Parteien dieses Rechtsstreits nicht in Zweifel gezogen, sondern als unstreitig behandelt worden ist, verändert sich infolge kleiner Druckflächen die Größe der zusammenwirkenden Flächen von Druckplatte (15) und (erster) Verstellscheibe (13) bei der Verdrehung der Verstellscheibe (13) nicht. Damit ändert sich bei einer Verdrehung auch die einwirkende Kraft pro Fläche nicht und eine unterschiedliche Nachgiebigkeit des Systems wird vermieden. Dies führt zu einer gleichbleibenden Verformung des Gesamtsystems, bei der die Vorteile der zentrischen Krafteinleitung durch die aufeinanderliegenden Ringflächen erhalten bleiben (BGH, Urt. v. 12.3.2009 - Xa ZR 154/08, GRUR 2009, 835 Rz. 31 - Crimpwerkzeug II).
Rz. 32
5. Nach diesem Verständnis von Patentanspruch 1 kann die Verurteilung der Kläger wegen zu besorgender wortsinngemäßer Patentverletzung keinen Bestand haben.
Rz. 33
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse des LG festgestellt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die beiden Auflageflächen auf der Druckplatte als aneinander anliegende Ringflächen ausgebildet sind. Die Auflagepunkte umfassen mithin ringförmig nahezu den gesamten Umfangsbereich der Druckplatte, wie die Kläger bereits erst- und zweitinstanzlich unwidersprochen vorgetragen haben. Insoweit erhebt die Revisionserwiderung keine Gegenrügen, sondern legt gleichfalls dar, dass die angegriffene Ausführungsform über flächig ausgestaltete Ringelemente verfügt. Damit fehlt es an der für die identische Verwirklichung erforderlichen technischen Übereinstimmung zwischen der angegriffenen Ausführungsform und der vom Klagepatent in Hauptanspruch 1 geschützten Vorrichtung.
Rz. 34
IV. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Widerklage abweisen. Nach dem der Revisionsentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt kann ausgeschlossen werden, dass die angegriffene Ausführungsform eine der Lehre von Patentanspruch 1 gleichwertige Lösung darstellt und das Klagepatent mit äquivalenten Mitteln zu verletzen droht. Weitergehende Feststellungen, die der Widerklage noch zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht zu erwarten.
Rz. 35
1. Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 12.3.2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I; v. 17.4.2007 - X ZR 1/05, GRUR 2007, 58 Rz. 24 - Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (näher zu diesem Gebot Laddie, IIC 2009, 3).
Rz. 36
Eine Aussage darüber, ob eine abweichende Ausführung in den Schutzbereich fällt, kann regelmäßig allerdings nur dann getroffen werden, wenn sich der Tatrichter mit den betreffenden Fragen befasst hat. Denn bei der Frage der Gleichwirkung handelt es sich um eine Frage, deren Beantwortung tatrichterlicher Würdigung und Feststellungen bedarf, die in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden können (BGH, Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313 Rz. 22 - Stapeltrockner; v. 17.4.2007 - X ZR 1/05, GRUR 2007, 58 Rz. 28 - Pumpeinrichtung). Die Frage nach der Gleichwertigkeit des abweichenden Mittels betrifft zwar eine Rechtsfrage, die der revisionsrechtlichen Prüfung zugänglich ist. Sie hängt aber entscheidend von den zunächst in der Tatsacheninstanz zu klärenden tatsächlichen Grundlagen ab (BGH, Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313 Rz. 23 - Stapeltrockner).
Rz. 37
2. Die Beklagte hat ggü. dem Tatrichter nichts dazu vorgetragen, was die Annahme einer Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln hätte rechtfertigen können. Ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils hat die Beklagte im Berufungsverfahren lediglich eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents geltend gemacht und erstmals im Revisionsverfahren das streitgegenständliche Crimpwerkzeug der Kläger auch wegen Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln angegriffen.
Rz. 38
Zudem hat sie keinen Klageantrag gestellt, aus dem sich ergibt, in welcher tatsächlichen Gestaltung sich die Abweichung von den Vorgaben des Patentanspruchs verkörpern soll. Soll aber eine Ausführungsform als vom erteilten Klagepatent erfasst angegriffen werden, die nach Ansicht des Verletzungsklägers eine vom Wortsinn abweichende Gestalt aufweist, muss sich dies aus dem Antrag ergeben (BGH, Urt. v. 22.12.2009 - X ZR 56/08, BGHZ 184, 49 Rz. 31 - Kettenradanordnung II). Eine erweiterte, die Verletzung mit äquivalenten Mitteln umfassende Prüfungspflicht des Gerichts kann jedenfalls in denjenigen Fällen nicht angenommen werden, in denen ohne nähere Angabe des Verletzungsklägers schlechterdings Anhaltspunkte fehlen, warum auch in anderer als der sich aus der Kennzeichnung im Antrag ergebenden Hinsicht eine Patentverletzung in Betracht kommen sollte (Scharen in FS Tilmann, 2003, S. 607).
Rz. 39
3. Die insoweit mangelnde Darlegung einer Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln führt zwar im Revisionsverfahren nicht notwendigerweise zur Abweisung der Klage. Vielmehr ist der Partei, die die Patentverletzung geltend macht, ggf. Gelegenheit zu geben, nach Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer äquivalenten Verletzung des Klagepatents vorzutragen. Das Berufungsgericht hätte die (Wider-)Klage, wenn es das abweichende Verständnis des Klagepatents erkannt hätte, seinerseits nämlich nicht als unbegründet abweisen dürfen, ohne zuvor gem. § 139 Abs. 2 ZPO auf diesen von den Parteien im Berufungsverfahren ersichtlich anders beurteilten Sinngehalt des Klagepatents hinzuweisen.
Rz. 40
Ebenso wie bei Verletzung einer Hinweispflicht besteht jedoch, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, zu einer solchen Zurückverweisung nur Anlass, wenn die wegen Patentverletzung klagende Partei im Revisionsverfahren aufzeigen kann, dass sie, wäre sie auf die Notwendigkeit solchen Vortrags aufmerksam gemacht worden, im Berufungsverfahren die tatsächlichen Voraussetzungen einer äquivalenten Verletzung dargetan hätte und dass sie somit in der Lage ist, diese Voraussetzungen in einem wiedereröffneten Berufungsverfahren darzutun und ggf. zu beweisen.
Rz. 41
Der Beklagten ist es weder in ihrem schriftsätzlichen noch in ihrem dazu ergänzenden mündlichen Vorbringen vor dem Senat gelungen, die erforderliche Gleichwirkung zwischen der patentgemäßen und der angegriffenen Form hinreichend darzulegen. Gleichwirkend ist nämlich nur eine Lösung, die nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 Rz. 68 - Spannschraube; Urt. v. 12.3.2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 157 f. - Schneidmesser I; Benkard/Scharen, EPÜ, Art. 69 Rz. 58). Die Beklagte hat nicht aufzuzeigen vermocht, inwieweit gerade die Wirkung der "Auflagepunkte", d.h. der relativ kleinen Kreissegmente, von der angegriffenen Ausführungsform erfüllt wird. Ihr Vorbringen konzentriert sich auf die Darlegung, dass die Druckflächen der angegriffenen Ausführungsform ebenso wie die Auflagepunkte im Sinne des Klagepatents dazu dienen, die Kräfte zu übertragen, wodurch eine verfeinerte Höheneinstellung des Drahtcrimpstempels ermöglicht werde. Hingegen hat sie nicht dargetan, dass hierbei auch die durch die Lehre des Klagepatents erreichte Wirkung erzielt wird, die sich darauf gründet, dass sich erfindungsgemäß die Größe der zusammenwirkenden Flächen von Druckplatte (15) und (erster) Verstellscheibe (13) bei der Verdrehung der Verstellscheibe (13) nicht verändert, weil die "Auflagepunkte" die Gegenflächen über den gesamten Verdrehungsbereich gleichmäßig bestreichen, so dass sich bei einer Verdrehung die einwirkende Kraft pro Fläche nicht ändert und damit eine unterschiedliche Nachgiebigkeit des Systems vermieden und eine gleichbleibende Verformung des Gesamtsystems erreicht wird, bei der die Vorteile der zentrischen Krafteinleitung durch die aufeinanderliegenden Ringflächen erhalten bleiben.
Rz. 42
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen