Normenkette
EuPatÜbk Art. 54, 56, 69; PatG § 83 Abs. 1, § 117 S. 1; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 9. April 2019 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 461 963 (Streitpatents), das am 3. August 2010 unter Inanspruchnahme einer italienischen Priorität vom 3. August 2009 angemeldet worden ist und eine Stereolithographiemaschine sowie ein Stereolithographieverfahren betrifft.
Rz. 2
Patentanspruch 1, auf den neun weitere Ansprüche zurückbezogen sind, und Patentanspruch 11, auf den zwei weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lauten in der Verfahrenssprache:
1. Stereolithography machine (1) comprising:
- a container (3) suited to contain a fluid substance and provided with a transparent bottom (3a);
- a support plate (2) provided with a hole (2a), said support plate (2) being designed to house said container (3) so that said transparent bottom (3a) faces said hole (2a);
- a radiation source (4) arranged below said support plate (2), suited to convey a radiation beam towards said transparent bottom (3a) through said hole (2a);
- a temperature control unit (5) suited to maintain said support plate (2) at a predetermined temperature;
characterized in that said temperature control unit (5) comprises at least one heating element (6) thermally coupled with said support plate (2), and heat conduction allows said support plate (2) to heat said container (3).
11. Stereolithography method comprising the following operations:
- preparing a fluid substance suited to solidify when exposed to a predetermined radiation beam;
- preparing a container (3) suited to contain said fluid substance and provided with a transparent bottom (3a);
- filling said container (3) with said fluid substance;
- associating said container (3) with a support plate (2) provided with a hole (2a) for the passage of said radiation beam, so that the transparent bottom (3a) of said container (3) faces said hole (2a);
- conveying said radiation beam towards said transparent bottom (3a) through said hole (2a);
characterized in that said fluid substance is a mixture of different components that tend to separate at room temperature, and in that said method comprises the operation of heating said container (3) so as to maintain said fluid substance at a predetermined temperature, suited to prevent said separation of said components.
Rz. 3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigt.
Rz. 4
Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents anstrebt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt die Ansprüche des Streitpatents auch einzeln.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Rz. 6
I. Das Streitpatent betrifft eine Stereolithographiemaschine, die insbesondere zur schnellen Erstellung von Prototypen dreidimensionaler Objekte geeignet ist, sowie ein entsprechendes Stereolithographieverfahren.
Rz. 7
1. Nach der Beschreibung geht das Streitpatent von einer Stereolithographiemaschine in einer im Stand der Technik bekannten Bauart aus, wie sie beispielsweise in der US-amerikanischen Patentschrift 5 545 367 (HE5) offenbart ist. Eine Stereolithographiemaschine dieses Typs umfasse einen transparenten Behälter, der von einer Platte getragen werde, die mittig mit einer Öffnung versehen sei. Der Behälter enthalte Kunstharz, das polymerisiere und fest werde, wenn es der Strahlung einer Lichtquelle ausgesetzt werde. Die Lichtquelle befinde sich unterhalb der Platte, die den Behälter trage, und sei vorzugsweise ein Laser. Über dem Behälter sei ein Trägerelement angebracht, an dem das 3D-Objekt während seiner Fertigung verankert sei. Bei der Fertigung werde eine dünne Schicht des Kunstharzes auf dem Boden des Behälters selektiv gehärtet, indem ein Laserstrahl von unten durch die Öffnung der den Behälter tragenden Platte und den transparenten Behälterboden auf das Harz gerichtet werde. Das Trägerelement werde fortlaufend angehoben, um die jeweils verfestigte Schicht vom Boden des Behälters zu lösen, so dass wieder flüssiges Harz zur Bildung der nächsten Schicht nachfließen könne. Dieser Vorgang werde so lange Schicht für Schicht wiederholt, bis das gewünschte 3D-Objekt fertiggestellt sei.
Rz. 8
Nachteilig an derartigen Stereolithographiemaschinen sei, dass sie nicht für die Verwendung sog. Hybridharze ausgelegt seien, die neben Kunststoffen weitere Komponenten wie Keramik, Wachs oder andere nicht kunststoffhaltige Komponenten enthielten. Die Komponenten der Hybridharze trennten sich beim Einsatz in Maschinen des beschriebenen Typs und bildeten Agglomerate in der Harzmatrix, die dadurch inhomogen werde und nicht einwandfrei aushärte, was zu Qualitätseinbußen und erhöhtem Ausschuss führe.
Rz. 9
2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, eine Stereolithographiemaschine mit einer unter dem Werkstoffbehälter angeordneten Strahlenquelle und ein entsprechendes Verfahren dahingehend weiterzuentwickeln, dass sich Harze aller Art einschließlich Hybridharze möglichst optimal verfestigen lassen und damit Beeinträchtigungen der Produktqualität oder Fehlproduktionen möglichst vermieden werden können.
Rz. 10
Der Auffassung der Berufung, jedenfalls in Bezug auf das mit Patentanspruch 11 beanspruchte Verfahren sei die Aufgabe in der Verringerung der Viskosität von Harzen jeglicher Art zu sehen, weil der nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift der Problemlösung zugrundeliegende Effekt, dass sich bei Hybridharzen eine Trennung der Komponenten verhindern lasse, indem das Harz auf einer bestimmten Temperatur gehalten werde, experimentell nicht nachweisbar sei und auch den theoretischen Grundlagen der Sedimentation von Komponenten in einer flüssigen Substanz widerspreche, vermag der Senat nicht beizutreten. Die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeitsverfahren dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren. Welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden, und ob der Gegenstand des Streitpatents geeignet ist, das der Erfindung zugrundeliegende technische Problem zu lösen, ist für dessen Bestimmung unerheblich, und erst bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung der Schutzfähigkeit zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid; Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 f.- Quetiapin; Urteil vom 2. März 2021 - X ZR 29/19 Rn. 10 f. - juris).
Rz. 11
3. Zur Lösung des genannten Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Stereolithographiemaschine und in Patentanspruch 11 ein Stereolithographieverfahren vor.
Rz. 12
a) Die Merkmale der Maschine nach Patentanspruch 1 lassen sich mit dem Patentgericht wie folgt gliedern:
1. Die Stereolithographiemaschine umfasst
1.a einen Behälter [container] (3),
1.b eine Trägerplatte [support plate] (2),
1.c eine Strahlenquelle [radiation source] (4) und
1.d eine Temperaturkontrolleinheit [temperature control unit] (5).
2. Der Behälter (3) ist
2.a geeignet, eine flüssige Substanz [fluid substance] aufzunehmen, und
2.b mit einem transparenten Boden (3a) versehen.
3. Die Trägerplatte (2)
3.a weist eine Öffnung (2a) auf;
3.b ist darauf ausgelegt, den Behälter (3) aufzunehmen, so dass der transparente Boden (3a) der Öffnung (2a) zugewandt ist;
5.b.2 erwärmt den Behälter (3) mittels Wärmeleitung [heat conduction].
4. Die Strahlungsquelle (4) ist
4.a unter der Trägerplatte (2) angeordnet;
4.b geeignet, ein Strahlenbündel durch die Öffnung (2a) auf den transparenten Boden (3a) zu leiten.
5. Die Temperaturkontrolleinheit (5)
5.a ist geeignet, die Trägerplatte (2) auf einer vorbestimmten Temperatur zu halten, und
5.b umfasst wenigstens ein Heizelement [heating element] (6), das
5.b.1 mit der Trägerplatte (2) thermisch gekoppelt [thermally coupled] ist.
Rz. 13
b) Die Merkmale des Verfahrens nach Patentanspruch 11 lassen sich mit dem Patentgericht wie folgt gliedern:
11. Das Stereolithographieverfahren umfasst folgende Arbeitsgänge:
11.a Vorbereiten einer flüssigen Substanz, die aushärtet, wenn sie einer bestimmten Strahlung ausgesetzt wird;
11.b Vorbereiten eines Behälters (3), der zur Aufnahme der flüssigen Substanz geeignet und mit einem transparenten Boden (3a) versehen ist;
11.c Befüllen des Behälters (3) mit der flüssigen Substanz;
11.d Anordnen des Behälters (3) auf einer mit einer Öffnung (2a) für den Durchtritt der Strahlung versehenen Trägerplatte (2), so dass der transparente Boden (3a) der Öffnung (2a) zugewandt ist;
11.e Leiten der Strahlung durch die Öffnung (2a) zum transparenten Boden (3a);
11.f Die flüssige Substanz ist ein Gemisch verschiedener Bestandteile, die dazu neigen, sich bei Raumtemperatur zu trennen;
11.g Beheizen des Behälters (3), um die flüssige Substanz auf einer vorbestimmten Temperatur zu halten, die geeignet ist, die Trennung der Bestandteile zu verhindern.
Rz. 14
4. Nach der Beschreibung des Streitpatents beruht die Erfindung auf der Erkenntnis, dass eine bei der Verwendung von Hybridharzen als Werkstoff auftretende und sich auf die Verarbeitung nachteilig auswirkende Trennung der Bestandteile vermieden werden kann, wenn das Harz während des Fertigungsprozesses auf einer vorbestimmten Temperatur gehalten wird. Von zentraler Bedeutung für die Lehre des Streitpatents sind daher die Temperaturkontrolleinheit nach Merkmal 1.d und das Beheizen des Behälters nach Merkmal 11.g.
Rz. 15
a) Die nach Merkmal 1.d für die Stereolithographiemaschine vorgesehene Temperaturkontrolleinheit wird in Merkmalsgruppe 5 definiert.
Rz. 16
aa) Nach Merkmal 5.a muss die Temperaturkontrolleinheit geeignet sein, die Trägerplatte auf einer vorbestimmten Temperatur zu halten.
Rz. 17
bb) Dafür umfasst sie nach Merkmalen 5.b und 5.b.1 wenigstens ein Heizelement, das mit der Trägerplatte thermisch gekoppelt ist.
Rz. 18
Aus der Beschreibung ergibt sich, dass das Heizelement und die Trägerplatte derart miteinander verbunden sein müssen, dass eine homogene Wärmeverteilung auf der gesamten Trägerplatte und ein optimaler Wärmeaustausch zwischen Heizelement und Trägerplatte sichergestellt werden kann (Abs. 32, 37).
Rz. 19
Eine thermische Kopplung im erfindungsgemäßen Sinne ist jedenfalls dann gegeben, wenn das Heizelement - entsprechend Patentanspruch 7 - in Kontakt mit der Trägerplatte angeordnet ist. Dieser Kontakt kann nach der Beschreibung durch die Verwendung einer Wärmeleitpaste verbessert werden, um Unebenheiten von Heizelement und Trägerplatte, die die Berührungsfläche dieser beiden Elemente verringern, auszugleichen (Abs. 38).
Rz. 20
cc) Die Wärmeleitung von dem wenigstens einen Heizelement über die Trägerplatte bis zu dem auf diesem stehenden Behälter bewirkt, dass nicht nur der Behälter auf der erwärmten Platte, sondern auch die darin befindliche Substanz auf derselben vorbestimmten Temperatur gehalten werden können wie die Trägerplatte (Beschr. Abs. 16 und Abs. 27).
Rz. 21
dd) Nach der Beschreibung soll dadurch, dass das in dem Behälter aufgenommene Harz bei einer geeigneten vorbestimmten Temperatur gehalten wird, eine Trennung der Bestandteile des Harzes vermieden und so der Werkstoff homogen gehalten werden, um zugleich eine optimale Verfestigung zu erzielen (Beschr. Abs. 14 ff.). Diese Zielsetzung hat in Patentanspruch 1 keine Erwähnung gefunden.
Rz. 22
In Patentanspruch 1 wird der eingesetzte Werkstoff nur insoweit erwähnt, als nach Merkmal 2.a der Behälter geeignet sein muss, eine flüssige Substanz aufzunehmen. Damit ist lediglich der Aggregatzustand des eingesetzten Materials definiert. Eine Beschränkung auf die in der Beschreibung der Streitpatentschrift als in Bezug auf ihre Verarbeitbarkeit problematisch angesehenen Hybridharze ist in Patentanspruch 1 nicht enthalten.
Rz. 23
ee) Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren zeigen ein Ausführungsbeispiel einer Temperaturkontrolleinheit und deren Anordnung bei einer erfindungsgemäßen Stereolithographiemaschine in einer Ansicht von unten auf die Trägerplatte (Figur 2) und in einer Schnittdarstellung (Figur 3):
Rz. 24
Die Temperaturkontrolleinheit (5) besteht bei dem gezeigten Beispiel aus zwei Heizelementen (6, 6a), die einander gegenüber angeordnet sind, und einem zwischen diesen Heizelementen positionierten Temperatursensor (7), der die durchschnittliche Temperatur der Trägerplatte (2) messen und die Einstellgenauigkeit verbessern soll (Abs. 36). Die Heizelemente und der Temperatursensor sind über eine in den Figuren 2 und 3 nicht gezeigte operative Steuereinrichtung verbunden, um die Platte auf einer konstanten Temperatur zu halten (Abs. 35).
Rz. 25
Wie ein Kontakt zwischen Trägerplatte und Heizelement durch bauliche Maßnahmen hergestellt werden kann, ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 4 gezeigt, die eine Detailansicht des entsprechenden Bereichs aus der Figur 3 wiedergibt:
Rz. 26
Danach ist das Heizelement (6a) in einer Vertiefung (14) der Platte (2) untergebracht, die mit einer Abdeckung (8) versehen ist, die ihrerseits lösbar mit der Platte (2) verbunden ist, um den Einbau und das Ersetzen des Heizelements zu erleichtern.
Rz. 27
b) Patentanspruch 11 bezieht sich auf ein Stereolithographieverfahren, bei dem ein mittels Strahlung härtbares flüssiges Gemisch verarbeitet wird, das bei Raumtemperatur dazu neigt, sich in seine Bestandteile zu trennen (Merkmal 11.f). Bei welchen Gemischen dies der Fall ist, ist weder in Patentanspruch 11 noch in der Beschreibung konkretisiert.
Rz. 28
Anders als Patentanspruch 1 benennt Patentanspruch 11 den Zweck der Erwärmung, der darin liegen soll, das als Werkstoff verwendete Gemisch auf einer vorbestimmten Temperatur zu halten, die geeignet ist, die Trennung der Bestandteile des Gemischs zu verhindern.
Rz. 29
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 30
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei patentfähig. Er sei neu und werde dem Fachmann, einem Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus oder der Verfahrenstechnik mit zumindest Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption von 3D-Drucksystemen und 3D-Druckverfahren, durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
Rz. 31
Die US-amerikanische Patentschrift 7 052 263 (HE 6) offenbare eine Stereolithographiemaschine mit einem Behälter, einer Trägerplatte und einer Strahlenquelle im Sinne der Merkmale 1.a bis 1.c. Behälter und Trägerplatte seien jeweils entsprechend den Merkmalsgruppen 2 und 3 ausgebildet. Die Strahlenquelle sei unterhalb der Trägerplatte angeordnet, wobei das ausgesandte Strahlenbündel mittels eines Spiegels durch die Öffnung in der Trägerplatte auf den transparenten Boden des Behälters gelenkt werde. Damit sei auch Merkmalsgruppe 4 offenbart. Nicht offenbart sei Merkmalsgruppe 5. In HE6 werde weder eine Temperaturführung noch eine Temperaturkontrolleinheit erwähnt.
Rz. 32
Aus dem Stand der Technik ergebe sich keine Anregung, die Stereolithographiemaschine nach der HE6 um eine Temperaturkontrolleinheit im Sinne der Merkmalsgruppe 5 zu ergänzen.
Rz. 33
Die Veröffentlichung von Jae-Won Choi et al. (Fabrication of Complex 3D Micro-Scale Scaffolds and Drug Delivery Devices using Dynamic Mask Projection Microstereolithography (2008), University of Akron, Department of Mechanical Engineering, Paper 901; HE7) offenbare zwar eine Stereolithographiemaschine, bei der die Temperatur der flüssigen Substanz im Behälter mittels einer Heizplatte gesteuert und auf einer bestimmten Höhe gehalten werden könne. Die Lehre der HE7 lasse sich indessen nicht ohne weiteres auf eine Maschine des in HE6 beschriebenen Typs übertragen. Bei der in HE7 gezeigten Stereolithographiemaschine sei die Heizplatte unmittelbar unter dem Behälter mit der flüssigen Substanz angebracht, was kein Problem sei, da die Strahlung der Lichtquelle von oben auf die Substanz im Behälter einwirke. Dagegen stünde bei der Maschine nach HE6 eine unter dem Behälter angebrachte Heizplatte der von unten auf den Behälterboden gerichteten Strahlung im Weg. Unabhängig hiervon hätte eine einfache Übertragung der Lehre der HE7 auch deshalb nicht zum Gegenstand des Streitpatents geführt, weil danach die Heizplatte allenfalls als gesonderte Platte zwischen Trägerplatte und Behälter eingefügt worden wäre, die darüberhinaus noch mit einer zentralen Öffnung für die Strahlung hätte ausgestattet werden müssen. Der Umstand, dass bei der Maschine nach HE6 die als Trägerplatte ausgebildete obere Gehäusewand eine sehr große Öffnung aufweise, hätte den Fachmann davon abgehalten, diese zugleich als Heizplatte zu verwenden, da sich die für die Wärmeübertragung verfügbare Fläche und folglich auch der Wärmestrom erheblich verringert hätten.
Rz. 34
Der Fachmann wäre auch ausgehend von der in dem Fachbuch von Gebhardt (Generative Fertigungsverfahren, Hanser Verlag, 3. Aufl. 2007, S. 105-110, HE13) offenbarten Stereolithographiemaschine nicht zum Gegenstand von Patentanspruch 1 gelangt. Bei dieser Maschine fehle es wie bei der HE6 an einer Temperaturkontrolleinheit im Sinne der Merkmalsgruppe 5. Weder die in Figur 3-18 (a) gezeigte Prinzipdarstellung noch die Abbildung einer Stereolithographiemaschine in Figur 3-18 (b) ließen eine Heizeinrichtung erkennen. Eine solche werde auch in der Beschreibung nicht erwähnt. Da somit der Offenbarungsgehalt der HE13 nicht über denjenigen der HE6 hinausgehe, führe auch eine Kombination der HE13 mit der HE7 nicht zum Gegenstand von Patentanspruch 1.
Rz. 35
Die Ausstattung einer aus HE6 oder HE13 bekannten Stereolithographiemaschinen mit einer Temperaturkontrolleinheit sei auch nicht deshalb als lediglich im Bereich fachmännischen Könnens liegendes Handeln anzusehen, weil zur Verarbeitung einer Vielzahl von Harzen eine Temperaturregelung zwingend erforderlich sei. Zwar sei vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass der Fachmann auch bei einer Maschine, bei der der Werkstoff von unten belichtet werde, über eine Ausstattung mit Heizmitteln nachdenken werde. Derartige Überlegungen führten ihn aber nicht zwangsläufig zu einer Temperaturkontrolleinheit im Sinne von Merkmalsgruppe 5. Temperaturkontrolleinheiten von Stereolithographiemaschinen, bei denen die Strahlenquelle von oben her auf die Substanz im Behälter einwirke, könnten aus konstruktiven Gründen nicht ohne weiteres auf Maschinen mit einer von unten wirkenden Strahlenquelle übertragen werden. Der Fachmann werde daher allenfalls nach dem Vorbild der zum allgemeinen Fachwissen gehörenden US-Patentschrift 5 545 367 (HE5) die Seitenwände des Materialbehälters mit Heizmitteln versehen. Um die Trägerplatte einer Stereolithographiemaschine mit einer von unten wirkenden Strahlungsquelle mit einer Temperaturkontrolleinheit auszustatten, die thermisch mit der Trägerplatte gekoppelte Heizelemente aufweise, habe es über allgemeine fachliche Überlegungen hinausgehender Schritte bedurft, da aufgrund der großen Öffnung der Trägerplatte entsprechend weniger Kontaktfläche zur Wärmeleitung an den Behälter zur Verfügung stehe als dies bei einer vollflächigen Heizplatte ohne Öffnung der Fall wäre.
Rz. 36
Der Gegenstand von Patentanspruch 11 werde dem Fachmann ebenfalls nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
Rz. 37
HE6 offenbare ein Verfahren mit den Merkmalen 11.a bis 11.e. Die Merkmale 11.f und 11.g würden dagegen in keiner der von der Klägerin in Bezug genommenen Entgegenhaltungen offenbart.
Rz. 38
Die in HE7 verwendeten Harzgemische erfüllten nicht die Kriterien von Merkmal 11.f. Dementsprechend offenbare HE7 auch keinen Verfahrensschritt im Sinne von Merkmal 11.g.
Rz. 39
Ebenso wenig gelange der Fachmann ausgehend von HE13 zum Gegenstand von Patentanspruch 11. Diese Entgegenhaltung offenbare mit der Bezugnahme auf das Produkt N. zwar die Verwendung eines mit bis zu 80 Gewichtsprozent mit Keramikteilchen gefüllten Hybridharzes und damit eine flüssige Substanz, die aus einem Gemisch verschiedener Bestandteile bestehe. Nicht offenbart werde indessen, dass das Gemisch bei Raumtemperatur dazu neige, sich in seine Bestandteile zu trennen. Ferner sei ein Beheizen des Behälters nicht vorgesehen. HE13 habe das den Merkmalen 11.f und 11.g zugrundeliegende Phänomen der Trennung von Bestandteilen eines Gemischs bei Raumtemperatur nicht erkannt. Der Auffassung der Klägerin, die in diesen Merkmalen beschriebenen Effekte widersprächen naturgesetzlichen Abläufen und seien daher beim Vergleich mit dem Stand der Technik zu vernachlässigen, sei nicht zu folgen. Die hierzu vorgelegten Versuchsreihen HE19a-c, HE20, HE20a und HE21, aus denen sich nach dem Vorbringen der Klägerin ergeben solle, dass ein Beheizen der Harzmischung nach Merkmal 11.g kontraproduktiv sei, weil sich Hybridharze bei einer Erwärmung schneller in ihre Bestandteile trennten als bei Raumtemperatur, seien außerhalb der räumlichen und sonstigen Randbedingungen von stereolithographischen Verfahren in relativ großen Bechergläsern und in Wärmeöfen durchgeführt worden und daher nicht geeignet, die in den Merkmalen 11.f und 11.g beschriebenen Effekte zu widerlegen. Es liege vor dem Hintergrund der von der Beklagten unter den Bedingungen realer Stereolithographieverfahren durchgeführten Versuche (KP1a, KP1b, KP2 und KP3) im Bereich des Möglichen, dass die Beklagte einen durch thermische Einwirkung speziellen technischen Effekt abweichend von den Abläufen nach der Stokesschen Gleichung jedenfalls für sehr enge und kleine Räume und damit für Bedingungen, wie sie bei dem in Rede stehenden Stereolithographieverfahren vorlägen, erkannt habe. Es seien Ausführungsvarianten mit bestimmten Harzen in bestimmten Behältermaßen und unter Erzeugung bestimmter Temperaturgradienten in der beanspruchten Form möglich, die eine erfinderische Tätigkeit begründeten.
Rz. 40
III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
Rz. 41
1. Das Patentgericht ist zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 patentfähig ist.
Rz. 42
a) HE13 nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vollständig vorweg.
Rz. 43
aa) HE13 stellt in Kapitel 3.1.8 verschiedene Stereolithographiemaschinen des Unternehmens E. vor und offenbart mit der Beschreibung der "Perfactory"-Familie auch ein Stereolithographiesystem, bei dem wie bei der erfindungsgemäßen Maschine die Strahlenquelle unterhalb des Behälters mit dem Werkstoff angeordnet ist. Das System arbeitet nach dem Lampen-Masken-Verfahren und nutzt die Digital Light Processing-Technologie (DLP). Dabei werden die Baudaten für jede Schicht des herzustellenden 3D-Objekts als Maske auf die Bauebene projiziert. Die Maske wird mit einem DLP-Projektor erstellt, der zugleich als Strahlenquelle fungiert und die Harzschicht an den transparenten Stellen der Maske belichtet und aushärtet (HE13 S. 106 Kap. 3.1.8 unter "Kurzbeschreibung"; S. 107 unter "Prinzip der Schichtgenerierung" Abs. 1).
Rz. 44
Die Fotografie (b) in dem nachfolgend wiedergegebenen Bild 3-18 aus der HE13 zeigt ein Modell dieser Baureihe. Die Skizze (a) stellt den Aufbau der Vorrichtung dar.
Rz. 45
Die Maschine besteht aus einem Unterbau, einer nach oben offenen Glaswanne sowie einer darüber angeordneten, in vertikaler Richtung verfahrbaren Aufnahme der Bauplattform (so auch die Beschreibung in HE13 S. 107 unter "Bauart/Konstruktion"). Wie die Skizze (a) der Abbildung 3-18 zeigt, weist der Unterbau an seiner Oberseite eine Öffnung auf. Der Skizze lässt sich außerdem entnehmen, dass die Glaswanne nicht unmittelbar über dieser Öffnung angeordnet ist, sondern dass sich unterhalb der Glaswanne noch eine Platte befindet, die sich ebenfalls über die Öffnung in der Oberseite des Unterbaus erstreckt. Die in der Abbildung (b) gezeigte Maschine weist eine Platte auf, die in ihrer Grundfläche über die viereckig geformte Glaswanne in alle Richtungen mehr oder weniger hinausragt.
Rz. 46
Nach der Beschreibung der Maschine in HE13 enthält der Unterbau den DLP-Projektor, den Steuerrechner und die Bevorratung des Materials (HE13 S. 107 unter "Bauart/Konstruktion"). Die Glaswanne dient nicht nur als Harzbehälter, sondern zugleich auch als Bauraum, wobei ihr Boden die Projektionsebene für die Belichtung und damit die Bauebene bildet (HE13 S. 106 Abs. 2). Daher muss auch die Platte, auf der die Glaswanne angeordnet ist, eine der Projektionsebene entsprechende Öffnung aufweisen, um die vom DLP-Projektor ausgehende Strahlung, die von unten her durch die Öffnung in der Oberseite des Unterbaus tritt, auf den Glasboden der Wanne mit dem Harz projizieren zu können und so die Materialschicht auf dem Wannenboden zu verfestigen.
Rz. 47
bb) Damit offenbart HE13 eine Stereolithographiemaschine mit den in den Merkmalen 1.a, 1.b und 1.c aufgeführten Bestandteilen, die entsprechend den Merkmalsgruppen 2, 3 und 4 ausgebildet und angeordnet sind.
Rz. 48
cc) Hingegen offenbart HE13 weder eine Temperaturkontrolleinheit im Sinne der Merkmale 1.d und 5 bis 5.b.1 noch eine sich durch Wärmeleitung erwärmende Halterungsplatte im Sinne von Merkmal 5.b.2.
Rz. 49
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch in HE6 nicht vollständig offenbart.
Rz. 50
aa) HE6 offenbart eine Vorrichtung zur Herstellung eines dreidimensionalen Objekts durch schichtweises Verfestigen eines flüssigen, unter Lichteinwirkung verfestigbaren Materials. Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen einzigen Figur der HE6 dargestellt.
Rz. 51
Die Vorrichtung umfasst ein an der Oberseite mit einer Öffnung (aperture, 6) versehenes Gehäuse (housing, 2), in dem eine Belichtungs- und Projektionseinheit (exposure and projection unit, 19) untergebracht ist, eine Polymerisationswanneneinheit (polymerisation trough unit, 7), die auf dem Gehäuse angeordnet ist und die Öffnung auf dessen Oberseite überdeckt, sowie eine Trägerplattform (carrier platform, 14), die das 3D-Objekt (13) während des Herstellungsprozesses hält und sich über die Positioniereinrichtung (positioning device, 15) in vertikaler Richtung vom Boden der Wanne nach oben und wieder nach unten bewegen lässt.
Rz. 52
Die Polymerisationswanneneinheit (7) besteht aus einer transparenten Bodenplatte (8), auf der eine elastische Schicht (9) aufgebracht ist, die an ihren Rändern (10) hochgezogen ist und so die eigentliche Polymerisationswanne bildet, die das unter Einwirkung von Licht polymerisierbare Material aufnimmt.
Rz. 53
Die Wanne ist über Befestigungselemente (12) mit der Bodenplatte (8) und der Oberseite des Gehäuses so verbunden, dass sie leicht abnehmbar und austauschbar ist. Sie besteht aus einem Material, beispielsweise Silikon, an dem das polymerisierbare Material nach der Polymerisation weniger stark anhaftet als an der Bodenplatte.
Rz. 54
Die Belichtungs- und Projektionseinheit (19) umfasst eine Lichtquelle, deren Strahlung über den Umlenkspiegel (20) durch die Öffnung in der Oberseite des Gehäuses von unten auf die transparente Bodenplatte gelenkt wird.
Rz. 55
bb) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, kann die Oberseite (5) des Gehäuses (2) als Trägerplatte im Sinne von Merkmal 1.b und Merkmalsgruppe 3 angesehen werden. Wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, sind die Merkmale 1.a und 1.c sowie die Merkmalsgruppen 2 und 4 ebenfalls offenbart.
Rz. 56
cc) Es fehlt indessen - wie bei HE13 - an der Offenbarung einer Temperaturkontrolleinheit nach Merkmal 1.d und damit auch an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 5.
Rz. 57
c) HE7 offenbart ebenfalls nicht alle Merkmale von Patentanspruch 1.
Rz. 58
aa) HE7 berichtet über Untersuchungen dazu, inwieweit die auf der Grundlage der konventionellen Stereolithographie für die Herstellung komplexer 3D-Mikrostrukturen entwickelte Mikrostereolithographie auch dazu eingesetzt werden kann, für die Züchtung biologischer Gewebe (Tissue Engineering) benötigte, biologisch abbaubare, biokompatible Gerüste (sog. Scaffolds) und biokompatible Vorrichtungen zur Abgabe von Arzneimittelstoffen, wie Mikronadeln, herzustellen. Die Tauglichkeit der Mikrostereolithographie für diese Zwecke müsse weiterhin erforscht werden. Es sei zwar gelungen, entsprechende biologisch abbaubare und biokompatible Materialien (Biopolymere), wie beispielsweise Polypropylenfumarat (PPF), für den Einsatz bei der Mikrostereolithographie synthetisch herzustellen. Allerdings hätten auch mittels Mikrostereolithographie bisher nur Objekte von einfacher Form und nicht mit den komplexen 3D-Mikrostrukturen, wie sie Mikrogerüste und Mikronadeln erforderten, hergestellt werden können (HE 7 S. 652 f.). Für ihre Untersuchungen haben die Autoren eine Vorrichtung verwendet, die unter anderem eine Lichtemissionseinheit (light emission subsystem) und die eigentliche Baueinheit (build subsystem) umfasst (HE7 S. 654 Abs. 3). Die Baueinheit besteht aus einem in vertikaler Richtung bewegbaren Objekttisch, einer Plattform für das Werkstück, einer Wanne zur Aufnahme des flüssigen Werkstoffs und einer unter der Wanne installierten Heizplatte zur Regelung der Temperatur der Lösung (HE7 S. 657 Abs. 1).
Rz. 59
Das Werkstück wird auf dem Objekttisch nach dem Prinzip der Schichtbauweise hergestellt, indem jeweils die Materialschicht an der Oberfläche belichtet und ausgehärtet wird. Der Tisch wird nach Aushärtung dieser Schicht mit dieser und den zuvor gehärteten Schichten zunächst tief nach unten in die Wanne und anschließend wieder bis auf die gewünschte Schichtdicke unter die Oberfläche der Lösung nach oben bewegt. Sobald sich das Material für die nächste zu bildende Schicht auf der zuvor gehärteten Schicht abgesetzt hat und die Lösungsoberfläche gleichmäßig ist, wird die nächste Schicht belichtet und ausgehärtet (HE7 S. 657 Abs. 1 und Figur 4).
Rz. 60
bb) Damit sind die Merkmale 1, 1.a, 1.c, 1.d und 2.a offenbart.
Rz. 61
cc) Ebenfalls offenbart ist Merkmal 1.b. Zwar ist bei der Maschine nach HE7 der Materialbehälter nicht auf einer gesonderten Trägerplatte angebracht. Diese Funktion wird indessen von der Heizplatte übernommen, die den Behälter mit dem Werkstoff nicht nur erwärmt, sondern zugleich trägt.
Rz. 62
dd) Nach den Ausführungen in der HE7 wurde die Heizplatte installiert, um die Lösung in der Wanne auf einer konstanten, vorgegebenen Temperatur zu halten. Damit ist auch Merkmalsgruppe 5 offenbart.
Rz. 63
ee) Nicht offenbart sind die Merkmale 4.a und 4.b, weil die Strahlungsquelle anders als beim Streitpatent nicht unter einer die Materialwanne tragenden Platte, sondern oberhalb der Wanne angeordnet ist und die Strahlung dementsprechend von oben auf die Substanz in der Wanne einwirkt.
Rz. 64
ff) Folglich fehlt es auch an einer Offenbarung aller Merkmale, die beim Streitpatent dem Umstand Rechnung tragen, dass jeweils die Schicht am Boden des Materialbehälters und nicht die Schicht an der Oberfläche der flüssigen Substanz im Materialbehälter ausgehärtet wird. Dementsprechend offenbart HE7 weder einen transparenten Behälterboden nach Merkmal 2.b noch erfüllt die die Materialwanne tragende (Heiz-)Platte die Merkmale 3.a und 3.b.
Rz. 65
d) Auch HE5 offenbart den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vollständig.
Rz. 66
aa) Diese in der Streitpatentschrift erwähnte Entgegenhaltung betrifft Stereolithographieverfahren, mit denen die Präzision bei der Herstellung von 3D-Strukturen im Groß-, Mini- und Mikroformat erhöht und ein Verziehen der Objekte auf ein Minimum reduziert werden soll. Zur Lösung der gestellten Aufgabe schlägt HE5 vor, den Materialbehälter während des Polymerisationsprozesses einem erhöhten Druck oder einer erhöhten Temperatur oder einer Kombination von beidem auszusetzen (HE5 Sp. 5 Z. 39 bis Sp. 6 Z. 24).
Rz. 67
Zum Erhitzen des Materialbehälters können nach den Ausführungen in HE5 gängige Heizmittel genutzt werden (HE5 Sp. 16 Z. 37 f.; Sp. 9 Z. 41-44). Vorzugsweise soll eine gleichmäßige Temperatur über den gesamten Behälter hinweg aufrechterhalten werden, um eine natürliche Konvektion zu verhindern (HE5 Sp. 10 Z. 33 f.). Als bevorzugtes Heizmittel nennt HE5 eine Vollmantelheizung, die den Behälter umgibt (full jacket heater, HE5 Sp. 16 Z. 38; vgl. auch jacketed vat, HE5 Sp. 9, Z. 41). Das einzige Ausführungsbeispiel einer Stereolithographiemaschine, die mit einem Heizmittel versehen ist, ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 17 dargestellt.
Rz. 68
Die Stereolithographiemaschine umfasst einen Behälter zur Aufnahme eines Prepolymers mit einem transparenten Boden (200), eine Bauplattform (215), die über eine Hebeanlage (260) im Behälter in vertikaler Richtung bewegt werden kann, sowie eine UV-Lichtquelle, deren Strahlung über die Blende (220) auf die Maske (210) auf dem Behälterboden gerichtet wird, um die dort befindliche Werkstoffschicht zu belichten und so auszuhärten. An der Behälterwand ist das Heizmittel in Form einer Vollmantelheizung (320) angebracht. Das Heizmittel ist mit einer Steuereinheit (130) verbunden, die von einem Computer (120) Anweisungen zu der anzusteuernden Temperatur enthält (HE5 Sp. 16 Z. 42-47).
Rz. 69
bb) Damit sind die Merkmale 1.a, 1.c und 1.d sowie die Merkmalsgruppen 2 und 4 offenbart.
Rz. 70
cc) Mit dem die transparente Bodenplatte am Rand umfassenden, in Figur 17 nicht mit einem eigenen Bezugszeichen versehenen Bauteil dürfte auch eine Trägerplatte im Sinne von Merkmal 1.b offenbart sein, die entsprechend den Merkmalen 3.a und 3.b ausgestaltet ist.
Rz. 71
dd) Nicht offenbart ist dagegen Merkmalsgruppe 5. Das in Figur 17 gezeigte Ausführungsbeispiel umfasst zwar eine Temperaturkontrolleinheit. Das Heizelement (320) ist jedoch nicht mit einer Trägerplatte thermisch gekoppelt, sondern unmittelbar an der Wand des Werkstoffbehälters angebracht. Dass nach den Ausführungen in HE5 hinsichtlich der einsetzbaren Heizmittel ausdrücklich keine Beschränkung auf einen Heizmantel besteht, sondern zur Erhöhung der Temperatur im Werkstoffbehälter jedes gängige und geeignete Heizmittel eingesetzt werden kann (HE5 Sp. 16 Z. 37 f.; Sp. 9 Z. 41-44), ändert nichts an der fehlenden Offenbarung der Merkmalsgruppe 5. Auch in Bezug auf die anderen nach HE5 in Betracht kommenden Heizmittel ist eine thermische Kopplung mit einer Trägerplatte nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
Rz. 72
e) Der Fachmann hatte Anlass, auch eine Stereolithographiemaschine der in HE13 und HE6 offenbarten Bauart, bei der die Belichtung des Werkstoffs von unten über den Boden des Materialbehälters erfolgt, mit einer Heizvorrichtung oder einer Temperaturkontrolleinheit auszustatten.
Rz. 73
Sowohl der Beschreibung des US-amerikanischen Patents 4 575 330 (HE4), dessen Erfinder der Begründer der Stereolithographie ist, und das auf diesem Gebiet zum allgemeinen Fachwissen gerechnet werden kann, als auch der HE5, deren Lehre das Streitpatent verbessern will, und schließlich auch der HE7 konnte der Fachmann entnehmen, dass die Viskosität des Werkstoffs niedrig sein muss, damit nach Aushärtung einer Schicht das Material für die Bildung der nächsten Schicht zügig nachfließt (HE 4 Sp. 7 Z. 1-3; HE5 Sp. 11 Z. 40-45; HE7 S. 657 Abs. 1 a.E.). Dadurch können zum einen sog. Totzeiten vermieden und der Fertigungsprozess beschleunigt und zum anderen die gewünschte Schichtdicke präzise eingehalten werden (HE7 S. 657 Abs. 1 a.E.). Dass die Viskosität eines Fluids durch Erhitzen reduziert werden kann, gehört zum allgemeinen Fachwissen und ergibt sich überdies auch aus HE5 (Sp. 5 Z. 63-64, Sp. 16 Z. 21 f.) und HE7 (S. 659 Abs. 1 a.E.). Der HE5 und der HE7 konnte der Fachmann außerdem entnehmen, dass Stereolithographiemaschinen zu diesem Zweck mit Heizvorrichtungen versehen und dadurch nicht nur Materialien mit von Haus aus niedriger Viskosität verwendet, sondern auch Materialien eingesetzt werden können, die aufgrund ihrer hohen Viskosität bis dahin für die Stereolithographie ungeeignet waren (HE5 Sp. 11 Z. 40-50; HE7 S. 659 Abs. 1 a.E.).
Rz. 74
f) Eine Anregung, eine Stereolithographiemaschine der in HE13 und HE6 gezeigten Bauart, bei der die Belichtung des Materials von unten erfolgt, mit einer Temperaturkontrolleinheit entsprechend der Merkmalsgruppe 5 auszustatten, die mit einer Trägerplatte im Sinne der Merkmalsgruppe 3 thermisch gekoppelt ist, ergab sich indessen weder aus HE7 noch aus HE5.
Rz. 75
aa) Bei der Stereolithographiemaschine nach HE13 wird die mit dem Werkstoff befüllte Glaswanne zwar von einer gesonderten Platte getragen, die - wie oben dargelegt - den Anforderungen der Merkmalsgruppe 3 entspricht. Die Installierung einer Heizplatte unmittelbar unter dem Werkstoffbehälter, wie sie in HE7 offenbart ist, kommt bei einer Stereolithographiemaschine, bei der wie bei HE13 die Strahlenquelle unterhalb des Materialbehälters angeordnet ist, nicht in Betracht, da bei einem derartigen Aufbau eine Belichtung des Werkstoffs durch den Boden der Glaswanne nicht mehr möglich wäre. Eine Anregung, auf eine gesonderte Heizplatte zu verzichten und stattdessen die Trägerplatte thermisch mit Heizmitteln zu koppeln und so zugleich als Heizplatte zu nutzen, ergibt sich aus der HE7 nicht. Der Fachmann hätte eine derartige Konstruktion nicht zuletzt auch deshalb nicht in Erwägung gezogen, weil sich dadurch die noch zur Verfügung stehende Heizfläche erheblich verkleinert hätte.
Rz. 76
Ebenso wenig ergab sich aus der HE5 eine Anregung, die Trägerplatte der HE13 mit einer Temperaturkontrolleinheit gemäß Merkmalsgruppe 5 zu versehen. HE5 offenbart in dem in Figur 17 gezeigten Ausführungsbeispiel mit der Anbringung eines Heizmantels an der Behälterwand eine Möglichkeit, mit der über den gesamten Behälter hinweg eine gleichmäßige Temperatur aufrechterhalten und zugleich sichergestellt werden kann, dass das UV-Licht aus der unterhalb des Behälters angebrachten Strahlenquelle ungehindert auf die jeweilige Materialschicht am Behälterboden einwirken und diese aushärten kann. Eine Veranlassung, das Heizelement so anzubringen, dass es mit der den Behälter tragenden Platte und nicht unmittelbar mit dem Behälter thermisch gekoppelt ist, ergibt sich daraus nicht.
Rz. 77
bb) Ebenso wenig wäre der Fachmann ausgehend von HE6 in Verbindung mit HE7 oder HE5 zum Gegenstand der Erfindung gelangt. Bei der in HE6 offenbarten Stereolithographiemaschine fehlt es anders als bei HE13 nicht nur an einem Heizmittel, sondern überdies auch an einer gesonderten Trägerplatte im Sinne der Merkmalsgruppe 3, die der Fachmann für eine thermische Kopplung mit den Heizmitteln einer Temperaturkontrolleinheit entsprechend der Merkmalsgruppe 5 hätte in Betracht ziehen können. Auch insoweit ergeben sich aus HE7 und HE5, die ohne eine Trägerplatte für den Materialbehälter auskommen, keine Anregungen.
Rz. 78
cc) Über die fehlende Anregung hilft auch nicht der in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz hinweg, dass Veranlassung zur Heranziehung einer technischen Lösung, die als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehört, bereits dann bestehen kann, wenn es für die Anwendung dieser Lösung zwar kein konkretes Vorbild gibt, die Nutzung ihrer Funktionalität in dem betreffenden Zusammenhang sich aber als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände festzustellen sind, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem; Urteil vom 26. September 2017 - X ZR 109/15, GRUR 2018, 509 Rn. 113 - Spinfrequenz; Urteil vom 27. März 2018 - X ZR 59/16, GRUR 2018, 716 Rn. 29 - Kinderbett).
Rz. 79
Die thermische Kopplung von Heizmitteln mit einer Platte, die einen Behälter trägt, dessen Boden für eine Bestrahlung mit UV-Licht zur Aushärtung des Werkstoffs frei zugänglich sein muss, und die daher eine entsprechende Öffnung aufweist, stellt kein vielfältig einsetzbares Mittel im Sinne dieser Rechtsprechung dar.
Rz. 80
2. Das Patentgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 11 patentfähig ist.
Rz. 81
a) Der Gegenstand von Patentanspruch 11 ist neu.
Rz. 82
aa) HE13 offenbart den Gegenstand von Patentanspruch 11 nicht vollständig.
Rz. 83
(1) Bei der Stereolithographiemaschine nach HE13 erstellt der im Unterbau angeordnete DLP-Projektor für jede Schicht des herzustellenden 3D-Objekts Baudaten, die er als Bildmaske auf den als Bauebene fungierenden Boden der auf einer Platte auf dem Unterbau angeordneten Glaswanne projiziert. An den durchsichtigen Stellen der Maske wird der Werkstoff auf dem Boden der Glaswanne belichtet und so ausgehärtet. Die erste auf diese Weise gebildete Schicht des 3D-Objekts haftet an der Bauplattform an, die oberhalb der Wanne angeordnet und bei Bildung der ersten Schicht auf die Höhe einer Schichtstärke über dem Wannenboden abgesenkt ist. Jede weitere Schicht haftet mit ihrer Belichtung und Verfestigung an der vorhergehenden Schicht an. Ein Anhaften des belichteten Materials am Glasboden wird durch eine spezielle Beschichtung verhindert. Nach jeder Belichtung wird die Bauplattform um eine Schichtstärke in vertikaler Richtung nach oben angehoben. Durch den Sog der eingetauchten Bereiche des Bauteils und durch die Schwerkraft fließt neues Material zur Bildung der nächsten Schicht zwischen die zuletzt belichtete Schicht und den Glasboden. Auf diese Weise wächst das 3D-Objekt kopfüber Schicht für Schicht aus dem Bauraum (HE13 S. 106 Kap. 3.1.8 unter "Kurzbeschreibung"; S. 107 unter "Prinzip der Schichtgenerierung").
Rz. 84
(2) Damit ist ein Verfahren mit den Merkmalen 11.a bis 11.e offenbart.
Rz. 85
(3) Nicht offenbart ist Merkmal 11.f.
Rz. 86
Das in Kapitel 3.1.8 der HE13 genannte Produkt N. des Unternehmens E., bei dem es sich um ein mit bis zu 80 Gewichtsprozent mit Keramikteilchen gefülltes Harz handelt, das mit den beschriebenen Stereolithographiemaschinen verarbeitet werden kann (HE13 S. 108 unter "Material/Bauzeit/Genauigkeiten"), stellt zwar eine flüssige Substanz dar, die in einem Gemisch verschiedener Bestandteile besteht. Das weitere in Merkmal 11.f genannte Kriterium, wonach die Bestandteile des Gemischs dazu neigen, sich bei Raumtemperatur zu trennen, wird dagegen mit dem Hinweis auf N. als tauglicher Werkstoff nicht offenbart. Insbesondere kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von einer entsprechenden Offenbarung ausgegangen werden, weil dieser Teil von Merkmal 11.f implizit in der Beschreibung des Produkts N. in HE13 enthalten wäre und vom Fachmann mitgelesen würde.
Rz. 87
Dass das Produkt N. als Gemisch aus Harz und Keramikteilchen unter die Definition von Hybridharzen in der Streitpatentschrift fällt (Abs. 8) und nach den Ausführungen in der Beschreibung dem Streitpatent die Erkenntnis des Anmelders zugrundeliegt, dass Hybridharze bei der Verarbeitung in einer Stereolithographiemaschine dazu neigen, sich in ihre Bestandteile zu trennen (Abs. 13), offenbart entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig, dass N. die Neigung hat, sich bei Raumtemperatur in seine Bestandteile zu trennen. Die Lehre von Patentanspruch 11 adressiert Hybridharze, deren Bestandteile sich unter bestimmten Bedingungen trennen. Damit bestimmt Merkmal 11.f eine Eigenschaft der Substanz, die für das Stereolithographieverfahren nach Patentanspruch 11 verwendet wird; damit wird aber nicht umgekehrt definiert, was allgemein unter einem Hybridharz zu verstehen ist. Insbesondere stellen auch die Ausführungen in Absatz 13 der Beschreibung des Streitpatents keine Definition in dem Sinne dar, dass sämtlichen Hybridharzen die Neigung immanent ist, sich in ihre Bestandteile zu trennen. Es ist daher auch nicht ausgeschlossen, dass es Hybridharze gibt, die nicht vom Schutzbereich der Lehre von Patentanspruch 11 des Streitpatents erfasst werden.
Rz. 88
Dass der Fachmann Eigenschaften und das Verhalten des Produkts N. unter bestimmten Bedingungen gegebenenfalls mit Hilfe von Datenblättern und Überschlagsrechnungen sowie aufgrund seines Fachwissens über mit Partikeln beladene Flüssigkeiten recherchieren kann, ändert nichts daran, dass Merkmal 11.f aus dem Offenbarungsgehalt der HE13 nicht unmittelbar und eindeutig hervorgeht.
Rz. 89
(4) Merkmal 11.g ist ebenfalls nicht offenbart.
Rz. 90
In HE13 wird weder ein Verfahrensschritt noch eine Vorrichtung zum Zwecke der Erwärmung des Materialbehälters und seines Inhalts erwähnt, so dass es auch an einer Offenbarung von Merkmal 11.g fehlt.
Rz. 91
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 11 war dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
Rz. 92
Soweit in den Entgegenhaltungen HE5 und HE7 eine Erwärmung des Werkstoffs vorgeschlagen wird, geschieht dies, um die Viskosität des Materials zu reduzieren und ein besseres Fließverhalten zu erreichen. Das Problem der Sedimentation wird dagegen in keiner der beiden Vorveröffentlichungen angesprochen.
Rz. 93
3. Auf die übrigen Entgegenhaltungen, die im angefochtenen Urteil abgehandelt werden, ist die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr zurückgekommen. Sie kommen der Erfindung nicht näher als der vorstehend beurteilte Stand der Technik und legen daher die Lehre der Patentansprüche 1 und 11 sowie der darauf zurückbezogenen Ansprüche ebenfalls nicht nahe.
Rz. 94
IV. Die von der Klägerin erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte Dissertation von Provin zur Erlangung eines Doktorgrades des Nationalen Polytechnischen Instituts von Lothringen (HE22) ist gemäß § 117 PatG in Verbindung mit § 529 Abs. 1 Nr. 2 und § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.
Rz. 95
1. Die neue Entgegenhaltung betrifft keinen Gesichtspunkt, den das Patentgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ihre Vorlage ist in erster Instanz auch nicht aufgrund eines Verfahrensmangels unterblieben (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), sondern deshalb, weil die Klägerin erst im Rahmen weiterer Recherchen für das Berufungsverfahren von ihr Kenntnis erlangt hat.
Rz. 96
2. Die Entgegenhaltung darf auch nicht gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO berücksichtigt werden. Denn es beruht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin oder ihrer Prozessbevollmächtigten, für deren Verschulden sie gemäß § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hat, dass sie die Entgegenhaltung nicht schon in erster Instanz aufgefunden und zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat.
Rz. 97
Nach der Rechtsprechung des Senats darf eine Entgegenhaltung, auf die der Kläger erst in zweiter Instanz aufmerksam geworden ist, gemäß § 117 Satz 1 PatG und § 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO nur dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht, warum eine Recherche, die das Dokument zutage gefördert hätte, in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Hierzu muss der Kläger konkret dartun, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt und warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 - X ZR 180/18, GRUR 2021, 701 Rn. 87 - Scheibenbremse; Urteil vom 27. August 2013 - X ZR 19/12, BGHZ 198, 187 Rn. 30 f. - Tretkurbeleinheit).
Rz. 98
Dem Vortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass die von ihr veranlassten Recherchen diesen Anforderungen gerecht werden.
Rz. 99
a) Die Klägerin hat geltend gemacht, erst mit dem angefochtenen Urteil sei deutlich geworden, dass das Patentgericht eine Anpassung der Heizplatte nach der HE7 an die Trägerplatte der in HE6 und HE13 offenbarten Stereolithographiemaschinen für nicht gangbar gehalten habe, weil diese nach seiner Auffassung mit einer zentralen Öffnung zum Durchtritt des Strahlenbündels hätte ausgestaltet werden müssen. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin verstärkt nach Heizelementen gesucht, bei denen eine derartige Anpassung ohne weiteres möglich sei. Im Zuge dieser Recherche sei sie auf die HE22 gestoßen, die eine Heizvorrichtung offenbare, deren mit einem Wärmebad verbundene Kupferplatte mit nur geringem Aufwand mit einer mittigen Öffnung versehen werden könne.
Rz. 100
Diese Begründung ist nicht geeignet, eine nachlässige Prozessführung auszuschließen. Das Patentgericht hat in seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zwar - anders als im angefochtenen Urteil - nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Heizplatte nach der HE7 mit einer Öffnung für den Durchtritt der Strahlung versehen müsste. Es hat indessen auch schon im Hinweis zum Ausdruck gebracht, dass der Fachmann die Heizplatte der HE7 nicht für eine Stereolithographiemaschine nach der HE6 übernommen hätte, weil diese Heizplatte der von unten auf den Behälter gerichteten Strahlung im Weg gestanden hätte. Danach hatte die Klägerin bereits nach dem Hinweis Anlass, ihre Recherche auf Stereolithographiemaschinen mit entsprechend anpassbaren Heizplatten zu erstrecken.
Rz. 101
b) Ebenso wenig kann die Klägerin die fehlende Nachlässigkeit damit begründen, dass das Auffinden der HE22 durch den Umstand verhindert worden sei, diese Schrift sei nur auf Französisch verfügbar gewesen und es gebe keine englischsprachige Kurzdarstellung (abstract) hierzu.
Rz. 102
Darzulegen ist, warum eine Recherche auch bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Dem ist die Klägerin wie oben ausgeführt, nicht nachgekommen.
Rz. 103
c) Unabhängig von der Frage, ob die Vorlage der HE22 als verspätet anzusehen ist, ist auch zweifelhaft, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 mit dieser Schrift nahegelegt ist.
Rz. 104
Auch wenn die Kupferplatte möglicherweise ohne großen Aufwand mit einer Öffnung versehen werden könnte, mag auch die HE22, wie schon die Entgegenhaltungen HE5 und HE7 zwar die Anregung vermitteln, eine Stereolithographiemaschine überhaupt mit Heizmitteln auszustatten. Eine Anregung, die Heizmittel entsprechend den Merkmalsgruppen 5 und 3 thermisch mit einer Trägerplatte zu koppeln, die eine Öffnung aufweist, lässt sich indessen auch der HE22 nicht entnehmen, zumal bei der in HE22 offenbarten Stereolithographiemaschine die Belichtung anders als beim Streitpatent von oben erfolgt (HE22 S. 35 Abb. 3).
Rz. 105
d) Soweit die Klägerin die Dissertation HE22 zur Begründung dafür heranzieht, dass der Gegenstand von Patentanspruch 11 ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, hat sie nicht dargelegt, weshalb sie HE22 erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegt hat. Auch insoweit hätte nach den Ausführungen im Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG Anlass bestanden, diese Entgegenhaltung schon in der ersten Instanz vorzulegen.
Rz. 106
Unabhängig hiervon ist anzumerken, dass HE22 die Sedimentation des verwendeten Werkstoffs zwar analysiert (HE22 S. 60 unter Abschnitt C.III.4). Indessen werden dort keine Aussagen dazu getroffen, inwieweit die Temperatur des Werkstoffs dessen Sedimentation beeinflusst. Es wird lediglich festgestellt, dass es mehr als drei Stunden dauere, bis eine Entmischung eintrete, und dass dieser Zeitraum länger sei, als zur Herstellung des 3D-Objekts benötigt werde (HE22 S. 60 Abs. 3). Jedenfalls Merkmal 11.g wird dadurch nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
Rz. 107
V. Dem Gegenstand von Patentspruch 11 kann auch vor dem Hintergrund der von der Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Versuchsreihe HE25 nicht abgesprochen werden, dass er auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Ob die Versuchsreihe HE25 wegen verspäteter Vorlage nicht zu berücksichtigen ist, kann dahingestellt bleiben. Sie ist jedenfalls nicht geeignet zu belegen, dass die Merkmal 11.f zugrundeliegende technische Wirkung nicht existiere. Von daher kann nicht festgestellt werden, dass Merkmal 11.f nichts zur erfinderischen Tätigkeit beiträgt und deshalb bei deren Beurteilung nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2001 - X ZR 177/98, GRUR 2001, 730, 731 f. unter III. - Trigonellin).
Rz. 108
Die Versuchsreihe HE25 ist wie schon die in erster Instanz vorgelegten Versuche (HE19a-c, HE20, HE20a und HE21) nicht unter realen Bedingungen durchgeführt worden. Aus der Schilderung des Aufbaus des Experiments ergibt sich, dass lediglich das Sedimentationsverhalten des Materials bei unterschiedlichen Temperaturen untersucht, und daher nur die Heizung des 3D-Druckers aktiviert, aber kein Druckvorgang gestartet worden ist (HE25 S. 1 Kapitel 2 Abs. 4). Dies wird auch von der Berufung nicht in Frage gestellt. Diese bestätigt vielmehr, dass für die Versuche der Laser, der Wischer und die Modellierungsplattform des 3D-Druckers deaktiviert worden seien.
Rz. 109
Nach dem Ergebnis der Testreihe war bei dem einen der beiden getesteten Harze (F. [ ]) sowohl bei Raumtemperatur als auch bei einer erhöhten Temperatur von 35°C eine ausgeprägte Sedimentierung zu verzeichnen. Demgegenüber war bei dem weiteren getesteten Harz (D. [ ]) bei Raumtemperatur keine Sedimentierung wahrzunehmen und bei einer Erwärmung auf 35°C trat erst nach mehreren Tagen eine schwache Sedimentation auf. Damit ist lediglich belegt, dass die getesteten Harze bei Erwärmung unterschiedlich reagieren, wobei das letztgenannte Harz bereits nicht den Vorgaben des Merkmals 11.f entspricht. Eine Schlussfolgerung dahingehend, dass es keine Gemische gibt, bei denen die Sedimentierung durch Erwärmung vermieden wird, lässt die Versuchsreihe HE25 nicht zu. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Harze unter den realen Bedingungen eines Stereolithographieprozesses, beispielsweise durch das abwechselnde Anheben und Absenken der Bauplattform und der dadurch verursachten Turbulenzen und Konvektionsströme im Materialbehälter, in anderer Weise reagieren, als unter den Bedingungen, unter denen die Klägerin die Versuchsreihe HE25 durchgeführt hat. Damit ist auch durch die Versuchsreihe HE25 nicht ausgeschlossen, dass der Merkmal 11.f zugrundeliegende Effekt eintreten kann.
Rz. 110
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
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RiBGH Hoffmann ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. |
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