Leitsatz (amtlich)
Ist das Ergebnis einer verfahrensfehlerhaft durchgeführten erstinstanzlichen Beweisaufnahme für die Entscheidung nicht verwertbar, so hat das Berufungsgericht, das von einer Zurückverweisung nach § 539 ZPO absieht und gemäß § 540 ZPO selbst entscheidet, sämtliche entscheidungserheblichen Beweise (erneut) zu erheben.
Normenkette
ZPO §§ 286, 540
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 5. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt eine Malzfabrik. Seit Ende 1990 verkaufte sie der Firma S. Malzfabrik E. B. GmbH (i.f.: S. Malzfabrik), deren Geschäftsführerin die Zeugin P.-K.-B. ist, im Rahmen einer ständigen Geschäftsverbindung größere Mengen Malz. Der Kläger ist der Sohn der Zeugin P.-K.-B.; er macht in diesem Rechtsstreit Forderungen der S. Malzfabrik gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht geltend. Es handelt sich dabei um Aufwendungen der S. Malzfabrik im Zusammenhang mit den Malzlieferungen der Beklagten, deren Erstattung die Beklagte nach der Behauptung des Klägers der S. Malzfabrik mündlich versprochen hat.
Nach Darstellung des Klägers hat sich die Beklagte im Herbst 1990 wegen unverkäuflicher Malzvorräte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden und die S. Malzfabrik um den Ankauf dieser Vorräte gebeten. Dabei sei zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, dem Zeugen N., und der Zeugin P.-K.-B. eine Beteiligung des Klägers an der Beklagten in Aussicht genommen worden. Vor der ersten Malzlieferung hätten die Zeugen P.-K.-B. und N. vereinbart, daß die Kosten für den Transport und die Lagerung des Malzes zu Lasten der Beklagten gehen sollten; da die Beklagte jedoch zur Zahlung dieser Beträge nicht im Stande gewesen sei, hätten diese Kosten bei der Berechnung des Kaufpreises für den geplanten Erwerb von Geschäftsanteilen der Beklagten seitens des Klägers „berücksichtigt” werden sollen. In gleicher Weise habe die Beklagte auch die Kosten für die Malzanalysen und die erforderliche Einarbeitung des Personals der Beklagten durch den technischen Leiter V. der S. Malzfabrik übernehmen sollen. Schließlich habe die Beklagte im Juli 1992 auch zugesagt, sich an den Kosten für die gemeinsame Beteiligung mit der S. Malzfabrik an der Braumesse in Nürnberg 1992 zu einem Drittel zu beteiligen. Zuvor, am 22. Mai 1991, hätten er, der Kläger, und der Zeuge N. eine „Kaufvereinbarung” unterzeichnet, wonach der Kläger 49 % der Geschäftsanteile der Beklagten zum Kaufpreis von 220.000 DM erwerben sollte.
Der Kläger hat von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen der S. Malzfabrik für den Transport und die Lagerung des Malzes, für den Messebesuch, Malzanalysen und die Einarbeitung des Personals der Beklagten in Höhe von insgesamt 254.691,57 DM nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat jedwede Zusicherung von Kostenerstattungen seitens des Zeugen N. bestritten; bei der „Kaufvereinbarung” vom 22. Mai 1991 handele es sich um eine Fälschung.
Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen P.-B., Dr. R., B., G. und J. N. sowie V. die Beklagte zur Zahlung von 113.371,98 DM (Lagerkosten 87.820 DM, Analysekosten 19.880 DM, Einarbeitungskosten 5.671,98 DM) nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, durch die Aussagen der Zeugen Dr. R., B. und P.-K.-B. sei trotz der entgegenstehenden Aussage des Zeugen N. bewiesen, daß sich die Beklagte der S. Malzfabrik gegenüber grundsätzlich zur Erstattung der Lager-, Analyse- und Einarbeitungskosten verpflichtet habe; der Höhe nach seien diese drei Positionen jedoch nur in dem zuerkannten Umfang gerechtfertigt. Nicht bewiesen sei hingegen eine Erstattungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Transportkosten und eines Teils der Messekosten. Insoweit stünden der Aussage der Zeugin P.-K.-B. die Aussagen der Zeugen J. und G. N. sowie der Inhalt eines Schreibens des Zeugen N. entgegen; diese Widersprüche gingen zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.
Die Beklagte hat mit ihrer Berufung Klageabweisung in vollem Umfang begehrt, der Kläger hat im Wege der Anschlußberufung den Anspruch auf Erstattung der Transportkosten (67.221,24 DM) nebst Zinsen weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat nach Vernehmung der Zeugen P.-K.-B., J. N. und P. unter Zurückweisung der Anschlußberufung die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine im zweiten Rechtszug geltend gemachten Ansprüche weiter; die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Entscheidung des Landgerichts sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Sie beruhe auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Da diese aber nur durch den Berichterstatter als beauftragten Richter durchgeführt worden sei und die Zeugen, insbesondere die Zeugen P.-K.-B. und J. N., zu allen wesentlichen Punkten unterschiedliche Aussagen gemacht hätten, sei eine Würdigung des Beweisergebnisses unter Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen durch die vollbesetzte Kammer nicht möglich gewesen; hierzu hätte den beiden übrigen Mitgliedern der Kammer der erforderliche persönliche Eindruck von den Zeugen gefehlt. Gleichwohl sehe das Berufungsgericht von der an sich möglichen Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ab und entscheide gemäß § 540 ZPO unter Wiederholung der wesentlichen Teile der Beweisaufnahme in der Sache selbst.
Ein vertraglicher Kostenerstattungsanspruch der S. Malzfabrik, den der Kläger aufgrund von deren Abtretung erworben haben könne, bestehe nicht, weil sich nicht einmal aus der zweitinstanzlichen Aussage der Zeugin P.-K.-B. eine Vereinbarung über die Kostenerstattung seitens der Beklagten auch für den Fall ergebe, daß es – wie hier – nicht zu der ursprünglich vorgesehenen Beteiligung des Klägers an der Beklagten kommen sollte. Auch ein gesetzlicher Aufwendungsersatzanspruch der S. Malzfabrik habe nicht bestanden. Der Kläger habe im Rahmen des nach der Beweisaufnahme angeordneten schriftlichen Verfahrens hierzu nichts vorgetragen. In Betracht zu ziehen sei allenfalls ein Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts des mit den Aufwendungen bezweckten Erfolges (§ 812 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB), wenn mit den Aufwendungen der S. Malzfabrik letztlich die Beteiligung des Klägers an der Beklagten bezweckt gewesen sein sollte. Letzteres habe die Zeugin P.-K.-B. zwar bekundet, der Senat halte die Zeugin indessen für nicht glaubwürdig. Zu einer erneuten Vernehmung der bereits vor dem Landgericht angehörten Zeugen Dr. R. und B. bestehe kein Anlaß, weil diese Zeugen in erster Instanz aus eigener Kenntnis keine Angaben zu den zwischen den Zeugen P.-K.-B. und N. getroffenen Vereinbarungen hätten machen können. Abgesehen hiervon habe der Kläger auch zur Höhe eines etwaigen Bereicherungsanspruches nichts vorgetragen.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Ohne Erfolg freilich bleiben die Revisionsangriffe, soweit sie sich dagegen richten, daß das Oberlandesgericht die Sache nicht nach § 539 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen, sondern gemäß § 540 ZPO in der Sache selbst entschieden hat.
Zutreffend gehen sowohl das Berufungsgericht als auch die Revision davon aus, daß die Entscheidung des Landgerichts auf Verfahrensfehlern beruht. Die erstinstanzliche Zeugenvernehmung wurde von dem „Berichterstatter als Einzelrichter” durchgeführt, an den das Landgericht das Verfahren „zur Durchführung der Beweisaufnahme” verwiesen hatte. Schon dies war verfahrensfehlerhaft. Unter den Voraussetzungen des § 348 ZPO kann der Rechtsstreit an den Einzelrichter nur „zur Entscheidung” übertragen werden. Ist dies nicht geschehen, so erfolgt die Beweisaufnahme grundsätzlich durch das Prozeßgericht (§ 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO); ein Ausnahmefall des § 355 Abs. 1 Satz 2 ZPO war hier nicht gegeben. Insbesondere ist die Erhebung von Zeugenbeweis durch den Einzelrichter nur unter den Voraussetzungen des § 375 ZPO zulässig. Danach wäre die Übertragung der Beweisaufnahme an den Einzelrichter hier allenfalls dann zulässig gewesen, wenn von vornherein anzunehmen gewesen wäre, daß die Kammer zur Würdigung des Beweisergebnisses auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme imstande sein würde (§ 375 Abs. 1 a ZPO). Dies war hier offensichtlich nicht der Fall. Grundlage der auf die Erstattung von Aufwendungen der S. Malzfabrik durch die Beklagte gerichteten Klage war eine vom Kläger behauptete mündliche Vereinbarung zwischen den damaligen Geschäftsführern beider Unternehmen. Die Beklagte hatte eine solche Vereinbarung bestritten. Beide Parteien hatten für den Inhalt der entsprechenden Verhandlung Zeugenbeweis, insbesondere durch Vernehmung ihrer beiden damaligen Geschäftsführer, angetreten. Es war daher von vornherein damit zu rechnen, daß es zu widersprüchlichen Zeugenaussagen kommen und damit die Entscheidung von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen abhängen würde. In der Beweisaufnahme vor dem Landgericht kam es dann erwartungsgemäß zu einander inhaltlich widersprechenden Zeugenaussagen.
Das Landgericht hat sodann in seinem Urteil eine umfangreiche Beweiswürdigung durchgeführt und ist dabei – jedenfalls hinsichtlich der Positionen Lager-, Analyse- und Einarbeitungskosten – den „glaubhaften” Aussagen der Zeugen Dr. R., B. und P.-K.-B. gefolgt, wodurch die in jedem Punkt anderslautende Aussage des Zeugen N. „widerlegt” sei. Hinsichtlich der Positionen Transportkosten und Messekosten hat die Kammer dagegen die Aussage der Zeugin P.-K.-B. angesichts der anderslautenden Aussagen der Zeugen G. und J. N. sowie des unwidersprochenen Inhalts eines Schreibens des Zeugen N. als zum Beweis einer Kostenerstattungsvereinbarung nicht ausreichend erachtet. Diese Beweiswürdigung, die auf einer Beurteilung der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen beruht, verstieß gegen § 355 ZPO, weil nur ein Mitglied der erkennenden Kammer an der Beweisaufnahme teilgenommen hatte. Die beiden anderen Kammermitglieder konnten zu der prozeßentscheidenden Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugen nichts beitragen, weil sie die Zeugen nicht gehört und gesehen hatten. Vermerke des Berichterstatters über die Glaubwürdigkeit der Zeugen waren nicht vorhanden. Daher war das Beweisergebnis für die Entscheidung der Kammer nicht verwertbar (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteile vom 4. Februar 1997 – IX ZR 160/96, NJW 1997, 1586 unter II 1; vom 9. Januar 1997 – III ZR 162/95, NJW-RR 1997, 506 unter I 2 und 19. Dezember 1994 – II ZR 4/94, NJW 1995, 1292 unter II 2 b).
Der Verfahrensverstoß ist auch nicht durch rügelose Einlassung zur Sache gemäß § 295 ZPO geheilt worden, denn der entscheidende prozessuale Fehler des Landgerichts liegt in der Würdigung der Beweisaufnahme. Es handelt sich dabei um einen Fehler bei der Urteilsfällung, welche der letzten mündlichen Verhandlung nachfolgte (BGH, Urteil vom 9. Januar 1997 aaO). Nach Sachlage war es geboten, unter Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung die Beweisaufnahme vor der vollbesetzten Kammer zu wiederholen (§ 398 ZPO). Hiermit durften die Parteien rechnen.
b) Dennoch liegt in der unterbliebenen Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht (§ 539 ZPO) kein Rechtsfehler des Berufungsgerichts. Die Entscheidung zwischen der Zurückverweisung nach § 539 ZPO und der eigenen Sachentscheidung durch das Berufungsgericht gemäß § 540 ZPO steht in dessen pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist der mit der Zurückverweisung verbundene zusätzliche Zeit- und Kostenaufwand gegen den Verlust einer Tatsacheninstanz abzuwägen. Die für die Ermessensausübung maßgeblichen Erwägungen sind in den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts mitzuteilen (BGHZ 23, 36, 50; BGH, Urteil vom 4. Juli 1969 – V ZR 199/68, NJW 1969, 1669). Allerdings sind an diese Begründung keine hohen Anforderungen zu stellen; es reicht regelmäßig aus, wenn sie erkennen läßt, daß der Berufungsrichter die Alternative zwischen § 539 ZPO und § 540 ZPO gesehen und erwogen hat (BGH, Urteil vom 4. Juli 1969 aaO; Musielak/Ball, ZPO, § 539 Rdnr. 11 bei Fn. 31). Diesen Anforderungen wird die Begründung des Oberlandesgerichts – noch – gerecht; in der Sache erscheint das Absehen von der Zurückverweisung nicht unvertretbar.
2. Indessen ist auch die Sachentscheidung des Oberlandesgerichts von Rechtsfehlern beeinflußt.
Mit Blick auf den vom Kläger in erster Linie geltend gemachten vertraglichen Aufwendungsersatzanspruch der S. Malzfabrik gegen die Beklagte würdigt das Berufungsgericht allein den Inhalt der zweitinstanzlichen Aussage der Zeugin P.-K.-B.. Es meint, aus der Zeugenaussage ergebe sich nichts für den Abschluß einer allgemein gehaltenen Vereinbarung über die Erstattung von Aufwendungen der S. Malzfabrik seitens der Beklagten, weil die Zeugin nach ihrer Bekundung mit dem damaligen Geschäftsführer N. der Beklagten über eine Kostenerstattung immer nur im Zusammenhang mit der damals geplanten – tatsächlich dann aber nicht erfolgten – Beteiligung des Klägers an der Beklagten gesprochen habe; in diesem Fall hätten diese Kosten „als Darlehen oder als Eigenkapital deklariert” oder in sonstiger Weise auf den Kaufpreis für die Beteiligung angerechnet werden sollen. Darüber, was mit den Kosten geschehen solle, wenn es – wie tatsächlich eingetreten – nicht zu einer solchen Beteiligung des Klägers an der Beklagten kommen sollte, sei nicht gesprochen worden.
Hinsichtlich eines etwaigen Bereicherungsanspruchs der S. Malzfabrik wegen Nichteintritts des mit ihren Aufwendungen bezweckten Erfolges (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) führt das Oberlandesgericht aus, ein solcher Anspruch komme hier in Betracht, wenn mit den Aufwendungen der S. Malzfabrik letztlich die Beteiligung des Klägers an der Beklagten bezweckt gewesen sein sollte und dieser Erfolg, wie hier, nicht eingetreten sei. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei eine Einigung zwischen den Zeugen P.-K.-B. und N. dahingehend, daß bei einer Beteiligung des Klägers an der Beklagten die Aufwendungen der S. Malzfabrik in irgendeiner Form auf den Kaufpreis für die Beteiligung anzurechnen sein sollten. Dies habe die Zeugin P.-K.-B. zwar so bekundet, das Berufungsgericht sei aber von der Richtigkeit dieser Angaben nicht überzeugt. Angesichts des persönlichen Interesses der Zeugin – Geschäftsführerin der S. Malzfabrik – vom Ausgang des Rechtsstreites, des über siebenjährigen Zeitabstandes zwischen der Aussage und den bekundeten Absprachen, ihrer anderslautenden Aussage vor dem Landgericht, der Formulierung der – vom Kläger als echt bezeichneten – „Kaufvereinbarung” vom 22. Mai 1991 und vor allem der in allen Punkten anderslautenden Aussage des Zeugen N. bestünden gewichtige Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin und die Zuverlässigkeit ihrer Angaben, die auch durch die inhaltlich wenig konkreten Angaben des vom Berufungsgericht neu vernommenen Zeugen P. – Finanzcontroller der S. Malzfabrik – nicht ausgeräumt seien.
a) Soweit das Oberlandesgericht der zweitinstanzlichen Aussage der Zeugin P.-K.-B. nichts für eine Vereinbarung über die Kostenerstattung seitens der Beklagten auch für den Fall entnehmen kann, daß es nicht zu einer Beteiligung des Klägers an der Beklagten komme, ist seine Würdigung nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 561 ZPO gebunden ist. Revisionsgerichtlich nachprüfbar ist indessen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Beweisergebnis und dem sonstigen Prozeßstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (st.Rspr., z.B. BGH, Urteile vom 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91, NJW 1993, 935 unter II 3 a und vom 10. Januar 1996 – VI ZR 10/96, NJW 1997, 796 unter II B 1). Letzteres ist, wie die Revision zutreffend rügt, hier nicht der Fall. Wenn die Zeugin bekundete, über eine solche Kostenerstattung sei immer nur im Zusammenhang mit der damals geplanten Beteiligung des Klägers an der Beklagten gesprochen worden, so ist die daraus gezogene Folgerung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe hiernach zu einer Kostenerstattung nicht verpflichtet sein sollen, wenn es – entgegen den damaligen Vorstellungen – nicht zu einer Beteiligung des Klägers an der Beklagten kommen sollte, jedenfalls nicht zwingend. Daß über den Fall eines Scheiterns der geplanten Beteiligung des Klägers an der Beklagten nicht (ausdrücklich) gesprochen wurde, kann auch darauf beruhen, daß die Parteien diesen Fall als unwahrscheinlich ansahen und daher nicht ausdrücklich in ihre Besprechung miteinbezogen haben. Hierfür spricht, daß die Beteiligung des Klägers an der Beklagten nach den weiteren in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen seinerzeit „fest abgesprochen” war. Mit dieser – naheliegenden – Möglichkeit hätte sich die Vorinstanz auseinandersetzen müssen. Eine durch die Beteiligung des Klägers an der Beklagten bedingte Erstattungsverpflichtung der Beklagten hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Wenn andererseits nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Inhalt der Aussage der Zeugin P.-K.-B. die damals Beteiligten eine Kostenerstattungspflicht bei Beteiligung des Klägers an der Beklagten durch „Deklarierung als Darlehen oder Eigenkapital” oder durch sonstige Anrechnung auf den Kaufpreis für die Beteiligung vereinbart hatten, so setzte dies, wie die Revision mit Recht hervorhebt, den grundsätzlichen Bestand der Erstattungspflicht der Beklagten voraus. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung läßt nicht erkennen, daß das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt gesehen und erwogen hat.
Das Berufungsgericht stellt ferner ausdrücklich fest, daß der Aussage der Zeugin P.-K.-B. vor dem Landgericht – weitergehend als ihrer Aussage vor dem Berufungsgericht – die Vereinbarung einer uneingeschränkten Kostenerstattungspflicht der Beklagten zu entnehmen sei. Bei dieser Sachlage wäre es, insbesondere auch wegen des vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang hervorgehobenen Zeitabstandes zu den damaligen Gesprächen, geboten gewesen, der Zeugin das Protokoll ihrer erstinstanzlichen Aussage vorzuhalten und auf eine Klärung der vom Oberlandesgericht gesehenen Widersprüche zum Inhalt der zweitinstanzlichen Aussage hinzuwirken. Daß dies geschehen ist, ergeben weder das Protokoll noch die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts.
b) Vor allem aber leidet die Würdigung der zweitinstanzlichen Aussage der Zeugin P.-K.-B. daran, daß das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO die Beweismittel nicht erschöpft hat. Dies gilt auch und besonders, soweit das Oberlandesgericht im Rahmen der Prüfung eines Bereicherungsanspruches die Aussage der Zeugin für insgesamt unglaubwürdig hält.
Wie bereits unter Nr. 1 ausgeführt, war das Ergebnis der vom Einzelrichter des Landgerichts durchgeführten Beweisaufnahme wegen der inhaltlichen Widersprüche der Zeugenaussagen, die eine Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugen erforderlich machten, für eine Sachentscheidung sowohl durch die vollbesetzte Kammer des Landgerichts als auch durch das Oberlandesgericht unverwertbar. Wenn das Oberlandesgericht sich entschloß, von einer Zurückverweisung an das Landgericht abzusehen und statt dessen gemäß § 540 ZPO selbst in der Sache zu entscheiden, war es gemäß § 286 ZPO grundsätzlich gehalten, sämtliche von den Parteien für die entscheidungserheblichen Tatsachen angetretenen Beweise zu erheben. Der Kläger hatte erstinstanzlich und zusätzlich auch zweitinstanzlich zum Beweis für die von ihm behauptete generelle Kostenerstattungsvereinbarung zwischen der S. Malzfabrik und der Beklagten auch die Zeugen Dr. R. und B. benannt. Das Oberlandesgericht war daher verpflichtet, auch diese Zeugen (erneut) zu vernehmen.
Die Begründung des Oberlandesgerichts für die unterlassene Vernehmung dieser Zeugen – diese hätten in erster Instanz aus eigener Kenntnis keine Angaben zu den zwischen den damaligen Geschäftsführern der S. Malzfabrik und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen machen können – ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft: Sie läßt zum einen außer acht, daß das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, wie bereits wiederholt ausgeführt, bei der Sachentscheidung auch des Oberlandesgerichts nicht verwertbar war, und enthält damit zugleich eine nicht zulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Darüber hinaus ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Zeugen hätten aus eigener Kenntnis nichts über etwaige Vereinbarungen der Zeugin P.-K.-B. mit dem Zeugen N. aussagen können, nicht vereinbar mit dem im Landgerichtsurteil festgestellten Inhalt der Aussagen dieser Zeugen, die das Landgericht veranlaßt haben, hinsichtlich eines Teils der streitigen Erstattungsforderungen der Aussage der Zeugin P.-K.-B. und nicht derjenigen des Zeugen N. zu folgen.
Die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts beruht auf dem verfahrensfehlerhaften Absehen von der Vernehmung der Zeugen Dr. R. und B. (vgl. dazu z.B. BGHZ 27, 163, 169; BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; Musielak/Ball, ZPO, § 549 Rdnr. 11 bei Fn. 54). Wenn die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Tatsachen bestätigen, kann sowohl der Inhalt der zweitinstanzlichen Aussage der Zeugin P.-K.-B. über ihre Vereinbarung mit dem Zeugen N. hinsichtlich einer generellen Kostenerstattungsvereinbarung mit der Beklagten anders zu bewerten sein als auch ihre vom Berufungsgericht verneinte Glaubwürdigkeit in anderem Licht erscheinen. Dies gilt hier um so mehr, als das Landgericht – wenn auch verfahrensfehlerhaft – die Aussagen beider Zeugen als glaubhaft bezeichnet und den Abschluß einer allgemein gehaltenen Vereinbarung über die Erstattung der Aufwendungen der S. Malzfabrik jedenfalls für die Einlagerung, die Malzanalysen und die Einarbeitung des Personals der Beklagten in erster Linie auf die Aussagen dieser beiden Zeugen gestützt und erst dadurch seine ursprünglichen Zweifel am Beweiswert der Aussage der Zeugin P.-K.-B. zurückgestellt hat.
3. Da bereits die Verneinung des Klageanspruches dem Grunde nach von der Begründung des Berufungsgerichts nicht getragen wird, war die angefochtene Entscheidung schon deshalb aufzuheben, ohne daß es noch auf die von der Revision ebenfalls angegriffenen Ausführungen der Vorinstanz zur fehlenden Darlegung der Höhe eines etwaigen Bereicherungsanspruches durch den Kläger ankommt. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Dr. Zülch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.03.2000 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 1165 |
NJW 2000, 2024 |
EBE/BGH 2000, 126 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 2000, 1180 |
JA 2000, 920 |
MDR 2000, 716 |
MittRKKöln 2000, 249 |