Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung. Fälligkeit der Altersrente. Unwirksame Abfindungsvereinbarung zu Ungunsten Dienstverpflichteter. Vorzeitiges Erlöschen. Darlegungs- und Beweislast Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
a) Beansprucht der Kläger eine Altersrente aus einer unverfallbar gewordenen Versorgungszusage, so obliegt dem Beklagten nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für ein vorzeitiges Erlöschen der Versorgungsanwartschaft durch eine gemäß § 3 Abs. 1, 2 a.F. BetrAVG wirksame Abfindungsvereinbarung.
b) § 3 Abs. 2 BetrAVG verlangt in jedem Falle, daß die Abfindung dem Barwert der nach § 2 BetrAVG bemessenen künftigen Versorgungsleistung im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses entspricht; eine hiervon zu Ungunsten des Dienstverpflichteten abweichende Abfindungsregelung ist – auch wenn sie in einem Prozeßvergleich getroffen wird – unwirksam (im Anschluß an BAGE 53, 131, 137).
Normenkette
BetrAVG § 3 (Fassung bis 31.12.1998)
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am 29. Dezember 1938 geborene Kläger war seit dem 1. Januar 1978 bis Ende Juni 1994 Bundesgeschäftsführer des Beklagten. Als im Jahre 1987 für den Kläger eine Gehaltserhöhung anstand, erhielt er anstelle eines Geldbetrages vom Beklagten mit Datum vom 1. August 1987 zwei Pensionszusagen: Die erste Zusage umfaßte neben einer Berufsunfähigkeits- und einer Witwenrente eine Altersrente in Höhe von monatlich 2.300,00 DM ab Vollendung des 60. Lebensjahres; die zweite Pensionszusage beinhaltete neben einer Berufsunfähigkeitsrente eine – weitere – Altersrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Höhe von 2.825,00 DM monatlich. Gemäß Nr. 3 beider Pensionszusagen galt als vereinbart, daß der Kläger bei Ausscheiden aus dem beklagten Verband vor Erreichen des 60. Lebensjahres aus anderem Grunde als wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit die bei der S. Rentenanstalt bestehende Rückdeckungsversicherung zur eigenen Verwendung überlassen bekomme. Der Beklagte schloß bei der S. Rentenanstalt für den Kläger nur einen einzigen Versicherungsvertrag ab; insoweit ist nunmehr streitig ist, ob sich dieser – so die Behauptung des Klägers – nur auf die erste Pensionszusage oder – so der Beklagtenvortrag – auf beide Zusagen bezieht. Aufgrund einer vom Beklagten gegenüber dem Kläger am 30. Juni 1994 ausgesprochenen fristlosen Kündigung kam es u.a. zu drei vom Kläger eingeleiteten Rechtsstreitigkeiten der Parteien vor dem Landgericht B. (18 O 375-377/95), die am 23. Januar 1996 durch gerichtlichen Vergleich beendet wurden. Der Vergleich lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten mit dem 30.06.1994 auf arbeitgeberseitige Veranlassung aufgehoben worden ist.
…
3. Zum Ausgleich für den Verlust der sozialen Besitzstände verpflichtet sich der Beklagte, als Abfindung an den Kläger 500.000,00 DM brutto zu zahlen.
…
7. Der Beklagte überträgt den Lebensversicherungsvertrag mit der S. Rentenanstalt in M., VersicherungsNummer: …, auf den Kläger zur Fortführung als Versicherungsnehmer.
8. Die Parteien sind sich darüber einig, daß mit diesem Vergleich alle Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Beklagten erledigt sind.
…
11. Der Beklagte behält sich Widerruf dieses Vergleichs durch schriftliche Anzeige zu den Gerichtsakten bis zum 13.02.1996 vor.”
Noch innerhalb der Widerrufsfrist des Vergleichs erklärten die damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 8. Februar 1996 auf das entsprechende Klarstellungsverlangen der seinerzeitigen Beklagtenvertreter, daß für den Fall der Erfüllung des Vergleichs der Kläger keinerlei Ansprüche gegenüber dem Beklagten mehr geltend machen und außerdem klargestellt werde, „daß die Übertragung der bei der S. Rentenanstalt bestehenden Lebensversicherung in Erfüllung von Ziff. 3 des gerichtlich protokollierten Vergleichs zur Abgeltung der Versorgungszusage vom 1. August 1987 erfolgt”. Ausweislich einer versicherungstechnischen Berechnung der S. Rentenanstalt vom 17. Juni 1995 betraf die Rückdeckungsversicherung die erste – inklusive Witwenrente vereinbarte – Pensionszusage und enthielt insoweit eine Abfindungslücke von 45.520,00 DM bezogen auf den Übertragungszeitpunkt. Mit der Klage verlangt der Kläger eine – zusätzliche – Altersrente aus der zweiten Pensionszusage in Höhe von monatlich 2.219,63 DM – ursprünglich ab Januar 1999, jetzt noch ab April 1999. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§§ 564, 565 Abs. 1 a.F. ZPO).
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung einer betrieblichen Altersrente aufgrund der zweiten Pensionszusage des Beklagten vom 1. August 1987 nicht zu, weil er in dem gerichtlichen Vergleich vom 23. Januar 1996 auf sämtliche Pensionsansprüche gegen Abfindung verzichtet habe. Aus dem Gesamtzusammenhang der Nr. 3, 7 und 8 des Vergleichs in Verbindung mit der in der Widerrufsfrist geführten Korrespondenz der Parteien ergebe sich, daß durch die Übertragung des Lebensversicherungsvertrages und die „zum Ausgleich für den Verlust der sozialen Besitzstände” bestimmte Zahlung von 500.000,00 DM alle Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis unter Einschluß der gemäß §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BetrAVG bereits unverfallbar gewesenen Versorgungsanwartschaften aus beiden Pensionszusagen abgefunden sein sollten. Dieser grundsätzlich zulässige Abfindungsvergleich sei nicht etwa wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB im Hinblick auf die zwingende Vorschrift des § 3 Abs. 2 BetrAVG zur Bemessung der Höhe der Abfindung der Versorgungszusage unwirksam, weil der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger dafür nicht genügend vorgetragen habe. Der Kläger habe nämlich nicht substantiiert behauptet, daß die Abfindungssumme von 500.000,00 DM keine Versorgungsansprüche betreffe; ebensowenig habe er zahlenmäßig konkret dargetan, daß dieser Vergleichsbetrag nicht die in § 3 Abs. 2 BetrAVG vorgeschriebene Höhe der Abfindung erreichen würde. Abgesehen davon liege bei überschlägiger Berechnung die kapitalisierte Abfindung der Versorgungsansprüche aus der zweiten Pensionszusage deutlich unter 400.000,00 DM, so daß der gerichtliche Vergleichsbetrag in jedem Fall ausreichend bemessen sei.
Diese Beurteilung hält in wesentlichen Punkten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II. 1. Im Ansatz zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Kläger im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem beklagten Verband am 30. Juni 1994 eine unverfallbare Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung ab dem 1. April 1999 auf der Grundlage (auch) der zweiten Pensionszusage vom 1. August 1987 erworben hat. Der Kläger gehörte als Bundesgeschäftsführer – und damit besonderer Vertreter des Beklagten gemäß § 30 BGB – zu dem in § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG genannten „arbeitnehmerähnlichen” Personenkreis, der aus sozialen Gründen den Regelungen des BetrAVG als Arbeitnehmerschutzgesetz unterstellt wird (vgl. dazu Sen.Urt. v. 3. Juli 2000 – II ZR 381/98, ZIP 2000, 1452, 1454 m.w.N.). Die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen für die Versorgungsansprüche des Klägers lagen vor (§§ 17 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BetrAVG), da dieser bei seinem Ausscheiden bereits 55 Jahre alt war, er bis dahin mehr als zwölf Jahre für den Beklagten tätig gewesen war und auch die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als drei Jahre – nämlich sechs Jahre – bestand.
2. Ebenfalls im Ansatz noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß diese unverfallbaren Versorgungsanwartschaften, da sie im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers weniger als 10 Jahre bestanden hatten, zwar grundsätzlich – als Ausnahme von dem ansonsten geltenden strikten Abfindungsverbot (vgl. dazu BAGE 34, 123, 127) – nach § 3 a.F. BetrAVG abfindbar waren. Der Kläger kann jedoch die Versorgungsanwartschaft aus der zweiten Zusage nur dann verloren haben, wenn die Parteien im gerichtlichen Vergleich vom 23. Januar 1996 eine gemäß § 3 a.F. BetrAVG wirksame Abfindungsregelung vereinbart haben. Unter Abfindung im Sinne dieser Vorschrift ist ein Vertrag zu verstehen, durch den der Anwartschaftsberechtigte auf seine Anwartschaft verzichtet und durch den sich der Arbeitgeber verpflichtet, dafür eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe sich nach § 3 Abs. 2 BetrAVG bestimmt und die insoweit gesetzlich geregelt ist. Die Gesetzesvorschrift verlangt in jedem Falle, daß die Abfindung dem Barwert der nach § 2 BetrAVG bemessenen künftigen Versorgungsleistung im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entspricht (BAGE 53, 131, 137); eine hiervon abweichende Abfindungsregelung ist – auch wenn sie durch einen Prozeßvergleich getroffen wird – gemäß § 134 BGB nichtig, da § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG generell einzelvertragliche Regelungen verbietet, durch die von den Mindestbedingungen des BetrAVG zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden soll (BAGE 53 aaO; vgl. auch BAG AP Nr. 8² zu § 17 BetrAVG m.w.N.).
3. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben begegnet die Feststellung des Oberlandesgerichts, der gerichtlich protokollierte Vergleich vom 23. Januar 1996 stehe mit § 3 a.F. BetrAVG im Einklang, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast und zudem auf einer unzulässigen Behandlung des Klägervortrags zum Inhalt des Vergleichs als unsubstantiiert.
a) Nachdem der Kläger die Unverfallbarkeit seiner Anwartschaft aus der zweiten Pensionszusage des Beklagten vom 1. August 1987 und zugleich die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Altersrente nach Nr. 1.3. der Zusage schlüssig dargetan hatte, oblag dem Beklagten nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Erlöschen dieser Rechte aus der Pensionszusage, mithin für eine gemäß § 3 Abs. 1, 2 a.F. BetrAVG wirksame Abfindungsvereinbarung in dem gerichtlichen Vergleich vom 23. Januar 1996. Mit dem Hinweis auf Wortlaut und Zweck des Vergleichs läßt sich – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts – eine Verkürzung der Darlegungslast des Beklagten oder gar deren Verlagerung auf den Kläger schon wegen der besonderen Fallgestaltung der Existenz zweier inhaltsverschiedener Pensionszusagen vom selben Tage bei nur einer – der Höhe nach unzureichenden – Rückdeckungsversicherung nicht rechtfertigen. Wortlaut und Zusammenhang der einzelnen Regelungen des Vergleichs wie auch die beiderseitigen, innerhalb der Widerrufsfrist abgegebenen Zusatzerklärungen der Parteien lassen zwar erkennen, daß eine abschließende Gesamtbereinigung des Dienstverhältnisses des Klägers beabsichtigt war; ob (und gegebenenfalls: in welcher Weise) indessen auch die zweite Versorgungszusage in diese Regelung einbezogen wurde, bleibt schon nach dem Wortlaut der Vereinbarung unklar. So ist zunächst die Übertragung der Rückdeckungsversicherung auf den Kläger in Nr. 7 des Vergleichs, also getrennt von der weitergehenden Abfindungsregelung durch Zahlung von 500.000,00 DM in Nr. 3 des Vergleichs, ohne näheren Bezug zu einer der beiden Versorgungszusagen geregelt. Die vom Beklagten gewünschte und vorformulierte „Klarstellung” des Klägers dahingehend, daß die Übertragung der Rückdeckungsversicherung in Erfüllung von Ziff. 3 des Vergleichs „zur Abgeltung der Versorgungszusage vom 1. August 1987 erfolgt”, betrifft dem Wortlaut nach nur eine Versorgungszusage (von zweien) und läßt allein aufgrund der Inbezugnahme von Nr. 3 des Vergleichs nicht erkennen, daß etwa ein – zudem nicht näher bestimmter – Teilbetrag der Abfindungssumme zusätzlich zum Ausgleich für den Verzicht auf die genannte Pensionszusage (oder gar beide) bestimmt war. Auch die Formulierung in Nr. 3 des Vergleichs hinsichtlich des „Ausgleichs für den Verlust der sozialen Besitzstände” hat – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts – keinen spezifischen Bezug zu bestehenden Versorgungsanwartschaften des Klägers, sondern stellt eine Standardformulierung dar, wie sie üblicherweise gerade für die Entschädigung des Verlustes des Arbeitsplatzes verwendet wird. Soweit das Oberlandesgericht – insoweit dem Beklagtenvorbringen folgend – meint, daß die Formulierung der Zusatzerklärungen der Parteien sich nach Sinn und Zweck des Abfindungsvergleichs (wahrscheinlich) auf beide Pensionszusagen bezogen habe, mag eine solche Auslegung zwar möglich und insofern revisionsrechtlich hinnehmbar sein; gleichwohl ist dadurch der Beklagte nicht der weitergehenden Darlegungslast dafür enthoben, daß der Kläger für den – dann anzunehmenden – Verzicht auf die Anwartschaften aus beiden Zusagen, mithin auch für die zweite Zusage, wertgleich im Sinne von § 3 Abs. 2 BetrAVG entschädigt worden ist. Unabhängig von der grundsätzlich eingeschränkten Tragweite einer allgemeinen Ausgleichsklausel über die Abfindung unverfallbarer Versorgungsansprüche auch in einem gerichtlichen Vergleich (vgl. dazu BAG AP Nr. 8³ zu § 17 BetrAVG m.w.N.) hat der Beklagte – insoweit vom Oberlandesgericht nicht hinreichend beachtet – Tatsachen vorgetragen, die zur Unerheblichkeit seiner Rechtsverteidigung führen können: Er hat nämlich bereits erstinstanzlich behauptet, die dem Kläger in Nr. 7 des Vergleichs übertragene Rückdeckungsversicherung sei – ohne Rücksicht auf ihren Wert – zur Abdeckung beider Pensionszusagen bestimmt gewesen, so daß weitergehende Versorgungsansprüche ausgeschlossen seien; diesen Vortrag hat der Beklagte in der Berufungserwiderung ausdrücklich aufrechterhalten. Da ausweislich der unstreitigen versicherungstechnischen Berechnung der S. Rentenanstalt vom 17. Januar 1995 die Rückdeckungsversicherung der ersten Pensionszusage (inklusive Witwenrente) zuzuordnen ist, der Übertragungswert für den maßgeblichen Abfindungszeitpunkt aber bereits eine nicht unerhebliche Deckungslücke bezüglich jener ersten Pensionszusage aufweist, wäre auf der Grundlage dieses Beklagtenvorbringens die zweite Pensionsanwartschaft vollständig ungedeckt und daher die Abfindungsregelung im Vergleich wegen Verstoßes gegen § 3 a.F. BetrAVG unwirksam. Soweit der Beklagte lediglich im Rahmen der rechtlichen Würdigung der Berufungserwiderung erstmals vorträgt, die in Nr. 3 des Vergleichs versprochene Abfindung von 500.000,00 DM sei auch zum Ausgleich „der Pensionszusage” bestimmt gewesen, man müsse nicht nachrechnen, ob die Rückdeckungsversicherung ausreichend gewesen sei, weil ein etwa offener Rest in hinreichender Weise durch den Zahlungsbetrag von 500.000,00 DM mit ausgeglichen sei, genügt dieses pauschale Vorbringen – zumal angesichts seines anderslautenden vorherigen Vortrags – ersichtlich nicht den Anforderungen an die Substantiierung der Wertgleichheit von Rechtsverlust und Entschädigung gemäß § 3 Abs. 2 BetrAVG. § 3 Abs. 2 BetrAVG verlangt in jedem Falle, daß die Abfindung dem Barwert der nach § 2 BetrAVG bemessenen künftigen Versorgungsleistung im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entspricht (vgl. BAGE 53, 131, 137); für dessen Ermittlung sind die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik, die Rechnungsgrundlagen und der Rechnungszinsfuß gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG zwingend vorgeschrieben (vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG 2. Aufl. § 3 Rdn. 105 m.w.N.). Daher hätte der Beklagte zumindest darlegen müssen, welcher konkrete Teilbetrag der Abfindungssumme von 500.000,00 DM nach dem Willen beider Parteien zusätzlich zu der Übertragung der Rückdeckungsversicherung als Abfindung der Versorgungsanwartschaft(en) bestimmt war und daß zudem jedenfalls eine Günstigkeitsrechnung eine Benachteiligung des Klägers gegenüber der gesetzlichen Mindestregelung des § 3 Abs. 2 BetrAVG ausschloß.
b) Selbst auf der Grundlage seines unzutreffenden Ausgangspunktes hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast hätte das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zum Inhalt und Zustandekommen des Vergleichs, insbesondere zur Tragweite der Abfindungsklausel in Nr. 3 im Hinblick auf die zweite Versorgungszusage, nicht als unsubstantiiert abtun dürfen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen; genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen (Sen.Urt. v. 11. September 2000 – II ZR 34/99, ZIP 2000, 2105, 2107 m.N.). Diesen Maßstab der Substantiierungslast hat das Berufungsgericht ersichtlich verkannt. Nachdem der Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung pauschal vorgetragen hatte, der Kläger sei zusätzlich auch durch die 500.000,00 DM hinsichtlich der Versorgungsanwartschaften mit abgefunden worden, hat der Kläger detailliert dargelegt, wie es im einzelnen zu der in Nr. 3 des Vergleichs vorgesehenen Abfindungssumme von 500.000,00 DM gekommen ist: Der Vergleichsbetrag von 500.000,00 DM habe mit der betrieblichen Altersversorgung des Klägers nicht das geringste zu tun gehabt, sondern sei ausschließlich zur Abgeltung sowohl des dem Kläger infolge vorzeitiger Auflösung des Dienstverhältnisses verlorengehenden Einkommens als auch der bereits aufgelaufenen Mehrarbeitsvergütung bestimmt gewesen. Insoweit habe der Kläger bereits mit Schreiben vom 25. Juli 1994 eine entsprechende Abfindung von 750.000,00 DM verlangt, diese um die Mehrarbeitsvergütung von 104.000,00 DM auf insgesamt 851.500,00 DM erhöht und zudem – erstmals – allgemein die Übertragung der Rückdeckungsversicherung gefordert. Dem Schreiben der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten vom 12. August 1994 lasse sich entnehmen, daß dieser das Gehaltsvolumen bis Ende 2003 sogar auf 1,309 Mio. DM geschätzt habe und daß auch noch ein Betrag zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen des Klägers zu berücksichtigen gewesen sei; der Beklagte sei jedoch nur bereit gewesen, hierfür eine Abfindung von 225.000,00 DM zu zahlen. Von diesen finanziellen Eckpunkten aus sei auch im gerichtlichen Verhandlungstermin vom 23. Januar 1996 die stufenweise Annäherung auf Vorschlag des Gerichts bis hin zum Einigungsbetrag von 500.000,00 DM erfolgt, ohne daß dabei die Altersversorgung eine Rolle gespielt hätte (Beweis: Zeugnis Rechtsanwalt Sc.). Angesichts dieses klaren, dem Beweis zugänglichen Vorbringens ist nicht erkennbar, was der Kläger noch zusätzlich zu der von ihm behaupteten Art und Weise des Zustandekommens des Vergleichs in bezug auf den Abgeltungsbetrag von 500.000,00 DM hätte vortragen müssen. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, inwiefern das Berufungsgericht „zahlenmäßige Belege” für die Behauptung des Klägers vermißt hat; etwas anderes oder mehr als die Behauptung, daß nach den Vorstellungen beider Parteien die 500.000,00 DM ausschließlich zur Abgeltung für den Einkommensverlust und die Mehrarbeitsvergütung des Klägers bestimmt waren, konnte und mußte dieser nicht vortragen. Soweit das Berufungsgericht meint, aus der Vorkorrespondenz entnehmen zu können, daß ein „Ausgleich für Einkommensverluste in der Vergleichssumme eher nicht enthalten gewesen sein dürfte”, handelt es sich um bloße Spekulation, die schon allein durch die Streitwertfestsetzung anläßlich des Vergleichs vom 23. Januar 1996 (Wert des Kündigungsschutzstreits: 491.400,00 DM, Mehrwert des Vergleichs insoweit 258.600,00 DM) indiziell widerlegt wird. Abgesehen davon entfiel durch eine solche wie auch andere Mutmaßungen nicht die Notwendigkeit der Erhebung der vom Kläger angebotenen Beweise.
III. Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 a.F. ZPO) an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag durch die Parteien (insbesondere des Beklagten) – Gelegenheit erhält, die für eine sachgemäße Entscheidung noch erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Münke
Fundstellen
Haufe-Index 788802 |
DB 2002, 2268 |
DStR 2002, 1870 |
DStZ 2002, 803 |
NJW 2002, 3632 |
BGHR 2003, 35 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 599 |
ZIP 2002, 1701 |
VersR 2003, 270 |
PP 2002, 31 |