Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe zur Prüfung übergebener Verwaltungsunterlagen an Verwalter. Rückgabe von Unterlagen
Leitsatz (amtlich)
Überlässt der Verwalter einem Wohnungseigentümer Verwaltungsunterlagen zur Prüfung außerhalb seiner Geschäftsräume, kommt regelmäßig ein Leihvertrag zustande mit der Folge, dass der Verwalter die Herausgabe der Unterlagen im eigenen Namen verlangen kann.
Normenkette
BGB § 604 Abs. 1; WEG § 27 Abs. 3 Nr. 7
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 16.12.2010; Aktenzeichen 29 S 48/10) |
AG Köln (Entscheidung vom 04.02.2010; Aktenzeichen 202 C 244/09) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 29. Zivilkammer des LG Köln vom 16.12.2010 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert beträgt für die Berufungsinstanz bis zum 8.4.2010 4.000 EUR, für die Zeit ab dem 9.4.2010 und für die Revisionsinstanz 3.220,92 EUR.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte ist Eigentümerin einer Wohnung in einer von der Klägerin verwalteten Wohnungseigentumsanlage. Sie bat die Klägerin Ende Januar 2009 schriftlich um die Übergabe der Abrechnungsunterlagen für das Jahr 2006 mit dem Hinweis, sie werde die Unterlagen am 9.2.2009 zurückgeben. Daraufhin übergab ihr die Klägerin zwei Aktenordner mit den gewünschten Unterlagen. Die Rückgabe erfolgte trotz mehrfacher Mahnungen nicht. Die auf Herausgabe gerichtete Klage hat das AG abgewiesen. Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Beklagte die Ordner zurückgegeben hat. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Das LG hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren in der Berufungsinstanz gestellten Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 2
Das Berufungsgericht meint, nicht der Verwalter, sondern nur die Wohnungseigentümergemeinschaft könne die Unterlagen herausverlangen. Der Verwaltervertrag begründe keine Ansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer. Ein Leihvertrag sei nicht zustande gekommen, weil nicht anzunehmen sei, dass die Beklagte bereit gewesen sei, eine eigenständige Verpflichtung gegenüber der Verwalterin einzugehen. Sie habe die Rückgabe der Unterlagen nur unverbindlich angekündigt.
II.
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg. Der Feststellungsantrag ist begründet, weil die Klage bis zu der Herausgabe der Unterlagen zulässig und begründet war. Die Klägerin konnte die Rückgabe gem. § 604 Abs. 1 BGB seit dem auf Vorschlag der Beklagten vereinbarten Termin am 9.2.2009 beanspruchen. Der Wohnungseigentümer hat einen gegen den Verwalter gerichteten Anspruch auf Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen; der Verwalter ist aber nicht verpflichtet, die Einsicht außerhalb seiner Geschäftsräume zu ermöglichen (BGH, Urt. v. 11.2.2011 - V ZR 66/10, NJW 2011, 1137 Rz. 8 f.). Entspricht er gleichwohl einer dahingehenden Bitte eines Wohnungseigentümers, kommt stillschweigend ein Leihvertrag zustande, weil der Verwalter regelmäßig nicht nur aus Gefälligkeit handelt.
Rz. 4
1. Ob eine Partei mit Rechtsbindungswillen handelt, ist danach zu beurteilen, ob die andere Partei nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Maßgeblich ist insb. die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl. nur BGH, Urt. v. 18.12.2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141 Rz. 7 m.w.N.). Gemessen daran musste die Beklagte ohne Zweifel davon ausgehen, dass ihr die Unterlagen nur unter Vereinbarung einer vertraglichen Rückgabepflicht überlassen wurden.
Rz. 5
a) Wie die Beklagte wusste, hatte die Klägerin als Verwalterin ihre Pflichten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfüllen. Sie war aufgrund des Verwaltervertrags nicht nur zur Aufbewahrung der Unterlagen für fünf Jahre verpflichtet, sondern musste neben der Erstellung von Abrechnungen auch die Einsichtnahme ermöglichen können. Kam sie diesen Pflichten nicht nach, war nicht nur mit einer Kündigung des Verwaltervertrags, sondern auch mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen.
Rz. 6
b) Der Verwalter kann auch nicht - wie die Revisionserwiderung meint - darauf verwiesen werden, im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu klagen. Dazu bedürfte er nämlich gem. § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG einer Ermächtigung. Die Wohnungseigentümer haben aber kein vernünftiges Interesse daran, das entstehende Prozesskostenrisiko zu übernehmen, weil es aus ihrer Sicht Sache des Verwalters ist, das Einsichtsrecht einschließlich der Rückerlangung der von ihm selbst herausgegebenen Unterlagen abzuwickeln. Ebenso wenig kann der Verwalter auf eine gewillkürte Prozessstandschaft verwiesen werden. Abgesehen davon, dass das erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse nur noch in engen Grenzen in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 28.1.2011 - V ZR 145/10, NJW 2011, 1361 Rz. 8 ff., vorgesehen zum Abdruck in BGHZ), bedürfte es auch insoweit einer Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Rz. 7
c) Insgesamt gesehen liefe eine Übergabe ohne vertragliche Bindung damit einer praktikablen Abwicklung des Einsichtsrechts zuwider und wäre - wie das Berufungsgericht selbst erkannt hat - in hohem Maße unbefriedigend. Aus diesem Grund entspricht sie im Regelfall nicht dem Parteiwillen. Weil es sich bei der Annahme eines Leihvertrags um eine rechtliche Würdigung handelt, bedurfte es nicht - wie die Revisionserwiderung meint - entsprechenden Vortrags der Parteien.
Rz. 8
2. Ist ein Leihvertrag zustande gekommen, kann der Entleiher dem Rückgabeverlangen nicht entgegenhalten, dass Eigentümer der Sache ein Dritter ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., § 604 Rz. 3).
III.
Rz. 9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach den bis zu der Erledigungserklärung entstandenen Kosten (BGH, Urt. v. 8.2.1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 [366]).
Fundstellen